Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr.
Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** K*****, vertreten durch Neumayer, Walter & Haslinger Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Dr. M***** G*****, vertreten durch Baier Rechtsanwälte KG in Wien, und 2. G***** O***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Auskunft und Rechnungslegung (Streitwert 10.000 EUR) sowie Feststellung (Streitwert 1.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. Mai 2019, GZ 1 R 350/18v-15, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 30. August 2018, GZ 1 C 110/18k-10, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei
ist schuldig, binnen 14 Tagen den beklagten Parteien die jeweils mit 800,58 EUR (darin enthalten 143,43 EUR USt)
bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die W***** Aktiengesellschaft, die zuletzt unter W***** AG firmierte, begab zum 12. 12. 2013 als Emittentin eine Anleihe mit einem Gesamtwert von 5.000.000 EUR, einer Verzinsung von 6,5 % und einer Stückelung von 50.000 Stück à 100 EUR. Der Rückzahlungstermin war der 12. 12. 2018.
Am 20. 12. 2013 zeichnete der Kläger 119 Stück dieser Anleihe zu einem Ausgabekurs von 100,54 EUR pro Stück, sohin einer Investitionssumme von 11.964,26 EUR. Im Zeichungsschein verpflichtete er sich, die Investitionssumme inkl Agio „auf das Treuhand-Anderkonto der G***** G***** & O***** OG bei der R*****bank […]“ zu überweisen – was er sodann auch tat – und stimmte den Anleihebedingungen und dem Treuhandvertrag zu. Die G***** G***** & O***** OG firmiert nunmehr unter G***** O***** GmbH & Co KG (Zweitbeklagte). Der Erstbeklagte war von 4. 1. 2011 bis 24. 9. 2014 persönlich haftender Gesellschafter der Zweitbeklagten.
Der Zeichnung des Klägers lagen der Wertpapierprospekt, der Treuhandvertrag und die Anleihebedingungen der W***** Aktiengesellschaft zugrunde. Die Anleihebedingungen sahen vor, dass die Anleihe bei einer Verwendung des Anleihekapitals zum Liegenschaftserwerb „mit einer grundbücherlichen Sicherstellung der Anleihegläubiger bzw des investierten Anleihekapitals durch einen Treuhänder aufgrund eines abgeschlossenen Treuhandvertrages verbunden [ist]“. Die grundbücherliche Sicherstellung sollte im Fall der gänzlichen Finanzierung eines Liegenschaftserwerbs aus dem Anleihekapital erstrangig, beim Hinzutreten einer Bank als Finanzier zweitrangig erfolgen.
Zwischen der W***** Aktiengesellschaft und dem Erstbeklagten wurde ein „Treuhandvertrag“ abgeschlossen, der im Kapitalmarktprospekt zur Anleihe enthalten war. Der Treuhandvertrag sah unter anderem vor, dass der Erstbeklagte „gemeinsamer Vertreter der Inhaber von Anleihen (von Teilschuldverschreibungen im Sinne der §§ 15a f KuratorenG) dieses Treuhandvertrages, der Pfandurkunde und der Anleihebedingungen“ sein sollte; dass das Treuhandverhältnis durch Zeichnung der Anleihe seitens jedes einzelnen Anleihegläubigers und Unterfertigung des Treuhandvertrags durch die W***** Aktiengesellschaft und den Erstbeklagten zugunsten jedes einzelnen Anleihegläubigers begründet werde und es „[e]iner gesonderten Unterfertigung durch die Anleihegläubiger [nicht bedarf], zumal dieser Treuhandvertrag einen integrierenden Bestandteil der Anleihebedingungen darstellt“; dass die Ansprüche der Anleihegläubiger aus dem Treuhandvertrag mit jeder Übertragung von Anleihen an den jeweils aktuellen Inhaber der Anleihen mit allen Rechten und Pflichten übertragen würden, ohne dass es einer gesonderten Erklärung der W***** Aktiengesellschaft, des Erstbeklagten oder eines Anleihegläubigers bedürfe.
Am 2. 2. 2018 wurde über das Vermögen der W***** AG das Insolvenzverfahren eröffnet. Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 2. 2. 2018 wurde Dr. P***** zur Kuratorin gemäß § 1 TSchVG in allen Angelegenheiten bestellt, welche gemeinsame Rechte der Besitzer der vom Kläger erworbenen Anleihe betreffen, insbesondere zum Zweck der Vornahme aller Vertretungshandlungen im Rahmen und aus Anlass des Konkursverfahrens.
Der Kläger nimmt mit seiner Klage die Beklagten als Treuhänder und den Erstbeklagten zudem als Organ der Zweitbeklagten aus einem „schlüssigen individuellen Treuhandvertrag“ mit ihm auf Rechnungslegung und Erteilung bestimmter Auskünfte in Anspruch, insbesondere hinsichtlich der Verwendung der Treuhandbeträge und dem Schicksal der Treuhandpfandrechte. Die Beklagten schuldeten „den Nachweis der Verwendung, Sicherstellung und der Gestion des Treuhanderlages“. Die Beklagten seien als Treuhänder abrechnungspflichtig. Weiters begehrt der Kläger – im Wesentlichen – die Feststellung der Haftung der Beklagten für den ihm aus dem Erwerb der Anleihe daraus entstehenden Schaden, dass Anleihebeträge nicht im Sinne der Anleihebedingungen verwendet bzw sichergestellt worden seien, die Beklagten somit treuwidrig gehandelt hätten. Sie hafteten „für die Schäden aus der Nichtsicherstellung und Vorrangeinräumung der Pfandrechte Dritter und der Vermögensschädigung“. Weil zu wenige Pfandrechte begründet und einige aufgegeben oder durch Vorrangeinräumung entwertet worden seien, bestünden zu wenig Sicherungen der Anleihegläubiger; daher sei „der Anspruch ex delicto zwingend der eines Geschädigten und nicht eines Kurators“. Der Treuhandvertrag entfalte Schutzwirkung zugunsten Dritter. Der Schaden könne deshalb nicht beziffert werden, da nicht sämtliche Liegenschaften bereits verwertet worden seien und über die Verwendung der Gelder noch keine Rechnung gelegt worden sei. Die Rechte entsprängen „nicht der Teilschuldverschreibung, sondern dem daneben geschlossenen Treuhandvertrag“.
Beide Beklagten wandten unter anderem fehlende Aktivlegitimation mit der Begründung ein, der Kläger mache Angelegenheiten im Sinne des § 9 TSchVG geltend, für die die bestellte Kuratorin allein zuständig wäre, sowie gegen das Feststellungsbegehren, dass es dem Kläger am rechtlichen Interesse fehle, weil er bereits Leistungsklage erheben könne.
Das Erstgericht schränkte „aus prozessökonomischen Gründen“ das Verfahren „auf die Frage der Aktivlegitimation ein“ und wies die Klage ab. Der Kläger sei zur Stellung eines Rechnungslegungs- und Informationsbegehrens nicht aktivlegitimiert. Er mache dieses Begehren aus dem Treuhandvertrag als einer der Anleihezeichner geltend, obgleich eine gemeinsame Angelegenheit im Sinne des TSchVG vorliege. Die Einholung der Informationen durch die Kuratorin wäre verfahrensökonomisch. In Hinsicht auf das Feststellungsbegehren fehle es am Feststellungsinteresse des Klägers.
Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige, und ließ die Revision mangels ausreichender höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage der gemeinsamen Angelegenheit im Sinne des § 9 TSchVG zu.
Der Kläger beantragt
mit seiner aus den Rechtsmittelgründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobenen Revision, der Klage stattzugeben.
Die Beklagten beantragen mit ihren Revisionsbeantwortungen, die Revision zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zur Klärung der Rechtslage zulässig, aber nicht berechtigt.
Zum Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehren:
I. Der Kläger wendet sich unter dem Titel der Aktenwidrigkeit gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, die Treuhandverhältnisse seien Teil der Anleihebedingungen und damit des Gesamtrechtsverhältnisses. Die betreffende Passage findet sich in der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts. Der exakte Wortlaut des vom Kläger als relevant erachteten Punktes 3.3. der Anleihebedingungen, zu dem sich seiner Ansicht nach das Berufungsgericht in der betreffenden Passage in Widerspruch setzte, wurde vom Berufungsgericht in seinen Feststellungen wiedergegeben. Da der Rechtsmittelgrund der Aktenwidrigkeit nur dann gegeben ist, wenn die Feststellungen auf aktenwidriger Grundlage getroffen wurden (A. Kodek in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 471 Rz 14 mwN), liegt dieser Rechtsmittelgrund hier nicht vor.
II.1. Gemäß § 1 Satz 1 TeilschuldverschreibungsG (Gesetz vom 24. 4. 1874, RGBl 1874/49, betreffend die gemeinsame Vertretung der Rechte der Besitzer von auf Inhaber lautenden oder durch Indossament übertragbaren Teilschuldverschreibungen und die bücherliche Behandlung der für solche Teilschuldverschreibungen eingeräumten Hypothekarrechte – auch „Kuratorengesetz“ genannt; im Folgenden: TSchVG) ist, wenn über eine Darlehensforderung auf Inhaber lautende oder durch Indossament übertragbare Teilschuldverschreibungen (Partialobligationen, Prioritätsobligationen, Lose und dergleichen) ausgegeben werden, für die jeweiligen Besitzer dieser Teilschuldverschreibungen vom Gericht ein gemeinsamer Kurator in allen Fällen zu bestellen, in welchen es sich ergibt, dass die Rechte dieser Besitzer wegen des Mangels einer gemeinsamen Vertretung gefährdet oder die Rechte eines Anderen in ihrem Gang gehemmt würden. Nach Satz 2 leg cit ist insbesondere auch im Fall eines über das Vermögen des aus den Teilschuldverschreibungen Verpflichteten ausgebrochenen Konkurses zur Vertretung der Rechte der Besitzer dieser Teilschuldverschreibungen ein Kurator zu bestellen.
Gemäß § 9 Abs 1 TSchVG können in Angelegenheiten, welche gemeinsame Rechte der Besitzer von Teilschuldverschreibungen betreffen, die einzelnen Besitzer ihre Rechte selbständig nicht geltend machen. Es bleibt ihnen nach Abs 2 leg cit jedoch unbenommen, in den vom gemeinsamen Kurator geführten Prozess als „Intervenienten“ auf ihre Kosten einzutreten. Handelt es sich um eine Angelegenheit, welche aus einem besonderen, zwischen einem einzelnen Besitzer von Teilschuldverschreibungen und dem Verpflichteten entstandenen Verhältnis entspringt, so steht diesem Besitzer nach Abs 3 leg cit die selbständige Geltendmachung seiner Rechte zu.
Gemäß § 15a Abs 1 Satz 1 TSchVG kann für die das Pfandrecht für Besitzer der
Teilschuldverschreibungen betreffenden Verfügungen, zu denen nach dem TSchVG der gemeinsame Kurator berufen ist, in der Pfandbestellungs- oder der Pfandübertragungsurkunde ein gemeinsamer Vertreter der Besitzer der
Teilschuldverschreibungen bestellt werden.
II.2. Einzelne Anleihegläubiger sind aufgrund von § 9 TSchVG nicht aktiv legitimiert, Ansprüche aus jenen Angelegenheiten geltend zu machen, die „gemeinsame Rechte der Besitzer von Teilschuldverschreibungen“ betreffen. Für die Geltendmachung dieser Angelegenheiten kommt vielmehr dem Kurator ein Monopol zu (2 Ob 2243/96h; 4 Ob 176/15h [Pkt 2 mwN] = GesRZ 2016, 224 [Brandl/Klausberger] = ÖBA 2016/2189 [Kalss] = ZFR 2016/93 [Baier]).
II.3. Das TSchVG schützt nur die aus den Teilschuldverschreibungen selbst abgeleiteten, „aus dem Papier folgenden“ Ansprüche (1 Ob 754/29 = SZ 11/188; 4 Ob 176/15h [Pkt 4.1]). Die gemeinsame Angelegenheit muss daher im Anleiheverhältnis begründet sein und die Rechtsposition aller Anleiheinhaber in gleicher Weise berühren (4 Ob 176/15h [Pkt 5.1]; G. Kodek, Groß- und Massenverfahren de lege lata und de lege ferenda, in Neumayr [Hrsg], Beschleunigung von Zivil- und Strafverfahren [2014] 1 [49]). Die Grundlage muss unmittelbar im Gesamtschuldverhältnis gegenüber dem Emittenten liegen (Kalss in Kalss/Moser, KurG [2018] § 9 Rz 22, 24). Gemeinsame Rechte sind in den Anleihebedingungen grundsätzlich vertraglich gestaltbar (Weber in Kalss/Moser, KurG § 1 Rz 16; zu den Grenzen vgl 9 Ob 81/08i; 6 Ob 220/16w = ZFR 2018/30 [Juster]).
II.4. Im vorliegenden Fall war aufgrund des Zeichnungsscheins und der Anleihebedingungen von Anfang an – und durchaus üblich (vgl Perner/Rabl, Wandelschuldverschreibungen und Treuhänderhypothek, ÖBA 2016, 877 ff; Moser/Fidler in Kalss/Moser, KurG Vor § 11 Rz 18) – vorgesehen, dass die Anleihe über einen Treuhänder bzw – § 15a TSchVG – gemeinsamen Vertreter abgewickelt werden sollte. Die Frage, ob und inwiefern die Beklagten als Treuhänder bzw gemeinsame Vertreter Anleiheinhabern zu Auskünften und zur Rechnungslegung verpflichtet sind, ist damit nicht nur im Anleiheverhältnis begründet, sondern betrifft auch alle Anleiheinhaber (Inhaber von Teilschuldverschreibungen) gleichermaßen. Soweit die Beklagten als gemeinsame Vertreter nach der – aus dem deutschen Rechtsbestand stammenden (vgl 6 Ob 220/16w [Punkt 2.2]) – Bestimmung des § 15a TSchVG in Anspruch genommen werden, ergibt sich im Übrigen bereits aus der gesetzlichen Bezeichnung das Vorliegen einer gemeinsamen Angelegenheit (vgl auch § 7 Abs 3 des heutigen deutschen Schuldverscheibungsgesetzes und dazu Veranneman in Veranneman, Schuldverschreibungsgesetz2 [2016] §§ 7, 8 Rz 73: keine selbständige Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen den gemeinsamen Vertreter durch einzelne Anleihegläubiger).
II.5. Dass die Beklagten nicht die Anleihe emittierten, steht einer Geltendmachung von (allfälligen) Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüchen durch die Kuratorin gegen sie nicht entgegen, da weder § 1 noch § 9 TSchVG zu entnehmen ist, dass die Zuständigkeit der Kuratorin auf die Rechtsvertretung der Anleiheinhaber gegenüber dem Emittenten beschränkt ist.
II.6. Zur Geltendmachung von Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüchen gegen die Beklagten als (allfällige) Treuhänder und/oder gemeinsame Vertreter ist damit allein die bestellte Kuratorin Dr. P***** aktiv legitimiert. Dies entspricht auch – wie vom Erstgericht zutreffend erkannt – dem Zweck des § 9 Abs 1 TSchVG, nicht nur die Gleichbehandlung der Teilschuld-verschreibungsinhaber zu gewährleisten, sondern auch möglichen Interessenkollisionen zwischen diesen vorzubeugen und eine verfahrensökonomische und kostengünstige Bewältigung der gemeinsamen Angelegenheit zu ermöglichen (1 Ob 325/37 = SZ 19/110 [292]; 4 Ob 176/15h [Pkt 2 und 5.1]; Kalss in Kalss/Moser, KurG Einleitung KurG Rz 31 und § 9 Rz 7 mwN).
Die Beurteilung der Vorinstanzen, der Kläger nehme die Beklagten als Treuhänder und gemeinsame Vertreter in einer gemeinsamen Angelegenheit auf Auskunft und Rechnungslegung in Anspruch, obgleich er dazu nach § 9 TSchVG nicht aktivlegitimiert sei, ist damit nicht korrekturbedürftig.
II.7. Wenn der Kläger dieser – wie bereits erörtert zutreffenden – rechtlichen Beurteilung der Vorinstanzen entgegenhält, er habe „das Klagebegehren“ auch auf deliktische Schädigung und Veruntreuung, insbesondere Prospekthaftung, gestützt, und darauf hinweist, dass diese Ansprüche von § 9 TSchVG nicht erfasst seien, so übersieht er, dass er in Hinsicht auf das Rechnungs- und Auskunftsbegehren aus der – von ihm im Übrigen nur unsubstantiiert vorgebrachten – „Mitwirkung [der Beklagten] an Verbreitung missverständlicher Factsheets und Bestätigungen“ in erster Instanz lediglich das Vorliegen eines Treuhandvertrags ableitete. Dies bestätigt er gegen Ende der Revision im Übrigen selbst, wenn er erklärt, Punkt 1. seines Klagebegehrens sei ein Rechnungslegungs- und Informationsbegehren gegen den Treuhänder. Ansprüche gegen die Beklagten als (vermeintliche) Treuhänder (und gemeinsame Vertreter im Sinne des § 15a TSchVG) sind aber – wie bereits ausgeführt – im vorliegenden Fall gemeinschaftliche im Sinne des § 9 TSchVG. Ob die Beklagten tatsächlich Treuhänder (und gemeinsame Vertreter) waren, ist eine Frage der Berechtigung des Klagebegehrens, nicht der Aktivlegitimation nach § 9 TSchVG zur Erhebung eines Rechnungs- und Auskunftsbegehrens gegen sie.
II.8. Die Klage wurde hinsichtlich des Auskunfts- und Rechnungslegungsbegehrens aus diesen Gründen zurecht mangels Aktivlegitimation des Klägers abgewiesen.
Zum Feststellungsbegehren:
III. Gegen die Abweisung seines Feststellungsbegehrens mangels Feststellungsinteresses wendet der Kläger in der Revision ein, ein Feststellungsinteresse sei sehr wohl gegeben, weil der Eintritt eines Schadens in Höhe des vollen Anlagebetrags noch nicht feststehe. Mangels Offenlegung durch die Beklagten, was mit seinem Geld tatsächlich geschehen sei, sei es ihnen nämlich „möglich einzuwenden, dass einzelne [...] Treuhandpfandrechte mangels Verwertungserlöses über das Pfandrechte der den Ankauf finanzierenden Bank hinaus, nicht zum Zuge kamen“. Der Kläger führt somit im Wesentlichen ins Treffen, dass ihm unter Umständen aus der Verwertung von Liegenschaften noch Gelder in unbekannter Höhe zufließen könnten.
III.1. Zunächst ist festzuhalten, dass das Erstgericht entgegen seiner Einschränkung des Verfahrens auf den Einwand der fehlenden Aktivlegitimation das Feststellungsbegehren mangels rechtlichen Feststellungsinteresses abwies. Dies wurde im Berufungsverfahren jedoch von keiner Partei gerügt, weshalb ein allfälliger Verfahrensmangel geheilt ist.
III.2. Das vom Kläger erhobene Feststellungsbegehren setzt gemäß § 228 ZPO ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung eines Rechts oder Rechtsverhältnisses voraus. Regelmäßig verneint wird das Feststellungsinteresse dann, wenn der Kläger seinen Anspruch bereits zur Gänze mit Leistungsklage geltend machen kann (RS0038817). Die Möglichkeit der Leistungsklage verdrängt bei gleichem Rechtsschutzeffekt die Feststellungsklage (Subsidiarität der Feststellungsklage – RS0038849; RS0039021).
III.3. Entscheidend ist hier, dass der Kläger nicht mehr im Besitz der investierten 11.964,26 EUR ist. Eine mit dem Einbringlichkeitsrisiko behaftete Geldforderung ist nicht dem Besitz des entsprechenden Geldbetrags gleichzuhalten (10 Ob 14/03m). Der Schaden (die Vermögensminderung) tritt nicht erst mit der endgültigen Uneinbringlichkeit einer Rückersatzforderung ein, sondern schon mit der vom Ersatzpflichtigen zu vertretenden, den anderen schädigenden Leistung, wenn der Ersatzpflichtige nicht bereit bzw nicht in der Lage ist, seiner Verpflichtung zum Rückersatz nachzukommen (RS0022602 [T7]). Schon weil die Emittentin insolvent und damit nicht in der Lage ist, die Anleihe dem Kläger wieder auszuzahlen, ist diesem ein Schaden in Höhe des investierten Betrags entstanden. Daran ändert nichts, dass noch nicht feststeht, wieviel dem Kläger aus der Versteigerung von Liegenschaften zufließen bzw wie hoch die Konkursquote sein wird (10 Ob 14/03m; Frauenberger-Pfeiler in Fasching/Konecny3 III/1 § 228 ZPO Rz 97). Bezüglich bereits fälliger Schadenersatzansprüche ist die Feststellungsklage nicht deshalb zulässig, weil sich die Schadenssumme durch Zahlungen Dritter – hier der Insolvenzmasse und der Sondermassen im Konkurs über das Vermögen der Emittentin – vermindern kann (RS0038934 [T5]; Frauenberger-Pfeiler aaO Rz 115). Es wäre dem Kläger daher sehr wohl bereits möglich gewesen, die Leistungsklage gegen die Beklagten zu erheben.
III.4. Zu ergänzen bleibt, dass die umfangreichen Ausführungen des Klägers in seiner Revision zu einer möglichen Haftung der Beklagten abseits einer Treuhandschaft, insbesondere aus dem Titel der Prospekthaftung, ins Leere gehen, weil auch bei Bejahung einer solchen Haftung ihm die Erhebung einer Leistungsklage bereits möglich wäre. Sein Feststellungsbegehren wurde von den Vorinstanzen mangels rechtlichen Interesses zutreffend abgewiesen.
IV. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Dem Erst- und der Zweitbeklagten gebührt keine über dem Tarif liegende Entlohnung, weil nicht gesagt werden kann, die Leistung ihrer Rechtsvertreter überstiegen nach Umfang oder Art den Durchschnitt erheblich (§
21 Abs 1 Satz 2 RATG).
Textnummer
E126767European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2019:0090OB00065.19B.1030.000Im RIS seit
05.12.2019Zuletzt aktualisiert am
11.08.2020