TE OGH 2019/11/19 10Ob77/19z

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Veröffentlicht am 19.11.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr.

 Neumayr als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann, den Hofrat Mag. Ziegelbauer und die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Unterhaltssache des ***** 2001 geborenen J*****, vertreten durch Mag. Hermann Fröschl, Rechtsanwalt in Wien, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der unterhaltspflichtigen Mutter Ing. Mag. M*****, vertreten durch Mag. Gernot Steier, Rechtsanwalt in Neulengbach, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 17. September 2019, GZ 23 R 347/19f-202, mit dem der Rekurs der Mutter gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Purkersdorf vom 5. August 2019, GZ 1 Pu 27/17s-186, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Die Revisionsrekursbeantwortung des Kindes wird zurückgewiesen.

II. Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die Entscheidung über den Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Das Erstgericht verpflichtete die Mutter mit Beschluss vom 23. 8. 2018 (ON 125), dem (damals noch minderjährigen, seit 9. 6. 2019 volljährigen) Kind vom 1. 6. bis 31. 12. 2015 540 EUR, vom 1. 1. bis 30. 6. 2016 560 EUR und ab 1. 7. 2016 620 EUR an monatlichem Unterhalt zu zahlen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter mit Beschluss vom 10. 10. 2018 (ON 139) teilweise Folge. Es reduzierte die monatlichen Unterhaltsbeträge auf 370 EUR, 430 EUR sowie laufend ab 1. 7. 2016 auf 470 EUR. Der Revisionsrekurs wurde nicht zugelassen.

Die Mutter erhob fristgerecht eine (als außerordentlicher Revisionsrekurs bezeichnete) Zulassungsvorstellung (§ 63 Abs 1 und 2 AußStrG), die das Rekursgericht mit unanfechtbarem (§ 68 Abs 4 Satz 2 AußStrG) Beschluss vom 6. 3. 2019 (ON 157) einschließlich des Revisionsrekurses zurückwies. Dieser Beschluss wurde der Mutter erst am 6. 8. 2019 zugestellt. Bereits am 5. 4. 2019 hatte das Erstgericht die Vollstreckbarkeit des Beschlusses vom 10. 10. 2018 bestätigt.

Am 2. 8. 2019 (ON 185) beantragte die Mutter beim Erstgericht die Aufhebung dieser Vollstreckbarkeitsbestätigung und die Einstellung des zu ***** eingeleiteten Exekutionsverfahrens.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung zurück (ON 186). Der unanfechtbare Beschluss des Rekursgerichts vom 6. 3. 2019 (ON 157) sei einschließlich des zugrundeliegenden Unterhaltstitels vom 10. 10. 2018 (ON 139) unabhängig von der irrtümlich noch nicht erfolgten Zustellung iSd § 43 AußStrG rechtswirksam und vollstreckbar.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der Mutter mangels Beschwer zurück und ließ den Revisionsrekurs nicht zu. Die Festsetzung der Geldunterhaltsverpflichtung sei zwar zum Zeitpunkt der Bestätigung der Vollstreckbarkeit mangels Zustellung der Entscheidung über die Zulassungsvorstellung formell noch nicht rechtskräftig gewesen. Mittlerweile sei die formelle Rechtskraft jedoch eingetreten und damit die Beschwer weggefallen.

Rechtliche Beurteilung

Der – vom Kind beantwortete – außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter ist zulässig und berechtigt.

1. Für dieses Verfahren über die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung nach § 7 Abs 3 EO gelten die Grundsätze des außerstreitigen Unterhaltsverfahrens als Titelverfahren (RIS-Justiz RS0001596).

2. Der Beschluss des Rekursgerichts über die Zurückweisung des Rekurses mangels Beschwer ist nur unter den Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG anfechtbar (RS0120565 [T4]). Die Entscheidung muss daher von der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängen. Eine solche zeigt der Revisionsrekurs der Mutter auf.

3. Das Revisionsrekursverfahren gegen die Zurückweisung eines Rekurses durch das Rekursgericht ist nach der Rechtsprechung zu § 68 AußStrG regelmäßig einseitig (RS0120614; RS0132250). Die Rechtsprechung zur Zweiseitigkeit des Rechtsmittelverfahrens bei Anträgen nach § 7 Abs 3 EO analog der im streitigen Titelverfahren anzuwendenden Bestimmung des § 521a ZPO (3 Ob 168/07p; RS0121467) ist hier nicht relevant.

4. Den Parteien muss trotz Einseitigkeit des Revisionsrekursverfahrens nach § 52 Abs 1 Satz 2 AußStrG, der im Revisionsrekursverfahren sinngemäß anzuwenden ist (§ 71 Abs 4 AußStrG), Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden, wenn sie nur so ihren Anspruch auf rechtliches Gehör wahren können. Das ist unter anderem der Fall, wenn das Rechtsmittel zulässige Neuerungen enthält (Klicka in Rechberger, AußStrG² § 68 Rz 4; Schramm in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 68 Rz 12), wie zum Beispiel die Darlegung von Tatsachen, die gegen eine Verspätung des zurückgewiesenen Rechtsmittels sprechen (1 Ob 126/19i). Vergleichbares liegt hier nicht vor, weil eine Rechtsfrage im Zusammenhang mit dem nachträglichen Eintritt der Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels zu klären ist. Die Revisionsrekursbeantwortung des Kindes ist deshalb als unzulässig zurückzuweisen.

5. Im Verfahren nach § 7 Abs 3 EO ist nur zu prüfen, ob die Vollstreckbarkeitsbestätigung gesetzwidrig oder irrtümlich erteilt wurde (RS0001566 [T1]). Diese Bestätigung darf nur erteilt werden, wenn der Exekutionstitel keinem die Exekution hemmenden Rechtszug unterliegt und die Leistungsfrist abgelaufen ist (1 Ob 22/14p mwN). Wie das Rekursgericht erkannt hat, waren diese Voraussetzungen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erteilung der Bestätigung am 5. 4. 2019 nicht erfüllt.

6. Die fristgerechte Einbringung der Zulassungsbeschwerde samt Revisionsrekurs gegen den Unterhaltsfestsetzungsbeschluss vom 10. 10. 2018 (Titel) hemmte den Eintritt von Rechtskraft und Vollstreckbarkeit (Schramm in Gitschthaler/Höllwerth, § 63 AußStrG Rz 9). Der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss wurde erst mit der am 6. 8. 2019 erfolgten Zustellung der unanfechtbaren (§ 68 Abs 4 AußStrG) Entscheidung des Rekursgerichts vom 6. 3. 2019 formell rechtskräftig. Erst ab diesem Zeitpunkt konnte die Leistungsfrist zu laufen beginnen.

7. Die am 5. 8. 2019 (nach diesen Kriterien zu Unrecht ausgesprochene) Zurück-(Ab-)weisung ihres Antrags auf Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung beschwerte die Mutter formell. Ihrem Rechtsschutzantrag wurde nicht entsprochen. Ihre (materielle) Beschwer kann nicht mit dem Argument verneint werden, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung des Rekursgerichts am 17. 9. 2019 die Voraussetzungen für die Erteilung einer Vollstreckbarkeitsbestätigung verwirklicht waren. Der Antrag auf Aufhebung dieser Bestätigung soll die Exekution des Titels verhindern oder – wie in diesem Fall – die Einstellung einer gegen den kostenersatzpflichtigen (§ 74 EO) Schuldner bewilligten Exekution gemäß § 39 Abs 1 Z 9 EO bewirken (RS0058309). Die Bewilligung und der Vollzug einer Exekution auf Basis eines Titels, der zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Exekutionsantrag in Wahrheit noch nicht vollstreckbar war, beeinträchtigt rechtlich geschützte Interessen des Schuldners. Eine nachträgliche Aufhebung der Vollstreckbarkeit kann als unzulässige Neuerung nicht im Rekurs gegen die Exekutionsbewilligung geltend gemacht werden (3 Ob 258/01i mwN). Dem Schuldner stehen nur das Verfahren nach § 7 Abs 3 EO und die Einstellung des Exekutionsverfahrens nach § 39 Abs 1 Z 9 EO offen. Diese Möglichkeit nimmt das Rekursgericht der Mutter, indem es ihren Rekurs mangels Beschwer zurückweist.

8. Das Rekursgericht wird deshalb über den Rekurs inhaltlich zu entscheiden haben.

9. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG. Das Verfahren nach § 7 Abs 3 EO ist ein selbständiger Zwischenstreit (1 Ob 22/14p; RS0001596 [T11]), in dem die Kostenentscheidung dem außerstreitigem Verfahren unterliegt. Zum Zeitpunkt der Antragstellung am 2. 8. 2019 war das unterhaltsberechtigte Kind bereits volljährig. § 101 Abs 2 AußStrG schließt einen Kostenersatzanspruch nur in minderjährige Kinder betreffenden Unterhaltsverfahren aus und ist daher auf dieses Verfahren über die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung nicht anzuwenden.

Textnummer

E126761

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0100OB00077.19Z.1119.000

Im RIS seit

05.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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