Entscheidungsdatum
02.10.2019Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art. 130 Abs1 Z3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seine Richterin Mag.a Hillisch über die Säumnisbeschwerde des Herrn A. B. geb. 1961, Sta: Syrien, vertreten durch Frau E. F., BA, p.A. G., betreffend seinen Antrag auf Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte plus (§ 46 NAG), Zahl …, und der Säumnisbeschwerde der Frau C. D., geb. 1972, Sta: Syrien, vertreten durch Frau E. F., BA, p.A. G., betreffend ihren Antrag auf Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte plus (§ 46 NAG), Zahl …, zu Recht:
I. Die Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ werden gemäß § 46 Abs. 1 NAG iVm § 2 Abs. 1 Z 9 NAG abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang und Beschwerde
1. Die Beschwerdeführer, syrische Staatsangehörige, beantragten mit Schriftsatz vom 9. Juli 2018 jeweils die Erteilung einer Rot-Weiß-Rot – Karte plus gemäß § 46 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG).
Begründend führten sie im Wesentlichen aus, die belangte Behörde habe im Hinblick auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 12. April 2018, Rs. C-550/16, und gemäß dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Mai 2018, 2017/19/0609, den Begriff „Familienangehöriger“ in § 2 Abs. 1 Z 9 NAG unionsrechtskonform zu interpretieren und ihnen als Eltern jenes Sohnes, welcher als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling in Österreich Asyl beantragt und erhalten habe, gemäß § 46 NAG eine Rot-Weiß-Rot – Karte plus zu erteilen.
Der Europäische Gerichtshof habe festgestellt, dass unter den Begriff „unbegleiteter Minderjähriger“ auch ein Person falle, welche zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährig gewesen sei, im Laufe des Asylverfahrens volljährig geworden sei und der nach Erreichen der Volljährigkeit Asyl gewährt worden sei. Da es – so der Europäische Gerichtshof – mit dem Ziel der der Richtlinie unvereinbar sei, wenn sich Betroffene ohne zeitliche Begrenzung auf dieses Recht berufen können, müsse der Antrag auf Familienzusammenführung innerhalb einer angemessenen Frist nach Asylgewährung erfolgen. Der Europäische Gerichtshof schlage dabei unter Rückgriff auf Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie vor, dass die Antragstellung grundsätzlich innerhalb einer Frist von drei Monaten zu erfolgen habe, wobei aufgrund der Wortwahl des Europäischen Gerichtshofes („angemessene“ Frist, „grundsätzlich“) davon ausgegangen werden könne, dass bei Antragstellung nach Ablauf dieser Frist der Antrag nicht ohne weiteres abgewiesen werden könne, sondern die konkreten Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen seien. Bezüglich der vom Europäischen Gerichtshof geforderten dreimonatigen Frist ab der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus werde darauf hingewiesen, dass erst durch die eingetretene Volljährigkeit und insbesondere die rezenten Judikaturentwicklungen, die eine Uminterpretation des § 46 NAG zur Wahrung der Rechte der Familie erforderten, beginnend mit 12. April 2018 – dem Zeitpunkt der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes –, der nunmehr volljährigen Bezugsperson und den Antragstellern die rechtliche Möglichkeit einer Familienzusammenführung eröffnet werde. Da der Europäische Gerichtshof insbesondere die hohe Relevanz des Aspekts der Rechtssicherheit betone und dass der Verfahrensausgang nicht von der Bearbeitungsdauer der jeweiligen Anträge abhängen dürfe, sei hier folglich von einem Beginn des Fristlaufs mit dem 12. April 2018 auszugehen. Denn erst an diesem Tag sei der Begriff des „unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings“ durch den Europäischen Gerichtshof dahingehend ausgelegt worden, dass alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge erfasst seien, die im Zeitpunkt der Asylantragstellung minderjährig gewesen seien. Somit laufe die Frist zur Antragstellung bis 11. Juli 2018 und erfolge gegenständlich fristgerecht.
2. Mit Schriftsatz vom 29. Mai 2019 erhoben die Beschwerdeführer mit näherer Begründung Säumnisbeschwerde.
3. Die belangte Behörde holte den Bescheid nicht gemäß § 16 Abs. 1 VwGVG nach und legte die Beschwerde dem Verwaltungsgericht Wien gemäß § 16 Abs. 2 VwGVG mit Schreiben vom 28. Juni 2019 unter Anschluss des Verwaltungsakts vor.
II. Sachverhalt
1. Das Verwaltungsgericht Wien legt seiner rechtlichen Beurteilung folgende Sachverhaltsfeststellungen zugrunde:
1.1. Die Beschwerdeführer sind verheiratet und die Eltern des 1998 geborenen H. B. (im Folgenden: der Zusammenführende).
1.2. Der Zusammenführende reiste ohne Begleitung seiner Eltern nach Österreich ein und stellte am 6. November 2015 im Alter von 17 Jahren einen Antrag auf internationalen Schutz. Ebenso stellte seine Schwester J. K., geboren 1992, am 6. November 2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 4. März 2016 wurde der Schwester des Zusammenführenden vorläufig die Obsorge für den Zusammenführenden im gesamten Umfang des § 158 ABGB übertragen.
1.3. Der Zusammenführende wurde am … 2016 volljährig; am selben Tag gab das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seinem Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Asylgesetz 2015 (AsylG) statt, erkannte ihm den Status des Asylberechtigten zu und stellte gemäß § 3 Abs. 5 AsylG fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
1.4. Mit E-Mail vom 9. Juli 2018, gerichtet an die Österreichische Botschaft in Damaskus, beantragten die Beschwerdeführer jeweils die Erteilung einer Rot-Weiß-Rot – Karte plus gemäß § 46 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG). Am 22. August 2018 erfolgte eine persönliche Vorsprache bei der Österreichischen Botschaft in Damaskus.
1.5. Mit E-Mail vom 29. Mai 2019 erhoben die Beschwerdeführer Säumnisbeschwerde.
2. Der festgestellte Sachverhalt ist unstrittig und gründet sich auf den unbedenklichen Akteninhalt.
III. Rechtsgrundlagen
1. Art. 2, 4, 7, 10 und 12 der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung lauten auszugsweise:
„KAPITEL I Allgemeine Bestimmungen
[…]
Artikel 2
Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
a) – f) […]
f) "unbegleiteter Minderjähriger" einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen unter 18 Jahren, der ohne Begleitung eines für ihn nach dem Gesetz oder dem Gewohnheitsrecht verantwortlichen Erwachsenen in einen Mitgliedstaat einreist, solange er sich nicht tatsächlich in der Obhut einer solchen Person befindet, oder Minderjährige, die ohne Begleitung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zurückgelassen werden, nachdem sie in diesen Mitgliedstaat eingereist sind.
[…]
KAPITEL II Familienangehörige
Artikel 4
(1) Vorbehaltlich der in Kapitel IV sowie in Artikel 16 genannten Bedingungen gestatten die Mitgliedstaaten gemäß dieser Richtlinie folgenden Familienangehörigen die Einreise und den Aufenthalt:
a) dem Ehegatten des Zusammenführenden;
b) den minderjährigen Kindern des Zusammenführenden und seines Ehegatten, einschließlich der Kinder, die gemäß einem Beschluss der zuständigen Behörde des betreffenden Mitgliedstaats oder einem aufgrund der internationalen Verpflichtungen dieses Mitgliedstaats automatisch vollstreckbaren oder anzuerkennenden Beschluss adoptiert wurden;
c) den minderjährigen Kindern, einschließlich der adoptierten Kinder des Zusammenführenden, wenn der Zusammenführende das Sorgerecht besitzt und für den Unterhalt der Kinder aufkommt. Die Mitgliedstaaten können die Zusammenführung in Bezug auf Kinder gestatten, für die ein geteiltes Sorgerecht besteht, sofern der andere Elternteil seine Zustimmung erteilt;
d) den minderjährigen Kindern, einschließlich der adoptierten Kinder des Ehegatten, wenn der Ehegatte das Sorgerecht besitzt und für den Unterhalt der Kinder aufkommt. Die Mitgliedstaaten können die Zusammenführung in Bezug auf Kinder gestatten, für die ein geteiltes Sorgerecht besteht, sofern der andere Elternteil seine Zustimmung erteilt.
Die minderjährigen Kinder im Sinne dieses Artikels dürfen das nach den Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats geltende Volljährigkeitsalter noch nicht erreicht haben und dürfen nicht verheiratet sein.
Abweichend davon kann ein Mitgliedstaat bei einem Kind über 12 Jahre, das unabhängig vom Rest seiner Familie ankommt, prüfen, ob es ein zum Zeitpunkt der Umsetzung dieser Richtlinie in den nationalen Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats vorgesehenes Integrationskriterium erfuellt, bevor er ihm die Einreise und den Aufenthalt gemäß dieser Richtlinie gestattet.
(2) Vorbehaltlich der in Kapitel IV genannten Bedingungen können die Mitgliedstaaten in ihren nationalen Rechtsvorschriften folgenden Familienangehörigen die Einreise und den Aufenthalt gemäß dieser Richtlinie gestatten:
a) den Verwandten in gerader aufsteigender Linie ersten Grades des Zusammenführenden oder seines Ehegatten, wenn letztere für ihren Unterhalt aufkommen und erstere in ihrem Herkunftsland keinerlei sonstige familiäre Bindungen mehr haben;
b) den volljährigen, unverheirateten Kindern des Zusammenführenden oder seines Ehegatten, wenn sie aufgrund ihres Gesundheitszustands nicht selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen können.
[…]
KAPITEL IV Voraussetzungen für die Ausübung des Rechts auf Familienzusammenführung
[…]
Artikel 7
(1) Bei Einreichung des Antrags auf Familienzusammenführung kann der betreffende Mitgliedstaat vom Antragsteller den Nachweis verlangen, dass der Zusammenführende über Folgendes verfügt:
a) Wohnraum, der für eine vergleichbar große Familie in derselben Region als üblich angesehen wird und der die in dem betreffenden Mitgliedstaat geltenden allgemeinen Sicherheits- und Gesundheitsnormen erfuellt;
b) eine Krankenversicherung für ihn selbst und seine Familienangehörigen, die im betreffenden Mitgliedstaat sämtliche Risiken abdeckt, die in der Regel auch für die eigenen Staatsangehörigen abgedeckt sind;
c) feste und regelmäßige Einkünfte, die ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaates für seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen ausreicht. Die Mitgliedstaaten beurteilen diese Einkünfte anhand ihrer Art und Regelmäßigkeit und können die Höhe der Mindestlöhne und -renten sowie die Anzahl der Familienangehörigen berücksichtigen.
(2) Die Mitgliedstaaten können gemäß dem nationalen Recht von Drittstaatsangehörigen verlangen, dass sie Integrationsmaßnahmen nachkommen müssen.
Im Hinblick auf die in Artikel 12 genannten Flüchtlinge und/oder Familienangehörigen von Flüchtlingen können die in Unterabsatz 1 genannten Integrationsmaßnahmen erst Anwendung finden, wenn den betroffenen Personen eine Familienzusammenführung gewährt wurde.
KAPITEL V Familienzusammenführung von Flüchtlingen
[…]
Artikel 10
[…]
(3) Handelt es sich bei einem Flüchtling um einen unbegleiteten Minderjährigen, so
a) gestatten die Mitgliedstaaten ungeachtet der in Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe a) genannten Bedingungen die Einreise und den Aufenthalt seiner Verwandten in gerader aufsteigender Linie ersten Grades zum Zwecke der Familienzusammenführung;
b) können die Mitgliedstaaten die Einreise und den Aufenthalt seines gesetzlichen Vormunds oder eines anderen Familienangehörigen zum Zwecke der Familienzusammenführung gestatten, wenn der Flüchtling keine Verwandten in gerader aufsteigender Linie hat oder diese unauffindbar sind.
[…]
Artikel 12
(1) Abweichend von Artikel 7 verlangen die Mitgliedstaaten in Bezug auf Anträge betreffend die in Artikel 4 Absatz 1 genannten Familienangehörigen von einem Flüchtling und/oder einem (den) Familienangehörigen keinen Nachweis, dass der Flüchtling die in Artikel 7 genannten Bedingungen erfuellt.
Unbeschadet internationaler Verpflichtungen können die Mitgliedstaaten in Fällen, in denen eine Familienzusammenführung in einem Drittstaat möglich ist, zu dem eine besondere Bindung des Zusammenführenden und/oder Familienangehörigen besteht, die Vorlage des in Unterabsatz 1 genannten Nachweises verlangen.
Die Mitgliedstaaten können von dem Flüchtling die Erfuellung der in Artikel 7 Absatz 1 genannten Voraussetzungen verlangen, wenn der Antrag auf Familienzusammenführung nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten nach der Zuerkennung des Flüchtlingsstatuses gestellt wurde.“
2. § 2 und § 46 NAG lauten auszugsweise:
„Begriffsbestimmungen
§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
[…]
9. Familienangehöriger: wer Ehegatte oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind, ist (Kernfamilie); dies gilt weiters auch für eingetragene Partner; Ehegatten und eingetragene Partner müssen das 21. Lebensjahr zum Zeitpunkt der Antragstellung bereits vollendet haben; lebt im Fall einer Mehrfachehe bereits ein Ehegatte gemeinsam mit dem Zusammenführenden im Bundesgebiet, so sind die weiteren Ehegatten keine anspruchsberechtigten Familienangehörigen zur Erlangung eines Aufenthaltstitels;
[…]
Bestimmungen über die Familienzusammenführung
§ 46. (1) Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen ist ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erteilen, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen, und
1. der Zusammenführende einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß § 41, einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gemäß § 41a Abs. 1, 4 oder 7a, eine Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 1, eine „Niederlassungsbewilligung – Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“, sofern dieser Niederlassungsbewilligung eine Tätigkeit gemäß § 1 Abs. 2 lit. f und i AuslBG zu Grunde liegt, oder eine „Niederlassungsbewilligung – Forscher“ gemäß § 43c innehat,
1a. der Zusammenführende als nunmehriger Inhaber eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EU“ ursprünglich einen Aufenthaltstitel nach Z 1 innehatte,
2. ein Quotenplatz vorhanden ist und der Zusammenführende
a) einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ innehat,
b) einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“, ausgenommen einen solchen gemäß § 41a Abs. 1, 4 oder 7a innehat,
c) Asylberechtigter ist und § 34 Abs. 2 AsylG 2005 nicht gilt, oder
d. als unionsrechtlich aufenthaltsberechtigter Drittstaatsangehöriger über eine Aufenthaltskarte gemäß § 54 oder eine Daueraufenthaltskarte gemäß § 54a verfügt.
(2) Soll im Fall einer Familienzusammenführung gemäß Abs. 1 Z 2 oder Abs. 4 ein Aufenthaltstitel quotenfrei erteilt werden, hat die Behörde auch über einen gesonderten Antrag als Vorfrage zur Prüfung der Gründe nach § 11 Abs. 3 zu entscheiden und gesondert über diesen abzusprechen, wenn dem Antrag nicht Rechnung getragen wird. Ein solcher Antrag ist nur zulässig, wenn gleichzeitig ein Antrag in der Hauptfrage auf Familienzusammenführung eingebracht wird oder ein solcher bereits anhängig ist.
(3) Familienangehörigen von Inhabern eines Aufenthaltstitels „Blaue Karte EU“ kann ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ ausgestellt werden, wenn sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen. Gleiches gilt, wenn der nunmehrige Inhaber eines Aufenthaltstitels ursprünglich einen Aufenthaltstitel „Blaue Karte EU“ innehatte. Bei Familienangehörigen von Inhabern eines Aufenthaltstitels „Blaue Karte EU“ richtet sich die Geltungsdauer des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ nach der Geltungsdauer des Aufenthaltstitels des Zusammenführenden.
(4) Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen ist eine „Niederlassungsbewilligung“ zu erteilen, wenn
1. sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen,
2. ein Quotenplatz vorhanden ist und
3. der Zusammenführende eine „Niederlassungsbewilligung“, eine „Niederlassungsbewilligung – Angehöriger“, eine „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ oder eine „Niederlassungsbewilligung – Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“, es sei denn der „Niederlassungsbewilligung – Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit“ liegt eine Tätigkeit gemäß § 1 Abs. 2 lit. f und i AuslBG zu Grunde, innehat.
(5) Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen gemäß §§ 43 Abs. 2 oder 44 kann eine „Niederlassungsbewilligung – ausgenommen Erwerbstätigkeit“ erteilt werden, wenn
1. sie die Voraussetzungen des 1. Teiles erfüllen und
2. im Fall von Familienangehörigen von Drittstaatsangehörigen im Sinne des § 44 Abs. 1 ein Quotenplatz vorhanden ist.
[…]“
IV. Rechtliche Beurteilung
1. Zur Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde
1.1. Gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erhoben werden, wenn die Behörde die Sache (ausgenommen kürzerer oder längerer gesetzlicher Entscheidungsfristen) nicht innerhalb von sechs Monaten entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.
1.2. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 19.6.2018, Ra 2018/03/0021, mwN) ist Zweck des Rechtsbehelfs der Säumnisbeschwerde, demjenigen, der durch die Untätigkeit einer Behörde beschwert ist, ein rechtliches Instrument zur Verfügung zu stellen, um eine Entscheidung in der Sache zu erlangen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in den Fällen der Verletzung der Entscheidungspflicht zur Frage des "überwiegenden Verschuldens der Behörde" in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass der Begriff des Verschuldens der Behörde nach § 73 Abs. 2 AVG bzw. nach § 8 Abs. 1 VwGVG nicht im Sinne eines Verschuldens von Organwaltern der Behörde, sondern insofern "objektiv" zu verstehen ist, als ein solches "Verschulden" dann anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war. So wurde beispielsweise ein überwiegendes Verschulden der Behörde iSd § 73 Abs. 2 AVG bzw. des § 8 Abs. 1 VwGVG dann angenommen, wenn diese die für die zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlässt oder mit diesen grundlos zuwartet. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass der allgemeine Hinweis auf die Überlastung der Behörde die Geltendmachung der Entscheidungspflicht nicht vereiteln kann. Gleiches gilt etwa für die Abhaltung von Besprechungen über Sachverhalte außerhalb des Verfahrensinhaltes oder wenn die Behörde erst nach Verstreichen von etwa mehr als zwei Drittel des gesetzlich vorgesehenen Entscheidungszeitraumes erstmals zielführende Verfahrensschritte setzt. Der Umstand allein, dass es sich um eine komplexe Materie handelt, kann nicht ausreichen, um vom Vorliegen eines unüberwindlichen, einer iSd § 73 Abs. 1 AVG fristgerechten Entscheidung entgegenstehenden Hindernisses auszugehen.
1.3. Zum Zeitpunkt der Einbringung der Säumnisbeschwerde war die Entscheidungsfrist der belangten Behörde gemäß § 73 AVG bereits abgelaufen, ohne dass ein schuldhaftes Verhalten der Beschwerdeführer oder unüberwindliche Hindernisse einer fristgerechten Entscheidung entgegengestanden waren. Da die belangte den Bescheid auch innerhalb der Frist des § 16 Abs. 1 VwGVG nicht nachholte und dem Verwaltungsgericht die Säumnisbeschwerde unter Anschluss des Verwaltungsakts vorlegte, ging die Zuständigkeit zur Erledigung des verfahrenseinleitenden Antrags auf das Verwaltungsgericht über. Das Verwaltungsgericht hat daher nunmehr in der Sache zu entscheiden, ohne dass es eines ausdrücklichen Abspruchs über die Stattgebung der Säumnisbeschwerde bedarf.
2. Zum Begriff des „Familienangehörigen“ iSd § 46 NAG
2.1. Gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 lit. c NAG ist „Familienangehörigen“ von Drittstaatsangehörigen eine „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ zu erteilen, wenn ein Quotenplatz vorhanden ist und der Zusammenführende Asylberechtigter ist und § 34 Abs. 2 AsylG nicht gilt.
2.2. Nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Z 9 NAG ist „Familienangehöriger“, wer Ehegatte (bzw. eingetragener Partner) oder minderjähriges lediges Kind, einschließlich Adoptiv- oder Stiefkind, ist. Die Beschwerdeführer sind die Eltern des Zusammenführenden. Als solche sind sie nach der Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Z 9 NAG keine Familienangehörigen.
2.3. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa VwGH 3.5.2018, Ra 2017/19/0609 mwN) kann es – um ein verfassungswidriges Ergebnis zu vermeiden – geboten sein, im Einzelfall den in § 46 NAG verwendeten Begriff "Familienangehörigen" von der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Z 9 NAG abzukoppeln. Besteht etwa ein aus Art. 8 EMRK ableitbarer Anspruch auf Familiennachzug, so ist als "Familienangehöriger" in § 46 NAG demnach aus verfassungsrechtlichen Gründen auch jener - nicht im Bundesgebiet aufhältige - Angehörige erfasst, dem ein derartiger Anspruch zukommt. Ebenso ist eine Abkopplung des Begriffes des "Familienangehörigen" von seiner in § 2 Abs. 1 Z 9 NAG enthaltenen Legaldefinition dann geboten, wenn dies eine unionsrechtskonforme Interpretation der nationalen Rechtslage (etwa auch um der Auslegung unionsrechtlicher Vorschriften durch den Europäischen Gerichtshof Rechnung zu tragen) gebietet, um ein dem Unionsrecht widersprechendes Ergebnis zu vermeiden.
3. Anspruch auf Familiennachzug aus Art. 8 EMRK
3.1. Die Beschwerdeführer leben in Syrien, wobei sie bis zu dessen Flucht im Oktober 2015 mit dem Zusammenführenden zusammenlebten. Der Zusammenführende sowie die erwachsene Tochter der Beschwerdeführer, welche verheiratet ist, leben in Österreich. Es ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer den Kontakt zu ihren in Österreich lebenden erwachsenen Kindern durch regelmäßige Telefongespräche pflegen.
3.2. Ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Beschwerdeführern und dem Zusammenführenden, etwa eine Pflegebedürftigkeit oder eine sonstige über das übliche Maß hinausgehende besondere emotionale Abhängigkeit, (vgl. etwa die dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17.11.2011, 2010/21/0494, zugrunde liegende Fallkonstellation) wurde nicht vorgebracht und ist nicht ersichtlich. Wenn auch nicht verkannt wird, dass die Trennung von dem damals minderjährenden Zusammenführenden durch dessen Flucht herbeigeführt wurde, ist doch zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführer mit dem mittlerweile 21-jährigen Zusammenführenden seit nunmehr knapp vier Jahren nicht mehr zusammenleben. Auch sonst wurden keine Gründe dafür vorgebracht und sind auch nicht ersichtlich, die den Nachzug der Eltern aus Gründen des Art. 8 EMRK geboten erscheinen ließen.
3.3. Die Beschwerdeführer haben daher keinen unmittelbar aus Art. 8 EMRK ableitbaren Anspruch auf Familiennachzug mit ihrem Sohn, aufgrund dessen eine Abkopplung des Begriffs des „Familienangehörigen“ von dessen Legaldefinition vorzunehmen wäre.
4. Anspruch auf Familiennachzug aus Art. 10 Abs. 3 lit. a der Richtlinie 2003/86/EG
4.1. Aus Art. 10 Abs. 3 lit. a der Richtlinie 2003/86/EG ergibt sich, dass bei einem Flüchtling, bei dem es sich um einen unbegleiteten Minderjährigen handelt, die Einreise und der Aufenthalt der Eltern („Verwandte in gerader aufsteigender Linie ersten Grades“) zu gestatten ist.
4.2. Mit Urteil vom 12. April 2018, A und S, Rs. C-550/16, sprach der Europäische Gerichtshof aus, dass ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, der zum Zeitpunkt seiner Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats und der Stellung seines Asylantrags in diesem Staat unter 18 Jahre alt war, aber während des Asylverfahrens volljährig wird und dem später die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, als „Minderjähriger“ im Sinne dieser Bestimmung anzusehen ist.
Begründend führte der Europäische Gerichtshof unter anderem aus, dass die praktische Wirksamkeit des Rechts auf Familienzusammenführung gemäß Art. 10 Abs. 3 lit. a der Richtlinie 2003/86/EG nicht davon abhängen könne, ob die nationale Behörde mehr oder weniger schnell über den Antrag auf internationalen Schutz entscheide. Dies laufe auch dem Ziel des Schutzes unbegleiteter Minderjähriger sowie den Grundsätzen der Gleichbehandlung und Rechtssicherheit zuwider (Rz. 55 ff.).
Der Europäische Gerichtshof führte in Rz. 61 des genannten Urteils weiter aus:
„Da es […] mit dem Ziel von Art. 10 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/86 sicherlich unvereinbar wäre, dass sich ein Flüchtling, der zum Zeitpunkt seines Antrags die Eigenschaft eines unbegleiteten Minderjährigen besaß, aber während des Verfahrens volljährig geworden ist, ohne jede zeitliche Begrenzung auf diese Vorschrift berufen könnte, um eine Familienzusammenführung zu erwirken, muss er seinen Antrag auf Familienzusammenführung innerhalb einer angemessenen Frist stellen. Zur Bestimmung einer solchen angemessenen Frist kann die vom Unionsgesetzgeber in dem ähnlichen Kontext von Art. 12 Abs. 1 Unterabs. 3 dieser Richtlinie gewählte Lösung als Hinweis dienen. Der auf der Grundlage von Art. 10 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie eingereichte Antrag auf Familienzusammenführung ist daher in einer solchen Situation grundsätzlich innerhalb von drei Monaten ab dem Tag zu stellen, an dem der Minderjährige als Flüchtling anerkannt worden ist.“
4.3. Der Zusammenführende reiste ohne Begleitung eines für ihn nach dem Gesetz oder dem Gewohnheitsrecht verantwortlichen Erwachsenen nach Österreich ein und stellte als Minderjähriger einen Antrag auf internationalen Schutz, weswegen er als „unbegleiteter Minderjähriger“ im Sinne des Art. 10 Abs. 3 lit. a der Richtlinie 2003/86/EG anzusehen war.
4.4. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 3.5.2018, Ra 2017/19/0609; 25.6.2019, Ra 2018/19/0568) hat eine aufgrund der Richtlinie 2003/86/EG gebotene Familienzusammenführung in den Fällen, in denen den nachziehenden Familienangehörigen ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 nach Einreise in das Bundesgebiet nicht offensteht, über das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zu erfolgen.
Da den Beschwerdeführern als Eltern des nunmehr erwachsenen Zusammenführenden ein Familienverfahren gemäß § 34 AsylG 2005 nicht offensteht, ist ein Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 46 NAG zu prüfen.
4.5. Die Beschwerdeführer stellten die Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln zur Familienzusammenführung schriftlich am 9. Juli 2018 und damit zwei Jahre und zwei Monate nach der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an den Zusammenführenden. Damit haben die Beschwerdeführer die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes „grundsätzlich“ anzuwendende Frist des Art. 12 Richtlinie 2003/86/EG von drei Monaten ab Zuerkennung des Flüchtlingsstatus um ein Jahr und elf Monate überschritten.
4.5.1. Wie bereits dargestellt, führte der Europäische Gerichtshof im Urteil vom 12. April 2018, Rs. C-550/16, aus, dass eine zeitlich unbefristete Möglichkeit der Berufung auf die Bestimmung des Art. 10 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/86/EG mit den Zielen dieser Bestimmung sicherlich unvereinbar wäre; als „Hinweis“ könne jedoch die in Art. 12 der Richtlinie gewählte Lösung dienen. „Grundsätzlich“ sei der Antrag daher innerhalb von drei Monaten ab Zuerkennung des Flüchtlingsstatus zu stellen.
4.5.2. Die Beschwerdeführer bringen diesbezüglich vor, dass die dreimonatige Frist erst am 12. April 2018 zu laufen begonnen habe, da erst an diesem Tag der Europäische Gerichtshof den Begriff „unbegleiteter minderjähriger Flüchtling“ dahingehend ausgelegt habe, dass davon alle Flüchtlinge erfasst seien, die im Zeitpunkt der Antragstellung minderjährig waren.
4.5.3. Bei der Frage der Einhaltung der dreimonatigen Frist des verwiesenen Art. 12 der Richtlinie 2003/86/EG und den Konsequenzen einer Versäumung dieser Frist war es für den Europäischen Gerichtshof in seinem Urteil vom 7. November 2018, K und B, C-380/17, maßgeblich, ob eine Versäumung der dreimonatigen Frist „aufgrund besonderer Umstände objektiv entschuldbar“ ist. Unter Bezugnahme auf diese Entscheidung führte auch der Verwaltungsgerichtshof in einem ebenfalls Art. 12 der Richtlinie 2003/86/EG betreffenden Fall (VwGH 25.6.2019, Ra 2018/19/0568) aus, dass die zuständige Behörde bzw. das zuständige Gericht zu prüfen habe, ob die verspätete Antragstellung aufgrund der vorgebrachten besonderen Umstände objektiv entschuldbar gewesen sei.
Aufgrund des Verweises auf Art. 12 der Richtlinie 2003/86/EG im Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 12. April 2018, Rs. C-550/16, ist davon auszugehen, dass die zu Art. 12 leg.cit. ergangene Judikatur auch auf die vorliegende Konstellation übertragbar ist: „Grundsätzlich“ ist ein Antrag, mit dem ein Elternteil gemäß Art. 10 Abs. 3 lit. a leg.cit. einen Aufenthaltstitel zur Familienzusammenführung mit einem zum Asylantragszeitpunkt minderjährigen unbegleiteten Flüchtling anstrebt, daher innerhalb von drei Monaten ab Zuerkennung des Flüchtlingsstatus zu stellen, wenn nicht eine spätere Antragstellung „aufgrund besonderer Umstände objektiv entschuldbar“ ist.
4.5.4. Im Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 12. April 2018, Rs. C-550/16, bzw. dessen Bekanntwerden ist jedoch kein derartiger „besonderer Umstand“ zu erblicken, zumal es sich dabei um eine bloße Auslegung der bestehenden Rechtslage handelte und davon weder die Beschwerdeführer noch der Zusammenführende anders als andere betroffen waren.
Folgte man der von den Beschwerdeführern vertretenen Rechtsansicht, käme allen anerkannten Flüchtlingen (ungeachtet ihres Alters), die zu einem beliebigen Zeitpunkt vor dem 12. April 2018 als unbegleitete und (noch) minderjährige Flüchtlinge Asyl beantragt und später erhalten haben, das gemäß Art. 10 Abs. 3 lit. a der Richtlinie 2003/86/EG „unbegleiteten Minderjährigen“ zustehende Recht auf Familienzusammenführung mit ihren Eltern zu.
Die im Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 12. April 2018, Rs. C-550/16, genannte, grundsätzlich dreimonatige Frist ab Zuerkennung des Asylstatus an den Zusammenführenden würde damit in all jenen Fällen nicht gelten, in denen der Asylstatus vor dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes zuerkannt wurde. Eine derartige umfassende „Rückwirkung“ ist mit den begründenden Ausführungen des Europäischen Gerichtshofes nicht vereinbar, wonach ein Berufen auf diese Vorschrift ohne zeitliche Begrenzung mit dem Ziel von Art. 10 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2003/86 sicherlich unvereinbar wäre, und ein Antrag auf Familienzusammenführung daher grundsätzlich innerhalb von drei Monaten ab dem Tag zu stellen sei, an dem der Minderjährige als Flüchtling anerkannt worden sei.
4.5.5. Darüber hinaus haben die Beschwerdeführer besondere Umstände, die ihre um ein Jahr und elf Monate verspätete Antragstellung als objektiv entschuldbar erscheinen lassen würden, weder dargelegt noch sind derartige besondere Umstände ersichtlich.
4.6. Die Beschwerdeführer und der Zusammenführende haben daher keinen unmittelbar aus Art. 10 Abs. 3 lit. a der Richtlinie 2003/86/EG ableitbaren Anspruch auf Familienzusammenführung. Es ist daher im vorliegenden Fall auch aus diesem Grund nicht geboten, den Begriff des "Familienangehörigen" von seiner in § 2 Abs. 1 Z 9 NAG enthaltenen Legaldefinition abzukoppeln und unionsrechtskonform auf die Eltern auszudehnen.
5. Ergebnis
Da die Beschwerdeführer als Eltern des Zusammenführenden keine "Familienangehörigen" im Sinne des § 46 Abs. 1 NAG iVm § 2 Abs. 1 Z 9 NAG sind, sind ihre Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ mangels Vorliegens der besonderen Erteilungsvoraussetzungen abzuweisen.
6. Nichtdurchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung
Die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde von keiner Partei beantragt. Eine mündliche Erörterung hätte auch keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lassen, zumal der wesentliche Sachverhalt unstrittig ist und die Beschwerdeführer ihre Rechtsansicht bereits im verfahrenseinleitenden Antrag sowie in der gegenständlichen Beschwerde dargelegt haben.
7. Zulässigkeit der Revision
Die ordentliche Revision ist zulässig. Zu der Frage, ob die im Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 12. April 2018, Rs. C-550/16, genannte, grundsätzlich dreimonatige Frist ab Zuerkennung des Asylstatus an den Zusammenführenden auch in jenen Fällen gelten soll, in denen der Asylstatus vor dem genannten Urteil des Europäischen Gerichtshofes zuerkannt wurde, liegt bislang keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Dieser Frage kommt auch grundsätzliche Bedeutung zu.
Schlagworte
Familienzusammenführung; Familienangehöriger; Eltern des Zusammenführenden; Legaldefinition; verfassungskonforme Auslegung; unionsrechtskonforme Auslegung; Richtlinie betreffend das Recht auf Familienzusammenführung; unbegleiteter Minderjähriger; C-550/16European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.151.069.8660.2019Zuletzt aktualisiert am
28.10.2019