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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §66 Abs4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der 1960 geborenen GT, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 10. Mai 1996, Zl. 119.245/2-III/11/96, betreffend Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheiten des Aufenthaltsrechtes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin verfügte über eine Aufenthaltsbewilligung mit Gültigkeit vom 8. November 1994 bis 8. September 1995. Sie beantragte rechtzeitig die Verlängerung dieser Aufenthaltsbewilligung, welche mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. September 1995 gemäß § 4 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen wurde. Dieser Bescheid wurde der Beschwerdeführerin durch Hinterlegung zugestellt, die Abholfrist begann nach Ausweis der Verwaltungsakten am 29. September 1995.
Im Verwaltungsakt erliegt eine "Übernahmsbestätigung" der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin vom 29. Februar 1996, in der sie die Übernahme des Bescheides des Landeshauptmannes von Wien vom 22. September 1995 bestätigte. Mit Schriftsatz vom 6. März 1996 beantragte die Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist und holte unter einem die Berufung nach. Als Wiedereinsetzungsgrund machte sie geltend, sie habe keine Hinterlegungsanzeige erhalten und hege den Verdacht, daß ihre langjährige Quartiergeberin, bei der sie bis zur Entdeckung der vorliegenden Fristversäumnis gewohnt habe und gemeldet gewesen sei und die allein einen Postkastenschlüssel besessen habe, trotz regelmäßiger nachdrücklicher Anfrage, die Hinterlegungsanzeige entweder verschlampt oder ihr vorsätzlich vorenthalten habe. Sie habe bei ihrer Quartiergeberin zwar regelmäßig nachgefragt, ob auch wirklich keine Postsendung für sie gekommen sei, sich aber noch keine Sorgen gemacht, daß mit der Handhabung ihrer Post etwas nicht stimmen könne. Seit für sie jedoch der Verdacht bestehe, daß die Ursache für die Zustellschwierigkeiten, die auch andere Schriftstücke betroffen hätten, in der Person ihrer Quartiergeberin liegen könnte, habe sie sofort die Konsequenzen gezogen und ihre Unterkunft verlegt. Aufgrund der Tatsache, daß ihr eine Benachrichtigung über die Hinterlegung des Bescheides vom 22. September 1995 nie zugekommen sei, habe sie von dessen Zustellung keine Kenntnis erlangt, was für sie ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis darstelle, durch welches sie an der rechtzeitigen Einbringung der Berufung gehindert gewesen sei und an dem sie - wenn überhaupt - nur ein minderer Grad des Versehens treffe. Unter einem führte die Beschwerdeführerin die Berufung gegen den die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung abweisenden erstinstanzlichen Bescheid aus.
Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 21. März 1996 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG ab und begründete dies nach Wiedergabe des Gesetzestextes und des Vorbringens der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Vorliegens eines Zustellmangels ausschließlich damit, daß nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Rechtswidrigkeit eines Zustellvorganges die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht der zum Ziel führende Rechtsbehelf sei, weil mangels des Beginnes des Laufes der Berufungsfrist auch keine Frist versäumt werden könne.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Berufung; eine Berufungsentscheidung ist nicht aktenkundig.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10. Mai 1996 wies der Bundesminister für Inneres die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 22. September 1995, mit dem die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung versagt wurde, gemäß § 66 Abs. 4 AVG zurück. Begründet wurde dies damit, daß die Zustellung dieses Bescheides rechtswirksam am 29. September 1995 erfolgt sei, die Berufung erst am 27. März 1996 eingebracht worden sei.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die Beschwerdeführerin begründet ihre Beschwerde damit, daß die belangte Behörde - entgegen der Ansicht des Landeshauptmannes von Wien - von einem mängelfreien Zustellvorgang ausgegangen sei und sich mit dem Inhalt ihres Wiedereinsetzungsantrages nicht befaßt habe. Sowohl der Landeshauptmann von Wien, als auch die belangte Behörde versuchten, sich mit der Stichhaltigkeit des Wiedereinsetzungsantrages nicht zu befassen, was im Ergebnis zur Unüberprüfbarkeit des angefochtenen Bescheides und des ihm zugrundeliegenden Verwaltungsverfahrens führe. Die belangte Behörde hätte sich auch mit dem Inhalt des Wiedereinsetzungsantrages zu befassen gehabt, und feststellen müssen, daß dem Antrag auf Wiedereinsetzung stattzugeben sei. Nach Stattgebung des Wiedereinsetzungsantrages hätte die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid zumindest aufheben und die Angelegenheit zur Ergänzung des Sachverhaltes an die erster Instanz zurückverweisen müssen.
Vorauszuschicken ist, daß der gegenständliche Fall, in dem es sich um die Zurückweisung einer Berufung wegen Verspätung handelt, nicht unter die Bestimmung des § 113 Abs. 6 des Fremdengesetzes 1997 fällt, weil mit diesem Bescheid keine Versagung der Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung ausgesprochen wurde.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat, ist ein Bescheid, mit dem eine Berufung als verspätet zurückgewiesen wird, dann rechtmäßig, wenn zur Zeit seiner Erlassung die Wiedereinsetzung nicht bewilligt war. Wird die Wiedereinsetzung später bewilligt, so tritt der Zurückweisungsbescheid gemäß § 72 Abs. 1 AVG von Gesetzes wegen außer Kraft (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. Oktober 1986, Slg. Nr. 12.275/A). Von der von der Beschwerdeführerin insoweit behaupteten "Willkür" der belangten Behörde kann sohin keine Rede sein.
Die Beschwerdeführerin bringt in der Beschwerde vor, die belangte Behörde habe sich mit der Begründung des Wiedereinsetzungsantrages nicht befaßt und sei auf das noch nicht rechtskräftig abgeschlossene Verfahren über den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist nicht eingegangen.
Für die gegenständliche Entscheidung, die Zurückweisung der Berufung als verspätet, war die Begründung des unter einem eingebrachten Wiedereinsetzungsantrages aber nur insofern von Bedeutung, als damit Zustellmängel geltend gemacht wurden. Bei Zutreffen läge keine ordnungsgemäße Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides am 29. September 1995 und damit auch keine Verspätung der Berufung vor. Die Beschwerdeführerin hat allerdings nicht ausdrücklich behauptet, daß eine Hinterlegungsanzeige im Sinne des § 17 Abs. 2 des Zustellgesetzes (ZustG) überhaupt nicht angebracht wurde. Gemäß § 17 Abs. 4 ZustG ist eine im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung aber auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.
Selbst bei Zutreffen des Vorbringens der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Zustellvorganges läge somit eine gültige Zustellung des Bescheides der Behörde erster Instanz durch Hinterlegung mit Wirksamkeit vom 29. September 1995 vor. Die erst am 7. März 1996 eingebrachte Berufung war somit verspätet, weshalb die belangte Behörde zu Recht mit der Zurückweisung dieser Berufung vorgehen konnte.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 5. Oktober 1998
Schlagworte
Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren Erklärung und Umfang der Anfechtung Anfechtungserklärung Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996192016.X00Im RIS seit
20.11.2000