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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VwGG §27;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, in der Beschwerdesache des R in I, vertreten durch Univ.Doz.Dr. Bernd A. Oberhofer, Rechtsanwalt in Innsbruck, Schöpfstraße 6b, gegen den Gemeinderat der Stadt Innsbruck, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht, betreffend Devolutionsantrag in Angelegenheit Anspruch auf Dienstbezug und Einbehaltung von Bezugsbestandteilen, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Das Verfahren wird eingestellt.
Die Landeshauptstadt Innsbruck hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.750,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht auf Grund seiner mit Wirkung vom 1. Jänner 1996 gemäß § 43 Abs. 1 des Innsbrucker Gemeindebeamtengesetzes 1970 (im folgenden: IGBG 1970) erfolgten Versetzung in den zeitlichen Ruhestand in einem öffentlich-rechtlichen Ruhestandsverhältnis zur Landeshauptstadt Innsbruck.
Der vorliegende Beschwerdefall bezieht sich auf einen Vorgang aus der Zeit, in der sich der Beschwerdeführer noch im Dienststand befand.
Mit Schreiben vom 8. September 1995 forderte der Bürgermeister den Beschwerdeführer auf, unbeschadet der von ihm vorgelegten ärztlichen Mitteilung vom gleichen Tag am 11. September 1995 seinen Dienst in der Hauptregistratur anzutreten. Für den Fall des Nichtantrittes des Dienstes wurde auf die in § 21 Abs. 4 IGBG 1970 vorgesehenen Folgen verwiesen.
Da der Beschwerdeführer am 11. September 1995 seinen Dienst nicht antrat, teilte ihm der Bürgermeister mit Schreiben vom 11. September 1995 mit, daß gemäß § 21 Abs. 4 IGBG 1970 unbeschadet einer disziplinären Ahndung für die Dauer der ungerechtfertigten Abwesenheit, somit ab 11. September 1995, kein Anspruch auf Bezug bestehe. Allfällige bereits ausbezahlte Beträge würden vom nächsten Monatsbezug einbehalten werden.
In der Folge wurde der Dienstbezug des Beschwerdeführers für die Zeit vom 11. bis einschließlich 28. September 1995 einbehalten.
Mit Schreiben vom 5. Juni 1996 stellte der Beschwerdeführer beim Bürgermeister den Antrag, es möge festgestellt werden, daß er
1. im Zeitraum vom 11. September bis (einschließlich) 28. September 1995 Anspruch auf Dienstbezüge gehabt habe und
2. die Einbehaltung eines Betrages in der Höhe von S 22.091,92 bei der Nachrechnung der Monate September und Oktober 1995 zu Unrecht erfolgt sei.
Ferner beantragte er 3. die Ausbezahlung der zu Unrecht einbehaltenen Dienstbezüge binnen vierzehn Tagen samt 10 % jährlicher Zinsen ab 1. November 1995.
Diese Anträge wies der Bürgermeister mit Bescheid vom 19. Juni 1996 mit der Begründung zurück, seine beiden Verfügungen vom
8. und 11. September 1995 seien als Bescheide anzusehen, die der Beschwerdeführer unbekämpft gelassen habe. Seine Anträge seien daher wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen.
Der Beschwerdeführer stellte hierauf beim Verwaltungsgerichtshof Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen die Erledigungen des Bürgermeisters vom 8. und 11. September 1995 und erhob gleichzeitig gegen beide Erledigungen Beschwerde (protokolliert unter den Zahlen 96/12/0222-0225). Außerdem erhob er gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 19. Juni 1996 Beschwerde (protokolliert unter Zl. 96/12/0233).
Mit Beschluß vom 18. September 1996, 96/12/0222-0225, gab der Verwaltungsgerichtshof den Wiedereinsetzungsanträgen nicht statt und wies die Beschwerden gegen die Erledigungen des Bürgermeisters vom 8. und 11. September 1995 zurück. Er begründete dies damit, daß den genannten Erledigungen keine Bescheidqualität zukomme.
Mit Erkenntnis vom 27. November 1996, 96/12/0233, hob der Verwaltungsgerichtshof den Bescheid des Bürgermeisters vom 19. Juni 1996 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Die beiden ersten Anträge des Beschwerdeführers seien auf die Klärung der Gebührlichkeit (und nicht bloß auf Liquidierung eines Anspruches) gerichtet gewesen. Die beiden Erledigungen vom 8. und 11. September 1995 seien keine Bescheide (Hinweis auf den hg. Beschluß vom 18. September 1996, 96/12/0222-0225). Res iudicata liege daher nicht vor. Der dritte Antrag sei zwar ein Liquidierungsbegehren, zu dessen Erledigung der Verfassungsgerichtshof nach Art. 137 B-VG zuständig sei; dies auch dann, wenn diese Liquidierungsbegehren zulässigerweise erst geltend gemacht werden könnten, wenn über die Frage der Gebührlichkeit des ihnen zugrundeliegenden besoldungsrechtlichen Anspruches mit (Feststellungs)Bescheid der zuständigen Behörde abgesprochen worden sei. Die belangte Behörde wäre an sich zur Zurückweisung des dritten Antrages berufen gewesen, sie habe aber durch dessen Zurückweisung dennoch in Rechte des Beschwerdeführers eingegriffen, weil die tragende Begründung (res iudicata) in diesem Punkt darüber hinausgehe und einer allfälligen Rechtsverfolgung nach Art. 137 B-VG entgegenstünde.
Da der Bürgermeister in der Folge über die Anträge des Beschwerdeführers vom 5. Juni 1996 nicht absprach, stellte dieser beim Gemeinderat der Stadt Innsbruck (belangte Behörde im vorliegenden Verfahren) am 7. August 1997 einen Devolutionsantrag nach § 73 AVG.
Da auch die belangte Behörde ihrer Entscheidungspflicht nicht innerhalb von sechs Monaten nachkam, erhob der Beschwerdeführer die vorliegende am 2. April 1998 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangte Säumnisbeschwerde, die er allerdings nur auf seine ersten beiden Feststellungsanträge (Gebührlichkeit des Anspruches auf Dienstbezug in der Zeit vom 11. bis einschließlich 28. September 1995; zu Unrecht erfolgte Einbehaltung dieses Bezugsbestandteiles) einschränkte.
Mit Schreiben vom 8. September 1998 teilte die belangte Behörde mit, sie habe den vom Beschwerdeführer insgesamt geforderten Betrag, der auch die einbehaltenen Bezugsbestandteile für den Zeitraum vom
11. bis einschließlich 28. September 1995 enthalten habe, Mitte Juni 1998 beglichen, was auch durch ein beigelegtes Schreiben des Beschwerdevertreters vom 16. Juni 1998 bestätigt werde.
In diesem Schreiben vom 16. Juni 1998 hatte der Beschwerdeführer unter anderem auch erklärt, er werde den Verwaltungsgerichtshof von der Klaglosstellung in Kenntnis setzen, wenn die Dienstbehörde eine Erklärung abgebe, daß die Einbehaltung von Gehaltsbestandteilen im September 1995 zu Unrecht erfolgt sei.
Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes, zum Schreiben der belangten Behörde vom 8. September 1998 Stellung zu nehmen, teilte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 22. September 1998 mit, daß er in der Zwischenzeit von der belangten Behörde "klaglos" gestellt worden sei.
Wie sich aus § 36 Abs. 2 letzter Satz VwGG in der Fassung BGBl. I Nr. 88/1997 ergibt, kommt die Einstellung eines Verfahrens über die Säumnisbeschwerde nach dieser Gesetzesstelle nur in Frage, wenn der (versäumte) Bescheid (allenfalls auch vor Einleitung des Vorverfahrens) erlassen wurde. Ähnlich wie bei einer sogenannten Bescheidbeschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG, bei der nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe u.a. den Beschluß eines verstärkten Senates vom 9. April 1980, Slg. N.F. Nr. 10.092/A) eine Klaglosstellung nur bei einer formellen Aufhebung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides gegeben ist, kann es zu einer Einstellung des Verfahrens nach § 36 Abs. 2 VwGG in der obzitierten Fassung dann nicht kommen, wenn auf andere Weise als durch Nachholung eines versäumten Bescheides das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an einer Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof weggefallen ist (so schon zur alten Rechtslage, die sich - soweit dies unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles von Interesse ist - nur dadurch von der neuen Rechtslage unterschied, daß eine Einstellung nach § 36 Abs. 2 letzter Satz nur bei fristgerechter Erlassung des versäumten Bescheides in Frage kam, während bei Nachholung des versäumten Bescheides außerhalb der vom Verwaltungsgerichtshof eingeräumten Frist eine "echte" Klaglosstellung nach § 33 Abs. 1 VwGG nach der Judikatur eintrat; vgl. z.B. die hg. Beschlüsse vom 20. Jänner 1989, 88/17/0154, 0172, 0173 und 0198, sowie vom 20. Mai 1992, 91/12/0177, 0180, 018, oder vom 16. April 1997, 94/12/0204).
Im Beschwerdefall erfolgte unbestritten keine bescheidförmige Erledigung der beiden Feststellungsanträge vom 5. Juni 1996. Durch die vom Beschwerdeführer gegenüber dem Verwaltungsgerichtshof abgegebene Erklärung, er sei in der Zwischenzeit klaglos gestellt worden, hat er aber zu erkennen gegeben, daß er kein rechtliches Interesse mehr daran hat, daß der Verwaltungsgerichtshof über die vorliegende Säumnisbeschwerde entscheide. Dies hat zur Folge, daß der Verwaltungsgerichtshof das Beschwerdeverfahren in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos einzustellen hat.
Der Aufwandersatz ist im Falle der Gegenstandslosigkeit nach ständiger Rechtsprechung nach § 58 VwGG zu beurteilen. § 58 Abs. 2 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997 sieht vor, daß ein nachträglicher Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei einer Beschwerde bei der Kostenentscheidung nicht zu berücksichtigen ist; würde hiebei die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, so ist darüber nach freier Überzeugung zu entscheiden.
Im Beschwerdefall liegt eine zulässige Säumnisbeschwerde vor. Die belangte Behörde hat das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 55 Abs. 2 VwGG nicht einmal behauptet; Anhaltspunkte für das Vorliegen der Tatbestände nach § 55 Abs. 3 oder 4 VwGG (letzterer in der Fassung BGBl. I Nr. 88/1997) liegen offenkundig nicht vor. Es wäre daher sowohl im Falle einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes nach § 42 Abs. 4 Satz 1 oder Satz 2 VwGG als auch bei Nachholung des versäumten Bescheides durch die belangte Behörde unabhängig vom Inhalt der jeweils ergangenen Entscheidung über die beiden Feststellungsanträge des Beschwerdeführers vom 5. September 1996 zu einem Kostenzuspruch zugunsten des Beschwerdeführers (nach § 55 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 47 ff VwGG) gekommen. Bei dieser Fallkonstellation ist dem Beschwerdeführer bei Gegenstandslosigkeit seiner Säumnisbeschwerde wegen nachträglichen Wegfalles des Rechtsschutzinteresses in Anwendung des § 58 Abs. 2 VwGG Aufwandersatz zuzusprechen. Da der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses im Beschwerdefall durch eine wenn auch nicht in der Nachholung des versäumten Bescheides bestehende Handlung der Behörde (hier: Rückzahlung der zu Unrecht einbehaltenen Gehaltsbestandteile) erfolgte, ist der Anspruch des Aufwandersatzes in analoger Anwendung des § 55 Abs. 1 zweiter Satz VwGG zu bemessen.
Die Kostenentscheidung gründet sich daher auf die §§ 58 Abs. 2 in Verbindung mit §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2, 49 und 55 Abs. 1 zweiter Satz VwGG. Das Mehrbegehren betrifft neben dem geltend gemachten Anspruch auf volle Zuerkennung des Schriftsatzaufwandes, die wegen der sinngemäßen Anwendung des § 55 Abs. 1 zweiter Satz VwGG nicht in Betracht kommt, die Mehrwertsteuer, die jedoch im pauschalierten Schriftsatzaufwand abgedeckt ist.
Wien, am 7. Oktober 1998
Schlagworte
SäumnisbeschwerdeVerletzung der Entscheidungspflicht Diverses Zurückweisung - EinstellungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998120079.X00Im RIS seit
20.11.2000Zuletzt aktualisiert am
19.11.2012