TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/9 G314 2205613-1

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Veröffentlicht am 09.04.2019
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Entscheidungsdatum

09.04.2019

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1
FPG §55

Spruch

G314 2205613-1/7E

ENDERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde der XXXX, geboren am XXXX, serbische Staatsangehörige, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2018, Zl. XXXX, betreffend die Spruchpunkte I. bis IV. des angefochtenen Bescheids zu Recht:

A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben. Der angefochtene

Bescheid wird dahin abgeändert, dass Spruchpunkt III. zu lauten hat:

"Gemäß § 55 FPG beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung." und Spruchpunkt IV. ersatzlos behoben wird.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Mit Schreiben vom 29.05.2018 informierte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin oder kurz: BF), deren Familienname vor ihrer Eheschließung XXXX lautete, über ihre Verpflichtung zur Ausreise innerhalb der nächsten sieben Tage wegen Überschreitung der zulässigen visumfreien Aufenthaltsdauer. Mit Schreiben vom 28.06.2018 forderte das BFA die BF auf, zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbots Stellung zu nehmen. Die BF reagierte auf diese Schreiben nicht.

Mit dem im Spruch angeführten Bescheid wurde der BF ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und gemäß § 10 Abs 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt II.), gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt III.), gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG ein dreijähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.). Dies wird zusammengefasst damit begründet, dass sie sich seit 27.02.2018 im Bundesgebiet aufhalte, die sichtvermerksfreie Zeit überschritten und die Aufforderung zur Ausreise nicht befolgt habe. Während ihres nicht rechtmäßigen Aufenthalts habe sie einen serbischen Staatsangehörigen geheiratet. Das Einreiseverbot wird in der Begründung dieses Bescheids - abweichend vom Spruch - auf § 53 Abs 2 Z 6 FPG gestützt und mit der Mittellosigkeit der BF begründet.

Dagegen richtet sich die wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Verfahrens erhobene Beschwerde mit den Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und auf Durchführung einer Beschwerdeverhandlung. Die BF strebt damit die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG sowie die Aufhebung der Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbots, in eventu dessen Verkürzung, an. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt. Die BF begründet die Beschwerde im Wesentlichen damit, dass sie in Österreich geheiratet habe und ein Kind erwarte. Sie habe die Aufforderung zur Ausreise nicht befolgt, weil sie schwanger gewesen sei und in Serbien keine Verwandten mehr habe.

Das BFA legte die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 13.09.2018 einlangten, und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Mit dem Teilerkenntnis des BVwG vom 17.09.2018 wurde der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, als unzulässig zurückgewiesen, und Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ersatzlos aufgehoben.

Am 10.12.2018 langten beim BVwG ergänzende Informationen des BFA zum Beschwerdeverfahren (Meldung der Landespolizeidirektion Salzburg vom 13.09.2018, E-Mail des Sozialamts der Stadt Salzburg vom 10.10.2018) ein.

Feststellungen:

Die BF kam am XXXX in der serbischen Stadt XXXX zur Welt. Sie ist serbische Staatsangehörige und spricht Serbisch.

Am XXXX.2018 reiste die damals schwangere BF mit ihrem am XXXX.2013 ausgestellten und bis XXXX.2023 gültigen serbischen Reisepass über XXXX nach Österreich ein, nachdem sie sich zuvor bereits im Oktober 2016 für ca. drei Wochen in XXXX aufgehalten hatte. Sie hat das Bundesgebiet seither nicht verlassen, obwohl sie über keinen Aufenthaltstitel verfügt und bislang auch noch keinen beantragt hat. Sie war von XXXX. bis XXXX.2018 in Salzburg an der Adresse XXXX, mit Hauptwohnsitz gemeldet und danach bis 17.07.2018 in XXXX (XXXX). Seither ist sie wieder in Salzburg mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Am 19.03.2018 beantragte ihr damaliger Partner und nunmehriger Ehemann, der am XXXX geborene serbische Staatsangehörige XXXX, beim Sozialamt der Stadt Salzburg für sich und die BF Bedarfsorientierte Mindestsicherung.

Am XXXX.2018 heirateten die BF und XXXX in XXXX.

XXXX gelangte 1999 als Asylwerber nach Österreich. 2002 wurde ihm aufgrund seines Antrags vom 03.05.1999 Asyl gewährt. Er war seither im Bundesgebiet mit Unterbrechungen immer wieder erwerbstätig; aktuell ist er seit 30.11.2018 bei der XXXX in XXXX als Arbeiter vollversichert beschäftigt. Zwischen 2012 und 2017 wurde er mehrmals (zu bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen und einer Geldstrafe) strafgerichtlich verurteilt, ua wegen Diebstahls, Urkundenunterdrückung, dauernder Sachentziehung, Entfremdung unbarer Zahlungsmittel, Verleumdung und falscher Beweisaussage.

Mit dem Bescheid des BFA vom 14.11.2017 wurde ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt, der des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt und eine Rückkehrentscheidung sowie ein fünfjähriges Einreiseverbot erlassen. Das BVwG bestätigte die Asylaberkennung und die Nicht-Zuerkennung von subsidiärem Schutz mit dem Erkenntnis vom 27.06.2018, hob gleichzeitig die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot auf und verwies die Angelegenheit insoweit an das BFA zurück. Daraufhin sprach das BFA mit dem Bescheid vom 05.12.2018 wieder eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot aus und legte eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise fest. Das Verfahren über die von Adnan HOTI dagegen erhobene Beschwerde ist seit Jänner 2019 beim BVwG anhängig.

Am XXXX.2018 kam XXXX, der Sohn der BF und ihres Ehemanns, in XXXX zur Welt. Am XXXX.2018 beantragte XXXX als sein gesetzlicher Vertreter für ihn ohne Angabe eigener Gründe für die Zuerkennung von Asyl oder subsidiärem Schutz internationalen Schutz im Familienverfahren. Dieser Antrag wurde mit dem Bescheid des BFA vom 05.12.2018 abgewiesen, gegen Sinisa HOTI eine Rückkehrentscheidung erlassen und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Das Verfahren über die Beschwerde dagegen, der vom BVwG die aufschiebende Wirkung zuerkannt wurde, ist ebenfalls seit Jänner 2019 beim BVwG anhängig.

Die BF lebt mit ihrem Ehemann und dem gemeinsamen Kind in einem gemeinsamen Haushalt in XXXX. Nach der zwangsweisen Räumung der von ihnen zunächst bewohnten Wohnung in der XXXX wohnen sie seit XXXX.2018 in der XXXX, wo sie auch mit Hauptwohnsitz gemeldet sind. Die BF ist gesund und arbeitsfähig. Sie war in Österreich nie erwerbstätig, ist aber aufgrund der Mitversicherung mit ihrem Ehemann sozialversichert. Sie ist strafrechtlich unbescholten, wurde aber am 23.08.2018 wegen der Übertretung von § 120 FPG angezeigt, weil sie die zulässige visumfreie Aufenthaltsdauer überschritten hatte. Sie hat in Serbien keine nahen Angehörigen.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsakts des BVwG.

Die Identität der BF wird durch ihren auf ihren früheren Familiennamen XXXX lautenden, dem BVwG in Kopie vorliegenden Reisepass belegt, dessen Echtheit nicht in Zweifel steht. Daraus ergibt sich auch ihr Geburtsort.

Serbische Sprachkenntnisse sind aufgrund ihrer Herkunft plausibel, zumal auch ihr Ehemann diese Sprache spricht. Hinweise auf Deutschkenntnisse sind nicht aktenkundig.

Die Einreise der BF ergibt sich aus dem letzten Einreisestempel in ihrem Reisepass, ihre Wohnsitzmeldungen aus dem Zentralen Melderegister (ZMR). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sie Österreich seit Februar 2018 wieder verlassen hat, zumal seit XXXX.2018 durchgehend Hauptwohnsitzmeldungen bestehten und keine weiteren Grenzkontrollstempel vorliegen. Weder der Beschwerde noch dem übrigen Akteninhalt, insbesondere dem Fremdenregister, ist zu entnehmen, dass der BF ein Aufenthaltstitel in Österreich erteilt worden wäre. Aus dem Fremdenregister ergibt sich auch keine entsprechende Antragstellung; von der BF wird nicht einmal behauptet, dass sie einen Aufenthaltstitel beantragt hat.

Der Antrag auf Mindestsicherung geht aus dem Schreiben des Sozialamts der Stadt XXXX vom XXXX.2018 hervor. Die Eheschließung wird durch die Heiratsurkunde belegt.

Die Feststellungen zu XXXX basieren auf den Akten G306 1213404-2 und G313 1213404-3 des BVwG und den darin erliegenden Beweismitteln und Urkunden. Seine Erwerbstätigkeit wird anhand des Versicherungsdatenauszugs festgestellt; seine Vorstrafen ergeben sich aus dem Strafregister.

Die Geburtsurkunde von XXXX liegt vor. Die Feststellungen zu seinem Asylverfahren basieren auf den Gerichtsakten des BVwG zu G313 2212257-1.

Der gemeinsame Haushalt der BF mit Ehemann und Kind wird aufgrund übereinstimmender Hauptwohnsitzmeldungen und der Meldung der Landespolizeidirektion XXXX vom 13.09.2018 festgestellt. Aus letzterem geht auch die Anzeige gegen die BF wegen § 120 FPG hervor. Die Räumung der Wohnung in der XXXX ergibt sich aus dem E-Mail des Sozialamts der Stadt XXXX vom 10.12.2018. Es gibt keine aktenkundigen Hinweise auf gesundheitliche Probleme der BF. Da die Geburt vor mehr als neun Monaten erfolgte und sie in einem erwerbsfähigen Alter ist, ist auch von ihrer Arbeitsfähigkeit auszugehen. Der Umstand, dass sie im Bundesgebiet nicht erwerbstätig und mit ihrem Ehemann mitversichert ist, wird anhand des Versicherungsdatenauszugs festgestellt; das Fehlen in Serbien lebender Verwandter aufgrund ihrer Angaben dazu.

Die Feststellung der strafgerichtlichen Unbescholtenheit der BF basiert auf dem Strafregister.

Es gibt keine aktenkundigen Anhaltspunkte für eine über die Feststellungen hinausgehende Integration oder Anbindung der BF in Österreich. Es lassen sich auch keine konkreten Integrationsbemühungen der BF nachvollziehen.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids:

Die BF ist als Staatsangehörige von Serbien Fremde iSd § 2 Abs 4 Z 1 FPG und Drittstaatsangehörige iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG. Als serbische Staatsangehörige mit biometrischem Reisepass ist sie gemäß Art 1 Abs 2 iVm Anhang II Visumpflichtverordnung (Verordnung [EG] Nr. 539/2001 ABl. Nr. L81 vom 21.3.2001, S.1, idgF; vgl § 2 Abs 4 Z 20 FPG) von der Visumpflicht für einen Aufenthalt, der 90 Tage je Zeitraum von 180 Tagen nicht überschreitet, befreit. Aufgrund ihrer Einreise am 27.02.2018 hat sie den erlaubten visumfreien Aufenthalt seit 28.05.2018 überschritten. Seither hält sie sich gemäß § 31 Abs 1a FPG nicht rechtmäßig in Österreich auf, weil kein Fall des § 31 Abs 1 FPG vorliegt.

Wird ein Drittstaatsangehöriger nach der Einreise in einem Schengen-Mitgliedstaat ohne Grenzkontrollstempel angetroffen, dürfen die nationalen Behörden davon ausgehen, dass die höchst zulässige Aufenthaltsdauer überschritten ist, es sei denn, er kann durch geeignete Nachweise den Einreisezeitpunkt nachweisen (Artikel 12 Schengener Grenzkodex). Solche Nachweise liegen hier nicht vor.

Da sich die BF nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, ist zunächst gemäß § 58 Abs 1 AsylG von Amts wegen die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG zu prüfen. Gemäß § 58 Abs 3 AsylG ist darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Aufenthaltsberechtigung sind nicht erfüllt, weil der Aufenthalt der BF nie geduldet iSd § 46a FPG war und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie Zeugin oder Opfer strafbarer Handlungen oder Opfer von Gewalt wurde.

Da BF nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG ("Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung", §§ 41 bis 45c FPG) fällt, ist die Entscheidung über die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG nach § 10 Abs 2 AsylG und § 52 Abs 1 Z 1 FPG mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden.

Da die Rückkehrentscheidung in das Privat- und Familienleben der BF eingreift, ist sie gemäß § 9 Abs 1 BFA-VG (nur) zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Dabei ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen der BF, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (siehe VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0041).

Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens, der Wohnung und des Briefverkehrs laut Art 8 Abs 1 EMRK nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung ist hier gemäß § 9 Abs 2 Z 1 BFA-VG zu berücksichtigen, dass sich die BF erst seit etwas über einem Jahr im Bundesgebiet aufhält. Der VwGH hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt. Bei einem Inlandsaufenthalt von etwas über einem Jahr kann von einer ins Gewicht fallenden Aufenthaltsdauer keine Rede sein (vgl zuletzt VwGH 24.01.2019, Ra 2018/21/0191).

Es besteht allerdings ein gemäß § 9 Abs 2 Z 2 BFA-VG zu berücksichtigendes Familienleben der BF in Österreich, weil sie hier mit ihrem Ehemann und dem gemeinsamen Kleinkind zusammenlebt. Dies wird jedoch nach § 9 Abs 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich dadurch relativiert, dass es zu einer Zeit entstand, zu der sich die Beteiligten des unsicheren Aufenthaltsstatus der BF bewusst waren, zumal sie nie über eine über die erlaubte visumfreie Aufenthaltsdauer hinausgehende Aufenthaltsgenehmigung in Österreich verfügte und ihr dies zweifellos bekannt war. Aktuell haben weder der Ehemann noch der Sohn der BF ein längerfristig gesichertes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet.

Abgesehen von ihrer Kernfamilie hat die BF keine nahen Bezugspersonen im Inland. Sie war hier nie erwerbstätig; Integrationsbemühungen sind nicht erkennbar. Ein schutzwürdiges Privatleben iSd § 9 Abs 2 Z 3 BFA-VG oder eine nach § 9 Abs 2 Z 4 BFA-VG maßgebliche Integration der BF im Bundesgebiet liegt daher nicht vor.

Demgegenüber bestehen iSd § 9 Abs 2 Z 5 BFA-VG starke Bindungen der BF an ihren Herkunftsstaat, wo ihr bisheriges Leben überwiegend verbracht hat. Sie ist mit den dortigen Gepflogenheiten vertraut und sprachkundig. Sie wird daher in Serbien mit der Unterstützung ihres für sie unterhaltspflichtigen Ehemanns wieder in der Lage sein, trotz der schwierigen wirtschaftlichen Situation dort für ihren Lebensunterhalt (und allenfalls auch den ihres Kindes) aufzukommen und sich ohne größere Probleme wieder in die dortige Gesellschaft zu integrieren, zumal sie dort bis Februar 2018 lebte und trotz des Fehlens naher Angehöriger davon auszugehen ist, dass sie über ein übliches soziales Netzwerk und der langen Aufenthaltsdauer entsprechende kulturelle Anknüpfungen verfügt.

Die nach § 9 Abs 2 Z 6 BFA-VG maßgebliche strafrechtliche Unbescholtenheit der BF vermag weder ihr persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (vgl VwGH 19.04.2012, 2011/18/0253). Abgesehen von ihrem nicht rechtmäßigen Aufenthalt liegen keine Verstöße gegen die öffentliche Ordnung iSd § 9 Abs 2 Z 7 BFA-VG vor. Ebensowenig bestehen den Behörden zurechenbare überlange Verzögerungen iSd § 9 Abs 2 Z 9 BFA-VG.

Dem insbesondere aus ihrem Familienleben resultierenden Interesse der BF an einem Verbleib im Inland steht das große öffentliche Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen und an einem geordneten Vollzug fremdenrechtlicher Vorschriften gegenüber, dem im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt.

Eine Trennung der BF von ihrem Ehemann und dem gemeinsamen Kind alleine wegen ihres unrechtmäßigen Aufenthaltes wäre nicht verhältnismäßig. Sie ist hier aber gerechtfertigt, weil dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme aufgrund der von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regelungen über eine geordnete Zuwanderung und den "Familiennachzug" ein sehr großes Gewicht beizumessen ist (vgl VwGH 06.09.2018, Ra 2018/18/0026; 15.03.2018, Ra 2017/21/0191). Dabei ist zu bedenken, dass die BF bei ihrer Einreise bereits schwanger war, keinen Antrag auf Erteilung eines von ihrem Ehemann abgeleiteten Aufenthaltstitels gestellt hat, kurz nach der Einreise Sozialleistungen beantragte und unmittelbar nach dem Ablauf der zulässigen visumfreien Aufenthaltsdauer heiratete.

Da sich die BF seit längerem unrechtmäßig in Österreich aufhält, wobei schon die Einreise ohne Aufenthaltstitel erfolgte und offenkundig dem Zweck diente, das Familienleben mit ihrem (späteren) Ehepartner aufzunehmen, liegt eine von Anfang an beabsichtigte Umgehung der Regelungen über eine geordnete Zuwanderung und den "Familiennachzug" auf der Hand. In einer solchen Konstellation führt weder ihre Ehe noch die Elternschaft dazu, dass unter dem Gesichtspunkt des Art 8 EMRK von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme hätte Abstand genommen und akzeptiert werden müssen, dass die BF mit ihrem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf ihren Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen. Vielmehr ist es ihr zumutbar, gemeinsam mit ihrem Kind für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens auszureisen (so z. B. VwGH 18.10.2012, 2011/23/0503 zur Ehe mit einem österreichischen Partner). Ihr neun Monate alter Sohn, dessen außerhäusliche Sozialisation noch nicht begonnen hat, kann sie nach Serbien begleiten, weil ihm derzeit kein gesichertes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zukommt, zumal der Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren ohne Angabe eigener Fluchtgründe zu einer Zeit gestellt wurde, als seinem Vater der Status des Asylberechtigten bereits rechtskräftig aberkannt worden war. Dem Ehemann der BF ist es zumutbar, sie ebenfalls nach Serbien zu begleiten oder die Kontakte über diverse Kommunikationsmittel (Internet, Telefon) und bei Besuchen (z.B. im Rahmen zulässiger visumfreier Inlandsaufenthalte) zu pflegen, zumal ihm der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Serbien seit geraumer Zeit nicht (mehr) zukommt.

Bei der gemäß § 9 BFA-VG vorzunehmenden Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung gegen das gegenläufige persönliche Interesse der BF am Maßstab des Art 8 EMRK ist das Ergebnis der vom BFA vorgenommenen Interessenabwägung, wonach Ersteres überwiegt, letztlich nicht zu beanstanden. Durch die Rückkehrentscheidung wird Art 8 EMRK somit im Ergebnis nicht verletzt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen oder wurden in der Beschwerde behauptet, die eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erscheinen lassen. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. der Beschwerde ist damit unbegründet.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids:

Für die gemäß § 52 Abs 9 FPG von Amts wegen gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (siehe VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/0157). Demnach ist die Abschiebung unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für den Betreffenden als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben oder die Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3).

Da keine dieser Voraussetzungen hier zutrifft, ist die Abschiebung der BF nach Serbien zulässig. Es liegen unter Berücksichtigung der stabilen Situation dort und der Lebensumstände der gesunden und arbeitsfähigen BF, die einen Unterhaltsanspruch gegen ihren Ehemann hat, keine konkreten Gründe vor, die eine Abschiebung unzulässig machen würden, zumal sie und ihr Kind reisefähig sind. Daher ist auch Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids nicht korrekturbedürftig.

Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids:

Kommt es - wie hier - nach Vorlage der Beschwerde zur Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG, so hat dieses bei Bestätigung der Rückkehrentscheidung im Spruch seines Erkenntnisses gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise festzulegen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 55 FPG K9).

Da die BF keine besonderen Umstände, die sie bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, vorgebracht und keinen Ausreisetermin bekanntgegeben hat, beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids ist in diesem Sinn abzuändern.

Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids:

Gemäß § 53 FPG kann das BFA mit einer Rückkehrentscheidung bei Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ein Einreiseverbot erlassen. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt der BF die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Das Vorliegen einer für die Verhängung eines Einreiseverbots relevanten Gefahr ist nach der demonstrativen Aufzählung des § 53 Abs 2 Z 1 bis 9 FPG z.B. dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag (§ 53 Abs 2 Z 6 FPG). In diesem Fall kann ein Einreiseverbot für höchstens fünf Jahre erlassen werden.

Ein bis zu zehnjähriges Einreiseverbot gemäß setzt gemäß § 53 Abs 3 FPG voraus, dass bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Als bestimmte Tatsache, die bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes neben den anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen relevant ist, gilt gemäß § 53 Abs 3 Z 1 FPG insbesondere die rechtskräftige Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten, zu einer bedingt oder teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten oder die wiederholte Verurteilung wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlungen.

Ein Einreiseverbot ist nicht zwingend mit jeder Rückkehrentscheidung zu verbinden (vgl VwGH Ra 2016/21/0207). Es ist dann zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung seiner Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die das Gesamtverhalten des Betroffenen einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt ist. Es ist weiters in Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen des Betroffenen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12; vgl auch VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).

Das vom BFA im Spruch des angefochtenen Bescheids aktenwidrig auf § 53 Abs 3 Z 1 FPG gestützte Einreiseverbot ist rechtswidrig, zumal die BF unbescholten ist und daher keiner der in § 53 Abs 3 Z 1 FPG genannten Tatbestände erfüllt ist.

Unabhängig davon besteht hier kein Grund, gegen die BF ein Einreiseverbot zu erlassen. Der bloße unrechtmäßige Aufenthalt ist noch keine so gravierende Störung der öffentlichen Ordnung, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbots gebietet. Wenn sich das Fehlverhalten darauf beschränkt und ausnahmsweise nur eine geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens vorliegt, ist überhaupt kein Einreiseverbot zu verhängen (vgl VwGH 15.05.2012, 2012/18/0029).

Obwohl der beharrliche unrechtmäßige Aufenthalt der BF und ihre Einreise zur Umgehung der Regelungen über eine geordnete Zuwanderung hier eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung durch ihr Verhalten indizieren, stehen ihre familiären Interessen der Verhängung eines Einreiseverbots entgegen. Angesichts ihrer strafgerichtlichen Unbescholtenheit und des Umstands, dass aufgrund des Unterhaltsanspruchs gegen ihren Ehemann, der derzeit aufgrund seiner Erwerbstätigkeit über ein regelmäßiges Einkommen verfügt, keiner der in § 53 Abs 2 FPG demonstrativ aufgezählten Tatbestände erfüllt ist, die Erlassung eines Einreiseverbots zusätzlich zur Rückkehrentscheidung nicht notwendig. Der BF sollen so Besuche bei ihrem aktuell in Österreich aufhältigen Ehemann im Rahmen zukünftiger visumfreier Aufenthalte nicht verwehrt werden, auch, um die im Interesse des Kindeswohls gebotenen verlässlichen persönlichen Kontakte des Kindes zu beiden Eltern (vgl § 138 Z 9 ABGB) möglichst unkompliziert zu gestalten. Aus diesem Grund kann hier ausnahmsweise von der Erlassung eines Einreiseverbots abgesehen werden. Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids ist somit in teilweiser Stattgebung der Beschwerde gemäß § 28 Abs 2 iVm § 27 VwGG ersatzlos aufzuheben.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Nach § 21 Abs 7 BFA-VG kann bei Vorliegen der dort umschriebenen Voraussetzungen - trotz Vorliegens eines Antrags - von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden. Von einem geklärten Sachverhalt iSd § 21 Abs 7 BFA-VG bei der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen kann allerdings im Allgemeinen nur in eindeutigen Fällen ausgegangen werden, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des oder der Fremden sprechenden Fakten auch dann kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm oder ihr einen persönlichen Eindruck verschafft (vgl. zuletzt VwGH 16.10.2019, Ra 2018/18/0272).

Da hier ein eindeutiger Fall vorliegt, der Sachverhalt anhand der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt werden konnte und auch bei einem positiven Eindruck von der BF bei einer mündlichen Verhandlung keine andere Entscheidung denkbar ist, kann eine Beschwerdeverhandlung unterbleiben. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal ohnehin von der Richtigkeit der von der BF ergänzend vorgebrachten Tatsachen ausgegangen wird.

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Erhebliche Rechtsfragen von der über den Einzelfall hinausgehenden, grundsätzlichen Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG stellten sich nicht, weshalb die Revision an das Höchstgericht nicht zuzulassen ist.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, freiwillige Ausreise,
Rückkehrentscheidung, Voraussetzungen, Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2205613.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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