TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/13 G314 1233371-2

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Veröffentlicht am 13.05.2019
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Entscheidungsdatum

13.05.2019

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §55 Abs3

Spruch

G314 1233371-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, kosovarischer Staatsangehöriger, vertreten durch den Rechtsanwalt XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 05.07.2018,

Zl. XXXX, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Am 26.11.2014 wurde dem Beschwerdeführer (BF) aufgrund seines Antrags vom 19.08.2013 als Angehörigem einer EWR-Bürgerin eine bis 26.11.2019 gültige Aufenthaltskarte ausgestellt.

Am 28.07.2016 informierte der BF die XXXX Magistratsabteilung XXXX als Behörde nach dem NAG über die seit 09.10.2015 rechtskräftige Scheidung seiner Ehe. Mit Schreiben vom 17.08.2016 setzte die Magistratsabteilung XXXX das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) davon in Kenntnis und ersuchte um Prüfung einer Aufenthaltsbeendigung gemäß § 55 Abs 3 NAG.

Am 05.04.2017 wurde der BF vor dem BFA zur beabsichtigten Erlassung einer Ausweisung vernommen. Mit dem Schreiben vom 19.10.2017 forderte das BFA ihn auf, sich dazu zu äußern. Er erstattete am 08.12.2017 eine entsprechende Stellungnahme.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies das BFA den BF gemäß § 66 Abs 1 FPG iVm § 55 Abs 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet aus (Spruchpunkt I.) und erteilte ihm gemäß § 70 Abs 3 FPG einen einmonatigen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.). Die Ausweisung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Ehe des BF mit einer EWR-Bürgerin weniger als drei Jahre gedauert habe. Er habe sich zwischen 2002 und 2011 als Asylwerber im Bundesgebiet aufgehalten. Zwischen Jänner 2012 und Februar 2013 sei keine Wohnsitzmeldung vorgelegen. Im Februar 2013 sei er in Schubhaft genommen worden und am 28.03.2013 freiwillig aus dem Bundesgebiet ausgereist. Ihm komme nun kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht mehr zu.

Dagegen richtet sich die Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid nach Durchführung einer Beschwerdeverhandlung zu beheben. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt. Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass sein Aufenthaltsrecht nach § 54 Abs 5 Z 3 und 4 NAG erhalten geblieben sei. Er sei schon 2002 nach Österreich gelangt; sein aktueller Aufenthalt sei gemäß § 31 Abs 1 Z 2 FPG rechtmäßig. Die Aufrechterhaltung der Ehe mit einer EWR-Bürgerin sei ihm nicht zumutbar gewesen, weil seine damalige Ehegattin das alleinige Verschulden an der Zerrüttung der Ehe treffe. Er halte sich seit mehr als zehn Jahren im Bundesgebiet auf, wo neben nahen Verwandten auch alle seine Freunde und Bekannten lebten. Er spreche ausgezeichnet Deutsch und sei - abgesehen von saisonaler Arbeitslosigkeit - erwerbstätig. Seine privaten Interessen würden die öffentlichen überwiegen, sodass von einer Ausweisung Abstand zu nehmen sei.

Das BFA legte die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 22.08.2018 einlangten.

Am 17.09.2018 legte der BF dem BVwG auftragsgemäß eine Heiratsurkunde und das Scheidungsurteil vor.

Feststellungen:

Der BF kam im kosovarischen Dorf XXXX zur Welt; er gehört zur albanischen Volksgruppe und bekennt sich zum Islam. Seine Muttersprache ist Albanisch. Am 11.10.2002 reiste er in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag, der mit dem Bescheid des Bundesasylamts vom 17.10.2002 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen wurde. Weiters wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat gemäß § 8 AsylG 1997 zulässig sei. Seine Beschwerde dagegen wurde mit dem Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 06.04.2011 als unbegründet abgewiesen. Den Asylantrag hatte der BF ursprünglich mit der Furcht, in seiner Heimat von Privatpersonen aus kriminellen Motiven verfolgt zu werden, begründet. In der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 31.03.2011 gab er an, dass im Kosovo keine Gründe für die Zuerkennung von Asyl oder subsidiärem Schutz mehr bestünden.

Der BF war von 04.11.2002 bis 26.01.2012 an verschiedenen Adressen im Bundesgebiet mit Hauptwohnsitz gemeldet. Danach bestand keine Wohnsitzmeldung, bis er am 11.02.2013 festgenommen und bis 14.02.2013 in Schubhaft angehalten wurde. Am 28.03.2013 kehrte er freiwillig in den Kosovo zurück.

Am 29.05.2013 heiratete der BF im Kosovo die in XXXX lebende slowakische Staatsangehörige XXXX. Daraufhin kehrte er in das Bundesgebiet zurück, wo er seit August 2013 durchgehend mit Hauptwohnsitz gemeldet ist. Seit 26.11.2014 besitzt er eine bis 26.11.2019 gültige Aufenthaltskarte. Er war im Bundesgebiet ab September 2013 immer wieder - unterbrochen von Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs - als Fassadenbauer unselbständig erwerbstätig. Seit Juli 2017 ist er als unbeschränkt haftender Gesellschafter der XXXX OG XXXX selbständig erwerbstätig. Er beherrscht die deutsche Sprache und absolvierte eine Sprachprüfung für das Sprachniveau A2 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen. Zwei seiner Brüder sowie Cousinen und Cousins halten sich ebenfalls im Bundesgebiet auf. Die Eltern des BF und vier seiner Brüder leben nach wie vor im Kosovo.

Der BF lebt seit Jänner 2015 getrennt von XXXX. Der Ehe mit ihr entstammen keine Kinder. Mit dem seit XXXX.2015 rechtskräftigen Urteil des Grundgerichts XXXX (Kosovo) wurde die Ehe in beiderseitigem Einvernehmen geschieden.

Am XXXX.2016 heiratete der BF im Kosovo die kosovarische Staatsangehörige XXXX (geborene XXXX). Er arbeitete weiterhin im Bundesgebiet und besuchte seine im Kosovo lebende Ehefrau regelmäßig, wenn er frei hatte. Dort konnte er im Haus seiner Eltern in XXXX wohnen.

Der gesunde und arbeitsfähige BF hat in Österreich einen Freundeskreis, ist aber nicht in Vereinen oder Organisationen engagiert. Er ist strafgerichtlich unbescholten.

Seit Februar 2018 wohnt der BF gemeinsam mit seinem Bruder XXXX in XXXX. Am 21.02.2019 reiste seine hochschwangere Ehefrau in das Bundesgebiet ein und beantragte hier internationalen Schutz, weil sie hier mit ihm zusammenleben wollte und nicht wollte, dass das Kind ohne Vater aufwächst. Am 08.03.2019 kam der gemeinsame Sohn XXXX in XXXX zur Welt.

Mit den Bescheiden vom 10.04.2019, Zl. XXXX und XXXX, wies das BFA die Anträge von XXXX und XXXXauf internationalen Schutz vollinhaltlich ab (Spruchpunkte I. und II.), erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG, erließ gegen sie jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG und stellte die Zulässigkeit der Abschiebung in den Kosovo fest (Spruchpunkt III.), erkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab und legte gemäß § 55 Abs 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise fest (Spruchpunkt IV.). Gleichzeitig erließ es gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 FPG jeweils ein einjähriges Einreiseverbot (Spruchpunkt V.). Die gemeinsame Beschwerde von XXXX und XXXX gegen die Spruchpunkte III., IV. und V. dieser Bescheide wurde dem BVwG vorgelegt, das dieser nur insoweit Folge gab, als es das Einreiseverbot behob.

Weitere Anhaltspunkte für eine Integration des BF in familiärer, beruflicher, sozialer oder gesellschaftlicher Hinsicht bestehen nicht.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich im Wesentlichen widerspruchsfrei aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und der den BF sowie XXXX und XXXX betreffenden Gerichtsakten des BVwG sowie des Asylgerichtshofs.

Die Identität des BF wird durch seinen dem BVwG in Kopie vorliegenden, am 11.03.2013 ausgestellten und bis 10.03.2023 gültigen kosovarischen Reisepass belegt, dessen Echtheit nicht in Zweifel steht. Die Feststellungen zu Religion und Volksgruppenzugehörigkeit sowie zu seinem Asylverfahren in Österreich basieren auf den Akten des Asylgerichtshofs Zl. XXXX, insbesondere auf dem Protokoll vom 31.03.2011 und der Entscheidung vom 06.04.2011.

Die albanische Muttersprache des BF ist aufgrund von Herkunft und Volksgruppenzugehörigkeit nachvollziehbar, zumal eine Verständigung mit dem Dolmetsch für diese Sprache problemlos möglich war. Seine Wohnsitzmeldungen werden anhand des Zentralen Melderegisters (ZMR) festgestellt. Die Schubhaft 2013 ergibt sich aus der Wohnsitzmeldung im Polizeianhaltezentrum XXXX und aus dem Fremdenregister. Die freiwillige Rückkehr des BF in den Kosovo ist ebenfalls im Fremdenregister dokumentiert.

Die Feststellungen zur Ehe des BF mit XXXX beruhen auf den dazu vorgelegten Unterlagen (Heiratsurkunde und Scheidungsurteil). Die in Kopie vorliegende Aufenthaltskarte des BF ist auch im Fremdenregister dokumentiert.

Die Erwerbstätigkeit des BF im Bundesgebiet geht aus seinen Angaben gegenüber dem BFA hervor, die insoweit durch den Versicherungsdatenauszug untermauert werden. Die angegebene selbständige Erwerbstätigkeit ist aufgrund des vom BVwG eingeholten Firmenbuchauszugs der XXXX OG, in dem der BF als unbeschränkt haftender Gesellschafter aufscheint, plausibel.

Aufgrund des langen Inlandsaufenthalts des BF als Asylwerber leuchtet ein, dass er Deutschkenntnisse erwarb und hier Freundschaften knüpfte, sodass seinen Angaben dazu gefolgt werden kann, obwohl keine urkundlichen Nachweise (Zeugnisse, Empfehlungsschreiben oä) vorliegen. Die Feststellungen zu den in Österreich und im Kosovo lebenden Angehörigen des BF folgen seiner Schilderung vor dem BFA sowie den Angaben von XXXX in ihrem Asylverfahren.

Die Trennung des BF von XXXX und die Ehescheidung werden anhand des vorgelegten Scheidungsurteils festgestellt, aus dem auch hervorgeht, dass die Ehe kinderlos blieb.

Die Heiratsurkunde betreffend die Ehe zwischen dem BF und XXXX wurde von ihr in ihrem Asylverfahren vorgelegt. Daraus ergibt sich, dass die Ehe schon im Jänner 2016 und nicht (wie vom BF behauptet) im Oktober 2016 geschlossen wurde.

Die Feststellungen zu den Aufenthalten des BF im Kosovo beruhen auf seiner Darstellung vor dem BFA, die durch die Grenzkontrollstempel in seinem Reisepass untermauert wird.

Die Unbescholtenheit des BF geht aus dem Strafregister hervor. Hinweise auf strafgerichtliche Verurteilungen in anderen Staaten sind nicht aktenkundig. Es gibt keine Indizien für Erkrankungen oder Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit des BF, der in einem erwerbsfähigen Alter ist und erwerbstätig ist.

Der aktuelle Wohnort des BF ergibt sich aus der Wohnsitzmeldung laut ZMR. Feststellungen zum Aufenthalt von XXXX im Bundesgebiet, zur Geburt des gemeinsamen Sohnes und zu deren Asylverfahren basieren auf den Akten G314 2218398-1 und G314 2218399-1 des BVwG sowie den dazu vom BFA vorgelegten Verwaltungsakten, insbesondere der Geburtsurkunde, den Bescheiden vom 10.04.2019 und dem Erkenntnis des BVwG.

Es gibt keine Beweisergebnisse für über die Feststellungen hinausgehende Anbindungen des BF im Inland.

Rechtliche Beurteilung:

Als Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG gilt ein Fremder, der weder EWR-Bürger noch Schweizer Bürger ist. Als begünstigter Drittstaatsangehöriger gilt gemäß § 2 Abs 4 Z 11 FPG unter anderem der Ehegatte eines EWR-Bürgers, der sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat, insofern er den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.

Gemäß § 54 Abs 1 NAG sind Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind und die in § 52 Abs 1 Z 1 bis 3 NAG genannten Voraussetzungen erfüllen, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Das Aufenthaltsrecht drittstaatsangehöriger Ehegatten bleibt (soweit entscheidungswesentlich) bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe gemäß § 54 Abs 5 NAG erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs 1 Z 1 und 2 NAG erfüllen und die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet (Z 1); ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird (Z 3); es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe nicht zugemutet werden kann (Z 4) oder ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang - solange er für nötig erachtet wird - ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf ( Z 5).

Der BF ist als Staatsangehöriger des Kosovo grundsätzlich Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG. Durch die Ehe mit XXXX erlangte er den Status eines begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG.

§ 55 NAG lautet:

"(1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs 3 und 54 Abs 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs 2 oder § 54 Abs 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.

(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."

Bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, welches eine Aufenthaltskarte dokumentieren soll, ist nicht automatisch auch der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet beendet. Ein Fremder, für den eine Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgestellt wurde, bleibt selbst bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts bis zum Abschluss des nach § 55 NAG vorgesehenen Verfahrens gemäß § 31 Abs 1 Z 2 FPG rechtmäßig aufhältig. Es soll ihm möglich sein, trotz des Wegfalls der Voraussetzungen für ein aus dem Unionsrecht abgeleitetes Aufenthaltsrecht während seines Aufenthalts im Inland auf einen für seinen künftigen Aufenthaltszweck passenden Aufenthaltstitel "umzusteigen", ohne dass dies zur Folge hätte, dass während dieses Verfahrens sein Aufenthalt unrechtmäßig wäre (VwGH 18.06.2013, 2012/18/0005; siehe auch Abermann et al, Kommentar NAG 2016, § 55 Rz 7 ff).

Kommt die Niederlassungsbehörde - wie hier - bei der Prüfung des Fortbestands der Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen dafür nicht mehr vorliegen, hat sie die in § 55 Abs 3 NAG vorgesehenen Verfahrensschritte (Befassung des BFA und Information des Betroffenen) zu setzen.

Die Frage des Bestehens des gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechts und der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung hat dann das BFA zu beurteilen (vgl VwGH 17.11.2011, 2009/21/0378). Diese Frage ist anhand des § 66 FPG zu prüfen, ohne dass es auf das Vorliegen einer Eigenschaft des Fremden als begünstigter Drittstaatsangehöriger

iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG ankommt.

Dem BF wurde auf Grund seiner Ehe mit einer freizügigkeitsberechtigten slowakischen Staatsangehörigen gemäß § 54 Abs 1 NAG eine Aufenthaltskarte ausgestellt. Die Ehe dauerte weniger als drei Jahre und blieb kinderlos. Trotz der Behauptung des BF, das Alleinverschulden am Scheitern der Ehe träfeXXXX, bestehen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass ein Härtefall iSd § 54 Abs 5 Z 4 NAG vorliegt. Mit dieser Bestimmung wurde Art 13 Abs 2 Unterabs 1 Buchst c der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG) im nationalen Recht umgesetzt (VwGH 15.03.2018, Ro 2018/21/0002), wonach die Ehescheidung dann nicht zum Verlust des Aufenthaltsrechts führt, wenn es aufgrund besonders schwieriger Umstände erforderlich ist, wie etwa bei Opfern von Gewalt im häuslichen Bereich während der Ehe. Da der BF weder Opfer häuslicher Gewalt während der Ehe wurde noch vergleichbare andere "besonders schwierige Umstände" erkennbar sind, aufgrund derer die Aufrechterhaltung seines bisherigen Aufenthaltsrechts "erforderlich" wäre, sind die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht infolge der Ehescheidung unter Berücksichtigung von § 54 Abs 1 und 5 NAG weggefallen.

Gemäß § 66 Abs 1 FPG können begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Wenn sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben, ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

Gemäß § 66 Abs 2 FPG sind bei einer Ausweisung insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter des Betroffenen, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

Die Erlassung einer Ausweisung gegen begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist gemäß § 66 Abs 3 FPG zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

Gemäß § 9 BFA-VG ist ua eine Ausweisung gemäß § 66 FPG, die in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingreift, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im

Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß

§ 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:

Die Kontinuität des Inlandsaufenthalts des BF wurde dadurch, dass er nach der endgültigen Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz in seinen Herkunftsstaat zurückkehrte, unterbrochen. Er hält sich nunmehr seit August 2013 wieder durchgehend und rechtmäßig in Österreich auf. Er spricht Deutsch. Im Bundesgebiet leben zwei seiner Brüder, Cousins und Cousinen sowie seine Freunde, zu denen aber kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis besteht. Eine Trennung von seiner Ehefrau und seinem Sohn, denen ebenfalls kein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zukommt, ist mit der Ausweisung nicht verbunden, zumal auch gegen sie aufenthaltsbeendende Maßnahmen angeordnet wurden. Der BF ist ein gesunder Erwachsener im erwerbsfähigen Alter. Er ist aufgrund seiner Erwerbstätigkeit selbsterhaltungsfähig und unbescholten.

Die Ausweisung greift zwar nicht in das Familienleben, wohl aber in das Privatleben des BF ein. Es wird ihm aber möglich sein, die Kontakte zu seinen in Österreich lebenden Bezugspersonen über diverse Kommunikationsmittel (etwa Internet oder Telefon) und durch wechselseitige Besuche aufrechtzuerhalten, zumal der BF Österreich auch nach seiner Rückkehr in den Kosovo während erlaubter visumfreier Aufenthalte besuchen kann.

Der BF hat starke Bindungen zu seinem Heimatstaat, wo er aufwuchs, wo seine Eltern und mehrere Brüder leben und wo eine Wohnmöglichkeit in seinem Elternhaus besteht. Er spricht die Landessprache und hielt sich in den letzten Jahren regelmäßig bei Besuchen im Kosovo auf. Nach seiner Rückkehr dorthin wird er - allenfalls mit der Unterstützung durch seine Eltern und Brüder - auch aufgrund der im Bundesgebiet gesammelten Berufserfahrung als Fassadenbauer in der Lage sein, sich dort mit Tätigkeiten wie den bisher ausgeübten ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften und damit für den Lebensunterhalt für sich, seien Frau und das gemeinsame Kind aufzukommen.

Die belangte Behörde ist daher im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes das persönliche Interesse des BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und die Ausweisung daher Art 8 EMRK nicht verletzt, zumal dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt und der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet zum Teil auch darauf zurückzuführen ist, dass er der Behörde seine Ehescheidung erst mit geraumer Verspätung bekannt gab. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist daher als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist ua begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung grundsätzlich von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids ist vor diesem gesetzlichen Hintergrund nicht zu beanstanden.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte, unterbleibt die beantragte Beschwerdeverhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG, zumal keine widerstreitenden Beweisergebnisse vorliegen und von einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG keine weitere Klärung dieser Angelegenheit zu erwarten ist.

Die Revision war wegen der Einzelfallbezogenheit dieser Entscheidung, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen.

Schlagworte

Ausweisung, Interessenabwägung, öffentliche Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.1233371.2.00

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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