TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/27 G314 2197142-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.06.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

27.06.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G314 2197142-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, deutscher Staatsangehöriger, vertreten durch die XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 20.04.2018,

Zl. XXXX, betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbots zu Recht:

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der BF wurde am 08.11.2017 verhaftet und in der Folge in der Justizanstalt XXXX angehalten. Mit Schreiben vom 19.12.2017 wurde er vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) aufgefordert, sich zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zu äußern. Er erstattete keine Stellungnahme.

Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX.2018, XXXX, wurde der BF wegen gewerbsmäßiger Vermögensdelinquenz zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Mit dem oben angeführten Bescheid wurde daraufhin gegen ihn gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein achtjähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), ihm gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt III.). Das Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen mit seinen strafgerichtlichen Verurteilungen und dem Fehlen familiärer, sozialer und beruflicher Bindungen in Österreich begründet.

Dagegen richtet sich die wegen Verfahrensfehlern und inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhobene Beschwerde mit den Anträgen, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, eine Beschwerdeverhandlung durchzuführen und das Aufenthaltsverbot zu beheben, in eventu zu verkürzen. Hilfsweise wird auch ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt. Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass das BFA die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht nachvollziehbar begründet und ihm zu Unrecht keinen Durchsetzungsaufschub gewährt habe. Das Aufenthaltsverbot greife unverhältnismäßig in sein Privat- und Familienleben ein. Er arbeite als Freigänger im Schichtbetrieb und könnte diese Tätigkeit auch nach seiner Entlassung fortsetzen. Er habe eine Wohnung in XXXX in Aussicht. Er habe sich mit Arbeitskollegen angefreundet; mit XXXXverbinde ihn eine enge Freundschaft. Er bereue seine Straftaten, sodass keine Wiederholungsgefahr vorliege. Er sei durch die Haft geläutert, habe sich geständig verantwortet und von sich aus eine Schadensgutmachung angeboten.

Das BFA legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 01.06.2018 einlangte.

Das BVwG erkannte der Beschwerde mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung nicht zu, was im Aktenvermerk vom 04.06.2018 festgehalten wurde.

Am XXXX.2018 kehrte der BF von einem Ausgang nicht in die Justizanstalt zurück und wurde erst am XXXX.2018 wieder festgenommen. Am XXXX.2018 wurde er mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX, XXXX, zu einer weiteren Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt.

Feststellungen:

Der BF wurde am XXXX geboren, stammt aus Deutschland und spricht Deutsch. Er ist gesund und arbeitsfähig. Er hat in Österreich Arbeitskollegen, mit denen er befreundet ist; außerdem freundete er sich mit XXXX an. Darüber hinaus hat er im Inland keine familiären, beruflichen oder sonstigen Bindungen.

Der BF hielt sich ungefähr ab Mitte 2017 ohne Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet auf. In seinem Herkunftsstaat hatte er seit geraumer Zeit keinen Wohnsitz mehr. Er war im Bundesgebiet nur am 01.09.2017 als Arbeiter zur Sozialversicherung gemeldet; abgesehen davon ging er im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nach.

In Deutschland wurde er wiederholt strafgerichtlich verurteilt:

Wegen eines Diebstahlsdelikts wurde er Ende 2001 zu einer zunächst bedingt nachgesehenen Freiheitstrafe von 20 Monaten verurteilt; die Strafaussetzung wurde in der Folge widerrufen. 2004 wurde er wegen Betrugsdelikten zu einer neunmonatigen Freiheitstrafe verurteilt, die bis Februar 2005 vollzogen wurde. Im Juli 2005 folgte die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 2 1/2 Jahren wegen Vermögensdelikten (Diebstahl, Unterschlagung, Betrug). 2012 wurde der BF wegen weiterer Vermögensdelikte zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt, die (nach dem Widerruf einer teilweisen Aussetzung zur Bewährung) bis September 2016 vollzogen und anschließend die Führungsaufsicht bis Februar 2022 angeordnet wurde. Im Dezember 2014 wurde dem BF wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr die Fahrerlaubnis bis Dezember 2015 entzogen. Im Jänner 2015 wurde er wegen Betrugsdelikten zu einer Freiheitsstrafe von 1 1/2 Jahren verurteilt, die bis Februar 2017 vollzogen wurde.

Der Verurteilung des BF durch das Landesgericht XXXX mit dem Urteil vom XXXX.2018, XXXX, liegt zugrunde, dass er zwischen August und November 2017 in dreizehn Angriffen Sachen in einem insgesamt EUR 5.000 übersteigenden Wert, teils durch Einbruch, stahl (darunter EUR 200 Bargeld mit der widerrechtlich erlangten Bankomatkarte der XXXX). Außerdem täuschte er unter Verwendung falscher Namen, Geburtsdaten und Wohnadressen seine Zahlungsfähigkeit und -willigkeit vor und beging so in acht Fällen Einmietbetrügereien und einmal einen Darlehensbetrug. Auch dabei handelte er gewerbsmäßig. Er verschaffte sich drei Bankomatkarten, über die er nicht (allein) verfügen durfte, und unterdrückte eine weitere. Außerdem unterdrückte er einen Personalausweis und einen Zulassungsschein. Er beging dadurch die Vergehen des schweren und gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1 und 2, 130 Abs 1 erster Fall StGB, des schweren und gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, 148 erster Fall, 15 Abs 1 StGB, der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 1 erster Fall StGB und nach § 241e Abs 3 StGB sowie der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 und wurde - ausgehend von einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe - rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Es handelt sich um seine erste strafgerichtliche Verurteilung in Österreich.

Bei der Strafzumessung wurden das volle und reumütige Geständnis und die teilweise Schadensgutmachung (teilweise durch Sicherstellung, teilweise durch Refundierung) als mildernd, die einschlägigen Vorstrafen sowie das Zusammentreffen mehrerer Vergehen hingegen als erschwerend gewertet.

Der zweiten Verurteilung des BF im Bundesgebiet mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX.2018, XXXX, liegt zugrunde, dass er im Mai und Juni 2018 in zwei Beherbergungsbetrieben vortäuschte, ein zahlungsfähiger und -williger Kunde zu sein, und Verfügungsberechtigte so zur Gewährung von Kost und Logis veranlasste, wobei er gewerbsmäßig vorging. In dem einen Fall nahm er den Zimmerschlüssel mit sich, im anderen füllte er das Gästebuchblatt mit einem falschen Namen und Geburtsdatum aus. Dadurch beging er die Vergehen des gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 148 erster Fall StGB, der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB und der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB und wurde - ausgehend von einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe - zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt.

Bei der Strafzumessung wurde die reumütig geständige Verantwortung als mildernd berücksichtigt. Das Zusammentreffen von Vergehen, die Tatwiederholung beim Betrug, fünf einschlägige Vorstrafen (und damit das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Strafverschärfung bei Rückfall gemäß § 39 Abs 1 StGB) sowie der äußerst rasche Rückfall während des Haftausgangs wirkten sich erschwerend aus.

Der BF verbüßte die Freiheitsstrafen zunächst in der Justizanstalt Puch-Urstein und seit Februar 2019 in der Justizanstalt Innsbruck.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG.

Die Feststellungen zur Identität des BF und zu seinen persönlichen Verhältnissen beruhen auf den entsprechenden Angaben im Strafurteil sowie den damit übereinstimmenden Angaben des BF in der Beschwerde. Sein (abgelaufener) Personalausweis liegt dem BVwG in Kopie vor.

Deutschkenntnisse des BF sind aufgrund seiner Herkunft und seines Lebensmittelpunkts in Deutschland plausibel, zumal eine Verständigung im Strafverfahren problemlos möglich war. Die eintägige Erwerbstätigkeit als Arbeiter geht aus dem Versicherungsdatenauszug hervor, in dem sonst keine Versicherungszeiten aufscheinen.

Der Umstand, dass der BF in Deutschland keinen Wohnsitz mehr hatte, geht aus dem Abschlussbericht der Polizeiinspektion XXXXvom 11.10.2017 hervor. Seine Beziehung zu XXXX und dem aus der widerrechtlichen Bankomatbehebung resultierenden Zerwürfnis mit ihr ergeben sich aus dem Abschlussbericht der Polizeiinspektion XXXX vom 29.08.2017.

Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF in Deutschland werden anhand des aktenkundigen ECRIS-Auszugs festgestellt.

Die Feststellungen zu den vom BF begangenen Straftaten, zu seinen Verurteilungen und zu den Erschwerungs- und Milderungsgründen basieren auf den beiden Urteilen des Landesgerichts XXXX, die im Einklang mit den vorliegenden Polizeiberichten stehen. Die Verurteilungen werden auch durch die entsprechenden Einträge im Strafregister belegt.

Die Feststellungen zum Strafvollzug basieren auf der Vollzugsinformation und den Wohnsitzmeldungen in Justizanstalten laut dem Zentralen Melderegister. Daraus ergibt sich auch, dass der BF sonst im Bundesgebiet nie meldeamtlich erfasst war.

Die Feststellungen zur Arbeitsfähigkeit und zum Gesundheitszustand des BF beruhen darauf, dass er in einem erwerbsfähigen Alter ist und laut dem Beschwerdevorbringen während der Haft als Freigänger arbeitete. Es bestehen keine Hinweise auf gesundheitliche Probleme oder Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit.

Anhaltspunkte für familiäre oder andere private Bindungen des BF oder für eine relevante Integration oder Anbindung in Österreich, die über die Feststellungen hinausgehen, bestehen nicht.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.

Zu Spruchteil B):

Als Staatsangehöriger von Deutschland ist der BF EWR-Bürger iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG.

Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Bei einer besonders schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit (so etwa bei einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren) kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 3 FPG auch unbefristet erlassen werden.

Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 19.02.2014, 2013/22/0309).

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Gemäß § 9 BFA-VG ist (ua) die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG, durch das in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration

(Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:

Mangels eines längeren Aufenthalts des BF in Österreich ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 zweiter bis vierter Satz FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") anzuwenden.

Da der BF im Bundesgebiet über einen längeren Zeitraum gewerbsmäßig Vermögensdelikte beging und dabei auch Urkunden fälschte bzw. unterdrückte und unbare Zahlungsmittel entfremdete, ist auf eine erhebliche kriminelle Energie und damit eine beträchtliche von ihm ausgehende Gefahr zu schließen. Sein persönliches Verhalten stellt somit eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar, die das Grundinteresse der Gesellschaft an Ruhe und Ordnung und an der Verhinderung strafbarer Handlungen gegen fremdes Vermögen berührt, zumal die Straftaten noch nicht lange zurückliegen, der BF die deshalb über ihn verhängten Strafen noch nicht verbüßt hat und aufgrund der einschlägigen Vorstrafen und der gewerbsmäßigen Begehungsweise eine erhebliche Wiederholungsgefahr besteht. Dies zeigt sich nicht zuletzt daran, dass der BF nach einem Haftausgang nicht freiwillig in die Justizanstalt zurückkehrte, sondern die Vollzugslockerung zur Begehung weiterer Betrügereien nutzte. Dies relativiert die in der Beschwerde vorgebrachte Reue und zeigt, dass der BF durch den Strafvollzug noch nicht signifikant geläutert worden war.

Der Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (siehe VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233). Derzeit kann noch nicht von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der durch die strafgerichtliche Verurteilung des BF indizierten Gefährlichkeit ausgegangen werden. Seiner Arbeit während der Haft kommt angesichts der in § 44 StVG festgelegten Arbeitspflicht für Strafgefangene keine wesentliche Bedeutung zu. Der in der Beschwerde behauptete Resozialisierungseffekt kann darin nicht erblickt werden, weil dies auf alle arbeitsfähigen Strafgefangenen zutrifft.

Unter Bedachtnahme auf Art und Schwere der Straftaten, auf das Persönlichkeitsbild, das sich daraus ergibt, und das Gesamtverhalten des BF ist die für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots erforderliche aktuelle Gefährdung von öffentlichen Interessen in maßgeblicher Intensität zu bejahen. Seine im raschen Rückfall begangenen Vermögensdelikte, die bereits mehrere unbedingte Haftstrafen erforderlich machten, legen nahe, dass von ihm auch zukünftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit iSd § 67 Abs 1 FPG ausgehen wird. Aktuell kann ihm keine positive Zukunftsprognose attestiert werden.

Der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in das Privat- und Familienleben des BF ist verhältnismäßig, zumal er in Österreich weder familiäre Anknüpfungen hat noch in Freiheit einen festen Wohnsitz begründete. Den damit verbundenen Einschränkungen der Kontakte zu seinen in Österreich lebenden Freunden stehen seine strafgerichtlichen Verurteilungen und das große öffentliche Interesse an der Verhinderung derartiger Vermögensdelinquenz gegenüber. Der BF verbrachte den überwiegenden Teil seines Lebens in Deutschland. Durch den Strafvollzug ist der Kontakt zu Bezugspersonen in Österreich derzeit ohnedies eingeschränkt. Der BF kann die Freundschaften nach dem Strafvollzug durch Telefonate, Briefe oder elektronische Kommunikationsmittel (E-Mail, Internet) sowie durch Besuche außerhalb Österreichs pflegen. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots durch das BFA erfolgte somit dem Grunde nach zu Recht.

Auch die achtjährige Dauer des Aufenthaltsverbots ist - in Anbetracht der weiteren Verurteilung und der Nichtrückkehr nach einem Ausgang - verhältnismäßig. Die Taten des BF sind zwar nicht der Schwerkriminalität zuzurechnen; bislang blieben strafgerichtliche Sanktionen jedoch wirkungslos, zumal der BF in Deutschland auch schon mehrfach Haftstrafen wegen Vermögensdelikten verbüßte. Angesichts der Entwicklungen seit der Vorlage der Beschwerde (neuerliche Verurteilung wegen während eines Ausgangs im raschen Rückfall verübter Taten) ist keine Reduktion der Dauer des Aufenthaltsverbots angezeigt. Das BVwG geht daher davon aus, dass aufgrund des konkreten Unrechtsgehalts der vom BF begangenen Straftaten unter Berücksichtigung aller Milderungs- und Erschwerungsgründe ein achtjähriges Aufenthaltsverbot notwendig ist, um der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit wirksam zu begegnen und ihn zu einem Umdenken hin zu einem nachhaltig rechtstreuen Verhalten zu bewegen. Das Aufenthaltsverbot laut Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist somit nicht zu beanstanden.

Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise der Betroffenen oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, hat das BVwG diese gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG vom Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des oder der Fremden in den Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, Art 3 oder Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn oder sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit stützt, genau zu bezeichnen.

Vor diesem gesetzlichen Hintergrund sind auch die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheids nicht zu beanstanden. Aufgrund der wiederholten Verurteilung des BF wegen gewerbsmäßiger Vermögensdelinquenz ist dem BFA darin beizupflichten, dass seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung war angesichts des belasteten Vorlebens des BF in Deutschland auch vor dem Missbrauch eines Ausgangs zur Begehung weiterer Straftaten trotz der in der Beschwerde ins Treffen geführten Bindungen im Inland nicht zu beanstanden.

Da der relevante Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt erscheint und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine Herabsetzung oder gar ein Entfall des Aufenthaltsverbotes möglich wäre, kann die beantragte Beschwerdeverhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG unterbleiben. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal der BF kein ergänzendes, klärungsbedürftiges Tatsachenvorbringen erstattete.

Zu Spruchteil C):

Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und die Bemessung der Dauer eines Einreise- oder Aufenthaltsverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284). Die Revision ist nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, aufschiebende Wirkung - Entfall,
Durchsetzungsaufschub, Interessenabwägung, öffentliche Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2197142.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten