Entscheidungsdatum
27.06.2019Norm
BFA-VG §18 Abs3Spruch
G304 2219669-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Ungarn, vertreten durch Verein Menschenreche Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.05.2019, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 03.05.2019, wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs. 1 und Abs. 2 FPG ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), dem BF gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gegen diese Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Dabei wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und das Aufenthaltsverbot zu beheben, in eventu dieses auf ein verhältnismäßiges Maß zu reduzieren, dem BF einen Durchsetzungsaufschub in der Dauer von einem Monat zu erteilen, in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
3. Die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 04.06.2019 vorgelegt.
Mit Beschwerdevoralge wurde vorgebracht, entgegen des Beschwerdevorbringens stelle der BF sehr wohl eine Gefahr dar, "zumal er versuchte, einen Polizeibeamten einen Armschwinger zu versetzen und einer Polizistin in den Schritt griff". Die Tat habe innerhalb der offenen Probezeit stattgefunden und die Verurteilung von 15 Monaten rechtfertige auch die Dauer des Aufenthaltsverbotes.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist ungarischer Staatsangehöriger.
1.2. Er ist im Bundesgebiet seit März 2019 mit Hauptwohnsitz aufrecht gemeldet.
1.3. Der BF wurde im Bundesgebiet insgesamt zweimal rechtskräftig strafrechtlich verurteilt, und zwar mit
* Urteil von März 2018 wegen Diebstahls im September 2017 zu einer Freiheitsstrafe von drei Wochen, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, und
- nach Ausreise anlässlich einer gegen ihn verhängten aufenthaltsbeendenden Maßnahme am 05.09.2018 und einer darauffolgenden Wiedereinreise mit
* Urteil von März 2019 wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt im Dezember 2018 und versuchter sexueller Belästigung im Februar 2019 zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten unbedingt und zehn Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren.
1.3.1. Im Strafrechtsurteil von März 2019 wurde angeführt, dass der BF im Dezember 2018 einen Polizeiinspektor an der polizeilichen Sachverhaltsklärung hindern wollte, indem er mit geballten Fäusten eine Kampfposition einnahm und zu einem Armschwinger ansetzte, und im Februar 2019 versuchte, sich von den Beamten bei einer polizeilichen Sachverhaltsklärung loszureißen, und einer Polizistin in deren Schritt griff.
1.4. Fest steht, dass der BF im Bundesgebiet abgesehen von seiner Mutter, zu welcher er keinen aufrechten Kontakt hat, keine Familienangehörigen mehr, in Ungarn hingegen eine Schwester und einen Bruder hat.
1.5. Wann genau der BF nach seiner Ausreise im September 2018 wieder in das österreichische Bundesgebiet eingereist ist, ist nicht feststellbar.
Fest steht, dass sich der BF jedenfalls zum Zeitpunkt seiner ersten Straftat nach Wiedereinreise - im Dezember 2018 - wieder im Bundesgebiet befunden hat. Der BF hat sich jedoch nach Wiedereinreise nicht mit Wohnsitz gemeldet, sondern konnte erst ab März 2019 in Haft gemeldet werden.
1.6. Fest steht, dass der BF im Bundesgebiet von 10.09.2014 bis 28.10.2014 einer geringfügigen Beschäftigung nachgegangen ist.
In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 05.09.2018 sprach der BF davon, bei seiner Einreise ca. 400 Euro bei sich gehabt zu haben und bereits am Tag seiner Einreise einer Arbeit nachgegangen zu sein.
Festgestellt werden kann jedenfalls, dass der BF laut seiner glaubhaften Angabe im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 05.09.2018, "in Österreich viel schwarz gearbeitet" hat.
1.7. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid wurde gegen den BF ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen, dem BF kein Durchsetzungsaufschub erteilt und einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot wegen erkannter vom BF für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehender Gefahr die aufschiebende Wirkung aberkannt.
1.8. Fest steht, dass der BF am 01.06.2019 in seinen Herkunftsstaat abgeschoben wurde und er in Ungarn auch seinen Lebensmittelpunkt hat.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA sowie des nunmehr dem BVwG vorliegenden Gerichtsaktes.
2.2. Zur Person der BF und seinen individuellen Verhältnissen:
2.2.1. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Name, Geburtsdatum), Staatsangehörigkeit, des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des BF im gegenständlichen Verfahren.
2.2.2. Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen des BF beruhen auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 05.09.2018 (Niederschrift über Einvernahme des BF vor BFA, S. 3).
2.2.3. Die Feststellungen zu den rechtskräftigen strafrechtlichen Verurteilungen des BF im Bundesgebiet im März 2018 und März 2019 beruhen auf einem Auszug aus dem österreichischen Strafregister. Die der letzten strafrechtlichen Verurteilung von März 2019 zugrundeliegenden strafbaren Handlungen ergaben sich aus dem Akteninhalt und wurden auch im gegenständlichen Bescheid angeführt.
2.2.4. Die Feststellung, dass der BF zum Zeitpunkt seiner Straftat im Februar 2019 keine Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet hatte, sondern erst ab März 2019 in Haft behördlich gemeldet war, ergab sich aus einem Zentralmelderegisterauszug in Zusammenschau mit einem Auszug aus dem österreichischen Strafregister.
2.2.5. Die Feststellung zur vom BF im Bundesgebiet von 10.09.2014 bis 28.10.2014 nachgegangenen geringfügigen Beschäftigung beruht auf einem AJ WEB-Auskunftsverfahrensauszug.
Der BF gab im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 05.09.2018 zu, im Bundesgebiet "viel schwarz gearbeitet" zu haben. Auch wenn der BF vor dem BFA vorbrachte, seine Dienstgeber hätten ihn nicht bei der Sozialversicherung anmelden wollen, und demnach kein Verschulden an der fehlenden Sozialversicherungsmeldung glaubhaft machen wollte, steht fest, dass es Aufgabe des BF gewesen wäre, sich um ein legales Beschäftigungsverhältnis zu kümmern. Der BF gab vor dem BFA an, bereits am ersten Tag der Einreise in Österreich einer Arbeit nachgegangen zu sein, und ergänzte: "Wenn ich ehrlich bin, möchte ich auf legale Weise arbeiten und leben, um nicht wieder in diese Situation zu kommen." Dieses Vorbringen deutet darauf hin, dass der BF nur deshalb vor dem BFA am 05.09.2018 angab vorzuhaben, einer legalen Beschäftigung nachzugehen, um künftig der Situation einer ihm drohenden Außerlandesbringung entgehen zu können. Nach auf die Ausweisung des BF im September 2018 folgende Ausreise des BF folgende Wiedereinreise folgte jedenfalls keine legale Beschäftigung, sondern im Februar 2019 wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und versuchter sexueller Belästigung eine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung im März 2019 und daraufhin bis Ende Mai 2019 eine Strafhaft, woraufhin er am 01.06.2019 nach Ungarn abgeschoben wurde.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A):
3.1. Anzuwendendes Recht:
3.1.1. Der mit "Aufenthaltsverbot" betitelte § 67 FPG lautet:
"(1) Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige ist zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.
(2) Ein Aufenthaltsverbot kann, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.
(3) Ein Aufenthaltsverbot kann unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere
1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;
2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);
3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder
4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.
(4) Bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes ist auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist beginnt mit Eintritt der Durchsetzbarkeit zu laufen."
Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist."
Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 BFA-VG lautet:
"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich auf Grund eines Aufenthaltstitels rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, darf eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden, wenn
1. ihm vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG), BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, eine der Voraussetzungen für die Erlassung eines Einreiseverbotes von mehr als fünf Jahren gemäß § 53 Abs. 3 Z 6, 7 oder 8 FPG liegt vor, oder
2. er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen ist.
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt."
3.1.2. Die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA war ausfolgenden Gründen abzuweisen:
Im gegenständlichen Fall reiste der BF am 05.09.2018 aufgrund einer gegen ihn erlassenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme freiwillig aus dem Bundesgebiet nach Ungarn aus und danach zu einem unbestimmten Zeitpunkt wieder in das österreichische Bundesgebiet ein.
Er hielt sich jedenfalls zum Zeitpunkt seiner ersten auf seine Wiedereinreise folgende Straftat im Dezember 2018 wieder im Bundesgebiet auf. Wegen diesem und weiterem strafbaren Vorgehen gegen Polizeibeamte im Februar 2019 kam der BF Anfang März 2019 in Haft und wurde er Ende März 2019 - wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und versuchter sexueller Belästigung - rechtskräftig strafrechtlich verurteilt.
Auf diese rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten unbedingt und zehn Monaten bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren wurde das mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 03.05.2019 gegen den BF erlassene zehnjährige Aufenthaltsverbot gestützt.
Hinsichtlich dieser strafrechtlichen Verurteilung des BF weist das erkennende Gericht der Vollständigkeit halber darauf hin, dass die fremdenpolizeilichen Beurteilungen unabhängig und eigenständig, von den die des Strafgerichts für die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden Erwägungen zu treffen sind (vgl. Erkenntnis des VwGH v. 6.Juli 2010, Zl. 2010/22/0096). Es geht bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in keiner Weise um eine Beurteilung der Schuld des Fremden an seinen Straftaten und auch nicht um eine Bestrafung (vgl. Erkenntnis des VwGH vom 8. Juli 2004, 2001/21/0119).
Fest steht, dass vom BF, der im März 2018 wegen Diebstahls rechtskräftig strafrechtlich verurteilt wurde, und, bevor gegen ihn eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen worden war, in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 05.09.2018 zugab, bereits am Tag seiner Einreise einer Arbeit nachgegangen zu sein und in Österreich "viel schwarz gearbeitet" zu haben, auch nach Wiedereinreise - nach Ausreise im September 2018 - im Bundesgebiet wieder straffällig und im März 2019 wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und versuchter sexueller Belästigung erneut rechtskräftig strafrechtlich verurteilt wurde, wegen offensichtlich jederzeitiger Bereitschaft zu kriminellen Handlungen - auch gegen Polizeibeamte - jedenfalls eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit iSv § 67 Abs. 1 S. 2 FPG ausgeht, zumal aufgrund seines gesamten strafbaren und einem weiteren Bleiberecht in Österreich abträglichen Verhaltens auch von keiner positiven Zukunftsprognose ausgegangen werden kann.
3.1.3. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.
Da im gegenständlichen Fall aufgrund seiner nach Wiedereinreise nach im September 2018 erfolgter Ausreise im Bundesgebiet gesetzten strafbaren Handlungen wegen vom BF ausgehender offensichtlicher erheblicher Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit jedenfalls die sofortige Ausreise des BF erforderlich war, war dem BF kein Durchsetzungsaufschub zu erteilen und die Beschwerde auch gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.
3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFAVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013 unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014,
Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012,
Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstanziiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFAVG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.
Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet. Es konnte die gegenständliche Entscheidung somit auf Grund der Aktenlage getroffen und von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Aufenthaltsverbot, Durchsetzungsaufschub, Interessenabwägung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G304.2219669.1.00Zuletzt aktualisiert am
28.10.2019