TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/28 W203 2157417-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.06.2019
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Entscheidungsdatum

28.06.2019

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W203 2157425-1/8E

W203 2157417-1/5E

W203 2157413-1/5E

W203 2157420-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER über die Beschwerde von XXXX , geboren am

XXXX .1986, StA. Syrien, gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2016, Zl. 1072866510 - 160813405, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.06.2019 zu Recht:

A) Dem Antrag auf internationalen Schutz vom 10.06.2016 wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) stattgegeben und XXXX der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER über die Beschwerde von XXXX , geboren am

XXXX .2008, StA. Syrien, gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2016, Zl. 1072867104 - 160813362, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.06.2019 zu Recht:

A) Dem Antrag auf internationalen Schutz vom 10.06.2016 wird gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) stattgegeben und XXXX der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

III. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER über die Beschwerde von XXXX , geboren am

XXXX .2009, StA. Syrien, gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2016, Zl. 1072866804 - 160813389, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.06.2019 zu Recht:

A) Dem Antrag auf internationalen Schutz vom 10.06.2016 wird gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) stattgegeben und XXXX der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

IV. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER über die Beschwerde von XXXX , geboren am

XXXX .2012, StA. Syrien, gegen Spruchpunkt I des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.12.2016, Zl. 1103767800 - 160813311, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.06.2019 zu Recht:

A) Dem Antrag auf internationalen Schutz vom 10.06.2016 wird gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) stattgegeben und XXXX der Status der Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden BF1), eine syrische Staatsangehörige, stellte am 10.06.2016 für sich und ihre minderjährigen Kinder (im Folgenden: BF2 bis BF4) die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

2. Bei der am 10.06.2016 unter dem Titel "Erstbefragung - Antrag im Familienverfahren" durchgeführten polizeilichen Befragung der BF1 gab diese an, dass sie aus Daraa stamme und verheiratet sei. Als "Gründe für die Antragstellung" gab die BF1 gemäß den auf dem Formular bereits vorgefertigten Auswahlmöglichkeiten an, dass sie keine eigenen Fluchtgründe habe, den Antrag deswegen stelle, weil ihr Ehemann XXXX in Österreich den Status des subsidiär Schutzberechtigten erlangt habe, dass sie denselben Schutz beantrage wie dieser, dass sie mit einer Entscheidung des Bundesamtes auf Basis dieser Angaben einverstanden sei und dass sie auf eine weitere Einvernahme verzichte. Auch die BF2 bis BF4 hätten keine eigenen Fluchtgründe.

3. Am 07.12.2016 wurde die BF1 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) einvernommen. Dabei gab sie an, dass sie am 22.02.2012 Syrien Richtung Jordanien verlassen habe und am 03.06.2016 in Österreich "per Familienzusammenführung" eingereist sei.

Gefragt nach ihrem Fluchtgrund gab die BF1 - nach vorhergehender Manuduktion durch die belangte Behörde betreffend ein Familienverfahren dahingehend, dass sie für sich und ihre Kinder Anträge auf ein Familienverfahren gem. § 34 AsylG stelle und sich diese Anträge auf das Asylverfahren des Gatten der BF1 beziehen würden - an, dass weder sie selbst noch ihre drei Kinder (die BF2 bis BF4) eigene Fluchtgründe hätten. Sie sei mit ihrem Gatten "aus Syrien weg, weil wir ein besseres Leben führen wollten".

4. Mit den bereits im Spruch zitierten Bescheiden der belangten Behörde vom 09.12.2016 wurden die Anträge der B1 bis BF4 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG 2005 abgewiesen (jeweils Spruchpunkt I.) und wurde diesen gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 34 Abs. 3 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (jeweils Spruchpunkt II.) sowie ihnen eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG bis 03.12.2017 erteilt (jeweils Spruchpunkt III.).

Begründend wurde ausgeführt, dass die BF1 keine begründete Furcht vor Verfolgung iSd GFK in Indien [gemeint: Syrien] zu gewärtigen habe oder eine derartige Verfolgung zukünftig zu befürchten hätte. Sie habe keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsland namhaft gemacht, sondern sich lediglich auf die Fluchtgründe ihres Ehemannes bezogen. Der BF1 wäre daher ebenso wie den BF2 bis BF4 der Status des Asylberechtigten nicht zuzuerkennen gewesen, weil dieser Status im Familienverfahren auch keinem anderen Familienmitglied zuerkannt worden sei.

Die nunmehr angefochtenen Bescheide wurden am 13.03.2017 durch Hinterlegung zugestellt.

5. Am 29.03.2017 erhoben die BF1 bis BF4 Beschwerde jeweils gegen Spruchpunkt I) der angefochtenen Bescheide und begründeten diese damit, dass die belangte Behörde die BF1 eingehend darauf hinweisen hätte müssen, dass sie im Rahmen der Einvernahme auch und vor allem eigene Fluchtgründe hätte vorbringen können. Die BF1 habe Angst gehabt, eigene Fluchtgründe vorzubringen, da sie nicht sicher gewesen sei, wie die Asylbehörden in Österreich funktionierten und ob sie durch ihre Aussagen Probleme bekommen könnte.

Die BF1 und ihr Ehemann entstammten jeweils Familien, deren Namen XXXX und XXXX - dem syrischen Regime wohl bekannt wären, da viele Familienmitglieder im Widerstand gegen die Assad-Regierung aktiv sein würden bzw. gewesen wären. In diesem Zusammenhang wären auch die Fluchtgründe des Ehemannes der BF1, die er in seinem Asylverfahren aus Angst nicht ausreichend dargelegt habe, von Bedeutung, weswegen dessen Zeugeneinvernahme erforderlich sei.

Der Neffe der BF1 sei zunächst bei der syrischen Armee gewesen, sei dann aber desertiert und habe sich in der Folge der FSA angeschlossen. Auch ein Cousin der BF1 habe für die FSA gearbeitet. Syrische Soldaten hätten auf der Suche nach dem Neffen der BF1 deren Vater und deren Schwager mitgenommen, der Schwager sei seit 2012 verschollen. Der Vater der BF1 sei 10 Tage lang angehalten und unter Folter nach dem Verbleib des Neffen der BF1 befragt und dann schließlich freigelassen worden. Die Soldaten hätten die Familie der BF1 bedroht, dass - wenn der Neffe der BF1 nicht in die syrische Armee zurückkäme - alle umgebracht werden würden. Daraufhin sei die BF1 zu ihrem Mann nach Jordanien geflohen. Auch der Rest der Familie habe das bisherige Heim verlassen, eine Flucht aus dem Land sei aber irgendwann nicht mehr möglich gewesen, weswegen einige Schwestern der BF1 nach wie vor in Syrien leben würden.

6. Am 19.06.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, zu der die BF1 als Partei und der Ehemann der BF1 als Zeuge geladen waren.

Dabei gab die BF1 an, dass sie selbst sowie ihre Familie und eigentlich das ganze Dorf, aus dem sie stammte, in Syrien regelmäßig an Demonstrationen gegen das Regime teilgenommen hätten. Nachgefragt konkretisierte die BF1 ihre Angaben dahingehend, dass die Demonstrationen seit Beginn der Revolution - seit ungefähr November 2011 - fast täglich in der Zeit von 17.00 bis 20.00 Uhr mit ca. 500 bis 600 Teilnehmern stattgefunden hätten. Dabei hätten die Teilnehmer an der Demonstration Schilder getragen, auf denen Slogans wie "Nieder mit dem Regime" gestanden wären, und sie hätten diese Slogans auch gerufen und geschrien. Zweck der Demonstrationen sei gewesen, das Regime zu stürzen und die Frauen in Syrien vor Übergriffen zu schützen. Es sei bei den Demonstrationen auch fotografiert worden, allerdings wisse sie nicht, ob die Fotos von "Leuten des Regimes" gemacht worden wären. Die Teilnahme an den Demonstrationen sei sehr gefährlich gewesen, weil die Polizei geschossen habe, um die Leute auseinanderzutreiben. Dabei habe es auch Tote und Verletzte gegeben. Die BF1 brachte auch vor, dass ihr Neffe von der syrischen Armee desertiert wäre, woraufhin der Vater und der Schwager der BF1 festgenommen worden seien, um in Erfahrung zu bringen, wo sich dieser aufhalte. Wegen der Desertion des Neffen der BF1 sei auch eine der Schwestern der BF1 vom Regime verhaftet worden und erst nach Zahlung eines Lösegeldes durch die Familie wieder freigekommen. Aus Angst vor dem Regime habe sie schließlich Syrien Richtung Jordanien verlassen. Ein weiterer Grund für das Verlassen Syriens sei gewesen, dass die Familie ihres Mannes seit den 1980-er Jahren dem Regime "ein Dorn im Auge" sei. Die Familie " XXXX " gehöre der Muslim-Bruderschaft an und würde deswegen unter ständiger Beobachtung des Regimes stehen, und als die Revolution ausgebrochen sei, habe jedes Familienmitglied "Probleme mit dem Regime" bekommen. Nachgefragt, warum sie entgegen dem nunmehr in der mündlichen Verhandlung getätigten Vorbringen sowohl bei der polizeilichen Einvernahme als auch vor der belangten Behörde ausgesagt habe, dass sie keine eigenen Fluchtgründe habe, gab die BF1 an: "Aus Angst habe ich das gesagt, weil in Syrien ist man an Angst gewöhnt. In Österreich habe ich erst später durch eine Anwältin erfahren, dass man keine Angst haben muss. In Syrien hat man immer Angst, wenn man etwas erzählen muss."

Der als Zeuge getrennt von der BF1 befragte Ehemann der BF1 gab an, dass er diese im Jahr 2005 in Syrien geheiratet habe und dass sie 3 gemeinsame Kinder hätten. Er habe 2011 Syrien verlassen, weil seine Familie, die immer "gegen das Regime" gewesen sei, Probleme mit ebendiesem bekommen habe. Der Zeuge wiederholte im Wesentlichen die diesbezüglichen Angaben der BF1 und ergänzte, dass er in Syrien immer versucht habe, sich "von der Polizei und vom Gericht fernzuhalten". Befragt nach seinem eigenen Fluchtgrund gab der Zeuge an, dass die Revolution in Daraa begonnen habe und dessen Bewohner immer mehr Probleme mit dem Regime bekommen hätten. Sie hätten auch regelmäßig an Demonstrationen gegen das Regime teilgenommen, wobei sie den Kopf mit einem Tuch bedeckt gehalten hätten, um nicht erkannt zu werden. Die Teilnahme an den Demonstrationen sei gefährlich gewesen, es habe aber keine andere Möglichkeit gegeben, gegen das Regime zu demonstrieren. Die BF1 habe auch an den Demonstrationen teilgenommen, wenn auch nicht so oft wie der Zeuge selbst. Bei Polizeieinsätzen während der Demonstrationen sei auch geschossen worden und es habe Tote und Verletzte gegeben, und es sei auch ein Cousin des Zeugen, der im Demonstrationszug neben ihm gegangen sei, getötet worden. Nachgefragt, warum ihm von der belangten Behörde zwar subsidiärer Schutz, nicht aber Asyl gewährt worden ist, gab der Zeuge an, dass er im September 2014 nach Österreich gekommen sei und im November 2014 sein "Interview" bei der belangten Behörde gehabt habe. Er habe sich zum damaligen Zeitpunkt "nicht ausgekannt" und auch Angst gehabt, weswegen er nicht alle Asylgründe habe erzählen können. Vor sechs Jahren seien Mitglieder der Familie des Zeugen festgenommen worden, bis heute wisse man nichts über deren Schicksal. Nachgefragt gab der Zeuge an, dass er der Ansicht sei, dass ihm der Status des Asylberechtigten zustehen würde, und dass er sich auch - nachdem er den ihn betreffenden Bescheid der belangten Behörde bekommen habe - vom VMÖ habe beraten lassen. Dabei sei ihm gesagt worden, er könne selbst eine Beschwerde auf Arabisch gegen den Bescheid verfassen und der VMÖ könne ihm dann anschließend bei der Übersetzung helfen. Da ihm das zu schwergefallen sei, habe der Zeuge von der Einbringung einer Beschwerde schließlich Abstand genommen. Der Zeuge gab an, dass er selbst von 2001 bis 2003 seinen Wehrdienst bei der syrischen Armee abgeleistet habe, dass aber ab 2011 alle Familienmitglieder im wehrfähigen Alter geflüchtet seien. Auch die Familienmitglieder, die damals gerade ihren Militärdienst abgeleistet hätten, wären desertiert, nach dem sie erfahren hätten "was im Land los ist". Nachgefragt gab der Zeuge an, dass er auch vom Fall eines Neffen der BF1 wisse, der ebenfalls desertiert wäre und nun für die FSA tätig sein würde. Der Zeuge gab an, er sei auch einmal auf dem Weg in die Arbeit an einem Checkpoint kontrolliert und in der Folge - sobald der kontrollierende Soldat auf dem Ausweis den Namen " XXXX " gelesen habe - angehalten und für vier Tage festgehalten worden. Erst nachdem dessen Vater unter der Androhung, dass der Zeuge widrigenfalls dem Geheimdienst übergeben werden würde, Lösegeld bezahlt habe, sei er wieder freigekommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person der BF und zu deren Fluchtgründen:

Die BF1 bis BF4 sind syrische Staatsangehörige, stammen aus der Stadt Daraa und gehören der arabischen Volksgruppe an.

Dem Ehemann der BF1 wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 03.12.2014 subsidiärer Schutz gewährt, nicht aber der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gegen diesen Bescheid brachte der Ehemann der BF1 keine Beschwerde ein.

Der Ehemann der BF1 verließ Syrien im Jahr 2011 Richtung Jordanien, im Jahr 2012 folgten ihm die BF1 bis BF4.

Die Familie des Ehemannes der BF1 steht bereits seit Jahrzehnten unter besonderer Beobachtung des syrischen Regimes und es fanden auch schon Übergriffe auf mehrere Familienmitglieder statt. Die wehrdienstfähigen männlichen Mitglieder der Familie des Ehemannes der BF1 desertierten entweder zu Beginn der Unruhen in Syrien im Jahr 2011 aus der syrischen Armee oder entzogen sich durch Verlassen des Landes dem Wehrdienst.

Sowohl die BF1 als auch deren Ehemann sowie auch viele weitere Familienmitglieder und Dorfbewohner nahmen ab Beginn der syrischen Revolution regelmäßig an gegen das syrische Regime gerichteten Demonstrationen teil, wobei die Teilnehmer zum Teil auch fotografiert wurden bzw. bei Polizeieinsätzen im Zuge der Demonstrationen auch körperlich zu Schaden kamen.

Ein Neffe der BF1 desertierte vom syrischen Militär und schloss sich in der Folge der FSA an. woraufhin der Vater der BF1, deren Schwager und eine ihrer Schwestern vom Regime vorübergehend festgenommen wurden, um den Aufenthaltsort des desertierten Neffen in Erfahrung zu bringen.

Der BF1 droht im Falle einer Rückkehr nach Syrien asylrelevante Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit.

Die BF sind strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:

Aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 25. Jänner 2018, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl):

Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst

Seit Jahren versuchen immer mehr Männer die Rekrutierung zu vermeiden, indem sie beispielsweise das Land verlassen oder lokalen bewaffneten Gruppen beitreten, die das Regime unterstützen. Jenen, die den Militärdienst verweigern, oder auch ihren Familienangehörigen, können Konsequenzen drohen. Es ist schwer zu sagen, in welchem Ausmaß die Rekrutierung durch die syrische Armee in verschiedenen Gebieten Syriens, die unter der Kontrolle verschiedener Akteure stehen, tatsächlich durchgesetzt wird, und wie dies geschieht. In der syrischen Armee herrscht zunehmende Willkür und die Situation kann sich von einer Person zur anderen unterscheiden (FIS 23.8.2016).

Die Rekrutierung von männlichen Syrern findet nach wie unvermindert statt (DRC/DIS 8.2017). Für männliche syrischen Staatsbürger und Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend, außerdem gibt es einen freiwilligen Militärdienst. Frauen können ebenfalls freiwillig einen Militärdienst ableisten (CIA 5.12.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. BFA 8.2017). Diejenigen männlichen palästinensischen Flüchtlinge, im Alter von 18 bis 42 Jahren, welche vor 1956 bei der General Administration for Palestine Arab Refugees (GAPAR) registriert waren, und deren Nachkommen müssen den verpflichtenden Wehrdienst bei der Palästinensischen Befreiungsarmee (PLA), einer Einheit der syrischen Streitkräfte, ableisten. Für diese Palästinenser gelten die gleichen Voraussetzungen für den Wehrdienst wie für Syrer (BFA 8.2017).

Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsatz verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. "Rekrut" ist der niedrigste Rang, und die Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (BFA 8.2017).

Normalerweise werden Einberufungsbefehle schriftlich mit der Post zugestellt, zur Zeit wird jedoch eher auf persönlichem Wege zum verpflichtenden Militärdienst rekrutiert, um ein Untertauchen der potentiellen Rekruten möglichst zu verhindern. Zu diesem Zweck werden Mitarbeiter des Rekrutierungsbüros zum Haus der Wehrpflichtigen geschickt. Wenn der Gesuchte zu Hause ist, wird er direkt mitgenommen. Wenn er nicht zu Hause ist, wird der Familie mitgeteilt, dass er sich bei der nächsten Kaserne zu melden habe. Es gibt immer wieder Razzien, wie zum Beispiel Anfang Mai 2017, als bei einem Fußballspiel in Tartus alle Männer beim Verlassen des Stadions versammelt und zum Dienst verpflichtet wurden. Einige Zeit zuvor gab es einen weiteren Vorfall, bei dem vor einem Einkaufszentrum in Damaskus alle wehrfähigen Männer eingesammelt und rekrutiert wurden. Auch ein "Herauspflücken" bei einem der zahlreichen Checkpoints ist weit verbreitet. Die Altersgrenze ist auf beiden Enden des Altersspektrums nur theoretisch und jeder Mann in einem im weitesten Sinne wehrfähigen Alter, kann rekrutiert werden (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. Syria Direct 7.12.2017). Berichten zufolge besteht aber auch für - teils relativ junge - Minderjährige die Gefahr, in Zusammenhang mit der Wehrpflicht an Checkpoints aufgehalten zu werden und dabei Repressalien ausgesetzt zu sein (UNHCR 30.11.2016). Wenn eine persönliche Benachrichtigung nicht möglich ist, können Männer, die das wehrfähige Alter erreichen, auch durch Durchsagen im staatlichen Fernsehen, Radio oder der Zeitung zum Wehrdienst aufgerufen werden (DIS 26.2.2015).

Die syrische Armee hat durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen (FIS 23.8.2016; vgl. ISW 8.3.2017). Viele weigern sich, der Armee beizutreten. Die regulären Rekrutierungsmethoden werden in Syrien noch immer angewendet, weil das Regime zeigen will, dass sich nichts verändert hat, und das Land nicht in totaler Anarchie versinkt. Es gibt auch Männer im kampffähigen Alter, die frei in Syrien leben. Dem Regime liegt nicht daran, alle wehrtauglichen Personen in die Flucht zu treiben. Es werden nämlich auch künftig motivierte Kämpfer benötigt (FIS 23.8.2016).

Bei der Einreise nach Syrien über den Flughafen Damaskus oder andere Einreisepunkte in Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, wird bei Männern im wehrfähigen Alter überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Selbst wenn sie ihren Militärdienst bereits absolviert haben, kommt es vor, dass Männer im wehrfähigen Alter erneut zwangsrekrutiert werden (IRB 19.1.2016; vgl. Zeit 10.12.2017).

Im November 2017 beschloss das syrische Parlament eine Gesetzesnovelle der Artikel 74 und 97 des Militärdienstgesetzes. Die Novelle besagt, dass jene, die das Höchstalter für die Ableistung des Militärdienstes überschritten haben und den Militärdienst nicht abgeleistet haben, und auch nicht aus anderen gesetzlich vorgesehenen Gründen vom Wehrdienst befreit sind, eine Kompensationszahlung von 8.000 USD oder dem Äquivalent in SYP leisten müssen. Diese Zahlung muss innerhalb von drei Monaten nach Erreichen des Alterslimits geleistet werden. Wenn diese Zahlung nicht geleistet wird, ist die Folge eine einjährige Haftstrafe und die Zahlung von 200 USD für jedes Jahr, um welches sich die Zahlung verzögert, wobei der Betrag 2000 USD oder das Äquivalent in SYP nicht übersteigen soll. Jedes begonnene Jahr der Verzögerung wird als ganzes Jahr gerechnet. Außerdem kann basierend auf einem Beschluss des Finanzministers das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Person, die sich weigert den Betrag zu bezahlen, konfisziert werden (SANA 8.11.2017; vgl. SLJ 10.11.2017; vgl. PAR 15.11.2017)

Zusatzinformationen zum Reservedienst

Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, und wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Erreichen des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden. Vor dem Ausbruch des Konflikts bestand der Reservedienst im Allgemeinen nur aus mehreren Wochen oder Monaten Ausbildung zur Auffrischung der im Militär erforderlichen Fähigkeiten, und die Regierung berief Reservisten nur selten ein. Seit 2011 hat sich das jedoch geändert. Es liegen außerdem einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Manche Personen werden zum Reservedienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt (BFA 8.2017). Bei der Einberufung von Reservisten ist das Alter weniger entscheidend als der Beruf oder die Ausbildung einer Person, sowie Rang und Position während des bereits abgeleisteten Militärdienstes oder die Einheit, in der gedient wurde (DIS 26.2.2015; vgl. DRC/DIS 8.2017). Es scheint, dass es schwieriger wird, einen Aufschub zu erlangen, je länger der Konflikt andauert (BFA 8.2017). Reservisten können je nach Gebiet und Fall auch im Alter von 50 bis 60 Jahren zum aktiven Dienst einberufen werden. Sie werden z.B. mittels Brief, den die Polizei persönlich zustellt, oder an Checkpoints rekrutiert (FIS 23.8.2016).

Das Militärbuch zeigt lediglich Informationen über den verpflichtenden Wehrdienst und nicht, ob eine Person Reservist ist oder nicht. Männer können ihren Dienst-/Reservedienststatus bei der Militärbehörde überprüfen. Die meisten würden dies jedoch nur auf informellem Weg tun, um zu vermeiden, sofort rekrutiert zu werden. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen wird (BFA 8.2017).

Befreiung und Aufschub

Es gibt verschiedene Gründe, um vom Militärdienst befreit zu werden. Der einzige Sohn einer Familie, Studenten oder Versorger der Familie können vom Wehrdienst befreit werden oder diesen aufschieben. Außerdem sind Männer mit Doppelstaatsbürgerschaft, die den Wehrdienst bereits in einem anderen Land abgeleistet haben, üblicherweise vom Wehrdienst befreit (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015). Diese Ausnahmen sind theoretisch immer noch als solche definiert, die Situation in der Praxis ist jedoch anders. Präsident al-Assad versucht den Druck in Bezug auf den Wehrdienst zu erhöhen, und es gibt nun weniger Befreiungen und Aufschübe beim Wehrdienst. Generell werden die Regelungen nun strenger durchgesetzt, außerdem gibt es Gerüchte, dass Personen trotz einer Befreiung oder eines Aufschubs rekrutiert werden. Was die Regelungen zur Befreiung oder zum Aufschub des Wehrdienstes betrifft, so hat man als einziger Sohn der Familie noch die besten Chancen. Das Risiko der Willkür ist jedoch immer gegeben (BFA 8.2017; vgl. DRC/DIS 8.2017).

Unbestätigte Berichte legen nahe, dass der Geheimdienst innerhalb kurzer Zeit über den Wegfall von Aufschubgründen informiert ist, und diese auch digital überprüft werden. Zuvor mussten Studenten den Status ihres Studiums selbst dem Militär melden, in den letzten zwei Jahren wird der Status von Studenten aktiv überprüft. Generell werden Universitäten nun strenger überwacht und von diesen wird nun verlangt, dass sie das Militär über die Anwesenheit bzw. Abwesenheiten der Studenten informieren. Kürzlich gab es eine Änderung bezüglich des Aufschubs aufgrund eines Lehramts-Studiums. Zuvor war es möglich, einen Aufschub des Wehrdienstes zu erwirken, wenn man ein Lehramts-Masterstudium begann, unabhängig davon welches Bachelor-Studium man zuvor absolviert hatte. Dieser Aufschubgrund funktioniert nun nur noch, wenn man auch den Bachelorabschluss im Lehramtsstudium gemacht hat (BFA 8.2017).

Es gibt Beispiele, dass Männer sich durch die Bezahlung von Bestechungsgeldern vom Wehrdienst freigekauft haben, was jedoch keineswegs als einheitliche Praxis betrachtet werden kann, sondern schlicht Willkür darstellt. So war es vor dem Konflikt gängige Praxis sich vom Wehrdienst freizukaufen, was einen aber nicht davor schützt, im Zuge des aktuellen Konfliktes - manchmal sogar Jahre danach - trotzdem eingezogen zu werden (BFA 8.2017).

Es gibt ein Gesetz, das syrischen Männern, die mehr als fünf Jahre außerhalb des Landes gelebt haben, gegen Zahlung eines Bußgeldes die Befreiung vom Militärdienst ermöglicht. Diese Gebühr wurde von 5.000 USD auf 8.000 USD erhöht (BFA 8.2017).

Christliche und muslimische religiöse Führer können weiterhin den Kriegsdienst verweigern, wobei muslimische Führer eine Abgabe bezahlen müssen, um vom Kriegsdienst befreit zu werden (USDOS 15.8.2017). Zunehmend zieht die Regierung, wie berichtet wird, zuvor "geschützte" Personen wie Studenten, Beamte und Häftlinge zum Militärdienst ein (BFA 8.2017; vgl. UNHCR 3.11.2017). Von Staatsangestellten wird erwartet, dass sie dem Staat zur Verfügung stehen. Um sich ein "Pool" von potentiell zur Verfügung Stehenden zu sichern, wurde ein Dekret bezüglich Staatsangestellte und Wehrdienst erlassen: Laut Legislativdekret Nr. 33 von 2014 wird das Dienstverhältnis von Staatsangestellten beendet, wenn sie sich der Einberufung zum Wehr- oder Reservedienst entziehen (BFA 8.2017). Hierzu gab es bereits Ende 2016 ein Dekret, welches jedoch nicht umfassend durchgesetzt wurde. Im November 2017 gab es eine erneute Direktive des Premierministers Imad Khamis, laut der "die Anstellung von jenen beendet werden soll, die den verpflichtenden Wehrdienst oder den Reservedienst vermeiden". Dieser Direktive folgten bereits Entlassungen, wobei nicht bekannt ist, in welchem Ausmaß sie stattfinden (Syria Direct 7.12.2017). Gerade auch in alawitischen Gebieten gibt es eine Verbindung zwischen Staatsangestellten und der Notwendigkeit der Erfüllung bürgerlicher Pflichten (BFA 8.2017).

Entlassungen

Es liegen aktuell keine Informationen zu Entlassungen von Soldaten aus dem Militärdienst vor, es ist jedoch möglich, dass dies trotzdem vorkommt. Viele Männer haben Angst, nicht mehr aus dem Dienst entlassen zu werden, wenn sie einmal eingezogen werden. Manche Männer, die den verpflichtenden Wehrdienst bereits abgeleistet haben, werden wieder zum Dienst einberufen, oder der Dienst mancher Männer wird einfach verlängert (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015). Es gibt Männer in der Armee, die seit dem Beginn der Revolution 2011 in der Armee sind. Mittlerweile ist Desertion häufig der einzige Ausweg (FIS 23.8.2016; vgl. DIS 26.2.2015).

Amnestien

Seit 2011 hat der syrische Präsident für Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen, Wehrdienstverweigerer und Deserteure eine Serie von Amnestien erlassen, die Straffreiheit vorsahen, wenn sie sich innerhalb einer bestimmten Frist zum Militärdienst melden. Am 17. Februar 2016 veröffentlichte der Präsident das Gesetzesdekret Nr. 8, mit dem Deserteure innerhalb und außerhalb von Syrien sowie Wehrdienstverweigerer und Reservisten eine Amnestie erhalten. Es gibt keine Informationen darüber, wie viele Personen die Amnestie genutzt haben. In manchen Fällen wurden Personen aus der Haft entlassen, wobei die Regierung jedoch danach eine erneute Welle von Verhaftungen durchführte. In diesem Zusammenhang ist nicht klar, aus welchem Grund bestimmte Personen freigelassen werden und ob die Amnestie jenen hilft, die davon profitieren sollten [also Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren, Anm.], oder anderen Personen. Menschenrechtsorganisationen und Beobachter haben diese Amnestien wiederholt als intransparent und unzureichend kritisiert. Ihrer Ansicht nach profitierten davon nicht die vorgeblich angesprochenen Personengruppen (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2016; vgl. Reuters 20.7.2016).

Wehrdienstverweigerung / Desertion

Besonders aus dem Jahr 2012 gibt es Berichte von desertierten syrischen Soldaten, welche gezwungen wurden, auf unbewaffnete Zivilisten und Protestierende, darunter Frauen und Kinder, zu schießen. Falls sie sich weigerten, wären sie Gefahr gelaufen, erschossen zu werden (AI 6.2012).

Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft, die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach den Umständen, mit Gefängnisstrafen von bis zu 5 Jahren bestraft. Nach Verbüßen der Strafe muss der Wehrdienstverweigerer weiterhin den regulären Wehrdienst ableisten. Bei einer Wehrdienstverweigerung hat man die Möglichkeit sich zu verstecken und das Haus nicht mehr zu verlassen, das Land zu verlassen, sich durch Bestechung freizukaufen oder einer anderen Gruppierung beizutreten. Bezüglich Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während die einen eine Foltergarantie und Todesurteil sehen, sagen andere, dass Verweigerer sofort eingezogen werden (BFA 8.2017). Die Konsequenzen hängen jedoch vom Profil und den Beziehungen der Person ab. Wenn es eine Verbindung zu einer oppositionellen Gruppe gibt, wären die Konsequenzen ernster (DIS 26.2.2015).

Wenn jemand den Wehrdienst verweigert und geflohen ist, gibt es die Möglichkeit seinen Status zu "regularisieren", wobei möglicherweise auch ein signifikanter Betrag zu entrichten ist (gerüchteweise bis zu 8.000 USD). Eine solche "Regularisierung" schützt allerdings nicht automatisch vor Repressalien oder einer zukünftigen Rekrutierung. Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen (BFA 8.2017).

Desertion wird gemäß dem Militärstrafgesetz von 1950 in Friedenszeiten mit ein bis fünf Jahren Haft bestraft und kann in Kriegszeiten bis zu doppelt so lange Haftstrafen nach sich ziehen. Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (so genannte externe Desertion), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt. Desertion im Angesicht des Feindes ist mit lebenslanger Haftstrafe zu bestrafen. In schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt (BFA 8.2017).

In vielen Fällen erwartet Deserteure der Tod. Möglicherweise werden sie inhaftiert, befragt und gefoltert, wobei die Behandlung eines Deserteurs auch davon abhängt wer er ist, welcher Konfession er angehört, wie wohlhabend er ist etc. Die große Sorge vieler ist hierbei auch, dass dies nicht nur den Tod des Deserteurs oder die Vergeltung gegen ihn, sondern auch Maßnahmen gegen seine Familie nach sich ziehen kann. Die gängige Vorgehensweise ist, Deserteure nicht zurück an die Front zu schicken, sondern sie zu töten. Berichten zufolge werden sie an Ort und Stelle erschossen. Theoretisch ist ein Militärgerichtsverfahren vorgesehen und Deserteure könnten auch inhaftiert und dann strafrechtlich verfolgt werden. Außergerichtliche Tötungen passieren dennoch (BFA 8.2017; vgl. FIS 23.8.2017). Für ‚desertierte', vormals bei der Armee arbeitende Zivilisten gelten dieselben Konsequenzen wie für einen Deserteur. Solche Personen werden als Verräter angesehen, weil sie über Informationen über die Armee verfügen (FIS 23.8.2016).

Im Gegensatz zum Beginn des Konfliktes haben sich mittlerweile die Gründe für Desertion geändert: Nun desertieren Soldaten, weil sie kampfmüde sind und dem andauernden Krieg entkommen wollen (BFA 8.2017).

Auch Familien von Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern haben mit Konsequenzen zu rechnen. Eine Familie kann von der Regierung unter Druck gesetzt werden, wenn der Deserteur dadurch vielleicht gefunden werden kann. Familienmitglieder (auch weibliche) können festgenommen werden, um den Deserteur dazu zu bringen, sich zu stellen. Manchmal wird ein Bruder oder der Vater eines Deserteurs ersatzweise zur Armee rekrutiert (FIS 23.8.2016; vgl. BFA 8.2017).

In Gebieten, welche durch sogenannte Versöhnungsabkommen wieder unter die Kontrolle des Regimes gebracht wurden, werden häufig Vereinbarungen bzgl. Wehrdienst getroffen. Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt, sondern stattdessen bei der Polizei eingesetzt werden. Berichten zufolge wurden solche Zusagen von der Regierung aber bisweilen auch gebrochen, was jedoch schwer zu beweisen ist (BFA 8.2017).

1.2.2. Aus den UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 5. aktualisierte

Fassung:

Risikoprofile:

[...]

* Wehrdienstentzieher und Deserteure der Streitkräfte.

[...]

In Syrien ist Wehrdienstentziehung eine Straftat. Unabhängige Beobachter weisen darauf hin, dass Wehrdienstentziehung von der Regierung wahrscheinlich als politische, regierungsfeindliche Handlung angesehen wird, was zur Folge haben kann, dass der Person, die sich dem Wehrdienst entziehen wollte, eine Strafe droht, die über die regulären Sanktionen für die Straftat der Wehrdienstentziehung hinausgeht, insbesondere durch strengere Behandlung während der Festnahme, beim Verhör und in Haft sowie - nach Einziehung - im Militärdienst. In der Praxis droht Wehrdienstentziehern Berichten zufolge statt einer strafrechtlichen Sanktion (Haftstrafe) nach dem Militärstrafgesetzbuch der Einsatz an vorderster Front innerhalb von Tagen oder Wochen nach der Festnahme - oftmals nach nur minimaler militärischer Ausbildung.

Aufgrund der zahlreichen Wehrdienstentzieher, Deserteure und Todesfälle bemühen sich Armee und Sicherheitsdienste laut den Berichten verstärkt darum, syrische Männer einzuziehen und Reservisten zu mobilisieren. Außerdem wurde gemeldet, dass verstärkte Anstrengungen unternommen wurden, um Wehrdienstentzieher zu identifizieren und festzunehmen, einschließlich an mobilen und festen Kontrollstellen, bei Razzien, Hausdurchsuchungen und Durchsuchungen öffentlicher Transportmittel. In Gebieten, die die Streitkräfte der Regierung von bewaffneten oppositionellen Gruppen zurückerobert haben, wurden Männer im Wehrpflicht- oder Reservedienstalter Berichten zufolge in großer Zahl festgenommen, um in die Armee eingezogen zu werden. In der Haft drohen Wehrdienstentziehern Folter und andere Formen der Misshandlung - diese Praxis ist laut Berichten in ganz Syrien verbreitet.

Abgesehen davon, dass Wehrdienstentziehung für sich genommen bereits als politische Handlung angesehen wird, können weitere Merkmale des Profils eines Wehrdienstentziehers dazu beitragen, dass die betreffende Person als nicht ausreichend regierungstreu und/oder als Unterstützer der (politischen oder bewaffneten) Opposition angesehen wird, was die Gefahr erhöht, dass der Wehrdienstentzieher Misshandlungen erfährt, die über die Bestrafung hinausgehen, die in den einschlägigen, für Wehrdienstentziehung vorgesehenen strafrechtlichen Vorschriften vorgesehen ist.

Meldungen zufolge werden die Regeln und Vorschriften für den Militärdienst, insbesondere in Bezug auf Aufschub- und Ausnahmeverfahren, zunehmend willkürlich angewandt. Es wird berichtet, dass die Regierung zunehmend auch bislang "geschützte Bevölkerungsgruppen" wie Studenten, Beamte und Gefängnisinsassen zum Pflichtwehrdienst einberuft. Berichten zufolge wurde die Wehrpflicht bei vielen Soldaten über den gesetzlich festgelegten Zeitraum von 18 Monaten hinaus verlängert. Es wurde berichtet, dass Männer oft nach ihrer Entlassung am Ende der Wehrpflicht automatisch in die Reservistenliste aufgenommen werden. Viele Männer im Wehrdienst- oder Reservistenalter vermeiden es Berichten zufolge, sich im öffentlichen Raum zu bewegen, halten sich versteckt, ziehen in Gebiete, die von bewaffneten oppositionellen Gruppen kontrolliert werden (u. a. im Rahmen lokaler Versöhnungsabkommen), oder sind außer Landes geflohen, da sie Schikanen an Kontrollstellen und Zwangsrekrutierung befürchten. Wenn Männer aus dem Ausland zurückkehren, wird Berichten zufolge stets ihre Wehrdienstakte überprüft.

Aus den Berichten ergibt sich, dass es bei den Streitkräften vor allem in den ersten Jahren des Konflikts zu Desertionen kam, während dies heutzutage kaum noch vorkommt. Nach der gültigen Fassung des Militärstrafgesetzbuches von 1950 ist Desertion strafbar und wird je nach den Umständen des Einzelfalls mit Freiheits- oder Todesstrafe bestraft. Trotz dieser gesetzlichen Bestimmungen wurde Berichten zufolge gegen Personen, die sich einem Schießbefehl verweigert haben, desertiert sind oder verdächtigt wurden, eine Desertion zu planen, üblicherweise keine förmliche Anklage erhoben. Vielmehr wurde berichtet, dass die Deserteure entweder zum Zeitpunkt der Desertion oder bei einer späteren Festnahme sofort hingerichtet wurden, willkürlich inhaftiert, in Isolationshaft genommen, gefoltert und extra-legal hingerichtet wurden oder nach einem Ermittlungsverfahren angewiesen wurden, wieder zu ihrer Truppeneinheit zurückzukehren. Berichte belegen, dass Familienangehörige von Deserteuren beispielsweise während Massenverhaftungen in Gebieten, die als oppositionsnah gelten, von Regierungstruppen besonders ins Visier genommen wurden. Das Eigentum von Deserteuren wurde Berichten zufolge gezielt geplündert, in Brand gesetzt und zerstört.

Seit 2011 hat der syrische Präsident für Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen, Wehrdienstentzieher und Deserteure eine Reihe von Amnestien erlassen, die Straffreiheit vorsahen, wenn sich die Betroffenen innerhalb einer bestimmten Frist freiwillig stellten. Das Gesetzesdekret Nr. 15/2016 vom Juli 2016 bildet die Grundlage für die Versöhnung und sieht für alle Personen, die sich stellen und ihre Waffen niederlegen, Straffreiheit vor, einschließlich für Kämpfer und Zivilpersonen, die wegen Desertion gesucht werden. Berichten zufolge sind Wehrdienstentzieher und Deserteure manchmal nach dem Abschluss von Versöhnungsabkommen (wieder) in den Militärdienst bei der regulären Armee eingetreten oder sie haben sich neu formierten lokalen Sicherheitsbehörden oder sonstigen regierungsnahen Truppen angeschlossen. Männer im Wehrpflichtalter, die einem Eintritt in den Wehrdienst nicht zustimmen, sind entweder gezwungen, das Gebiet zu verlassen, oder riskieren, festgenommen und von den Regierungstruppen misshandelt zu werden, da ihre Wehrdienstverweigerung wahrscheinlich als Ausdruck einer regierungsfeindlichen Gesinnung interpretiert werden würde. UNHCR ist der Auffassung, dass Personen, die sich dem Pflichtwehrdienst oder dem Reservewehrdienst entzogen haben oder aus den Streitkräften desertiert sind, je nach den Umständen des Einzelfalls aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen politischen Meinung und/oder anderer maßgeblicher Gründe wahrscheinlich internationalen Schutz benötigen. Bei Asylgesuchen von Deserteuren können Ausschlussgründe gegeben sein (siehe auch Abschnitt III.D). In den Richtlinien zu Anträgen auf Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft aus Gründen des Militärdienstes hat UNHCR festgestellt, dass die Anerkennung des Rechts auf Verweigerung des Militärdienstes mit der Begründung, dass der Militärdienst die Teilnahme an Aktivitäten beinhalte, die einen Verstoß gegen humanitäres Völkerrecht, internationales Strafrecht oder internationale Menschenrechtsnormen darstellten, und die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft in diesen Fällen mit der Logik der Ausschlussklauseln der GFK im Einklang steht.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person der BF ergeben sich aus deren diesbezüglich gleichlautenden und in sich schlüssigen Angaben vor der belangten Behörde und aus den vorgelegten Unterlagen bzw. Dokumenten.

Die Feststellungen über den asylrechtlichen Status des Ehemannes der BF1 und den Umstand, dass dieser keine Beschwerde gegen den ihn betreffenden Bescheid der belangten Behörde einbrachte, ergeben sich aus dessen beim Bundesverwaltungsgericht aufliegendem Verfahrensakt, insbesondere aus dem Bescheid der belangten Behörde vom 03.12.2014.

Die Feststellungen betreffend die Fluchtgründe sowohl der BF1 als auch des Ehemannes der BF1 - insbesondere hinsichtlich deren politischer Gesinnung, deren Teilnahme an regimekritischen Demonstrationen und der Desertion eines Neffen der BF1 - ergeben sich aus deren Angaben im Zuge einer getrennt voneinander durchgeführten Befragung im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 19.06.2019. Die Angaben sind plausibel und widerspruchsfrei und deswegen glaubhaft. Der Umstand, dass die BF1 ihre eigenen Fluchtgründe erst sehr spät im Verfahren - nämlich erstmals in der Beschwerde und danach vor allem im Rahmen der mündlichen Verhandlung - vorbrachte, kann daran nichts ändern, weil sie einerseits glaubhaft machen konnte, dass sie zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Befragungen, die relativ zeitnah nach deren Einreise in Österreich erfolgten, sehr von der Angst geprägt war, die Angabe von etwaige Detailinformationen könnten ihr zukünftig zum Nachteil gereichen, und weil die BF1 andererseits von Anfang an davon ausgehen konnte, dass es sich um ein Familienverfahren im Zusammenhang mit dem Asylverfahren ihres Mannes handle und sie daher der Angabe von eigenen Fluchtgründen zum damaligen Zeitpunkt offenbar keine wesentliche Bedeutung beigemessen hat. So wurde bereits bei der polizeilichen Ersteinvernahme ein gesondertes Formular mit dem Titel "Erstbefragung - Antrag im Familienverfahren" verwendet und auch bei der Befragung durch die belangte Behörde wurde die BF1 vor der Frage nach etwaigen eigenen Fluchtgründen ausführlich darüber belehrt, dass gegenständlich ein Familienverfahren vorliegt. Das erkennende Gericht geht daher - trotz des Umstandes, dass das Vorbringen erst spät im Verfahren erstmals getätigt wurde - von der Glaubhaftigkeit der eigenen Fluchtgründe der BF1 aus.

Die Feststellungen zur Situation in Syrien beruhen auf den genannten (nunmehr aktualisierten) Quellen, die schon die belangte Behörde ihrem Bescheid zugrunde legte und die im Wesentlichen inhaltsgleich blieben. Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Syrien ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Die Feststellung, dass der BF1 im Falle einer Rückkehr nach Syrien asylrelevante Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit droht, beruht darauf, dass dieser aufgrund des Zusammentreffens mehrerer Teilaspekte - Herkunft aus Daraa, einer Gegend, deren Bewohnern gemäß Länderberichten vom Regime häufig eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird; eigene Teilnahme an Demonstrationen;

Teilnahem von Mitgliedern ihrer eigenen Familie und von Mitgliedern der Familie ihres Ehemannes an regimekritischen Demonstrationen;

Desertion eines Neffen aus der syrischen Armee; bereits erfolgte Übergriffe seitens des Regimes gegen Familienmitglieder der BF1 - eine oppositionelle politische Gesinnung zumindest unterstellt werden würde.

Vor dem Hintergrund der dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegten Länderfeststellungen erweisen sich die Aussagen der BF1 als plausibel.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der BF1 ergibt sich aus den Auszügen aus dem Strafregister.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Zu Spruchpunkt A):

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren."

Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Bei der Entscheidung, ob eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung besteht, handelt es sich immer um eine Prognoseentscheidung, die eine auf die Zukunft gerichtete Verfolgung verlangt. Das Wort "Furcht" bezieht sich dabei nicht nur auf Personen, die tatsächlich verfolgt wurden, sondern auch auf solche, die einer Situation aus dem Wege gehen möchten, die eine Gefahr der Verfolgung in sich birgt. (vgl. UNHCR, Ergänzende aktuelle Länderinformationen Syrien: Militärdienst, vom 30. November 2016, S. 1)

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 23.07.1999, 99/20/0208; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (vgl. zB VwGH 24.03.1999, 98/01/0352 mwN; 15.03.2001, 99/20/0036). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwSlg. 16.482 A/2004). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" (VwSlg. 16.482 A/2004) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/20/0539; 17.03.2009, 2007/19/0459).

3.2.2. Im Falle einer Rückkehr läuft die BF1 aufgrund der bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellten Umstände Gefahr, dass ihr vom Regime eine oppositionelle politische Gesinnung zumindest unterstellt würde. In diesem Zusammenhang ist auch darauf Bedacht zu nehmen, dass aufgrund der besonderen Situation in Syrien die Schwelle dafür, von Seiten des syrischen Regimes als "oppositionell" betrachtet zu werden, relativ niedrig ist. Vor diesem Hintergrund ist auch auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, in welcher eine asylrechtlich relevante Verfolgung auch in einer Anknüpfung an die seitens des Verfolgers lediglich unterstellte politische Gesinnung gegeben sein kann (vgl. Z.B. VwGH 14.05.2002, 98/01/0327). Im Hinblick auf die Art des aktuellen Vorgehens des syrischen Regimes gegenüber - wenn auch nur vermeintlichen - Regimegegnern bzw. politisch Andersdenkenden ist davon auszugehen, dass die zu erwartende Bedrohung oder Bestrafung der BF1 als (möglicher) Regimegegnerin in Form von Befragung bzw. Anhaltung oder Inhaftierung, verbunden mit der erheblichen Gefahr von Misshandlung bis hin zum "Verschwindenlassen", erfolgen würde.

Es ist davon auszugehen, dass die BF1 unmittelbar nach der Einreise nach Syrien, die derzeit nur über den Flughafen Damaskus möglich ist, festgenommen wird.

Im Falle einer Rückkehr nach Syrien besteht für die BF1 also eine asylrelevante Verfolgungsgefahr, weil sie als politischer Gegner des syrischen Regimes gesehen würde (vgl. insbes. VwGH 25.3.2015, Ra 2014/20/0085, sowie EuGH 26.2.2015, Fall Shepherd, C-472/13).

Eine Inanspruchnahme des Schutzes durch den syrischen Staat ist für die BF1 schon deswegen auszuschließen, weil die Verfolgung gerade von diesem ausgeht.

3.2.3. Eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative besteht für die BF nicht; die Annahme ebendieser würde im Widerspruch zum aufgrund der derzeitigen Situation in Syrien bereits gewährten subsidiären Schutz stehen (vgl. VwGH 25.3.2015, Ra 2014/18/0168; 29.6.2015, Ra 2014/18/0070).

3.2.4. Im Ergebnis ist bei der gebotenen prognostischen Beurteilung der Verfolgungsgefahr und bei Gesamtbewertung aller risikobegründenden Faktoren ein erhebliches Risiko für die BF1, aus den dargelegten Gründen verfolgt zu werden - und damit das Vorliegen der "maßgeblichen Wahrscheinlic

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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