TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/3 W108 2209705-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.07.2019
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Entscheidungsdatum

03.07.2019

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs4
AsylG 2005 §75 Abs24
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W108 2209706-1/8E

W108 2209701-1/7E

W108 2209705-1/7E

W108 2209705-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. BRAUCHART über die Beschwerde von 1. XXXX , geb. XXXX , 2. XXXX , geb. XXXX , 3. XXXX , geb. XXXX , 4. XXXX , geb. XXXX , alle Staatsangehörigkeit Syrien, alle vertreten durch Rechtsanwälte Mag. Josef Phillip BISCHOF, Mag. Andreas LEPSCHI, gegen Spruchpunkt I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 12.10.2018, 1. Zl. 1101543308-160048143/BMI-BFA_NOE_RD, 2. Zl. 1101543406-160048178/BMI-BFA_NOE_RD, 3. Zl. 1115876704-160721646/BMI-BFA_NOE_RD, 4. Zl. 1179369405-180067789/BMI-BFA_NOE_RD, wegen Nichtzuerkennung des Status von Asylberechtigten nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG sowie XXXX und XXXX gemäß § 34 Abs. 1 AsylG iVm 34 Abs. 2 AsylG der Status von Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX , XXXX , XXXX , XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG jeweils nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang, Sachverhalt und Vorbringen:

1. Der Erstbeschwerdeführer und die (damals noch minderjährige) Zweitbeschwerdeführerin stellten am 11.01.2016 gemeinsam Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (im Folgenden: Antrag bzw. Asylantrag und AsylG).

Zu ihren persönlichen/familiären Verhältnissen gaben sie an, sie seien syrische Staatsangehörige und arabische Sunniten aus einem Ort (im Osten) des syrischen Gouvernements XXXX . Sie seien nur nach traditionell-religiösem Ritus verheiratet. Sie hätten Syrien im Jahr 2015 gemeinsam illegal verlassen.

Nach der Geburt ihrer Kinder (der Drittbeschwerdeführerin und des Viertbeschwerdeführers) in Österreich stellten sie für diese am 23.05.2016 und am 29.01.2018 ebenfalls Asylanträge.

Zu ihren Flucht- und Asylgründen erstatteten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin folgendes Vorbringen:

Der Erstbeschwerdeführer sagte bei der Erstbefragung aus, der IS ("Islamische Staat") hätte sein Dorf angegriffen und ihn aus seinem Haus vertrieben. In XXXX könne er ein sicheres Leben führen, im Rest von Syrien jedoch nicht. Im Zuge der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (der belangten Behörde) gab er in der Folge an, es bestehe gegen ihn ein Haftbefehl des IS. Der IS sei bei ihnen einmarschiert und habe ihn zum Tode verurteilt. Der Grund sei lächerlich, er sei mit seiner Frau einkaufen gewesen, seine Frau habe keine Handschuhe getragen und man habe ihre Hände gesehen. Der IS habe ihn deswegen mit 100 Peitschenhieben bestrafen wollen und habe verlangt, dass er seine Frau mit 80 Hieben bestrafe. Als er gesagt habe, dass er das seiner Frau nicht antun werde, hätte der IS die Bestrafung seiner Frau vornehmen wollen, woraufhin er den IS und seine Religion beschimpft habe und es zu einer Schlägerei mit einem Anhänger des IS gekommen wäre. In der Folge sei er vom IS zum Tod verurteilt und in zu Gefängnissen umfunktionierten Wohnungen angehalten worden. Freunde hätten ihm und seiner Frau zur Flucht in die Türkei verhelfen können. Er hätte keinesfalls alleine flüchten können, da man sonst seine Frau inhaftiert hätte. Er hätte allerdings schon davor vorgehabt, aus Syrien zu flüchten, da er nicht zum Reservedienst gewollt hätte. Er könne und wolle keine Waffe tragen und kämpfen. Die Polizei sei bei ihm gewesen und er hätte Dokumente unterschreiben müssen, wonach er einen Monat später zum Reservedienst einrücken müsse. 15 Tage später sei der IS einmarschiert und die Regierungstruppen seien aus seiner Ortschaft geflüchtet. Er habe den Wehrdienst bereits in XXXX , im 18. Lebensjahr, 2,5 Jahre lang, geleistet. Probleme mit den Behörden (oder staatsähnlichen Institutionen) seines Heimatlandes habe er wegen Demonstrationsteilnahmen gehabt. Seine Ehefrau habe er in Syrien im April oder Mai 2015 traditionell geheiratet; sie hätten die Ehe beim Staat eintragen lassen wollen, hätten dies aber nicht mehr geschafft, weil es zu vehementen Kämpfen gekommen sei. Die gemeinsamen Kinder seien in Österreich geboren und in Syrien nicht registriert. Sein Vater sei bereits verstorben, seine Mutter und seine Geschwister hielten sich nicht mehr in Syrien auf, da alle verfolgt seien. Damit er wieder nach Syrien zurückkehren könne, müssten sämtliche Parteien mitsamt der Regierung eliminiert werden.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab bei der Erstbefragung als Fluchtgrund "Krieg" an und sagte bei den Einvernahmen vor der belangten Behörde Folgendes aus: Sie hätten den Entschluss zur Flucht aus Syrien gefasst, als ihr Ehemann zum Tode verurteilt worden sei. Die Polizei sei zu ihnen gekommen und hätte ihren Ehemann davon in Kenntnis gesetzt, dass er zum Reservedienst müsse. Er hätte Dokumente unterschreiben müssen und sich einen Monat später bei der Behörde melden sollen. Zwei Wochen später sei der IS gekommen, hätte sie aus ihrem Haus vertrieben und das Haus einbehalten, weil es am Beginn der Ortschaft gelegen gewesen sei. Als man einmal ihre Hände habe sehen können, weil sie keine Handschuhe getragen habe, sei ihr Mann vom IS aufgefordert worden, sie zu schlagen bzw. sie mit 80 Peitschenhieben zu bestrafen. Da ihr Mann das nicht gewollt habe, habe man ihn inhaftiert, nach 3-4 Tagen hätten seine Freunde die Flucht organisieren können, sonst wäre ihr Mann getötet worden. Damit sie wieder nach Syrien zurückkehren könne, müssten die Regierung und Bashar al Assad sowie der IS verschwinden. Sie sei am XXXX in XXXX geboren und zum Zeitpunkt der traditionellen Eheschließung 15 Jahre alt gewesen.

Mit dem als "Stellungnahme/Urkundenvorlage" bezeichneten Schriftsatz vom 22.03.2018 wurde vorgebracht, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin Syrien ohne Genehmigung, unrechtmäßig, verlassen hätten und der Erstbeschwerdeführer vor seiner Flucht zum Reservedienst einberufen worden sei.

2. Mit den nunmehr vor dem Bundesverwaltungsgericht bekämpften Bescheiden wies die belangte Behörde die Anträge der beschwerdeführenden Parteien hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (jeweils Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieser Bescheide wurde den beschwerdeführenden Parteien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihnen unter Spruchpunkt III. dieser Bescheide gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

Die Versagung des Asylstatus begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, dass der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin Syrien im Jahr 2015 (bloß) wegen der damaligen allgemeinen Bedrohungssituation durch den IS und der allgemeinen Bürgerkriegslage illegal verlassen hätten. Die damalige Bedrohungssituation durch den IS sei zwar glaubhaft, aber nunmehr wegefallen, da der IS weitgehend aus Syrien vertrieben worden sei und eine aktuelle Verfolgungsgefahr in diesem Zusammenhang ausgeschlossen werden könne. Aufgrund der illegalen Ausreise und ihrer Asylantragstellung im Ausland (als Zeichen der Ablehnung der syrischen Regierung) könne keine, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit unterstellte oppositionelle Gesinnung bei einer (fiktiven) Rückkehr nach Syrien festgestellt werden, da die Bewegründe für diesen Entschluss die fortwährende Bürgerkriegssituation sowie die Bedrohungssituation durch den IS gewesen seien. Eine Gefährdung aufgrund personenbezogener Merkmale, wie etwa aufgrund der Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit, sei den gegenständlichen Verfahrenszusammenhängen nicht zu entnehmen.

Eine (lediglich unterstellte) politische Gegnerschaft des Erstbeschwerdeführers sei nicht erkennbar. Der Erstbeschwerdeführer habe sich dem Wehrdienst in Syrien nicht entzogen, da zum Zeitpunkt seiner Ausreise keine nachgewiesene, feststellbare Einberufungsbeabsichtigung seitens des syrischen Militärs vorgelegen sei. Im Zuge der Erstbefragung habe er die angebliche Einberufung zum Militärdienst nicht angeführt und er habe angegeben, dass er in XXXX ein sicheres Leben führen könne. Seine Einberufung sei fragwürdig dargestellt worden. Überdies hätte er bei einer Einberufungsabsicht nicht ohne Schwierigkeiten einen Reisepass erhalten, der ihm am XXXX ausgestellt worden sei, obwohl er angegeben habe, bereits im März darauf einen Einberufungsbefehl erhalten zu haben. Auch seine erwähnte Teilnahme an Demonstrationen scheine im Hinblick auf die problemlose Ausstellung seines Reisepasses äußerst fragwürdig, zumal er offensichtlich zu keiner Zeit ins Visier des syrischen Regimes geraten sei. Da das syrische Regime bei der Antragstellung generell Personen überprüfte und jenen, welche im Verdacht stünden, mit der Opposition oder dergleichen in Verbindung zu stehen, keine Pässe ausstelle, sei auch von diesem Standpunkt aus betrachtet keine (lediglich unterstellte) politische Gegnerschaft erkennbar.

In dem die Zweitbeschwerdeführerin betreffenden Bescheid wurde ausgeführt, sie habe sich auf die Fluchtgründe ihres Ehemannes bezogen. Ihm komme keine Flüchtlingseigenschaft zu. Bezüglich der vermeintlichen Einberufung ihres Ehemannes zum Reservedienst hätte weder aus den Angaben noch von Amts wegen eine Gefährdung ihrer Person festgestellt werden können. Ihre lediglich nach religiösem Ritus geschlossene Ehe sei nicht geeignet, einen Anspruch gemäß § 34 AsylG zu begründen, weil diese staatlich nicht anerkannt sei. Hinzu komme, dass sie zum Zeitpunkt der traditionellen Eheschließung 15 Jahre alt gewesen sei und aus diesem Umstand sich ihre traditionelle Heirat dem "ordre public" der Republik Österreich widrig darstelle.

3. Gegen Spruchpunkt I. der Bescheide (Versagung des Asylstatus) richtet sich die fristgerecht eingebrachte gemeinsame Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, in welcher vorgebracht wird, dass bei richtiger Würdigung den beschwerdeführenden Parteien der Asylstatus zuzuerkennen gewesen wäre. Die belange Behörde habe den Sachverhalt unzureichend ermittelt. Der Erstbeschwerdeführer habe bereits bei seiner ersten Einvernahme zum Fluchtgrund seine Einberufung zum Militär lebensnah geschildert. Auch die Zweitbeschwerdeführerin habe getrennt einvernommen dies deckungsgleich angegeben. Bei der Erstbefragung sei lediglich die Bedrohung durch den IS, die unmittelbarer Auslöser der Flucht gewesen sei, thematisiert worden und habe sich die Aussage in der Erstbefragung, in XXXX sicher zu sein, auf die Bedrohung durch den IS bezogen. Ein Ende des IS sei nicht absehbar.

4. Die belangte Behörde machte von der Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung nicht Gebrauch und legte die Beschwerden samt den bezughabenden Akten der Verwaltungsverfahren dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

5. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache der beschwerdeführenden Parteien eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher sich die beschwerdeführenden Parteien persönlich beteiligten. Bei der Vernehmung in der Verhandlung sagten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin insbesondere Folgendes aus: Wegen der Gefahr der Einziehung des Erstbeschwerdeführers zum Reservedienst hätten sie persönlichen Kontakt mit syrischen Behördenorganen vermieden und sei deswegen der Reisepass für den Erstbeschwerdeführer über einen Cousin durch Bestechung erlangt und die Ehe nicht staatlich registriert worden. Zwei Brüder des Erstbeschwerdeführers, die wie der Erstbeschwerdeführer Reservisten gewesen seien, seien vom syrischen Militär an Checkpoints zum Militärdienst mitgenommen worden und nach Urlauben unerlaubt nicht mehr zum Militär zurückgekehrt, sondern aus Syrien geflohen. Der Erstbeschwerdeführer habe in seinem Wohnort in Syrien wie die meisten Bewohner des Ortes am Anfang der Revolution an Demonstrationen gegen die Regierung teilgenommen und er gehe davon aus, dass dies der Polizei bzw. dem Geheimdienst bekannt sei, da die Demonstrationen beobachtet worden seien und die Polizei auch eingeschritten sei. Er betrachte die syrische Regierung als kriminell. Die Zweitbeschwerdeführerin würde wegen der illegalen Ausreise und wegen ihres Mannes bei einer Rückkehr von der Regierung verhaftet werden, sie sei wegen ihres Mannes ebenfalls bedroht. Würde sie mit ihren Kindern zurückkehren, würde sofort bekannt, dass sie die Ehefrau des Erstbeschwerdeführers sei.

Zu den in der Beschwerdeverhandlung auf Grundlage von Länderberichten erörterten Verhältnissen in Syrien gaben die beschwerdeführenden Parteien eine schriftliche Stellungnahme ab, in der sie darauf verwiesen, dass sich die Angaben des Erstbeschwerdeführers zu seiner Rekrutierung mit den Länderberichten deckten, der Entzug vom Militärdienst Ausdruck eines politischen Dissenses sei und die illegale Ausreise auch für die Zweitbeschwerdeführerin zu einer Verfolgung führe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. hinsichtlich der Lage in Syrien:

1 Politische Lage

In der Praxis unterhält die syrische Regierung noch immer einen mächtigen Geheimdienst- und Sicherheitsapparat zur Überwachung von Oppositionsbewegungen, die sich zu ernstzunehmenden Konkurrenten zur Regierung Assads entwickeln könnten. Seit 2011 tobt die Gewalt in Syrien. Aus anfangs friedlichen Demonstrationen ist ein komplexer Bürgerkrieg geworden, mit unzähligen Milizen und Fronten. Die Arabische Republik Syrien existiert formal noch, ist de facto jedoch in vom Regime, von der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) und von anderen Rebellen-Fraktionen oder dem sogenannten Islamischen Staat (IS) kontrollierte Gebiete aufgeteilt.

Wehrdienst/Rekrutierung

Für männliche Syrer und Palästinenser, welche in Syrien leben, ist ein Wehrdienst von 18 oder 21 Monaten ab dem Alter von 18 Jahren verpflichtend, außerdem gibt es einen freiwilligen Militärdienst. Seit Jahren versuchen immer mehr Männer die Rekrutierung zu vermeiden, indem sie beispielsweise das Land verlassen oder bewaffneten Gruppen beitreten, die das Regime unterstützen.

Die syrische Armee hat durch Todesfälle, Desertionen und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen. Viele weigern sich, der Armee beizutreten. Die regulären Rekrutierungsmethoden werden in Syrien noch immer angewendet, weil das Regime zeigen will, dass sich nichts verändert hat, und das Land nicht in totaler Anarchie versinkt. Es werden Rekrutierungsschreiben verschickt, wenn Männer das wehrfähige Alter erreichen. Männer, die sich außer Landes oder in Gebieten, die nicht von der Regierung kontrolliert werden, befinden, erhalten ihre Rekrutierungsschreiben häufig nicht. Wenn eine persönliche Benachrichtigung nicht möglich ist, können Männer, welche das wehrfähige Alter erreichen, auch durch Durchsagen im staatlichen Fernsehen, Radio oder der Zeitung zum Wehrdienst aufgerufen werden.

Männer werden jedoch auch auf der Straße an Checkpoints oder an anderen Orten rekrutiert. Es gibt auch Massenverhaftungen und Tür-zu-Tür-Kampagnen, um Wehrdienstverweigerern habhaft zu werden.

Berichten zufolge besteht aber auch für - teils relativ junge - Minderjährige die Gefahr, in Zusammenhang mit der Wehrpflicht an Checkpoints aufgehalten zu werden und dabei Repressalien ausgesetzt zu sein.

Wehrdienstpflichtige Männer werden bei Hausdurchsuchungen, Razzien, an Checkpoints oder an der Grenze verhaftet und in den Militärdienst eingezogen. Bei Behördengängen, wie zum Beispiel der Registrierung einer Heirat, soll es auch zu Verhaftungen kommen. Gemäß den vom Finnish Immigration Service befragten Quellen werden Männer auf der Straße, an Universitäten und an Checkpoints eingezogen. Busse werden angehalten, um Männer im wehrdienstpflichtigen Alter zu suchen. Im privaten Sektor werden Firmen unter Druck gesetzt, ihre Arbeiter in den Militärdienst zu schicken. Das US Department of State weist darauf hin, dass an den Checkpoints der Regierung Männer allein aufgrund ihres wehrdienstpflichtigen Alters verhaftet werden. Viele verschwinden nach den Verhaftungen an Checkpoints. Auch die Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates zu Syrien geht von zehntausenden Männern im wehrdienstpflichtigen Alter aus, die verschwunden sind.

Bei Kapitulationsverhandlungen über Gebiete, die von der Opposition besetzt waren, verlangt das Regime, dass die jungen Männer der Region in die syrische Armee eintreten. Nach der Machtübernahme der Regierung in Aleppo fotografierte ein Reuters Mitarbeiter hunderte junge Männer, die zwangsrekrutiert wurden. Zudem werden Häftlinge unter Druck gesetzt, entweder in Haft zu bleiben oder in die Armee einzutreten.

Gemäß Berichten werden Anwohner unter Druck gesetzt, sich den lokalen Milizen anzuschließen, obwohl der Beitritt zu den Verteidigungsmilizen freiwillig ist. Im Februar 2016 wurde auf einer Webseite der Opposition berichtet, dass in Deir al-Zur, einer Stadt im Osten Syriens, welche vom sogenannten "Islamischen Staat" belagert wurde, der zuständige General die Schaffung einer Selbstverteidigungsmiliz verkündete, und dass die syrischen Sicherheitsdienste alle Männer zwischen 15 und 60 Jahren verhaftet und eingezogen haben.

Bestechung als Mittel, um den Wehrdienst zu vermeiden, ist mittlerweile schwieriger geworden - zumindest, wenn jemand keine großen Geldsummen zur Verfügung hat. Es gibt auch Männer im wehrpflichtigen Alter, die frei in Syrien leben. Dem Regime liegt nicht daran, alle wehrtauglichen Personen in die Flucht zu treiben. Es werden nämlich auch künftig motivierte Kämpfer benötigt. Nach der Massenwanderung von Syrern im Jahr 2015 wurde das Wehrdienstalter erhöht, und mehr Männer wurden an Checkpoints rekrutiert, auch solche, die ihren Militärdienst bereits beendet hatten.

Das Höchstalter für den Militärdienst betrug zuvor 42 Jahre, wurde jedoch inzwischen erhöht, wobei es hierzu keine offizielle Regelung und daher auch kein offizielles Höchstalter mehr gibt. Reservisten können je nach Gebiet und Fall auch im Alter von 50 bis 60 Jahren zum aktiven Dienst einberufen werden. Sie werden mittels Brief, den die Polizei persönlich zustellt, oder an Checkpoints rekrutiert. Bei der Einberufung von Reservisten ist das Alter weniger entscheidend als der Beruf oder die Ausbildung einer Person, sowie Rang und Position während des bereits abgeleisteten Militärdienstes oder die Einheit, in der gedient wurde.

Die Regierung strebt eine Stärkung der Berichten zufolge angespannten personellen Kapazitäten ihrer Streitkräfte an und hat daher, wie aus Berichten hervorgeht, ihre Bemühungen um Einziehung und Mobilisierung von Reservisten in Gebieten unter ihrer Kontrolle intensiviert, einschließlich an mobilen und fest installierten Kontrollstellen, bei Angriffen und Durchsuchungen von Häusern und öffentlichen Verkehrsmitteln. Auch Jungen im Teenageralter, die das Aussehen von 18-Jährigen hatten, wurden Berichten zufolge an Kontrollstellen festgenommen. Zahlreiche Männer im Wehrdienst- oder Reservistenalter vermeiden es Berichten zufolge, sich im öffentlichen Raum zu bewegen, halten sich versteckt oder sind aus Angst vor Drangsalierung an Kontrollstellen und vor Einziehung außer Landes geflohen. Es stellt Berichten zufolge eine gängige Praxis dar, Wehrpflichtige und Reservisten nach begrenzter oder ganz ohne militärische Ausbildung an den Frontlinien einzusetzen. In von Regierungskräften von bewaffneten regierungsfeindlichen Gruppen zurückeroberten Gebieten wurden Männer im Wehrpflicht- oder Reservedienstalter in großer Zahl festgenommen und zwangsrekrutiert. Männer im wehrfähigen Alter können das Land nur mit Genehmigung des Rekrutierungsbüros verlassen. Auch um zu heiraten oder in den Staatsdienst einzutreten brauchen sie eine Genehmigung. Der Pflichtwehrdienst wurde Berichten zufolge in vielen Fällen über die vorgesehenen Monate hinaus verlängert. Nach einer eventuellen Entlassung aus dem Pflichtwehrdienst folgt, wie berichtet wird, in der Regel eine automatische Aufnahme in die Reservistenliste. Angesichts des anhaltenden Konflikts und des steigenden Bedarfs an Rekruten werden Berichten zufolge Regeln und Rechtsvorschriften für den Militärdienst zunehmend willkürlich angewandt, insbesondere in Bezug auf Aufschub- und Ausnahmeverfahren. Zunehmend zieht die Regierung, wie berichtet wird, zuvor "geschützte" Personen wie Studenten, Beamte und Häftlinge zum Militärdienst ein.

Verschiedene Beobachter berichteten dem Danish Immigration Service, dass Freistellungen manchmal nicht mehr akzeptiert werden. Zudem sei die Freistellung vom Militärdienst auch gegen Bestechung schwieriger geworden. Gemäß dem Syrian Observer und Noah Bonsey von der International Crisis Group befürchten auch Männer, die vom Militärdienst befreit sind, eingezogen zu werden. Die Willkür hat vor allem in den Gebieten zugenommen, die von Milizen kontrolliert werden. Quellen des Finnish Immigration Service ist zu entnehmen, dass die Umsetzung der Freistellungen willkürlich ist. Die Freistellungsdokumente sind zwar vorzeigbar, können jedoch an einem Checkpoint zerrissen werden.

Entlassungen aus dem Militärdienst sind sehr selten geworden. Es gibt Männer in der Armee, die seit dem Beginn der Revolution 2011 in der Armee sind. Die Dauer des Militärdienstes hat sich verlängert, möglicherweise ist sie auch nicht mehr begrenzt. 2011 konnte der Wehrdienst noch um ein paar Monate verlängert werden, und danach wurde man entlassen. Mittlerweile ist Desertion häufig der einzige Ausweg.

Bei der Einreise nach Syrien über den Flughafen Damaskus oder andere Einreisepunkte in Gebiete, die vom syrischen Regime kontrolliert werden, wird bei Männern im wehrfähigen Alter überprüft, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Selbst wenn sie ihren Militärdienst bereits absolviert haben, kommt es vor, dass Männer im wehrfähigen Alter erneut zwangsrekrutiert werden.

Opposition/Zuschreibung einer oppositionellen Gesinnung

Bestimmte Personen werden aufgrund ihrer politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen oder ihnen wird auf andere Weise Schaden zugefügt. Aber die Konfliktparteien wenden Berichten zufolge breitere Auslegungen an, wen sie als der gegnerischen Seite zugehörig betrachten. Diese basieren z.B. auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in einem bestimmten Gebiet, das als "regierungsfreundlich" oder "regierungsfeindlich" gilt.

Die syrische Regierung duldet abweichende ("oppositionelle") Meinungen nicht und geht gegen (vermeintliche) "Oppositionelle" (auch bloße Andersdenkende/Regimekritiker) und deren Familienangehörige, auch gegen Frauen und Kinder, vor. Eine sich verstärkende Besonderheit des Konflikts in Syrien ist der Umstand, dass - auch - die syrische Regierung als Konfliktpartei oftmals größeren Personengruppen, einschließlich Familien, Stämmen, religiösen bzw. ethnischen Gruppen sowie ganzen Städten, Dörfern und Wohngebieten, eine politische Meinung unterstellt. Die Annahme, dass eine Person eine bestimmte politische Meinung hat, oder eine bestimmte Konfliktpartei unterstützt, basiert oft nur auf wenig mehr als der physischen Anwesenheit dieser Person in einem bestimmten Gebiet oder ihrer Abstammung aus diesem Gebiet oder auf ihrem ethnischen oder religiösen Hintergrund oder ihrer Stammeszugehörigkeit.

Personen, die tatsächlich oder vermeintlich regierungsfeindliche Ansichten haben

Es liegen schon seit längerem Berichte darüber vor, dass die syrische Regierung politischen Dissens durch Einschüchterung, Überwachung und Inhaftierung von politischen Aktivisten, Journalisten, Schriftstellern und Intellektuellen unterdrückt. Auf die im März 2011 aufkommenden Protestbewegungen und die sich anschließenden bewaffneten Aufstände, reagierten die Regierung und regierungsfreundliche Kräfte, wie aus Berichten hervorgeht, mit massiver Unterdrückung und Gewalt. Die Regierung wendet, wie berichtet wird, bei der Beurteilung von politischem Dissens sehr breite Kriterien an: jegliche Kritik, Opposition oder sogar unzureichende Loyalität der Regierung gegenüber, wie auch immer ausgedrückt - friedlich oder gewalttätig, organisiert oder spontan, im Rahmen einer politischen Partei, bewaffneten Gruppe oder individuell, virtuell im Internet oder im bewaffneten Konflikt - führte Berichten zufolge zu schweren Vergeltungsmaßnahmen für die betreffenden Personen. Es wurde berichtet, dass zahlreiche Protestteilnehmer, Aktivisten, Wehrdienstentzieher, Deserteure, Laienjournalisten, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, Ärzte und andere Personen, denen regierungsfeindliche Haltungen zugeschrieben wurden, willkürlich verhaftet, in incommunicado Haft genommen, gefoltert oder anderen Misshandlungen ausgesetzt, oder Opfer von extralegalen oder Massenhinrichtungen wurden. Gegen zahlreiche Personen wurden Berichten zufolge Strafverfahren gemäß dem Terrorbekämpfungsgesetz (Gesetz Nr. 19 vom 2. Juli 2012) durchgeführt. Das Gesetz sieht schwere Strafen - von langjährigen Haftstrafen bis hin zur Todesstrafe - für Personen vor, bei denen festgestellt wird, dass sie "terroristische" Handlungen begangen haben. "Terrorismus" ist vage und mit sehr weiten Begriffen in den Gesetzen definiert, die viel Raum für Strafverfolgung wegen zahlreicher unterschiedlicher Aktivitäten bieten, einschließlich Teilnahme an Protesten, Äußerungen in sozialen Medien, Bereitstellung humanitärer Hilfsdienste, Schmuggeln von Arzneimitteln und Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen. Berichten ist zu entnehmen, dass die meisten Häftlinge nie förmlich angeklagt werden. Gegen tausende Zivilisten wurden Berichten zufolge von Strafgerichten, dem Antiterrorismus-Gericht in Damaskus und militärischen Feldgerichten Strafverfahren durchgeführt, die gegen die internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren verstoßen. In der Regel gingen den Verfahren monatelange Untersuchungshaft in Einrichtungen der Sicherheitsdienste und erzwungene Geständnisse voraus. Es wird berichtet, dass die Strafen für jene Personen, die vor Gericht gestellt und verurteilt wurden, auch dann hart, wenn die fraglichen Aktivitäten selbst friedlich waren. Wie aus Berichten hervorgeht, überwacht die Regierung Korrespondenz, Online-Aktivitäten und politische Zusammenkünfte. Die Regierung hört Berichten zufolge mit Hilfe von entsprechender Ausrüstung Gespräche ab, installiert Spysoftware auf den Computern von Aktivisten, blockiert Textnachrichten und ortet Mobil- und Satellitentelefone. Aus Berichten geht hervor, dass die Online-Überwachung zu willkürlichen Verhaftungen, incommunicado Haft, Folter und Tötungen von zahlreichen politischen Dissidenten, Aktivisten, Laienjournalisten und anderen Personen geführt hat. Zahllose Personen wurden Berichten zufolge inhaftiert, nachdem sie über soziale Medien Fotos oder Videos, die regierungskritische Proteste oder Aufstände unterstützen, weitergeleitet, positiv bewertet oder kommentiert hatten. Wie berichtet wird, hackt die seit April 2011 bestehende so genannte Syrische Elektronische Armee mit stillschweigender Zustimmung der Regierung Websites und Seiten sozialer Medien von oppositionellen Gruppen, von bestimmten westlichen Medien und Menschenrechtsorganisationen und blockiert sie oder überflutet sie mit regierungsfreundlichen Inhalten. Wie aus Berichten hervorgeht, wurden nach Ausbruch der regierungskritischen Proteste im März 2011 Syrer, die im Ausland an solchen Protesten teilnahmen, durch Mitarbeiter syrischer Botschaften und durch andere Personen, die mutmaßlich im Auftrag der syrischen Regierung handelten, kontrolliert, eingeschüchtert und teilweise körperlich angegriffen. Berichten zufolge wurden die in Syrien gebliebenen Angehörigen von syrischen Staatsangehörigen, die sich an Protesten oder damit verbundenen Aktivitäten im Ausland beteiligt hatten, Befragungen unterzogen, durch telefonische Anrufe, E-Mails und Facebook-Nachrichten bedroht, sie wurden verhaftet, misshandelt oder sogar getötet. In Deutschland wurden vier Mitarbeiter der syrischen Botschaft, die mutmaßlich Aktivitäten syrischer Oppositionsmitglieder überwachten, ausgewiesen. Wie berichtet wird, befürchten im Exil lebende Syrer von Landsleuten, die aus eigener Initiative oder als Informanten im Auftrag der syrischen Regierung handeln, überwacht, bedroht oder in sozialen Medien als "regierungsfeindlich" dargestellt zu werden.

(Arabische) Sunniten werden im Allgemeinen und insbesondere, wenn sie aus Gebieten stammen, die bekanntermaßen mit der Opposition sympathisieren oder unter der de facto Kontrolle bewaffneter oppositioneller Gruppen stehen, als regierungsfeindlich wahrgenommen. Aus diesem Grund waren ihre Wohngebiete von Beschießungen, Artilleriefeuer und Militärangriffen betroffen und von der Versorgung mit Lebensmitteln und anderen Grundbedarfsgütern abgeschnitten. Darüber hinaus wurden Sunniten von Streitkräften der Regierung aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Verbindung mit sunnitischen Islamisten oder Salafisten bzw. ganz allgemein bewaffneten oppositionellen Gruppen willkürlich verhaftet, in Isolationshaft genommen, gefoltert und auf andere Weisen misshandelt sowie extralegal und standrechtlich hingerichtet. Der unabhängigen UN-Untersuchungskommission zufolge besteht "in von der Regierung kontrollierten Gebieten für sunnitische Männer aus Unruhegebieten das größte Risiko, an Kontrollstellen oder bei Hausdurchsuchungen inhaftiert zu werden, da sie als wahrscheinliche Sympathisanten oder Unterstützer von oppositionellen bewaffneten Gruppen gelten. Diese Gemeinschaft ist insbesondere in Hinblick auf Zwangsverschleppung, Folter und andere Menschenrechtsverletzungen während Inhaftierungen gefährdet.

Berichten ist zu entnehmen, dass Zivilpersonen, die aus Gebieten stammen oder in Gebieten wohnen, in denen es zu Protesten der Bevölkerung kam und/oder in denen bewaffnete oppositionelle Gruppen in Erscheinung treten oder (zeitweise) die Kontrolle übernommen haben, im Allgemeinen mit der Opposition in Verbindung gebracht werden und daher von der Regierung als regierungsfeindlich angesehen werden. Es gehört Berichten zufolge zu einer umfassenden Politik, Zivilisten aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, ihrer Anwesenheit in einem Gebiet oder ihrer Herkunft aus einem Gebiet, das als regierungsfeindlich und/oder als Unterstützer oppositioneller bewaffneter Gruppen betrachtet wird, ins Visier zu nehmen.

Die tatsächlich oder vermeintlich oppositionellen Ansichten einer Person werden häufig auch Personen in ihrem Umfeld, wie Familienmitgliedern, Nachbarn und Kollegen zugeschrieben. Die Familienangehörigen (beispielsweise Ehegatten, Kinder, Geschwister, Eltern und auch entferntere Verwandt) von (tatsächlichen oder vermeintlichen) Protestteilnehmern, Aktivisten, Mitgliedern von Oppositionsparteien oder bewaffneten oppositionellen Gruppen, Überläufern und Wehrdienstentziehern und anderen Personen wurden Berichten zufolge willkürlich verhaftet, in incommunicado Haft genommen, gefoltert und in sonstiger Weise - einschließlich unter Anwendung sexueller Gewalt - misshandelt sowie auch willkürlich hingerichtet. Verläuft die Fahndung nach einem Regierungsgegner bzw. einer Person, die für einen Regierungsgegner gehalten wird, erfolglos, gehen die Sicherheitskräfte Berichten zufolge dazu über, die Familienangehörigen der betreffenden Person festzunehmen oder zu misshandeln. Dies geschieht entweder, um Vergeltung zu üben für die Aktivitäten bzw. den Loyalitätsbruch der gesuchten Person oder um Informationen über ihren Aufenthaltsort zu gewinnen und/oder mit der Absicht, die betreffende Person dazu zu bewegen, sich zu stellen bzw. die gegen sie erhobenen Anschuldigungen zu gestehen. Wie aus Berichten hervorgeht, wurden weibliche Verwandte verhaftet und als "Tauschobjekte" für Gefangenenaustausch mit regierungsfeindlichen bewaffneten Gruppen verwendet. Darüber hinaus liegen Berichte vor, dass sogar Nachbarn, Kollegen und Freunde verfolgt wurden.

Aus Angst, selbst inhaftiert und misshandelt zu werden, sehen Familienmitglieder, wie Berichten zu entnehmen ist, häufig davon ab, nach dem Aufenthaltsort von verhafteten Familienmitgliedern zu forschen oder sich über die Verhaftung zu beklagen. Wie aus Berichten hervorgeht, sehen sie sich stattdessen gezwungen, korrupten Staatsbediensteten Schmiergelder zu bezahlen, um Informationen über den Aufenthaltsort eines inhaftierten Angehörigen zu erhalten, seine Verlagerung von einer Haftanstalt des Sicherheitsdienstes in die zentrale Haftanstalt zu veranlassen oder für seine Freilassung zu sorgen - dabei besteht für sie keine Erfolgsgarantie. Amnestien durch den Präsidenten haben, wie berichtet wird, auch Richtern die Möglichkeit eröffnet, Bestechungsgelder von Familien entgegen zu nehmen, die die Freilassung eines inhaftierten Familienmitglieds erreichen möchten. In besonders schwerwiegenden Fällen wurden Berichten zufolge ganze Familien von Oppositionsmitgliedern oder Überläufern verhaftet oder extralegal hingerichtet, beispielsweise bei Hausdurchsuchungen.

Aufgrund verfügbarer Herkunftslandinformationen reicht allein der Verdacht, dass eine Person regierungskritische Ansichten hat oder mit einer Person in Verbindung steht, die solche Ansichten hat, für die Verfolgung aus.

Wehrdienstverweigerer, Deserteure und ihre Familienangehörigen

Die Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates zu Syrien und das Syrian Human Rights Committee berichteten 2013 über Exekutionen von desertierten Soldaten, über Verhaftungen von Familienangehörigen von Deserteuren und über willkürliche Verhaftungen von Personen, die sich nicht ausweisen können und aus umkämpften Gebieten geflohen sind.

Syrische Oppositionelle oder Deserteure sind im mit Syrien verbündeten Libanon ebenfalls von Verhaftung bedroht. Sogar Familienangehörige von Deserteuren und Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, sind im Ausland in Gefahr.

Zivilisten, die für die Armee gearbeitet haben und die Armee verlassen haben, gelten als Verräter und werden wie Deserteure bestraft. Personen, die nach einem bewilligten Aufenthalt im Ausland nicht nach Syrien zurückkehren, werden als Wehrdienstverweigerer oder Deserteur eingestuft und dementsprechend bestraft.

Wenn die Personen, die vom syrischen Regime einberufen wurden, nicht freiwillig erscheinen, werden sie als Wehrdienstverweigerer gelistet und werden von den Behörden gesucht. Die Truppen der Regierung sind ausgedünnt und es mangelt an Militärs.

Wehrdienstentzieher, die sich nicht innerhalb von 30 Tagen nach Ablauf der festgelegten Frist zum Militärdienst melden, werden (in Friedenszeiten) mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft. Die Wehrdienstpflicht besteht dabei weiterhin fort. Wenn Personen sich innerhalb von 30 Tagen nach Ablauf der Frist freiwillig melden, wird die Strafe um 50 Prozent herabgesetzt. In Kriegszeiten wird Wehrdienstentziehung je nach den Umständen mit Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren bestraft. Nach Verbüßung der Strafe muss der Wehrdienstentzieher weiterhin den regulären Militärdienst ableisten.

Es wird berichtet, dass Wehrdienstentzieher in der Praxis festgenommen und unterschiedlich lange inhaftiert werden und danach in ihrer militärischen Einheit Dienst leisten müssen. Aus Berichten geht hervor, dass sie während der Haft dem Risiko der Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt sind. Die Regierung inhaftiert Berichten zufolge außerdem gezielt Familienmitglieder von Wehrdienstentziehern, um Druck auf Männer im wehrfähigen Alter auszuüben, in den Militärdienst zu treten. Wie aus Berichten hervorgeht, ist es unklar, auf welche Weise Personen über die Verpflichtung informiert werden, sich zum Militärdienst zu melden. Ferner ist unklar, wie viel Zeit vergeht, bis der Name einer Person, die dem Einberufungsbefehl nicht Folge leistet, an das Militär und an Personenkontrollstellen mit der Anweisung gemeldet wird, die betreffende Person aufgrund von Wehrdienstentziehung festzunehmen. Einzelne Berichte legen außerdem nahe, dass zumindest in manchen Fällen Personen nach ihrer Festnahme an Kontrollstellen in die Armee eingezogen wurden, ohne zuvor einen Einberufungsbescheid erhalten zu haben. Ungeachtet des genauen Zeitpunkts, zu dem eine Person gemäß anwendbarem syrischem Recht als wehrdienstpflichtig betrachtet wird (und sich daher strafbar macht, wenn sie dem Einberufungsbefehl nicht Folge leistet), kann nach Beobachtungen von UNHCR "eine Wehrdienstentziehung auch präventiv erfolgen, indem die betreffende Person noch vor Eintreffen des eigentlichen Erfassungs- oder Einberufungsbefehls handelt", indem sie zum Beispiel das Land verlässt.

Die syrische Regierung betrachtet, wie Berichten zu entnehmen ist, Wehrdienstentziehung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen.

Jenen, die den Wehrdienst verweigern, oder auch ihren Familienangehörigen, können Konsequenzen drohen.

Auch Familien von Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern haben mit Konsequenzen zu rechnen. Eine Familie könnte von der Regierung unter Druck gesetzt werden, wenn der Deserteur dadurch vielleicht gefunden werden kann. Familienmitglieder (auch weibliche) können festgenommen werden, um den Deserteur dazu zu bringen, sich zu stellen.

Manchmal wird ein Bruder oder der Vater eines Deserteurs ersatzweise zur Armee rekrutiert.

Die Familien und besonders die Väter von Militärdienstverweigerern und Deserteuren werden üblicherweise schikaniert, um die Söhne zu zwingen, sich zu stellen. Die Behörden treten auch an bestimmte Gemeinschaften heran und verlangen, dass die Familien die Mitglieder, die für den Militärdienst gesucht werden, übergeben. Obwohl die Soldaten streng beaufsichtigt werden und ihre Familien bei Fahnenflucht mit Repressalien rechnen müssen, gibt es immer wieder Deserteure. Die meisten von ihnen seien Angehörige der sunnitischen Bevölkerungsmehrheit. Das Regime verwendet weiterhin alle möglichen Druckmittel von bürokratischen Auflagen bis hin zu Gefängnis und Folter, um die syrischen Streitkräfte oder die paramilitärischen Verbände zu verstärken. Amnestien dienen im Endeffekt nicht dazu, den Wehrdienstverweigerern und Deserteuren eine Strafe zu ersparen, sondern ihrer habhaft zu werden, um sie zum Militärdienst und letztendlich zum Kampfeinsatz einziehen zu können. Auch Familienangehörige von Deserteuren, von Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, oder von Zivilisten, die bei der Armee gearbeitet haben, werden bestraft. Geschwister, Brüder und Schwestern, wie auch Mütter und Väter werden verhaftet. Neben Plünderung ihrer Häuser und Verhaftungen werden Familienangehörige von Deserteuren und Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, häufig aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Die Maßnahmen gegen die Familien von Deserteuren variieren in den verschiedenen Regionen. Väter oder Brüder werden rekrutiert, um den Deserteur in der Armee zu ersetzen. Desertiert jemand mit der Waffe, werden die Familienangehörigen verhaftet. Wenn sie sich nicht mehr in Syrien aufhalten, werden sie auf eine der Suchlisten gesetzt.

Wie Berichte belegen, griffen Regierungskräfte zum Beispiel bei Verhaftungskampagnen in Gebieten, in denen ihrer Wahrnehmung nach die Opposition unterstützt wurde, gezielt Angehörige von Deserteuren heraus. Das Eigentum von Deserteuren wurde, wie berichtet wird, durch Plünderung und Brandstiftung zerstört.

Personen, die im Ausland auf bestimmte Weise aktiv sind

Wie aus Berichten hervorgeht, betrachtet die Regierung bestimmte Aktivitäten von im Ausland lebenden Syrern als Ausdruck einer oppositionellen Einstellung, darunter Anträge auf Asyl, Teilnahme an regierungskritischen Protesten, Kontakte zu Oppositionsgruppen oder andere Ausdrucksformen der Kritik an der Regierung, einschließlich über soziale Medien.

Frauen

Die Situation von Frauen verschlechtert sich durch den fortgesetzten Konflikt dramatisch, da Frauen aufgrund ihres Geschlechts zunehmend Opfer unterschiedlicher Gewalthandlungen der verschiedenen Konfliktparteien werden. Berichten zufolge wurden Tausende von Frauen bei dem Beschuss ziviler Gebiete und durch Heckenschützen sowie im Rahmen von Überfällen und Massakern getötet. Andere werden inhaftiert, als Geisel genommen, gefoltert, sexueller und sonstiger Gewalt ausgesetzt, als menschliche Schutzschilde verwendet oder werden Opfer einer strengen Auslegung der Scharia. Zunehmend übernehmen Frauen die überwiegende oder ausschließliche Versorgung der Familie, da die männlichen Familienangehörigen verletzt, behindert, festgenommen, verschwunden, getötet oder aufgrund ihrer Beteiligung am Konflikt nicht vor Ort sind oder aus Angst vor Inhaftierung oder vor Massenhinrichtungen an Kontrollstellen nicht wagen, ihre Häuser zu verlassen. Diese Frauen und Mädchen sind besonderen Schwierigkeiten während ihrer Bemühungen ausgesetzt, ihr Leben neu aufzubauen und trotz erhöhtem Missbrauchs- und Ausbeutungsrisiko für ihre Familien zu sorgen.

Frauen sind Gewalt, Diskriminierung und starken Einschränkungen ihrer Rechte ausgesetzt. Es geschehen Vergewaltigungen durch Wächter und Sicherheitskräfte in Haftanstalten. Vergewaltigung ist zwar nach dem Gesetz strafbar, die Regierung vollstreckt dieses Gesetz jedoch nicht. Außerdem kann der Täter Straffreiheit erlangen, wenn er das Opfer heiratet, um so das soziale Stigma einer Vergewaltigung zu vermeiden.

Menschenrechtsorganisationen berichten außerdem von einem Anstieg sogenannter Ehrenmorde auf Grund der hohen Anzahl an Vergewaltigungen durch die Regierungseinheiten und sexuelle Versklavung und Ausbeutung durch Daesh.

Auch an Checkpoints, die von den verschiedenen bewaffneten Gruppen besetzt sind, sowie bei Hausdurchsuchungen durch Sicherheitskräfte kommt es zu Vergewaltigungen und sexuellen Übergriffen.

Die Anzahl an Kinderehen ist hoch, besonders bei vertriebenen und flüchtenden Familien, die junge Töchter verheiraten, um sie vor Vergewaltigung zu schützen oder eine Vergewaltigung zu vertuschen, oder aus wirtschaftlicher Not.

In Konfliktgebieten werden Frauen auch Opfer von Entführungen durch bewaffnete Gruppen, die ihre Gegner nicht militärisch besiegen konnten und Entführungen dazu nutzen, um die Gegenseite zur Kapitulation zu zwingen.

Extremistische Gruppen, wie Daesh oder Jabhat Fatah al-Sham, setzen Frauen in den von ihnen beherrschten Gebieten diskriminierenden Beschränkungen aus, zB strengen Kleidervorschriften, Einschränkungen bei der Teilnahme am öffentlichen Leben, bei der Bewegungsfreiheit und beim Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt. In Gebieten, die Daesh beherrscht, wurde ein Dokument veröffentlicht, dass Frauen unter Androhung der Todesstrafe die Befolgung von 16 Punkten vorschreibt, darunter, das Haus nicht ohne einen männlichen nahen Verwandten zu verlassen, weite Kleidung, ein Kopftuch und einen Gesichtsschleier zu tragen, Friseursalons zu schließen, in der Öffentlichkeit nicht auf Stühlen zu sitzen und keine männlichen Ärzte aufzusuchen. In Raqqa gründete Daesh die "al-Khansaa"-Brigade, die hauptsächlich aus nicht-syrischen Frauen besteht und die Regeln des Daesh bei Frauen durchsetzen soll.

Außerhalb der Gebiete, die unter der Kontrolle des Regimes stehen, unterscheiden sich die Bedingungen für Frauen sehr stark voneinander. Sie reichen von extremer Diskriminierung, sexueller Versklavung und erdrückenden Verhaltens- und Kleidungsvorschriften in Gebieten des Daesh zu formaler Gleichberechtigung in den Gebieten unter PYD, wo Regierungssitze immer von einer Frau und einem Mann besetzt sind und Frauen in der Politik und im Militärdienst gut vertreten sind.

Menschenrechtsverletzungen

Die syrische Regierung, ihre Streitkräfte und regierungsfreundliche Kräfte begehen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, wie Mord, Vernichtung, Folter, Vergewaltigung, Zwangsverschleppungen, Angriffe auf die Zivilbevölkerung und andere unmenschliche Akte. Im Zuge mehrerer großer Militäroperationen von Regierungs- und regierungsfreundlichen Truppen verübten diese Massenmorde, auch an Frauen und Kindern. Der fortgesetzte Konflikt führte zu einigen der abscheulichsten Bedingungen für Menschenrechte und humanitäre Lage weltweit, darunter Ermordungen, Folter, willkürliche Haft, Verschwindenlassen, Verweigerung des Zugangs zu Justiz, schwere Einschränkungen der Meinungsfreiheit und die Verfolgung von Frauen und Minderheiten. Kinder wurden ermordet, gefoltert und der Gewalt durch alle Parteien ausgesetzt. Es kommt auch zu frühen Zwangsheiraten von Mädchen. Die meisten Menschenrechtsverletzungen und Brüche des humanitären Gesetzes wurden systematisch von syrischen Regierungskräften und ihren verbündeten Gruppen begangen.

Der bewaffnete Konflikt in Syrien ist Berichten zufolge weiterhin von weit verbreiteten und systematischen Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts gekennzeichnet, die in einem Klima der Straflosigkeit stattfinden. Die Unabhängige UN-Untersuchungskommission zu Syrien und Menschenrechtsorganisationen haben syrische Regierungskräfte der Begehung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschuldigt. Willkürliche und direkte Angriffe auf Zivilisten, Belagerungen und Verwehrung des Zugangs von humanitärer Hilfe sowie Angriffe auf medizinische Einrichtungen und Mitarbeiter haben sich Berichten zufolge als typisches Schema von Menschenrechtsverletzungen auf Seiten der syrischen Regierungskräfte erwiesen. Wie aus Berichten hervorgeht, haben syrische Regierungskräfte Waffen auf willkürliche Weise eingesetzt, darunter Artillerie, Luftangriffe, Fassbomben, Brandwaffen, Streumunition und chemische Waffen.

Aus den Berichten der unabhängigen UN-Untersuchungskommission und von Menschenrechtsorganisationen geht hervor, dass bewaffnete oppositionelle Gruppen Kriegsverbrechen in Form von Mord, Hinrichtung ohne Gerichtsverfahren, Folter, Geiselnahme, Rekrutierung von Kindern und deren Einsatz für Kampfhandlungen und für andere Zwecke sowie Angriffe auf Mitarbeiter medizinischer und religiöser Einrichtungen, Journalisten und geschützte Objekte begehen. Von der Regierung kontrollierte Ortschaften, einschließlich solcher Gebiete, die von religiösen Minderheiten bewohnt werden, sind Berichten zufolge häufig Ziel willkürlicher Mörser-, Raketen- und USBV-Angriffe durch bewaffnete oppositionelle Gruppen. Diese bewaffneten oppositionellen Gruppen haben Berichten zufolge Zivilgebiete, die als regierungsnah angesehen werden, belagert oder zeitweise von der Wasser- und/oder Stromversorgung abgeschnitten.

Ausreise aus Syrien

Die Art der Ausreise - ob offiziell oder inoffiziell -, für die Syrer sich entscheiden, hängt Berichten zufolge von verschiedenen Faktoren und Gründen ab, darunter vorhandene oder fehlende Papiere, Sicherheitserwägungen (einschließlich Sicherheit der Flugroute), finanzielle Lage der betroffenen Personen, Nähe eines bestimmten Grenzübergangs, usw. Da es für syrische Staatsbürger zunehmend schwierig wurde, offizielle Grenzübergänge der Nachbarstaaten zu benutzen, gab es Berichte, dass immer mehr Syrer gezwungen waren, Syrien auf gesetzeswidrige Weise zu verlassen. Wie berichtet wird, haben einige Männer aus Furcht vor Einziehung zum Wehrdienst Syrien innerhalb des knappen Zeitfensters ab Erhalt des Einberufungsbescheids bis zu dem Zeitpunkt, an dem ihre Namen an Grenzkontrollstellen geleitet wurden, über offizielle Grenzübergänge verlassen, oder Staatsbedienstete bestochen, ihre Namen vorübergehend aus der an Grenzkontrollstellen vorliegenden Liste gesuchter Personen zu entfernen.

Behandlung bei Rückkehr nach Syrien aus dem Ausland

Es liegen kaum konkrete Informationen über die Behandlung von Rückkehrern nach Syrien vor. Quellen zufolge werden Personen an der Grenzübergangsstelle (Landgrenze, Flughafen) bei ihrer Einreise untersucht, um festzustellen, ob sie im Zusammenhang mit sicherheitsbezogenen Vorfällen (wie Straftaten, tatsächliche oder vermeintliche regierungsfeindliche Aktivitäten oder Ansichten, Kontakte zu politischen Oppositionellen im Ausland, Einberufung etc.) gesucht werden. Personen, deren Profil irgendeinen Verdacht erregt, insbesondere aus den unter den Risikoprofilen unten beschriebenen Gründen, sind Berichten zufolge dem Risiko einer längeren incommunicado Haft und Folter ausgesetzt. Es wird berichtet, dass für Rückkehrer außerdem das Risiko besteht, inhaftiert zu werden, weil Familienmitglieder von den Behörden gesucht werden, weil sie ihren Militärdienst nicht geleistet haben, weil sie aus einem Gebiet stammen, das sich unter der Kontrolle der Opposition befindet, oder weil sie aufgrund ihrer konservativen Kleidung als religiös wahrgenommen werden. Andere werden, wie berichtet wird, ohne bestimmten Grund entsprechend der weit verbreiteten Willkür und des Machtmissbrauchs durch Sicherheitsbeamte inhaftiert und misshandelt.

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch (HRW) haben mehrere Fälle dokumentiert, in denen Syrer am Flughafen Damaskus oder an Landgrenzübergängen bei Ein- oder Ausreisen durch Sicherheitsdienste verhaftet und später gefoltert wurden und/oder gewaltsam verschwanden. Auch nach der ersten Einreise nach Syrien kann das Inhaftierungsrisiko weiterhin bestehen. Berichten der Unabhängigen UN-Untersuchungskommission zu Syrien zufolge wurde ein Syrer, der zwangsweise aus Jordanien nach Syrien zurückgewiesen wurde, an einer Kontrollstelle in einem ländlichen Gebiet des Gouvernements Homs verhaftet.

Länger zurückliegende Gesetzesverletzungen im Heimatland (z.B. illegale Ausreise) können von den syrischen Behörden bei einer Rückkehr verfolgt werden. In diesem Zusammenhang kommt es immer wieder zu Verhaftungen. Quellen des kanadischen IRB gaben an, dass Personen bei der Einreise nach Syrien über den internationalen Flughafen Damaskus oder andere Einreiseorte kontrolliert werden. Bei männlichen Personen im wehrfähigen Alter wird auch kontrolliert, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Männer im wehrfähigen Alter sind bei der Einreise besonders gefährdet, Opfer von Misshandlungen durch das Sicherheitspersonal zu werden. Die Sicherheitsorgane haben am Flughafen freie Hand, und es gibt keine Schutzmechanismen, wenn eine Person verdächtigt und deswegen misshandelt wird. Es kann passieren, dass die Person sofort inhaftiert und dabei Opfer von Verschwindenlassen oder Folter wird. Oder der Person wird die Einreise nach Syrien erlaubt, sie muss sich jedoch zu einem anderen Zeitpunkt erneut melden und verschwindet dann. Eine Person kann auch Opfer von Misshandlungen werden, ohne dass es dafür einen bestimmten Grund gibt. Das System ist sehr unberechenbar. Bereits im Jahr 2012 hat ein britisches Gericht festgestellt, dass für einen nach Syrien zurückkehrenden, abgelehnten Asylwerber im Allgemeinen bei der Ankunft die reale Gefahr besteht, aufgrund einer angenommenen politischen Gesinnung inhaftiert zu werden, und in der Folge schweren Misshandlungen ausgesetzt zu sein. Seit dieser Feststellung hat sich die Situation weiter verschlimmert. Bei Rückkehr nach einem abgelehnten Asylantrag würde eine Person inhaftiert und im Zuge von Befragungen gefoltert werden. Die Person könnte für die Verbreitung falscher Informationen über Syrien im Ausland verurteilt werden, oder die Behörden würden versuchen durch Folter Informationen über andere Asylwerber oder die Opposition zu bekommen. Es kann jedoch auch sein, dass eine Person, trotz eines abgelehnten Asylantrages, auch nach der Rückkehr nach Syrien noch als Unterstützer des Asad-Regimes angesehen wird. Das Gesetz bestraft auch Personen, welche versuchen in einem anderen Land Zuflucht zu suchen, um eine Strafe in Syrien zu vermeiden.

Den Berichten des UK Home Office ist zu entnehmen, dass die Asylantragstellung im Ausland als illoyaler Akt und als Zeichen oppositioneller Gesinnung gilt und dass bei (nach negativem Asylverfahren) nach Syrien zurückgeführten Personen die Gefahr der Inhaftierung/Misshandlung aufgrund einer ihnen unterstellten missliebigen politischen Gesinnung droht, sofern sie nicht (nach wie vor) als Unterstützer des Assad-Regimes betrachtet werden.

Quellen zufolge beinhaltet die Sicherheitsprüfung durch die Grenzbehörden am Flughafen Damaskus und an anderen Grenzübergangsstellen die Prüfung, ob ein Rückkehrer Syrien gesetzeswidrig verlassen hat.

Das syrische Gesetz bestraft auch Personen, welche versuchen in einem anderen Land Asyl zu suchen, um eine Strafe in Syrien zu vermeiden.

Die syrische Regierung hat Interesse an politischen Aktivitäten von Syrern im Ausland, auch deshalb, um oppositionelle Alternativen zum gegenwärtigen Regime zu unterbinden. Die Regierung überwacht Aktivitäten dieser Art im Ausland, auch in Österreich. Dass die syrische Regierung Kenntnis von solchen Aktivitäten hat, ist wahrscheinlich, und sie hat die Möglichkeit, ihr diesbezügliches Wissen zu nützen, wenn sich dazu die Gelegenheit ergibt. Eine Überwachung von exilpolitischen Aktivitäten passiert hauptsächlich an Orten mit einer größeren syrischen Gemeinde, weil sich dort eher Informanten der Regierung befinden können. Eine Gefährdung eines Rückkehrers im Falle von exilpolitischer Aktivität hängt jedoch von den Aktivitäten selbst, dem Profil der Person und von zahlreichen anderen Faktoren, wie dem familiären Hintergrund und den Ressourcen ab, die der Regierung zur Verfügung stehen.

Die nach Syrien einreisenden Personen werden vom syrischen Militärgeheimdienst überprüft.

Neben dem Flughafen Damaskus gibt es auch einen internationalen Flughafen in Lattakiah.

Derzeit sind die syrischen Grenzübergänge zum Libanon offen, wobei laut Schweizer Flüchtlingshilfe der Libanon mit mutmaßlichem Auftrag von Syrien nur bestimmte syrische BürgerInnen und palästinensische Flüchtlinge über den Internationalen Flughafen Beirut in den Libanon für ihre Weiterreise nach Syrien einreisen lässt. Die libanesische Botschaft in Berlin erwähnt, dass syrische StaatsbürgerInnen bei Vorweisen eines gültigen Reisepasses kein Visum benötigen, verweist aber auf die Notwendigkeit je nach Reisezweck Unterlagen vorzulegen:

Es gibt eine Liste mit detaillierten Einreisebedingungen für den Libanon, welche die Frage offen lässt, ob/wie durchreisende Rückkehrer nach Syrien vom libanesischen Staat in dem Kategoriensystem eingeordnet würden - insbesondere in den Fällen, wo diese nie über den Libanon aus Syrien ausgereist waren, bzw. wo es keine legale Ausreise aus Syrien gab [Anm.: Das müsste im Einzelfall im Rahmen der Heimreisezertifikate geklärt werden.].

Der Grenzübergang Kessab an der türkischen Grenze wird nur fallweise von der Türkei geöffnet.

Alle anderen Grenzübergänge befinden sich nicht unter Regierungskontrolle.

Prinzipiell muss davon ausgegangen werden, dass jede Person, die nach Syrien zurückkehrt, verhaftet und misshandelt werden kann. In Istanbul kontaktierte syrische Aktivisten wiesen darauf hin, dass alles möglich ist. Die Willkür zeige sich auch darin, dass sich einzelne mit Bestechung freikaufen können. Ein syrischer Direktor einer NGO in Istanbul weist zudem darauf hin, dass abgewiesene Asylsuchende bei einer Einreise nach Syrien verhaftet und misshandelt werden. Seiner Meinung nach sind Aktivisten, Oppositionelle, Familienangehörige von Aktivisten und Männer, die aus der syrischen Armee desertiert sind, besonders gefährdet, bei ihrer Rückkehr verhaftet und misshandelt zu werden. Ein syrischer Journalist geht davon aus, dass syrische Männer unter 45, Sunniten und Personen, die aus Regionen kommen, die von der Opposition besetzt sind, am meisten gefährdet sind, verhaftet, erpresst oder getötet zu werden.

Das kanadische COI-Büro IRB hat eine ausführliche Beschreibung erstellt, wie die Einreise nach Syrien über den Flughafen von Damaskus erfolgt, und wie freiwillige und unfreiwillige Rückkehrer behandelt werden. In der Beschreibung des Prozederes befindet sich auch der Hinweis auf die Entscheidungsfreiheiten der dortigen Kontrolleure, wen sie aus welchen Gründen verhaften. Das Maß an Willkür sei groß und gleichzeitig gäbe es seit 2011 wenige Informationen über das Schicksal von Gefangenen.

Im Fall der Verhaftung und Folter eines von Australien unter Druck gesetzten Mannes, nach Syrien zurückzukehren, wird sein Herkunftsort sowie die Rückkehrhilfe als Hintergrund angesehen.

Neben Risikofaktoren wie beispielsweise eine Asylantragstellung (oder deren Vermutung durch die syrischen Behörden), Verwandtschaftsverbindungen oder Wehr- und Reservedienst kann auch die Herkunft eine Rolle spielen. Je mehr eine Gegend für aufständische Aktivitäten bekannt ist, desto größer sei das Risiko.

Das öffentliche australische Fernsehen berichtete im Oktober 2015 über den Fall eines Syrers aus einem besonders umkämpften Ort in Deraa, der unter australischer Begleitung bis zum Flughafen Amman nach Syrien zurückkehrte. Nach Ankunft in Damaskus sei er wegen seines Herkunftsortes und des Rückkehrgeldes gefoltert und 20 Tage lang festgehalten worden.

Risikoprofile sind etwa:

* Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen, einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Mitglieder politischer Oppositionsparteien; Aufständische, Aktivisten und sonstige Personen, die als Sympathisanten der Opposition angesehen werden; Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen bzw. Personen, die als Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen angesehen werden; Wehrdienstverweigerer und Deserteure der Streitkräfte; Mitglieder der Regierung und der

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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