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L24009 Gemeindebedienstete Wien;Norm
ABGB §863;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 93/12/0166 E 7. Oktober 1998Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. Margit Kaufmann, Rechtsanwältin in Wien 8, Florianigasse 7, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom 20. April 1993, GZ. MA 2/140/92, betreffend eigenmächtiges und unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Protokollführer des Rettungs- und Krankenbeförderungsdienstes in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien.
In der Zeit vom 3. Mai 1991 bis 17. Juli 1991 nahm er an einem von den Vereinten Nationen getragenen Einsatz im Rahmen der Kurdenhilfe im österreichischen Feldspital (unfahir) teil.
Laut Aktenvermerk der Magistratsdirektion der Stadt Wien vom 26. April 1991 sollten zu diesem Einsatz nur Mitarbeiter entsendet werden, die sich zu diesem Einsatz freiwillig meldeten und auch akzeptierten, daß mit einer durchschnittlichen Einsatzzeit von ca. vier Wochen zu rechnen sei. Wenn aufgrund einer freiwilligen Meldung und nach Herstellung des Einvernehmens mit den militärischen Behörden eine Anforderung solcher Mitarbeiter erfolge, werde dieser Einsatz als "Erfüllung der Dienstpflichten" im Rahmen des Dienstverhältnisses zur Stadt Wien (mit Dienstortverlegung) angesehen, womit alle besoldungsrechtlichen Ansprüche gesichert seien. Die Stadt Wien werde den Bediensteten - da sie für die Kosten der Reise voll aufkomme - keine Vergütung nach der Reisegebührenvorschrift gewähren, jedoch werde ein geringfügiges Taschengeld zur Bestreitung kleinerer Ausgaben gezahlt. Für die Bediensteten werde im Hinblick auf das erhöhte Risiko zusätzlich eine "Bündelversicherung" (Tod, Unfall, Rückholung, Beraubung etc.) abgeschlossen. Die dem Feldlazarett zur Dienstleistung zugewiesenen Bediensteten der Stadt Wien würden von ihren zuständigen Vorgesetzten angewiesen werden, den Anordnungen der Verantwortlichen des Bundesheeres grundsätzlich Folge zu leisten. Befolge ein Bediensteter diese Anordnungen nicht, stünden dem Verantwortlichen des Bundesheeres keine unmittelbar wirksamen Anordnungsrechte zu; es werde seine Aufgabe sein, Meldung bei den zuständigen Disziplinarbehörden der entsendenden Stadt zu erstatten.
Nach dem Einsatz im Iran (3. Mai 1991 bis 17. Juli 1991) wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben der Dienstbehörde vom 30. April 1992 die Möglichkeit eingeräumt, ein Ansuchen um nachträgliche Gewährung eines Karenzurlaubes im öffentlichen Interesse für die Zeit dieses Einsatzes zu stellen. Ein von der Wr. DO 1966 anerkannter Rechtsgrund für seine Abwesenheit in diesem Zeitraum liege nicht vor, sodaß seine Abwesenheit nicht als gerechtfertigt gelte. Trotz mehrmaligem Ersuchen, einen diesbezüglichen Antrag zu stellen und diesem eine Kopie des mit dem Bundesministerium für Landesverteidigung abgeschlossenen Sondervertrages anzuschließen, sei von Seiten des Beschwerdeführers bisher keine Reaktion erfolgt. Sollte der Beschwerdeführer diesen Antrag nicht stellen, müsse seine Abwesenheit vom Dienst während dieses Zeitraumes als ungerechtfertigtes Fernbleiben mit sämtlichen, sich daraus ergebenden Rechtsfolgen gewertet werden.
Mit Bescheid vom 23. November 1992 stellte die Dienstbehörde I. Instanz fest, daß der Beschwerdeführer in der Zeit vom 3. Mai 1991 bis 17. Juli 1991 eigenmächtig und unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben sei (I). Gemäß § 26 Abs. 1 der Dienstordnung 1966 (DO 1966) habe er für diesen Zeitraum den Anspruch auf sein Diensteinkommen verloren (II). Gemäß § 26 Abs. 2 DO 1966 gebühre ihm ab 18. Juli 1991 bis 30. September 1992 das Gehalt des Schemas I, Verwendungsgruppe 3P, Gehaltsstufe 8 mit dem Vorrückungsstichtag 25. Februar 1991. Ab 1. Oktober 1992 gebühre das Gehalt des Schemas II, Verwendungsgruppe C, Dienstklasse III, Gehaltsstufe 8 mit dem Vorrückungsstichtag 25. Februar 1991 (III). Gemäß § 6 Abs. 2 der Pensionsordnung 1966 (PO 1966) sei diese Zeit keine ruhegenußfähige Dienstzeit zur Stadt Wien (IV).
In der Begründung dieses Bescheides führte die Dienstbehörde I. Instanz aus, eine gerechtfertigte Abwesenheit vom Dienst setze einen von der DO 1966 anerkannten Grund voraus. Dieser sei aber im Fall des Beschwerdeführers nicht vorgelegen. Es sei ihm angeboten worden, nachträglich für die Dauer des Kurdeneinsatzes einen Karenzurlaub im öffentlichen Interesse zu beantragen, der ihm sogar im öffentlichen Interesse erteilt worden wäre und daher den Lauf der Dienstzeit nicht einmal im Ausmaß des halben Karenzurlaubs gehemmt hätte. Dies habe der Beschwerdeführer aber abgelehnt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er im wesentlichen vorbrachte, er sei nicht eigenmächtig und unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben. Vielmehr habe er sich in eine Liste, die an der Dienststelle aufgelegen sei, eingetragen. Der Einsatz sei dem Dienstgeber zumindest bekannt gewesen. Er sei sogar vom Chefarzt des Rettungs- und Krankenbeförderungsdienstes der Stadt Wien für diesen Einsatz gegen Cholera und Hepatitis A geimpft worden. Weiters sei ihm für diesen Einsatz eine Dienstfreistellung bei vollen Bezügen zugesagt worden. Obwohl dem Dienstgeber der Aufenthaltsort bekannt gewesen sei, sei der Beschwerdeführer in der gesamten Zeit seines Einsatzes nie zum Dienstantritt aufgefordert worden.
Am 11. Februar 1993 wurde der Beschwerdeführer von der Dienstbehörde im Verfahren über die Berufung eines Arbeitskollegen, der ebenfalls am Iraneinsatz teilgenommen hatte (vgl. auch das zur hg. Zl. 93/12/0166 anhängige Verfahren), als Zeuge vernommen und gab an, er habe in der Zeit nach Ostern 1991 bei der Rettungsstelle in Mariahilf Dienst versehen. Dort sei eine Liste aufgelegt worden und die Dienststellenleitung habe ersucht, etwaige Interessenten sollten sich in diese Liste eintragen. Dies habe er getan. Etwa eine Woche nachher sei es zu einer Zusammenkunft im Kurssaal in der Radetzkystraße gekommen, wobei den Teilnehmern die näheren Umstände des Einsatzes bekanntgegeben worden seien, insbesondere daß das Feldspital von der Gemeinde Wien errichtet werden sollte, und zwar in der Stadt Uromire. Über die Dauer des Einsatzes seien keine exakten Angaben gemacht worden. Bei dieser Besprechung seien alle Anwesenden noch einmal gefragt worden, ob die vorhandene Meldung aufrecht bleibe, weil eben die genaue Einsatzdauer nicht bekannt gewesen sei. Weiters sei gesagt worden, daß die Teilnehmer über die Dienststelle hinsichtlich des Verlaufes des Einsatzes informiert würden. Bei dieser Besprechung seien neben ca. 15 Sanitätsgehilfen für den Dienstgeber Dr. K. und ein Stationsleiter anwesend gewesen. Einige Tage nach dieser Besprechung sei der Beschwerdeführer am Abend von Amtsrat M. vom Bundesministerium für Landesverteidigung angerufen worden, weil dieser habe wissen wollen, ob sein Interesse an der Teilnahme am Iran-Einsatz weiter aufrecht sei. Er habe sich über diesen Anruf gewundert, weil er nicht wehrpflichtig sei und habe daher nachgefragt, woher das Bundesministerium für Landesverteidigung von ihm wisse. AR M. habe ihm mitgeteilt, daß seine persönlichen Daten von der Stadt Wien an das Bundesministerium für Landesverteidigung weitergegeben worden seien. Er habe von AR M. ein schriftliches Aufforderungsschreiben erbeten, doch dieser habe ihn damit vertröstet, daß die Dienststelle nachträglich eine Verständigung über seinen Dienstantritt zum Iran-Einsatz erhalten werde. Eine schriftliche Information sei deswegen nicht mehr möglich gewesen, weil der Beschwerdeführer schon am 3. Mai 1991 den Dienst habe antreten sollen und das vorgenannte Telefonat ein oder zwei Tage vorher stattgefunden habe. Tags darauf sei der Beschwerdeführer in der Zentrale persönlich von Dr. K geimpft worden. Nach seiner Rückkehr aus dem Iran habe er sich unverzüglich auf seiner Station gemeldet. Davon, daß er ungerechtfertigt vom Dienst abwesend gewesen sei bzw. den Dienst unverzüglich wieder anzutreten habe, sei keine Rede gewesen.
Am 20. April 1993 erließ die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid, dessen Spruch wie folgt lautet:
"Gemäß § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG, BGBl. Nr. 51/1991) wird die Berufung als unbegründet abgewiesen, aber der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, daß Punkt III. des Spruches wie folgt zu lauten hat:
'Gemäß § 26 Abs. 2 DO 1966 gebührt Ihnen ab 18. Juli 1991 das Gehalt des Schemas I, Verwendungsgruppe 3P, Gehaltsstufe 8 mit dem Vorrückungsstichtag 25. Februar 1991. Ab 1. Oktober 1992 gebührt das Gehalt des Schemas II, Verwendungsgruppe C, Dienstklasse III, Gehaltsstufe 8 mit dem Vorrückungsstichtag 25. Februar 1991. Ab 1. März 1993 gebührt das Gehalt des Schemas II, Verwendungsgruppe C, Dienstklasse III, Gehaltsstufe 9 mit dem Vorrückungsstichtag 25. Februar 1993.'"
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und der angewendeten Rechtsvorschriften aus, von eigenmächtigem Fernbleiben könne dann gesprochen werden, wenn keine ausdrückliche oder stillschweigende Genehmigung vorliege. Die Beurteilung dieser Frage habe in einer objektiven Betrachtungsweise zu erfolgen. Aufgrund des vom Beschwerdeführer glaubhaft dargestellten Ablaufes der Vorbereitung seines Einsatzes im Iran, könne kein Zweifel daran bestehen, daß seine Vorgesetzten in seiner Dienststelle von diesem Einsatz Kenntnis gehabt und die Tatsache seiner Abwesenheit vom Dienst als gegeben angenommen hätten. Weder der Beschwerdeführer noch seine Vorgesetzten in der Dienststelle seien davon ausgegangen, daß er sich während seines Einsatzes im Iran in Erfüllung seiner Dienstpflichten gegenüber der Stadt Wien befunden habe. Im Lichte des auch für das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis geltenden Legalitätsgrundsatzes bedürfe jede Abwesenheit vom Dienst eines Rechtstitels. Die DO 1966 kenne einerseits Dienstverhinderungsgründe wie Krankheit, Unfall, Präsenzdienst oder sonstige wichtige, die Person des Beamten betreffende Gründe und andererseits Rechtsinstitute, die eine Befreiung von der Dienstleistungspflicht beinhalteten, wie z.B. den Erholungsurlaub, den Karenzurlaub oder den Sonderurlaub mit Bezügen. Die DO 1966 lasse nicht erkennen, daß sie über die in ihren Bestimmungen vorgesehenen Gründe einer gerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst hinaus weitere Abwesenheitsgründe legitimiere. Bei Betrachtung des beim Beschwerdeführer vorliegenden Sachverhaltes im Lichte der in der DO 1966 vorgesehenen Dienstverhinderungs- bzw. Dienstbefreiungsgründe lasse sich eine Subsumtion unter diese Gründe nicht durchführen. Krankheit oder Unfall seien unstrittig nicht vorgelegen. Ein wichtiger, den Beschwerdeführer betreffender Grund sei ebenfalls nicht vorgelegen, weil ein solcher Grund in der Person des Beschwerdeführers liegen oder sich infolge einer höchstpersönlichen rechtlichen oder sittlichen Verpflichtung auf ihn beziehen müßte. Eine solche höchstpersönliche Verknüpfung der Person des Beschwerdeführers mit dem Einsatz im Iran sei aber nicht vorgelegen, was schon daraus hervorgehe, daß eine beliebige andere, gleich qualifizierte Person an seine Stelle hätte treten können. Auch die in der DO 1966 vorgesehenen Dienstbefreiungsgründe seien nicht vorgelegen; dies schon deshalb nicht, weil der Beschwerdeführer die hiefür notwendigen Willensakte nicht gesetzt habe. Somit sei der Beschwerdeführer ohne einen von der DO 1966 vorgesehenen Dienstverhinderungs- oder Dienstbefreiungsgrund vom Dienst abwesend gewesen. Es sei nun noch die Frage zu klären, ob die Billigung der örtlichen Dienstvorgesetzten des Beschwerdeführers durch eine ausdrückliche oder stillschweigende Gestattung einen Rechtfertigungsgrund für die Dienstabwesenheit des Beschwerdeführers erzeugen habe können. Dies sei zu verneinen. Einerseits könne im öffentlichen Recht kein Organwalter der Vollziehung, also auch kein Dienstvorgesetzter, eine vom Gesetz nicht vorgesehene Rechtsgrundlage schaffen, andererseits seien die Dienstvorgesetzten nur dann dafür zuständig, das öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis inhaltlich zu gestalten - die Befreiung von den Dienstpflichten stelle eine solche Gestaltung dar -, wenn sie von den Rechtsvorschriften hiezu ausdrücklich ermächtigt seien (vgl. z.B. die Festsetzung des Erholungsurlaubes durch den Dienststellenleiter). In allen anderen Fällen sei für die Gestaltung des öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis der Magistrat als Dienstbehörde zuständig, welcher gegenüber dem Beschwerdeführer nach der Geschäftseinteilung für den Magistrat der Stadt Wien durch die Magistratsabteilung 2 repräsentiert werde. Selbst wenn auf Grund der Einheit des Magistrates die Willenserklärungen der Dienstvorgesetzten des Beschwerdeführers dem Magistrat zugerechnet würden, seien aus dem vom Beschwerdeführer dargestellten Sachverhalt keine Willenserklärungen der Dienstvorgesetzten zu erkennen, die einen behördlichen Gestaltungsakt hinsichtlich des Dienstverhältnisses des Beschwerdeführers zum Inhalt gehabt hätten. Das Auflegen einer Liste für eine freiwillige Meldung, die Mitwirkung an der Organisation des Einsatzes durch den Magistrat, die Verabreichung von Schutzimpfungen und letztlich die Kenntnis vom Einsatz des Beschwerdeführers seien als faktische Handlungen bzw. bei weitester Auslegung als Wissenserklärung zu werten, jedoch keinesfalls als Erklärungen mit Rechtsfolgewillen. Es sei vielmehr aus dem vom Beschwerdeführer dargestellten Sachverhalt zu entnehmen, daß die Dienstvorgesetzten sich die Frage des Rechtstitels der Dienstabwesenheit infolge der Dringlichkeit und der überaus schwierigen Organisationsaufgabe für diesen Einsatz überhaupt nicht gestellt hätten; umso weniger könne bei ihnen ein behördlicher Rechtsfolgewille angenommen werden. Diese Würdigung vermöge nichts an der Tatsache zu ändern, daß die Stadt Wien den Einsatz des Beschwerdeführers unterstützt und seine Bereitschaft zu diesem Einsatz gewürdigt habe. Es wäre aber allein am Beschwerdeführer gelegen, einen Rechtstitel für seine Abwesenheit vom Dienst zu schaffen, indem er, wie ein Großteil der Bediensteten, welche sich an der Kurdenhilfe beteiligt hätten, einen Antrag auf Gewährung eines Karenzurlaubes oder die Festsetzung eines Erholungsurlaubes gestellt hätte. Daß er dies bisher trotz gebotener Gelegenheit nicht getan habe oder habe tun wollen, sei ausschließlich ihm anzulasten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall anzuwendende Bestimmung über die Abwesenheit vom Dienst - § 25 des Gesetzes über das Dienstrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien (Dienstordnung 1966 - DO 1966) in der Fassung, LGBl. für Wien Nr. 26/1979 - lautet:
"(1) Ist der Beamte durch Krankheit, Unfall oder einen anderen wichtigen, seine Person betreffenden Grund verhindert, den Dienst zu versehen, so hat er dies dem Vorgesetzten unverzüglich zu melden. Der Beamte hat den Grund für die Dienstverhinderung zu bescheinigen, wenn es der Vorgesetzte verlangt oder wenn die Dienstverhinderung länger als drei aufeinanderfolgende Kalendertage dauert.
(2) Ein wegen Krankheit, Unfall oder gemäß § 45b vom Dienst abwesender Beamter hat sich auf Verlangen des Magistrats einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, an dieser Untersuchung, sofern es ihm zumutbar ist, mitzuwirken und sich gegebenenfalls einer zumutbaren Krankenbehandlung zu unterziehen.
(3) .......
(4) Kommt der Beamte den sich aus Abs. 1 bis 3 ergebenden Verpflichtungen nicht nach, so gilt die Abwesenheit vom Dienst nicht als gerechtfertigt."
Die Rechtsfolgen der Versäumung des Dienstes sind in § 26 DO 1966, LGBl. Nr. 37/1967 in der Fassung LGBl. für Wien Nr. 13/1988, wie folgt geregelt:
"(1) Ein Beamter, der eigenmächtig und unentschuldigt dem Dienst fernbleibt, verliert für die Zeit einer solchen Abwesenheit den Anspruch auf sein Diensteinkommen ..."
(2) Die Zeit des eigenmächtigen und unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst in der Dauer von mehr als drei Tagen und
..... hemmen den Lauf der Dienstzeit."
§ 6 Abs. 2 der Pensionsordnung 1966, LGBl. für Wien Nr. 19/1967, in der Fassung LGBl. Nr. 7/1979 lautet:
"Als ruhegenußfähige Dienstzeit zur Stadt Wien gilt die Zeit, die der Beamte im öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zur Stadt Wien vom Tag des Dienstantrittes bis zum Tag des Ausscheidens aus dem Dienststand zurückgelegt hat. Ausgenommen hievon sind die Zeit eigenmächtigen und unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst in der Dauer von mehr als drei Tagen und die Zeit des Fernbleibens vom Dienst infolge Freiheitsentzuges wegen eines strafrechtlich zu ahndenden Tatbestandes."
Den Entfall der Bezüge im Falle ungerechtfertigter Abwesenheit vom Dienst regelt § 13 Abs. 3 des Gehaltsgesetzes 1956 im Bereich der öffentlich-rechtlichen Bediensteten des Bundes wie folgt:
"Die Bezüge entfallen
...
2. Wenn der Beamte eigenmächtig länger als drei Tage dem Dienst fernbleibt, ohne einen ausreichenden Entschuldigungsgrund nachzuweisen, für die Gesamtdauer der ungerechtfertigten Abwesenheit vom Dienst."
Der Beschwerdeführer sieht sich durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten insofern verletzt, als die Zeit seines Einsatzes im Iran rechtswidrigerweise als eigenmächtiges und unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst gewertet und daraus negative besoldungs- und pensionsrechtliche Konsequenzen gezogen werden.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides führt der Beschwerdeführer aus, die belangte Behörde werte die Teilnahme am Einsatz im Iran in unrichtiger rechtlicher Beurteilung des Sachverhaltes als eigenmächtiges und unentschuldigtes Fernbleiben vom Dienst, weil keine ausdrückliche oder stillschweigende Genehmigung vorliege. In der gegenständlichen Angelegenheit könne man nicht nur von einer stillschweigenden, sondern sogar von einer ausdrücklichen Genehmigung des Dienstgebers ausgehen, weil sämtliche Vorbereitungshandlungen seitens des Dienstgebers gesetzt worden seien, ohne den Dienstnehmer anzuhalten, Handlungen - außer der Meldung in der Kaserne - zu setzen. Insbesondere sei er nie darauf hingewiesen worden, daß er einen Rechtstitel schaffen müsse. Vielmehr sei dem Beschwerdeführer mitgeteilt worden, daß der Einsatz im Rahmen des Dienstverhältnisses zur Stadt Wien erfolge. Die belangte Behörde lasse unbeachtet, daß der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich den Begriff der Eigenmacht wie folgt definiert habe: "... eigenmächtig ist ein Handeln nur dann, wenn der Impuls hiezu in der Willenssphäre des Handelnden liegt.....". Davon könne in der gegenständlichen Angelegenheit wohl nicht gesprochen werden, weil der Impuls zum Einsatz im Iran eindeutig und unwidersprochen von der Stadt Wien ausgegangen sei. Somit könne dem Beschwerdeführer kein eigenmächtiges Handeln vorgeworfen werden. Die belangte Behörde stelle ja nicht einmal in Abrede, daß die Vorgesetzten seiner Dienststelle vom Einsatz Kenntnis gehabt und entsprechende Handlungen gesetzt hätten. Die belangte Behörde werfe dem Beschwerdeführer vor, für seine Abwesenheit vom Dienst keinen Rechtstitel geschaffen zu haben. Dieser Vorwurf sei ungerechtfertigt, weil der Vorgesetzte dem Beschwerdeführer mitgeteilt habe, daß sein Einsatz im Rahmen der Kurdenhilfe als Erfüllung der Dienstpflichten im Rahmen des Dienstverhältnisses zur Stadt Wien angesehen werde. Gemäß § 28 DO 1966 hätten Vorgesetzte darauf zu achten, daß ihre Mitarbeiter ihre dienstlichen Aufgaben in gesetzmäßiger, zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise besorgen. Der Vorgesetzte habe seine Mitarbeiter hiebei anzuleiten und ihnen erforderliche Weisungen zu erteilen. Dies alles sei in der gegenständlichen Angelegenheit nicht geschehen, sodaß dem Beschwerdeführer eine Dienstpflichtverletzung nicht vorgeworfen werden könne. Gänzlich unrichtig sei die Behauptung, wonach weder der Beschwerdeführer noch die Vorgesetzten in der Dienststelle davon ausgegangen seien, daß sich der Beschwerdeführer während seines Einsatzes im Iran in Erfüllung seiner Dienstpflichten gegenüber der Stadt Wien befunden habe. Das Fernbleiben des Beschwerdeführers vom Dienst sei auf eine Weisung des Dienstgebers zurückzuführen und könne daher im nachhinein nicht als eigenmächtig qualifiziert werden. Daß die belangte Behörde in der Billigung des Dienstvorgesetzten durch ausdrückliche oder stillschweigende Gestattung für die Dienstabwesenheit im Rahmen der Kurdenhilfe keinen Entschuldigungsgrund sehe, könne nicht zur Einstellung der Bezüge, etc. führen, weil dem Beschwerdeführer ein eigenmächtiges Handeln wohl nicht vorgeworfen werden könne. Bezüglich der Eigenmacht fehlten in der angefochtenen Entscheidung jegliche Ausführungen. Die belangte Behörde führe lediglich aus, warum sie keine Entschuldigungsgründe oder Rechtstitel in der Abwesenheit des Beschwerdeführers vom Dienst sehe. Sie übersehe dabei völlig, daß die wesentliche Bestimmung, an die sämtliche Nachteile geknüpft werden müßten, Eigenmacht sei.
Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht:
Voraussetzung sowohl für den Verlust des Diensteinkommens als auch für die Hemmung des Laufes der Dienstzeit nach § 26 Abs. 1 und 2 DO 1966 ist es, daß der Beamte eigenmächtig und unentschuldigt dem Dienst in der Dauer von mehr als drei Tagen ferngeblieben ist, sodaß für den Eintritt dieser Rechtsfolgen beide Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen müssen. Daraus ergibt sich, daß die Rechtsfolgen des § 26 DO 1966 nicht nur dann entfallen, wenn die Abwesenheit des Beamten gerechtfertigt ist, sondern auch dann, wenn sie vom Dienstgeber - ausdrücklich oder konkludent - gestattet wurde.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Fernbleiben eines Beamten dann eigenmächtig, wenn keine ausdrückliche oder stillschweigende Gestattung vorliegt (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. April 1968, Zl. 1436/67, vom 16. Jänner 1969, Zl. 370/68, sowie vom 30. September 1996, Zl. 95/12/0212).
Wie der Verwaltungsgerichtshof z.B. in seinen Erkenntnissen vom 23. Juni 1993, Zl. 89/12/0200, und vom 18. März 1994, Zl. 92/12/0217, ausgesprochen hat, sind allgemeine Regelungen über die Wertung von Willenserklärungen in Verwaltungsvorschriften oder in den Verfahrensvorschriften nicht enthalten, sodaß die Heranziehung des ABGB in dieser Frage berechtigt ist.
Für das Vorliegen ebenso wie für die Bedeutung einer Erklärung kommt es primär nicht auf den Willen des Erklärenden an, sondern vielmehr auf das Verständnis, das ein redlicher Erklärungsempfänger von dieser gewinnen durfte und gewonnen hat. Da ausdrückliche und stillschweigende Erklärungen generell gleichstehen (vgl. Rummel, Kommentar zum ABGB, 2. Aufl., Rdz 8 und 9 zu § 863 ABGB) kann es vor dem Hintergrund der zitierten hg. Rechtsprechung dahingestellt bleiben, ob durch das in der Dienststelle vorgenommene Auflegen von Listen, in die sich der Beschwerdeführer eintragen konnte, um am genannten Einsatz teilzunehmen, sowie durch alle sonstigen Handlungen, mit denen die Dienstbehörde diesen Einsatz "tatkräftig unterstützt hat" (so die Ausführungen der Dienstbehörde in ihrem Schreiben an den Beschwerdeführer vom 30. April 1992), der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Iran ausdrücklich oder stillschweigend gestattet wurde. Jedenfalls ließen die Handlungen, wie sie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid festgestellt hat, aus der Sicht des Beschwerdeführers - entgegen der Ansicht der belangten Behörde kommt es auf den allenfalls fehlenden Rechtsfolgewillen seiner Vorgesetzten nicht an - keinen vernünftigen Grund übrig, daran zu zweifeln, daß der Dienstgeber ihm gestattete, an diesem Einsatz teilzunehmen. Für diese Annahme spricht auch das nachfolgende Verhalten der Dienstbehörde, die nicht einmal behauptete, den Beschwerdeführer während seines Einsatzes im Iran jemals zum Dienstantritt aufgefordert zu haben und ihm auch erst ca. neun Monate nachher nahegelegt hat, einen "Rechtsgrund" für seine Abwesenheit in Form eines Karenzurlaubes zu schaffen. Dadurch fehlt es aber bereits an der vom § 26 Abs. 1 DO 1966 geforderten Eigenmacht des Fernbleibens vom Dienst, womit die im angefochtenen Bescheid ausgesprochenen Rechtsfolgen ihrer Grundlage beraubt sind.
Die belangte Behörde verkennt die Regelung des § 26 Abs. 1 und 2 DO 1966, wenn sie in der Begründung lediglich ausführt, warum die gegenständliche Abwesenheit des Beschwerdeführers vom Dienst durch keinen in der DO 1966 normierten Grund gerechtfertigt sei. Der Verwaltungsgerichtshof hegt keinen Zweifel daran, daß diese Ausführungen zutreffen, vermag jedoch die von der belangten Behörde daraus abgeleiteten rechtlichen Überlegungen nicht zu teilen. Wäre nämlich Eigenmacht immer nur dann zu verneinen, wenn der Beamte einen (an anderer Stelle ausdrücklich geregelten) Rechtfertigungsgrund aufweisen kann, und damit nicht mehr unentschuldigt vom Dienst abwesend ist, dann erwiese sich das Tatbestandselement der Eigenmacht in § 26 Abs. 1 und 2 DO 1966 als überflüssig. Daß der Gesetzgeber Überflüssiges anordnen wollte, kann jedoch im Zweifel nicht unterstellt werden.
Aus diesen Gründen war der angefochtene Bescheid - gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung - gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 7. Oktober 1998
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1993120165.X00Im RIS seit
11.07.2001