TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/24 G314 2221477-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.07.2019
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Entscheidungsdatum

24.07.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §67 Abs1

Spruch

G314 2221477-1/2Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde der XXXX, geboren am XXXX, slowakische Staatsangehörige, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 31.05.2019, Zl. XXXX, betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung beschlossen (Spruchteil A) und zu Recht erkannt (Spruchteil B):

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung

(Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids) wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin (BF) hält sich nach eigenen Angaben seit 2012 im Bundesgebiet auf. Sie spricht Slowakisch und absolvierte in der Slowakei eine Ausbildung zur Schneiderin. Sie war in Österreich - abgesehen von der Wohnsitzmeldung in der Justizanstalt XXXX - nie melderechtlich erfasst. Sie verfügt nicht über eine Anmeldebescheinigung und hat dies auch nie beantragt. Sie war im Bundesgebiet nur zwischen 01. und 04.03.2013, zwischen 28.11. und 01.12.2016 sowie zwischen 31.01.2017 und 22.02.2017 legal als Arbeiterin erwerbstätig. Sie ging - ohne die gesundheitspolizeilichen Voraussetzungen zu erfüllen und ohne dies der Behörde zu melden - der Prostitution nach, sodass gegen sie wegen Verstößen gegen das XXXX Prostitutionsgesetz 2013 eine Geldstrafe von insgesamt EUR 900 verhängt wurde.

Die beiden in Österreich geborenen Töchter der BF XXXX, geboren am XXXX, und XXXX, geboren am XXXX, die beide slowakische Staatsangehörige sind, leben jeweils von Geburt an bei Pflegeeltern in XXXX. Die BF hat zu ihnen immer wieder Besuchskontakt, zuletzt im Juni 2018.

Am 05.09.2018 wurde die BF verhaftet. Seither wird sie in der Justizanstalt XXXX in Untersuchungs- bzw. Strafhaft angehalten. Mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX.2019, XXXX, wurde sie wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls, teilweise durch Einbruch, nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, Abs 2, 130 Abs 1 erster Fall, Abs 2 erste Fall, 15 StGB, und des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass sie einerseits im Dezember 2013 sowie im August und September 2014 vier Ladendiebstähle beging (wobei es in drei Fällen beim Versuch blieb) und andererseits im August und September 2018 jeweils gemeinsam mit einem Mittäter in zwei Wohnungen, ein Auto und zehn Kellerabteile eines Wohnhauses einbrach und dabei Bargeld und Wertgegenstände im Gesamtwert von mehr als EUR 25.000 erbeutete. Außerdem unterdrückte sie eine Bankomatkarte und eine Kreditkarte, die sie aus Postkästen fischte und behielt. Es handelt sich um ihre erste und bislang einzige strafgerichtliche Verurteilung. Bei der Strafzumessung wurden das Geständnis, die teilweise Schadensgutmachung, der bisher ordentliche Lebenswandel und der Umstand, dass es teilweise beim Versuch blieb, als mildernd berücksichtigt. Die vielfachen Angriffe und das Zusammentreffen von Verbrechen und Vergehen wirkten sich erschwerend aus.

Die BF konsumierte vor ihrer Festnahme Suchtgift und beantragte einen Strafaufschub gemäß § 39 SMG. Eine Entscheidung darüber ist nicht aktenkundig.

Die BF verbüßt die Freiheitsstrafe in der Justizanstalt XXXX, wo sie im März 2019 einen dreitägigen Basiskurs für Reinigungskräfte absolvierte. Das urteilsmäßige Strafende ist am 05.05.2020.

Mit dem Schreiben vom 24.09.2018 forderte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) die BF auf, sich zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbots zu äußern. Sie erstattete keine Stellungnahme.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid erließ das BFA gegen die BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein siebenjähriges Aufenthaltsverbot (Spruchpunkt I.), erteilte gemäß § 70 Abs 3 FPG keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.). Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde mit dem kurzen Aufenthalt der BF im Bundesgebiet, der unrechtmäßigen Bereicherung durch die Begehung von Diebstählen und dem Fehlen familiärer und beruflicher Bindungen zum Bundesgebiet begründet. Die sofortige Umsetzung des Aufenthaltsverbots sei geboten, weil die BF durch ihr Verhalten die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde. Ihr Interesse an einem Aufenthalt in Österreich trete hinter das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit zurück.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der BF, mit der sie die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung sowie die Behebung des angefochtenen Bescheids, in eventu die Verkürzung des Aufenthaltsverbots, beantragt. Hilfsweise stellt sie auch einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag und bringt zusammengefasst vor, dass sie sich seit 2012 im Bundesgebiet aufhalte und hier einer geregelten Arbeit nachgegangen sei. Sie spreche Deutsch und verfüge über ein familiäres und soziales Netzwerk. Die Behörde habe ihre regelmäßigen Kontakte zu ihren in Österreich geborenen Kindern nicht berücksichtigt. Sie halte sich in Ausübung ihres unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts in Österreich auf. Sie bereue ihre Straftaten, arbeite während der Haft, habe trotz des "kalten" Drogenentzugs keine Entzugserscheinungen und bedürfe keiner Therapie, sodass eine positive Zukunftsprognose hätte erstellt werden müssen. Ein siebenjähriges Aufenthaltsverbot sei jedenfalls unverhältnismäßig.

Das BFA legte die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens sowie einer Stellungnahme zur Beschwerde mit dem Antrag vor, sie als unbegründet abzuweisen.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der für die Frage der aufschiebenden Wirkung maßgebliche Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens, dem Beschwerdevorbringen sowie aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Strafregister, dem Versicherungsdatenauszug und dem Fremdenregister.

Aus dem ZMR geht hervor, dass die am XXXX geborene Tochter der BF nicht (wie in der Beschwerde angegeben) XXXX, sondern XXXX heißt.

Da die BF in der Beschwerde auf den "kalten" Drogenentzug hinweist, vorbringt, sie habe nach der Geburt ihrer Tochter zu Drogen gegriffen, und einen Strafaufschub gemäß § 39 SMG beantragte, ist davon auszugehen, dass sie vor ihrer Verhaftung Suchtgift konsumierte.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag der BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.

Zu Spruchteil B):

Die Beschwerde richtet sich - zumindest implizit - auch gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Das BVwG hat darüber gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl. VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann (ua) bei EWR-Bürgern die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Die Aberkennung bedarf - insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen - einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Sie darf nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots erfüllt sind. Die Behörde muss vielmehr nachvollziehbar darlegen, warum darüber hinaus die sofortige Ausreise der BF geboten ist.

Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Zur Begründung einer Notwendigkeit der sofortigen Ausreise genügt es nicht, dafür auf eine - die Aufenthaltsbeendigung als solche rechtfertigende - Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch die BF zu verweisen, sondern es ist darüber hinaus darzutun, warum die Aufenthaltsbeendigung sofort - ohne Aufschub und unabhängig vom Ergebnis des Beschwerdeverfahrens - zu erfolgen hat; dazu ist es nicht ausreichend, jene Überlegungen ins Treffen zu führen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme selbst maßgeblich waren. Die Notwendigkeit der sofortigen Ausreise als gesetzliche Voraussetzung für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung erfordert also das Vorliegen besonderer Umstände, die mit den Voraussetzungen für die Aufenthaltsbeendigung als solche nicht gleichzusetzen sind (siehe zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG VwGH 04.04.2019, Ra 2019/21/0053).

Solche besonderen Umstände liegen hier trotz der gewerbsmäßigen Eigentumsdelinquenz der BF nicht vor, zumal keine Anhaltspunkte für eine unmittelbar bevorstehende Entlassung aus der Strafhaft bestehen und dem Erstvollzug eine erhöhte spezialpräventive Wirksamkeit zukommt. Außerdem ist offen, ob der beantragte Strafaufschub gemäß § 39 SMG bewilligt wird, zumal eine Abschiebung für die Dauer eines solchen Strafaufschubs und die im Zuge dessen durchgeführte Suchtgifttherapie nicht erfolgen darf (vgl. VwGH 24.01.2019, Ra 2018/21/0240).

Gemäß § 58 Abs 2 AVG sind Bescheide zu begründen, wenn dem Standpunkt der Partei nicht vollinhaltlich Rechnung getragen oder über Einwendungen oder Anträge von Beteiligten abgesprochen wird. Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Dem gesetzlichen Gebot, Bescheide zu begründen, ist als Ausdruck eines rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens besondere Bedeutung beizumessen. Ein Begründungsmangel kann eine wesentliche Mangelhaftigkeit darstellen (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 417 ff). Die kurze, schablonenhafte Begründung der Behörde zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids wird den Anforderungen an eine nachvollziehbare Entscheidungsbegründung nicht gerecht. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids ist daher zu beheben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.

Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil das BVwG grundsätzliche Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle nicht zu lösen hatte.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2221477.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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