TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/1 W165 2137534-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.08.2019
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Entscheidungsdatum

01.08.2019

Norm

AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs5 Satz 1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §61
VwGVG §28 Abs2 Z1

Spruch

W165 2137534-3/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse LESNIAK als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.02.2019, Zl. 1105143707-181189190, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG iVm § 68 Abs. 1 AVG und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

Gemäß § 21 Abs. 5 Satz 1 BFA-VG wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF), ein syrischer Staatsangehöriger, stellte im österreichischen Bundesgebiet am 11.02.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Eine EURODAC-Abfrage zum BF ergab einen Treffer der Kategorie "2" vom 03.02.2016 zu Griechenland.

Im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der BF zu seiner Reiseroute an, er sei über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien bis nach Österreich gelangt. In Griechenland, Kroatien und Slowenien habe er mit den dortigen Behörden Kontakt gehabt. Sonst könne er zu den Ländern keine Angaben machen, da er nur durchgereist sei. Das Ziel des BF sei Österreich gewesen, da er gehört habe, dass in Österreich weniger Asylwerber als in Deutschland seien. Mehrere Freunde von ihm würden in Österreich leben.

In der Folge richtete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) am 31.03.2016 ein auf Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO gestütztes Aufnahmegesuch an Kroatien. Nachdem Kroatien das Aufnahmegesuch unbeantwortet gelassen hatte, setzte das BFA die kroatische Dublin-Behörde mit Schreiben vom 07.06.2016 darüber in Kenntnis, dass aufgrund nicht fristgerechter Antwort Verfristung eingetreten (Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO) und Kroatien nunmehr zuständig zur Durchführung des Asylverfahrens des BF sei.

Nach Durchführung einer Rechtsberatung und in Anwesenheit eines Rechtsberaters gab der BF im Zuge der Einvernahme vor dem BFA am 22.09.2016 zusammengefasst an, dass er nicht nach Kroatien zurückwolle. Er sei durch Kroatien nur durchgereist und von der kroatischen Polizei schlecht behandelt worden. Aufgrund der großen Menschenmenge habe die Polizei keine Geduld gehabt und ihn "weitergestoßen". Ein Polizist habe ihn mit der Faust am Oberarm geschlagen. Er sei abfällig und erniedrigend behandelt worden und wolle deshalb nicht nach Kroatien zurückkehren. Eine Rückkehr nach Kroatien würde sich negativ auf seine psychische Gesundheit auswirken. Er sei nun schon seit sieben Monaten in Österreich und er habe von vornherein nicht nach Kroatien wollen.

Mit (erstem) Bescheid des BFA vom 03.10.2016 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Kroatien gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei (Spruchpunkt I.). Zudem wurde gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG gegen den BF die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung des BF nach Kroatien zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Begründend führte das BFA zur Zuständigkeit Kroatiens aus, dass der BF von Serbien kommend illegal nach Kroatien eingereist sei. Die illegale Einreise in Kroatien ergebe sich aus den Angaben des BF zu seinen Reisebewegungen in Verbindung mit dem "Ergebnis des Fingerabdruckvergleichs" [Anmerkung: wobei kein EURODAC-Treffer zu Kroatien vorlag] und dem Umstand, dass Kroatien die Zuständigkeit nicht abgelehnt habe. Auch sei es notorisch, dass die Reiseroute zahlreicher Fremder im fraglichen Zeitraum von Griechenland über Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich geführt habe. Hinweise auf eine andere Reiseroute seien nicht hervorgekommen.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge: BVwG) und führte unter anderem aus, dass die Zuständigkeit Kroatiens nicht gegeben sei, da der BF nicht "illegal" in Kroatien eingereist sei, sondern in einem organisierten Flüchtlingsstrom. Zum Zeitpunkt der Asylantragstellung des BF im österreichischen Bundesgebiet sei seitens der Staaten Deutschland und Österreich die Einreise von Flüchtlingen offiziell gestatten gewesen. Von daher sei nunmehr vom Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und das Verfahren in Österreich zuzulassen.

Am 29.11.2016 wurde der BF auf dem Luftweg nach Kroatien überstellt.

Am 05.01.2017 langte beim BVwG eine Ergänzung der Beschwerde ein, in der unter Verweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (in der Folge: VwGH) vom 16.11.2016, Ra 2016/18/0172 bis 0177, unter anderem beantragt wurde, das Verfahren gemäß § 38 AVG für die Dauer des beim EuGH zur Zahl C-490/16 geführten Vorabentscheidungsverfahrens auszusetzen. Aufgrund des der Dublin III-VO inhärenten Beschleunigungsprinzips ergebe sich sodann in weiterer Folge für Österreich die Verpflichtung zum Selbsteintritt.

Per Telefax vom 09.01.2017 wurde die Zustelladresse des BF in Kroatien bekannt gegeben.

Mit Beschluss des BVwG vom 20.02.2017, W239 2137534-1/7E, wurde der Beschwerde gemäß § 21 Abs. 3 zweiter Satz BFA-VG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid vom 03.10.2016 behoben.

Begründend wurde dem BFA unter Verweis auf die Judikatur des VwGH vom 16.11.2016, Ra 2016/18/0172 bis 0177-10, aufgetragen, im fortgesetzten Verfahren konkrete Feststellungen zur Ein- bzw. Durchreise des BF in bzw. durch Kroatien zu treffen. Weiters sei festzustellen, ob es sich dabei um staatlich organisierte Maßnahmen gehandelt habe, die mit jenen ident oder vergleichbar seien, die dem beim EuGH anhängigen slowenischen Vorabentscheidungsersuchen zur Zahl C-490/16 zugrunde lägen.

Am 13.06.2017 erfolgte eine Dublin-Rückholung des BF aus Kroatien.

Bei der erkennungsdienstlichen Behandlung des BF ergab sich ein EURODAC-Treffer der Kategorie 1 (Asylantragstellung) zu Kroatien vom 06.12.2016.

In weiterer Folge führte das BFA abermals Dublin-Konsultationen mit Kroatien und richtete am 04.08.2017 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO gestütztes Wiederaufnahmegesuch an die kroatischen Behörden.

Mit Schreiben vom 17.08.2017 stimmte Kroatien der Rückübernahme des BF gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO ausdrücklich zu.

Am 07.09.2017 fand eine weitere Einvernahme des BF vor dem BFA statt, im Zuge derer der BF im Wesentlichen angab, dass er im Bereich der EU bzw. in Österreich keine Familienangehörigen oder Verwandten habe und alleine lebe. Es sei zutreffend, dass er am 06.12.2016 in Kroatien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Zum Verfahrensstand könne er nichts sagen. Er wolle nicht nach Kroatien zurück, da die Lage bezüglich Versorgung und Unterkunft dort sehr schlecht sei. Dies werde auch in den Medien veröffentlicht. Die Polizei stürme in die Zimmer, trete gegen die Betten und kontrolliere die Ausweise. In jenem Lager, in welchem er untergebracht gewesen sei, sei es oft zu Raufhandel gekommen und die Polizei sei stets zu spät eingeschritten, nachdem es bereits Verletzte gegeben habe. Persönlich sei er nicht betroffen gewesen, aber bei der Einvernahme in Kroatien habe ihm ein Referent gesagt, dass sie keine Flüchtlinge akzeptieren würden. Er sei sechseinhalb Monate in Kroatien gewesen und die ganze Zeit über in einem Lager untergebracht gewesen. Zu den Länderinformationen zu Kroatien wolle er angeben, dass die medizinische Betreuung in Kroatien nicht ausreichend sei. Es seien nicht regelmäßig Ärzte verfügbar. Er sei einmal bei einem Arzt gewesen, um seine Augen untersuchen zu lassen, aber die Ärzte dort hätten gesagt, dass sie nicht dazu in der Lage seien, ihm eine Brille zu besorgen. Ein Freund von ihm habe dasselbe Problem gehabt, bis ihm jemand eine Brille gespendet habe.

Mit dem (zweiten) Bescheid des BFA vom selben Tag (07.09.2017) wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz abermals ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Kroatien gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei (Spruchpunkt I.). Zudem wurde gemäß § 61 Abs. 1 FPG gegen den BF die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung des BF nach Kroatien zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Zur Reiseroute des BF stellte das BFA fest, dass die illegale Einreise des BF in das Gebiet der Europäischen Union, einschließlich Norwegen, Island, Liechtenstein oder Schweiz, von der Türkei kommend über Griechenland erfolgt sei. Im Zuge dieser illegalen Einreise seien dem BF Fingerabdrücke abgenommen worden, welche im EURODAC-System gespeichert seien. Festgestellt wurde weiters, dass der BF am 06.12.2016 in Kroatien einen Asylantrag gestellt habe, sowie, dass sich Kroatien mit Schreiben vom 17.08.2017 gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO zur Führung des Asylverfahrens zuständig erklärt habe. In der Begründung führte das BFA weiter aus, dass ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung des BF ernstlich für möglich erscheinen lassen würden, im Verfahren nicht erstattet worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF am 21.09.2017 fristgerecht Beschwerde an das BVwG. Festgehalten wurde darin unter anderem, dass, ausgehend von der Behebung des ursprünglichen Bescheides des BFA vom 03.10.2016 durch Beschluss des BVwG vom 20.02.2017, die Überstellungsfrist bereits abgelaufen sei. Weshalb die Behörde neuerlich in Kroatien um Zuständigkeit angefragt habe, sei nicht ersichtlich. Ausgangspunkt sei der Asylantrag des BF vom 11.02.2016 und könne daher am 17.08.2017 wohl keine Frist für ein Wiederaufnahmegesuch mehr offen sein. Eine Zuständigkeit Österreichs für die inhaltliche Führung des Verfahrens sei daher schon aus diesem Grund gegeben.

Das BVwG gab der Beschwerde mit Erkenntnis vom 04.10.2017, W239 2137534-2/2E, statt, behob den angefochtenen Bescheid ersatzlos und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig.

Begründend wurde ausgeführt, dass zwar gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO in Verbindung mit Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO eine Zuständigkeit Kroatiens zur Prüfung des Antrages bestanden habe. Es sei jedoch die sechsmonatige Überstellungsfrist bereits abgelaufen und würden die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Überstellungsfrist aus den in Art. 29 Abs. 2 zweiter Satz Dublin III-VO genannten Gründen nicht vorliegen. Das vom BFA eingeleitete zweite Konsultationsverfahren sei nicht geeignet, eine Zuständigkeit Kroatiens zu begründen. Das an die kroatischen Behörden gerichtete Wiederaufnahmeersuchen sei mehr als ein Jahr nach Stellen des Asylantrages erfolgt und habe sich die Behörde auf den zwischenzeitlich neu "entstandenen" Umstand gestützt, dass der BF am 06.12.2016 in Kroatien einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Dabei habe die Behörde den "ursprünglich" zuständigkeitsbegründenden Sachverhalt, nämlich die illegale Einreise des BF nach Kroatien, außer Acht gelassen.

Gegen das Erkenntnis des BVwG vom 04.10.2017 erhob das BFA am 04.11.2017 eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 6 Z 2 B-VG an den VwGH und stellte den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.

Der BF erstattete durch seine Vertretung eine Revisionsbeantwortung und beantragte die Abweisung der Revision.

Mit Beschluss vom 04.12.2017, W239 2137534-2/9E, erkannte das BVwG der ordentlichen Revision gemäß § 30 Abs. 2 iVm § 30a Abs. 3 VwGG die aufschiebende Wirkung zu.

Mit Schreiben vom 02.01.2018 setzte das BFA die kroatischen Behörden davon in Kenntnis, dass der BF ein Rechtsmittel mit aufschiebender Wirkung ergriffen habe.

Mit Erkenntnis vom 03.05.2018, Ro 2017/19/0004-4, hob der VwGH das angefochtene Erkenntnis des BVwG vom 04.10.2017 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf und stellte klar, dass für die Zuständigkeitsbegründung Kroatiens das in Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO bestimmte Kriterium der illegalen Einreise maßgeblich sei. Es sei diese Bestimmung auch nach der Überstellung des BF am 29.11.2016 und nach dessen Rückholung am 13.06.2017 unverändert maßgeblich geblieben. In Bezug auf die Frage der Zulässigkeit des Wiederaufnahmegesuchs des BFA vom 04.08.2017 und dessen Auswirkungen auf die Beurteilung der maßgeblichen Überstellungsfrist verwies der VwGH auf die Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 25.01.2018, Aziz Hasan, C-360/16) betreffend eine ähnlich gelagerte Konstellation und hielt fest, dass im Lichte der Judikatur kein Zweifel daran bestehe, dass im gegenständlichen Fall im Rahmen des (an die Rücküberstellung anschließenden) "zweiten" Aufenthalts des BF in Österreich die Unterbreitung eines Wiederaufnahmegesuchs an die kroatische Behörde zulässig und erforderlich gewesen sei, um eine neuerliche Überstellung des BF nach Kroatien im Einklang mit den Bestimmungen der Dublin III-VO durchzuführen. Die maßgebliche Berechnung der in Art. 29 Dublin III-VO festgelegten Fristen habe faktisch zwangsläufig bezogen auf die durch das zweite Übernahmegesuch bestimmten fristauslösenden Ereignisse und nicht unter Zugrundelegung der im ersten Übernahme- und Überstellungsverfahren zu berücksichtigenden Fristen zu erfolgen. Zum Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG wäre daher weiterhin von einer auf Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO gegründeten Zuständigkeit Kroatiens zur Prüfung des vorliegenden Antrages auf internationalen Schutz auszugehen gewesen.

Am 03.07.2018 setzte das BFA die zuständigen kroatischen Behörden davon in Kenntnis, dass die aufschiebende Wirkung [des Rechtsmittels] mit 03.05.2018 geendet habe, weshalb die sechsmonatige Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 1 Dublin-VO nunmehr bis 03.11.2018 aufrecht sei.

Im fortgesetzten Verfahren wies das BVwG mit Erkenntnis vom 23.07.2018, W239 2137534-2/15E, die Beschwerde gemäß § 5 AsylG und § 61 FPG als unbegründet ab. Rechtlich führte das BVwG aus, dass die Zuständigkeit Kroatiens in Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO begründet sei und Kroatien der Rückübernahme des BF zudem gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO ausdrücklich zugestimmt habe. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen, betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung des BF ernstlich für möglich erscheinen lassen würden, sei im Verfahren nicht erstattet worden. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 sei nicht erschüttert worden und habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. In Österreich seien weder schützenswerte familiäre noch besondere private Anknüpfungspunkte gegeben, weshalb die Außerlandesbringung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 EMRK darstelle.

Die für den 13.09.2018 geplante Überstellung des BF nach Kroatien musste - nachdem der BF trotz mehrfacher Nachschau weder am 11.09.2018 noch am 12.09.2018 an seiner Meldeadresse angetroffen werden konnte - aufgrund seines unbekannten Aufenthaltes storniert werden.

Mit Schreiben vom 12.09.2018 setzte das BFA die kroatischen Behörden davon in Kenntnis, dass sich die Überstellungsfrist aufgrund Flüchtigkeit des BF auf 18 Monate verlängere.

Am 11.12.2018 stellte der BF den nun verfahrensgegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

Im Zuge seiner polizeilichen Erstbefragung vom selben Tag wurde der BF darauf hingewiesen, dass in Österreich über eine Angelegenheit nur einmal entschieden werden könne und nunmehr ausschließlich die Frage geprüft werde, ob seit der Rechtskraft der Vorentscheidung neue Tatsachen entstanden seien, wonach nunmehr Österreich für sein Verfahren zuständig wäre. Der BF brachte vor, dass er nicht nach Kroatien wolle; er habe sich dort in einem Flüchtlingslager befunden und es habe keine medizinische Betreuung gegeben. Es sei sehr schlecht gewesen und er habe das Lager nicht verlassen dürfen. Er wolle in Österreich bleiben und sehe hier seine Zukunft.

Am 27.12.2018 fand eine Einvernahme des BF vor dem BFA statt, in der dieser zusammengefasst angab, dass er lieber sterben wolle als nach Kroatien zurückzukehren. In Kroatien sei die Behandlung schlecht gewesen und es habe keine Sozialversicherung gegeben. Er sei in Österreich auch bei einer Psychologin gewesen, da es ihm wegen Kroatien sehr schlecht gegangen sei. Sie habe ihn an ein Spital überwiesen, aber er sei nicht hingegangen, da er Angst gehabt habe, dass es noch schlechter werde. Auf die Frage nach familiären Anknüpfungspunkten gab der BF an, dass er in Österreich seit sechs Monaten eine Freundin habe, mit dieser aber nicht zusammenlebe.

Am 04.01.2019 wurde der BF im Rahmen einer gutachterlichen Stellungnahme von einer Ärztin für Allgemeinmedizin, psychosomatische und psychotherapeutische Medizin und Psychotherapeutin untersucht. In ihrer Stellungnahme vom 10.01.2019 trifft die Ärztin folgende Schlussfolgerungen: "Zur Zeit der Befundaufnahme finden sich Symptome einer Anpassungsstörung, F 43.2, im Sinne einer Reaktion auf Belastungen, hier die drohende Überstellung nach Kroatien. Für eine andere Störung findet sich derzeit kein Anhaltspunkt, insbesondere keine Hinweise auf ein Traumageschehen bzw. Einbußen der Kognition oder schwere affektive Symptome. Derzeit finden sich keine akute Suizidalität und keine Hinweise auf Fremdgefährdung."

Das Gutachten wurde dem BF am 03.02.2019 zugestellt und die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen einer Frist von sieben Tagen eine Stellungnahme abzugeben, wovon der BF keinen Gebrauch machte.

Mit Bescheid vom 18.02.2019 wies das BFA den Folgeantrag des BF gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den BF gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Kroatien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in Kroatien wurde im angefochtenen Bescheid wie folgt zusammengefasst (unkorrigiert und ungekürzt durch das BVwG):

1. Allgemeines zum Asylverfahren

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (AIDA 3.2018; USDOS 20.4.2018 für weitere Informationen siehe dieselben Quellen).

Laut Statistik wurden 2018, bis zum 20. September, 816 Asylanträge gestellt und in 157 Fällen wurde Schutzstatus zuerkannt. Im Gesamtjahr 2017 gab es 1.887 Asylanträge, wobei 211 Personen Schutz gewährt wurde (GOC 3.10.2018).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (3.2018): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,

https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2017update.pdf, Zugriff 31.10.2018

-

GOC - Government of Croatia, Ministry of Interior (Autor), veröffentlicht von CoE-CommDH - Council of Europe - Commissioner for Human Rights (3.10.2018): Letter by the Council of Europe Commissioner for Human Rights - reply to be delivered,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1445769/1226_1539159234_commdh-govrep-2018-12-letter-croatia-interior-minister-2018-10-en-and-hr-versions-pdf.pdf, Zugriff 31.10.2018

-

USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Croatia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430271.html, Zugriff 31.10.2018

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VB des BM.I für Kroatien (19.7.2018): Bericht des VB, per E-Mail

2. Dublin-Rückkehrer

Personen, die im Rahmen der Dublin-VO nach Kroatien zurückkehren, haben prinzipiell vollen Zugang zum kroatischen Asylsystem. Wenn Rückkehrer Kroatien vor dem Ende ihres ursprünglichen Verfahrens verlassen haben und das Verfahren daher suspendiert wurde, müssen sie bei Rückkehr gemäß Art. 18(2) der Dublin-III-VO neuerlich einen Asylantrag stellen. Wer hingegen vor Verlassen des Landes seinen Antrag explizit zurückgezogen hat bzw. eine Zurückweisung erhalten hat, gilt in so einem Fall als Folgeantragsteller (AIDA 3.2018).

Gemäß Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs dürfen Migranten im Rahmen der Dublin-VO nach Kroatien zurückgeschickt werden, die im Zuge der sogenannten "Flüchtlingskrise" von 2015/2016 von Kroatien "durchgewunken" worden waren. Die Weiterreise der betreffenden Migranten erfolgte dem EuGH zufolge illegal und die Dublin-Regeln sind anzuwenden (DS 26.7.2017; vgl. AIDA 3.2018).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (3.2018): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,

https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2017update.pdf, Zugriff 31.10.2018

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DS - Der Standard (26.7.2017): Entscheidung zu Asylregeln:

Kroatien befürchtet hunderte Rückschiebungen, http://derstandard.at/2000061843511/EU-Hoechstgericht-zu-Asylregeln-Kroatien-befuerchtet-hunderte-Rueckschiebungen, Zugriff 31.10.2018

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ECRE - European Council for Refugees and Exiles (15.12.2016):

Balkan route reversed. The return of asylum seekers to Croatia under the Dublin system,

https://www.ecre.org/wp-content/uploads/2016/12/balkan_route_reversed.pdf, Zugriff 31.10.2018

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VB des BM.I für Kroatien (9.11.2016): Bericht des VB, per E-Mail

3. Unbegleitete minderjährige Asylwerber / Vulnerable

Als vulnerabel gelten unmündige Personen, Minderjährige, unbegleitete Minderjährige, alte und gebrechliche Personen, ernsthaft Kranke, Behinderte, Schwangere, AlleinerzieherInnen mit minderjährigen Kindern, psychisch Kranke, Opfer von Menschenhandel und Opfer von Folter, Vergewaltigung oder anderen Formen psychologischer, physischer und sexueller Gewalt (z.B. FGM-Opfer). Für Vulnerable gibt es spezielle Verfahrens- und Unterbringungsgarantien. Im Hinblick auf ihre persönlichen Umstände ist ihnen geeignete Unterstützung - auch medizinisch - zu bieten. Speziell geschulte Beamte sollen Vulnerable identifizieren. Für Vulnerable gibt es kein institutionalisiertes Früherkennungssystem (AIDA 3.2018).

In Gesetz und Praxis wird die Identifizierung spezieller Bedürfnisse als kontinuierlicher Prozess während des Verfahrens gesehen. Die frühzeitige Erkennung von Vulnerabilität erfolgt durch speziell ausgebildete Polizeibeamte, die dann das Aufnahmezentrum für Asylwerber je nach Bedarf entsprechend informieren. Die weitere Ermittlung besonderer Schutzbedürftigkeit erfolgt in der Unterbringung durch Sozialarbeiter oder Mitarbeiter von NGOs, die mit dem Ministerium zusammenarbeiten. Trotz der Zusammenarbeit zwischen den NGOs und dem Innenministerium, findet zwischen ihnen kein systematischer Informationsaustausch statt. In der derzeitigen Praxis wird weniger offensichtliche Vulnerabilität (z.B. Traumata, Folter, Opfer von Menschenhandel usw.) seltener erkannt (AIDA 3.2018).

Anträge von Unbegleiteten Minderjährigen Asylwerbern (UMA) haben Priorität. UMA, die den Wunsch nach Asyl erkennen lassen, ist vom Zentrum für soziale Wohlfahrt noch vor Antragstellung ein geeigneter Vormund zur Seite zu stellen. Laut Angaben des Ministeriums gab es im Jahr 2017 in der Praxis Verzögerungen bei der Bestellung eines gesetzlichen Vormunds. Vormunde sind in der Regel Mitarbeiter des zuständigen Zentrums für soziale Wohlfahrt, üblicherweise Juristen, Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen. Überlastung und Verständigungsprobleme können dazu führen, dass die Rolle der Vormunde eher formal bleibt und sie nicht aktiv im Sinne ihrer Schutzbefohlenen tätig werden. 2016 wurden auch Mitarbeiter des Kroatischen Roten Kreuzes in einigen Fällen als Vormunde bestellt. Der Vormund hat im besten Interesse des Kindes alle notwendigen Abklärungen mit Behörden, NGOs, usw. zu treffen. Ist ein UM über 16 Jahre und verheiratet, ist kein Vormund zu bestellen (AIDA 3.2018).

Bei Zweifeln am Alter einer Person sollen zuerst die vorhandenen Informationen, inklusive der Meinung der Experten, die mit dem Kind täglich arbeiten, bewertet werden. Wenn dies nicht genügt, ist mit schriftlichem Einverständnis des Kindes und des Vormunds eine medizinische Altersfeststellung möglich. Diese besteht aus allgemeiner medizinischer Untersuchung und Röntgen der Zähne oder der Hand. Im Zweifel ist die Minderjährigkeit anzunehmen. Wird die Zustimmung zur Altersfeststellung verweigert, ist der Antragssteller als Erwachsener zu behandeln, der Antrag darf aber nicht (nur) deswegen abgelehnt werden. Im Zweifel ist von der Minderjährigkeit auszugehen. Nach Angaben des Innenministeriums wurde im Jahr 2017 keine medizinische Altersfeststellung durchgeführt. In der Praxis haben Mitarbeiter der Zentren für soziale Wohlfahrt auf Basis der physischen Erscheinung über das Alter entschieden. Die für die Betreuung von UM zuständigen Behörden haben sich auf ein "Protocol on treatment of separated children-foreign nationals" geeinigt, um einheitliche Abläufe bei Betreuung und Schutz von UM garantieren zu können. Auch UNHCR hat dazu Input geliefert (AIDA 3.2018).

NGOs kritisieren die Aufnahmegarantien für UMA als nicht angemessen (AIDA 3.2018, vgl. HRW 1.2018). UMA unter 14 Jahren werden in Kinderheimen und jene über 14 Jahren werden in Justizvollzugsanstalten für Kinder und Jugendliche mit Verhaltens- und Persönlichkeitsstörungen untergebracht (AIDA 3.2018; vgl. BI 20.6.2018). Die Mitarbeiter dieser Einrichtungen sind jedoch nicht auf den Umgang mit UMA vorbereitet (AIDA 3.2018). Von 30 registrierten unbegleiteten Minderjährigen wurde nur eines für das Schuljahr 2017/2018 an einer Schule angemeldet (HRW 1.2018; vgl. AIDA 3.2018).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (3.2018): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,

https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2017update.pdf, Zugriff 31.10.2018

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BI - Balkan Insight (20.6.2018): Number of unaccompanied child refugees rises in Balkans,

http://www.balkaninsight.com/en/article/number-of-unaccompanied-child-refugees-rises-in-balkans-06-20-2018, Zugriff 31.10.2018

-

HRW - Human Rights Watch (1.2018): Europäische Union - Menschenrechtslage 2017,

https://www.hrw.org/de/world-report/2018/country-chapters/313674#ee09f9, Zugriff 31.10.2018

4. Non-Refoulement

Es gibt weiterhin Berichte über sogenannte "Push-backs" von Migranten an der Grenze zu Serbien, Slowenien und Bosnien und Herezgowia, aber teilweise auch aus dem tiefsten Landesinnern (AIDA 3.2018; vgl. FRA 9.2018; AI 22.2.2018).

Die Menschenrechtskommissarin des Europarats zeigte sich besorgt wegen Berichten von Flüchtlings- und Migrantenorganisationen über "eine Großzahl" von kollektiven Rückschiebungen von irregulären Migranten von Kroatien nach Serbien und Bosnien-Herzegowina. "Besonders besorgniserregend" seien Vorwürfe über "systematische Gewalt", auch gegen Schwangere und Kinder. Nach Angaben des UNHCR soll Kroatien seit Beginn 2018 bereits 2.500 Migranten kollektiv abgeschoben haben. Von diesen berichten 1.500, dass ihnen verwehrt wurde, einen Asylantrag zu stellen, 700 beklagten Gewalt und Diebstahl durch kroatische Polizeibeamte. In einer Reaktion wies das kroatische Innenministerium die Beschuldigungen über kollektive Abschiebungen und Polizeigewalt gegenüber Migranten zurück. Alle eingegangenen Anzeigen von Menschenrechtsorganisationen wurden demnach im Rahmen der Möglichkeiten überprüft. Weiters wurde betont, dass die Migranten keine Absicht hätten, in Kroatien zu bleiben, sondern es nur als Transitland nutzen würden. Die Statistik zeige, dass Kroatien den Bürgern von Drittländern den Zugang zu internationalem Schutz gewährt (CoE-CommDH 20.9.2018; vgl. GOC 3.10.2018; DS 5.10.2018; DK 5.10.2018; AJ 5.10.2018).

Es gibt eine Liste von zehn sicheren Herkunftsstaaten: Albanien, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien, Kosovo, Montenegro, Serbien, Marokko, Algerien, Tunesien und Türkei. Bisher wurde das Konzept des sicheren Herkunftslandes meist bei Algeriern und Marokkanern angewandt. Laut Gesetz ist ein sicherer Drittstaat einer, in welchem ein Antragsteller sicher ist vor Verfolgung oder dem Risiko einen ernsten Schaden zu erleiden; welcher das Non-Refoulement-Prinzip beachtet und welcher effektive Zugang zum Asylverfahren gewährt. Ob dies zutrifft, ist eine Einzelfallentscheidung. Wenn ein Antragsteller bereits in einem anderen Staat Schutz erhalten hat oder Refoulement-Schutz genießt, kann sein Antrag in Kroatien als unzulässig zurückgewiesen werden (AIDA 3.2018).

Quellen:

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AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Croatia,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1444202.html, Zugriff 31.10.2018

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AIDA - Asylum Information Database (3.2018): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,

https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2017update.pdf, Zugriff 31.10.2018

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AJ - Al Jazeera (5.10.2018): Council of Europe urges Croatia to probe police abuse allegations, https://www.aljazeera.com/news/europe/2018/10/council-europe-urges-croatia-probe-police-abuse-allegations-181005104405894.html?utm_source=ECRE+Newsletters&utm_campaign=e334b196b4-EMAIL_CAMPAIGN_2018_10_08_12_37&utm_medium=email&utm_term=0_3ec9497afd-e334b196b4-422318529, Zugriff 31.10.2018

-

CoE-CommDH - Council of Europe - Commissioner for Human Rights (20.9.2018): Letter by the Council of Europe Commissioner for Human Rights,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1445749/1226_1539158417_commdh-2018-22-letter-pm-croatia-en-pdf.pdf, Zugriff 31.10.2018

-

DK - Der Kurier (5.10.2018): Europarat sieht Polizeigewalt gegen Flüchtlinge in Kroatien,

https://kurier.at/politik/ausland/europarat-sieht-polizeigewalt-gegen-fluechtlinge-in-kroatien/400137953, Zugriff 31.10.2018

-

DS - Der Standard (5.10.2018): Europarat besorgt über Behandlung von Migranten in Kroatien,

https://derstandard.at/2000088780239/Europarat-besorgt-ueber-Behandlung-von-Migranten-in-Kroatien, Zugriff 31.10.2018

-

ECRE - European Council for Refugees and Exiles (15.12.2016):

Balkan route reversed. The return of asylum seekers to Croatia under the Dublin system,

https://www.ecre.org/wp-content/uploads/2016/12/balkan_route_reversed.pdf, Zugriff 31.10.2018

-

FRA - Agency for Fundemantal Rights (9.2018): Periodic data collection on the migration situation in the EU - September Highlights - 1 July-31 August 2018, http://fra.europa.eu/en/publication/2018/migration-overviews-september-2018, Zugriff 31.10.2018

-

GOC - Government of Croatia, Ministry of Interior (Autor), veröffentlicht von CoE-CommDH - Council of Europe - Commissioner for Human Rights (3.10.2018): Letter by the Council of Europe Commissioner for Human Rights - reply to be delivered,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1445769/1226_1539159234_commdh-govrep-2018-12-letter-croatia-interior-minister-2018-10-en-and-hr-versions-pdf.pdf, Zugriff 31.10.2018

5. Versorgung

Asylwerber in Kroatien haben das Recht auf materielle Versorgung während des Asylverfahrens. Dieses Recht umfasst Unterbringung, Verpflegung, Kleidung und finanzielle Unterstützung und gilt ab dem Zeitpunkt, an dem sie den Willen zur Asylantragsstellung erkennen lassen. Nur für Folgeantragsteller gelten Einschränkungen. Die monatliche finanzielle Unterstützung gibt es ab Unterbringung in einem Zentrum. Diese betrug Ende 2017 100 Kuna (EUR 13,30) für eine Person. Gibt es abhängige Familienmitglieder, erhöht sich der Betrag. Trotzdem gilt die Unterstützung als sehr gering bemessen. Seit Mitte 2016 dürfen Asylwerber in Zagreb die öffentlichen Verkehrsmittel gratis benützen. Asylwerber deren Verfahren nach 9 Monaten noch nicht entschieden ist, haben das Recht zu arbeiten. Der faktische Zugang zum Arbeitsmarkt für Asylwerber wird durch die Sprachbarriere und hohe Arbeitslosigkeit behindert. Asylwerber haben keinen Zugang zu Jobtrainings, sie können aber innerhalb der Unterbringungszentren mitarbeiten und werden in Form zusätzlicher Bedarfsartikel entlohnt (AIDA 3.2018).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (3.2018): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,

https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2017update.pdf, Zugriff 31.10.2018

a. Unterbringung

Gemäß Asylgesetz haben Asylwerber während des Asylverfahrens das Recht auf Unterbringung in Unterbringungszentren für Asylwerber. Auf Antrag können sie auf eigene Kosten außerhalb eines Zentrums wohnen. Kroatien verfügt über 2 offene Unterbringungszentren für Asylwerber, in Zagreb "Hotel Porin" (Kapazität: 600 Plätze) und in Kutina (Kapazität: 100 Plätze). Beide Zentren werden vom kroatischen Innenministerium geführt, wobei Kutina primär der Unterbringung vulnerabler Asylwerber dient. Bezüglich der Unterbringungsbedingungen werden keine besonderen Probleme berichtet, bis auf den schlechten Zustand der Zimmer in Zagreb, der sich aber durch die im Jahr 2018 durchgeführten Renovierungsarbeiten ändern soll. Es gibt in den Zentren u.a. präventive Maßnahmen gegen sexuelle und geschlechtsbezogene Gewalt, Sprachkurse, Arbeitsvermittlung usw. Mehrere NGOs sind in den Zentren präsent und bieten Unterstützungsmaßnahmen an (AIDA 3.2018).

In beiden Zentren erhalten die Bewohner drei Mahlzeiten pro Tag und schwangere Frauen, Wöchnerinnen und Kinder bis 16 Jahre erhalten auch eine Nachmittagsjause. In Kutina gibt es Küchen, in denen die Asylwerber selbst kochen können. Die Eröffnung von zwei Kitchenetten in Zagreb wurde bis Ende Februar 2017 geplant. Im März 2018 waren die Küchen nicht geöffnet; sie wurden nur für besondere Anlässe benutzt. Spezielle Anforderungen an die Ernährung (z.B. ärztliche Verschreibung oder religiöse Gründe) werden berücksichtigt, wobei es angeblich einige Probleme gab (AIDA 3.2018).

Nach Angaben des Kroatischen Roten Kreuzes bieten Sozialarbeiter täglich psychosoziale Unterstützung und organisieren soziale und pädagogische Aktivitäten mit Asylsuchenden in Zagreb (Montag-Samstag) und Kutina (Montag-Sonntag). Hauptaktivitäten sind:

Unterstützung (Unterbringung, Erstinformation, usw.); Individuelle und familiäre psychosoziale Unterstützung nach Bedarf; Unterstützung von unbegleiteten Minderjährigen; Besondere Betreuung für Personen mit psychischen Problemen und potenziellen Opfern von Folter und Trauma; Spiel- und Bildungsaktivitäten mit Kindern; Unterstützung bei Schulaufgaben; Einführung in die kroatische Kultur, Sitten und Gebräuche; Gruppen- und Einzelarbeit mit einzelnen Frauen, einschließlich Einzelgesprächen zur Verhütung von Menschenhandel und sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt; Konflikt- und Gewaltprävention, Workshops zur Verhütung des Menschenhandels;

Sportliche Aktivitäten innerhalb und außerhalb der Empfangszentren;

Sprachkurse für Kroatisch und Englisch; Hygieneförderung und Gesundheitserziehung; Jobcenter; Bibliothek; Friseursalon;

Bereitstellung von Informationen, praktische Unterstützung im täglichen Leben; Verweis an das Innenministerium zur Gesundheitsversorgung, an spezialisierte Einrichtungen der psychologischen und psychischen Gesundheit; und Organisation von Gemeindeversammlungen in Kutina und Zagreb (Vox Populi). Der Jesuitische Flüchtlingsdienst (JRS) hat einen Computerraum mit neun Computern in Zagreb eingerichtet. Das Klassenzimmer ist täglich von Montag bis Freitag mit der Anwesenheit eines Dolmetschers und freiwilligen Unterstützern geöffnet. Gelegentlich ist die Klasse auch samstags und sonntags geöffnet. Seit November 2016 halten Freiwillige einmal wöchentlich einen Computerkurs nur für Frauen und einmal wöchentlich einen gemischten Kurs ab. 2016 waren viele internationale und nichtstaatliche Organisationen wie IOM, UNICEF, Save the Children und nationale NGOs (Kroatisches Rotes Kreuz, Croatian Law Center, JRS, Center for Peace Studies, u.a.) in beiden Empfangszentren aktiv. Es wurden auch verschiedene soziale und pädagogische Aktivitäten für Frauen und Kinder organisiert. Kroatisch-Sprachkurse werden vom Kroatischen Roten Kreuz, dem Center for Peace Studies und dem Jesuitischen Flüchtlingsdienst organisiert. Die Freiwilligen des Centre for Peace Studies sind in beiden Aufnahmezentren für Asylwerber präsent. Freiwillige führen psychosoziale Hilfstätigkeiten für Asylsuchende in den Zentren durch (Information über Asylsystem, kroatische Kultur und Geschichte, psychosoziale Unterstützung, kroatische Sprache, Sport- und gesellschaftliche Aktivitäten, Workshops). Weiters bietet seit November 2017 das Centre for Peace Studies eine Rechtsberatung für Asylwerber an. Das kroatische Babtist Aid ist im Unterbringungszentrum in Zagreb präsent und bietet Sprachkurse in kroatischer und deutscher Sprache, kreative Workshops, IT-Kurse und organisiert Tagesausflüge (AIDA 3.2018; vgl. VB 8.11.2017).

Im Sommer 2018 begann die Renovierung des Unterbringungszentrums "Hotel Porin" in Zagreb; geplante Fertigstellung ist im Juni 2019. Als Erstes wird der linke Flügel, in dem sich 56 Zimmer befinden, renoviert. Aufgrund der geringeren Anzahl von Asylwerbern wurden diese während der Renovierungsarbeiten nicht umgesiedelt, sondern lediglich in einemn anderen Flügel verlegt. Dies führte dazu, dass einige im Zentrum tätige Organisationen ihre Räumlichkeiten verloren. Während der Teilrenovierung stehen von 600 Plätzen ca. 400 zur Verfügung. Die Errichtung eines neuen Aufnahmezentrums in Mala Gorica ist in Planung (W-CCRI 23.7.2018; vgl. VB 20.4.2018).

Antragsteller können bis zum Ende ihres Verfahrens in den Unterbringungszentren bleiben. Wenn eine rechtskräftig negative Entscheidung vorliegt und die postulierte Frist zur freiwilligen Ausreise verstrichen ist, muss das Zentrum verlassen werden. In Einzelfällen gab es, obwohl rechtlich nicht vorgesehen, immer wieder humanitäre Ausnahmen (AIDA 3.2018).

Mit Stand am 4.11.2018 waren in den kroatischen Unterbringungseinrichtungen insgesamt 372 Personen aufhältig: in Zagreb "Hotel Porin" 293 Asylwerber (205 Männer, 48 Frauen, 40 Minderjährige); in Jezevo 21 Asylwerber (18 Männer, 3 Frauen) und in Kutina 58 Asylwerber (14 Männer, 13 Frauen, 31 Minderjährige) (VB 6.11.2018).

Zudem verfügt Kroatien über ein geschlossenes (Schubhaft-) Zentrum (Center for Foreigners) in Jezevo mit 95 Plätzen (27 Plätze für Vulnerable). Darüber hinaus gibt es ein Transitzentrum in Trilj mit 62 Plätzen (12 Plätze für Vulnerable) und in Torvarnik ebenfalls mit 62 Plätzen (12 Plätze für Vulnerable) - nach Angaben des Verbindungsbeamten des BM.I beträgt die Kapazität ca. 90 Plätze pro Zentrum; beide Zentren werden statt dem Asylbereich für die Verwahrung festgenommener illegaler Migranten genutzt. 2017 wurden gemäß kroatischen Innenministerium 134 Asylwerber in Jezevo festgehalten. Betreffend der Zahl der dort festgehaltenen Minderjährigen gehen die Quellen auseinander. Nach Angaben des kroatischen Innenministeriums wurden 2017 ein Kind und sechs UMA in Jezevo inhaftiert. Laut der Direktion der Grenzsicherung wurden hingegen 68 Kinder, davon fünf UMA dort festgehalten. 2017 wurden in Tovarnik 27 Kinder und in Trilj fünf Kinder verhaftet. Weiters wurde 2017 ein Opfer von Menschenhandel in Jezevo inhaftiert. Nach Angaben des Innenministeriums wurde die Person sofort freigelassen, nachdem ihre Vulnerabilität erkannt wurde. Der Jesuitische Flüchtlingsdienst kritisierte jedoch die mangelhafte Vorgehensweise der Behörde, da sich der Opfer im jeweiligen Fall ein Monat lang in Haft befand (AIDA 3.2018; vgl. VB 8.11.2017).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (3.2018): National Country Report Croatia, provided by Croatian Law Centre and European Council on Refugees and Exiles,

https://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_hr_2017update.pdf, Zugriff 31.10.2018

-

UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (26.5.2017): Refugees sent back from Austria find new hope in Croatia, http://www.unhcr.org/news/stories/2017/5/5922f6064/refugees-sent-austria-find-new-hope-croatia.html, Zugriff 31.10.2018

-

VB des BM.I für Kroatien (6.11.2018): Bericht des VB, per E-Mail

-

VB des BM.I für Kroatien (20.4.2018): Bericht des VB, per E-Mail

-

VB des BM.I für Kroatien (8.11.2017): Bericht des kroatischen Innenministeriums, per E-Mail

-

W-CCRI - Welcome - Croatian Central Refugee Information (23.7.2018): Europe is implementing "pass the buck" approach, http://welcome.cms.hr/index.php/en/2018/07/23/europe-is-implementing-pass-the-buck-approach/, Zugriff 31.10.2018

b. Unterbringung Vulnerabler/UMA

Für Vulnerable gelten spezielle Verfahrens- und Unterbringungsgarantien. Sie werden aber im allgemeinen Unterbringungssystem versorgt. So dient das Zentrum Kutina primär der Unterbringung vulnerabler Asylwerber. Dort gibt es spezielle Bereiche für Frauen und Vulnerable. Familien werden zusammen untergebracht, während alleinstehende Frauen, unbegleitete Minderjährige und Traumatisierte in getrennten Räumen untergebracht sind. UNICEF hat in Zusammenarbeit mit der Society for Psychological Assistance und dem Jesuitischen Flüchtlingsdienst (JRS) einen kinderfreundlichen Raum in beiden Empfangszentrum eingerichtet. Sozialarbeiter bieten tägliche psychosoziale Betreuung und organisieren soziale und kulturelle Events. Unbegleiteten Minderjährigen, psychisch beeinträchtigten Personen und potentiellen Traumaopfern wird besondere Beachtung geschenkt. Wenn nötig werden die Betroffenen zu medizinischer/psychologischer Spezialbehandlung überwiesen. Um geschlechtsspezifische Gewalt zu verhindern und Kinder vor Erwachsenen zu schützen, führen die in den Empfangszentren tätigen Mitarbeiter des kroatischen Roten Kreuzes Workshops durch und organisieren auch individuelle Beratungen, um über mögliche Risiken sexueller Gewalt, Ausbeutung und des Menschenhandels zu informieren. Weiters gibt es Sprachkurse, Arbeitsvermittlung usw. Mehrere NGOs sind in den Zentren präsent und bieten Unterstützungsmaßnahmen an. Es existieren in Kroatien keine Monitoringmechanismen bezüglich der Einhaltung der Unterbringungsgarantien für Vulnerable. Sozialarbeiter des kroatischen Innenministeriums und des Roten Kreuzes sind aber täglich in den Zentren anwesend und können unterstützend t

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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