TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/1 I416 2119016-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 01.08.2019
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Entscheidungsdatum

01.08.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I416 2119016-2/14E

I416 2165153-1/11E

I416 2171336-1/13E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DER AM 24.07.2019

MÜNDLICH VERKÜNDETEN ENTSCHEIDUNG

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. IRAK, vertreten durch DIAKONIE FLÜCHTLINGSDIENST gemeinnützige GmbH, Volkshilfe Flüchtlings - und MigrantInnenbetreuung GmbH, p.A. ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich Außenstelle Linz (ASt) vom 09.11.2016, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.07.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, StA. IRAK, vertreten durch ihre Mutter XXXX als gesetzliche Vertretung, diese vertreten durch DIAKONIE FLÜCHTLINGSDIENST gemeinnützige GmbH, Volkshilfe Flüchtlings - und MigrantInnenbetreuung GmbH, p.A. ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, Außenstelle Wien vom 07.07.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.07.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

III. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, StA, IRAK, vertreten durch DIAKONIE FLÜCHTLINGSDIENST gemeinnützige GmbH, Volkshilfe Flüchtlings - und MigrantInnenbetreuung GmbH, p.A. ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, Außenstelle Wien vom 17.08.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 24.07.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Die Verfahren der am XXXX geborenen Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1 genannt) sowie ihrer minderjährigen Tochter, der am XXXX geborenen Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF2 genannt), sind im Sinne des § 34 AsylG 2005 gemeinsam als Familienverfahren zu führen. Darüberhinaus wird das Verfahren des am XXXX geborenen Drittbeschwerdeführers (im Folgenden: BF3 genannt) mit den Verfahren der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 39 Abs. 2 AVG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

I. Verfahrensgang:

Erst- und Zweitbeschwerdeführerinnen:

1. Die Erstbeschwerdeführerin stellte nach illegaler Einreise in Österreich am 27.03.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 13.04.2016 wurde die Erstbeschwerdeführerin von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Zu ihren persönlichen Lebensumständen führte sie aus, dass sie seit 2006 verheiratet sei und einen 9-jährigen Sohn habe, der bei ihrem Mann lebe, von dem sie sich im September 2014, nachdem sie mit diesem zuvor in die Türkei gegangen sei, getrennt, aber nicht scheiden lassen habe. Sie führte weiters aus, dass sie schwanger sei, der der Vater des Kindes sei ebenfalls Asylwerber aus Mossul, da die anderen Asylwerber sie belästigt hätten, habe sie Schutz gebraucht und beantragt, dass dieser zu ihr kommen kann und würde er seit nunmehr 5 Monaten bei ihr leben. Zu ihren Lebensumständen im Irak gab sie an, dass sie

XXXX in Mossul studiert habe und ab 2009 bis 2014 bei der XXXX in Mossul gearbeitet habe. Sie sei Araberin, sunnitische Muslima und würden im Irak noch ihre Mutter, zwei Brüder und zwei Schwestern leben. Ihr Vater wäre in Schweden und würde dort einen befristeten Aufenthaltstitel haben, Kontakt habe sie fast täglich mit ihrer Familie. Zu ihren Fluchtgründen gab sie zusammengefasst an, dass sie verheiratet sei und Probleme mit ihrem Mann gehabt habe, von dem sie sich in der Türkei getrennt habe, weshalb sie nicht mehr in den Irak zurückkehren könne, da eine Frau im Irak aus traditionellen Gründen stigmatisiert werde und sie als geschiedene Frau nicht nach Mossul zurückkehren könnte. Weiters führte sie aus, dass sie vom IS mittels SMS bedroht worden sei, da diese gemeint hätten, dass Frauen nicht arbeiten dürfen und dass sie traditionelle Kleidung tragen sollen. Nach ihrer Ausreise habe der IS ihre Häuser weggenommen und seien einige Bewohner von Mossul und Angestellte der XXXX getötet worden.

Gefragt, ob es noch andere Gründe gebe, führte sie wörtlich aus:

"Nein. Ich habe meine Arbeit verloren und bin geschieden und mein Sohn wurde mir auch abgenommen." Beweisen könne sie diese Droh-SMS durch die vorgelegte Anzeige die ihr Mann gegen Unbekannt erstattet habe, sie habe diese Droh-SMS gelöscht, da sie nicht gedacht habe, dass sie ausreisen würde. Bekommen habe sie diese Droh- SMS während der Arbeitszeit von Februar bis Juni 2014. Auf Vorhalt, dass die Anzeige aus 2012 gewesen sei und wie sie dann noch bis 2014 zur Arbeit gehen hat können ohne persönliche Probleme zu haben, gab Sie wörtlich zu Protokoll: Ja. Ich hatte keine persönlichen Probleme in dieser Zeit gehabt. Wenn ich dann noch dort geblieben wäre, hätte ich Probleme bekommen. Es ging mir gut und ich hatte einen guten Job. Ich habe auch keine finanziellen Interessen in Europa. Ich bin aus Sozial- und Sicherheitsgründen ausgereist. Auch die Sicherheitsgründe sind mir egal, aber, wenn man von der Gesellschaft abgelehnt wird, ist es nicht einfach." Sie führte weiters aus, dass ihre Eheprobleme seit 2006 bestanden hätten, ihre Eltern hätten Sie aber immer wieder aus traditionellen Gründen zu ihrem Ehemann zurückgebracht, der sie zudem öfter geschlagen hätte. Gefragt, ob ihr Hauptvorbringen die Ablehnung einer geschiedenen Frau in ihrem Heimatstatt sei, gab sie wörtlich zu Protokoll: "Ja. Und ich werde auch keinen Mann mehr dort finden. Die Sicherheitslage dort ist schlecht. Mein jetziger Mann hat mich traditionell geheiratet. Und die anderen Asylwerber haben mich hier nicht in Ruhe gelassen." Sie führte weiters aus, dass sie über ihre Mutter Kontakt zu ihrem Sohn habe, da die Eltern ihres Mannes keinen Kontakt erlauben würden und der Sohn bei diesen leben würde. Zurückkehren könne sie nicht, da sie im Nordirak keine Arbeit mehr bekommen würde, nach Bagdad könne sie aus religiösen Problemen nicht gehen, da sie Sunnitin wäre und hätte sie zudem Probleme wegen der Trennung von ihrem Mann. Zu ihren persönlichen Verhältnissen in Österreich gab sie an, dass sie Deutsch lernen würde und es ihr hier gut gehe. Verwandte habe sie keine in Österreich aber ihr Vater sei in Schweden und habe sie dort auch Onkel und Tanten ihres Vaters.

Mit Schriftsatz vom 26.04.2016 wurde seitens der Erstbeschwerdeführerin eine Stellungnahme zu den Länderberichten erstattet und am 08.09.2016 weitere Unterlagen vorgelegt.

3. In der Folge wurde der Antrag der Erstbeschwerdeführerin mit Bescheid des BFA vom 09.11.2016 (BF1) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides). Zugleich wurde der Erstbeschwerdeführerin der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Irak zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 09.11.2017 erteilt (Spruchpunkt III.). Begründend wurde zur Nichtgewährung von Asyl zusammengefasst im Wesentlichen ausgeführt, dass weder eine Bedrohung durch den IS glaubhaft gemacht werden konnte, noch ihr sonstiges Vorbringen, insbesondere hinsichtlich ihrer Probleme mit ihrem Ehemann asylrelevant im Sinne der GFK sei, weshalb auch keine individuelle Verfolgungsgefahr zu erkennen sei.

4. Mit Schriftsatz der Rechtsvertretung vom 28.11.2016 wurde Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des verfahrensgegenständlichen Bescheides erhoben und im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde im Falle einer richtigen rechtlichen Beurteilung ihres Vorbringens ihr aus Gründen der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe berufstätiger Frauen in Mossul und aufgrund der Trennung von ihrem Ehemann und dem Kind eines anderen Mannes die Flüchtlingseigenschaft zuerkennen hätte müssen, weshalb beantragt werde Asyl zuzuerkennen eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, in eventu den Bescheid zu beheben und an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

5. Am XXXX wurde die Zweitbeschwerdeführerin geboren und am 15.12.2016 brachte die Erstbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin einen Asylantrag für diese ein.

6. Mit Schriftsatz vom 21.12.2016, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 27.12.2016 legte die belangte Behörde die Beschwerde und den Verwaltungsakt der Erstbeschwerdeführerin dem Bundesverwaltungsgericht vor.

7. Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 11.01.2017 wurden die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung L521 abgenommen und der Gerichtsabteilung L514 neu zugewiesen.

8. Mit Bescheid des BFA vom 07.07.2017 wurde der Antrag der Zweitbeschwerdeführerin (BF2) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides). Zugleich wurde der Zweitbeschwerdeführerin der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Irak zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 09.11.2017 erteilt (Spruchpunkt III.). Begründend wurde zur Nichtgewährung von Asyl zusammengefasst im Wesentlichen ausgeführt, dass die Zweitbeschwerdeführerin keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht habe, dies sei aus dem Asylantrag ihrer Mutter als gesetzliche Vertreterin ersichtlich.

9. Mit Schriftsatz der Rechtsvertretung vom 19.07.2017 wurde Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des verfahrensgegenständlichen Bescheides erhoben und im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde das Recht auf Parteiengehör verletzt habe, da keine Einvernahme stattgefunden habe und drohe dem Kind Verfolgung aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der unehelichen Kinder, zudem werde darauf hingewiesen, dass ein uneheliches im Ausland geborenes Kind vom irakischen Staat nicht anerkannt werde und es die Behörde gänzlich unterlassen habe zu klären, welche Staatsangehörigkeit die Beschwerdeführerin besitze. Darüberhinaus habe die Beschwerdeführerin auch Verfolgung durch die Familie ihres Mannes zu befürchten, da ihre Mutter Ehebruch begangen habe, weshalb beantragt werde eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, Asyl zuzuerkennen in eventu den Bescheid zu beheben und an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

10. Mit Schriftsatz vom 20.07.2017, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 21.07.2017 legte die belangte Behörde die Beschwerde und den Verwaltungsakt der Zweitbeschwerdeführerin dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Drittbeschwerdeführer:

11. Der Drittbeschwerdeführer stellte nach illegaler Einreise in Österreich am 26.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz., den er vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes damit begründete, dass in seinem Land Krieg herrsche und er Angst um sein Leben habe.

12. Am 03.07.2017 wurde der Drittbeschwerdeführer von der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Zu seinen persönlichen Lebensumständen führte er aus, dass er XXXX heißen würde und eine in Österreich geborene Tochter Namens XXXX habe. Sein Vater sei bereits gestorben, seine Mutter und seine sechs Brüder und seine Schwester würden alle in der Türkei leben. Er sei 7 Jahre in die Schule gegangen und sei im XXXX seines Bruders angestellt gewesen. Beruf habe er keinen erlernt. Zu seinen Fluchtgründen führte er zusammengefasst aus, dass in diesem Geschäft auch Personen von der Polizei und dem Militär eingekauft hätten. Als der IS nach Mossul gekommen sei, habe es Kämpfe gegeben und sei er eines Tages, als er in einer größeren Stadt einkaufen gewesen wäre, vom gegenüberliegenden Friseur angerufen worden, dass der IS gekommen sei und nach ihm gerufen habe, da er vom Glauben abgefallen sei. Diese hätten dann einen anderen XXXX Betreiber hingerichtet und geschrieben, dass würde mit denen passieren, die mit Polizisten die vom Glauben abgefallen wären zusammenarbeiten würden. Der Friseur habe ihm gesagt, er solle nicht zurückkehren und sei er dann zu seinem Bruder gegangen und habe dieser ihm bei der Flucht geholfen. Dann habe er den Irak Richtung Syrien verlassen. Er führte weiters aus, dass der IS eine Woche später zu ihm nach Hause gekommen wäre und nach ihm gesucht habe. Er gab weiters an, dass er über Facebook gesehen habe, dass das Militär und die Miliz begonnen habe Sunniten festzunehmen, wenn er zurückkehren würde, würden Sie ihn wegen seinem Vornamen XXXX töten. Da dies ein sunnitischer Vorname sei werde er deswegen von den Schiiten verfolgt, wobei es diesen Konflikt schon seit 2007 geben würde und er jetzt wieder sehr stark geworden sei. Er führte weiters aus, dass es auch noch ein anderes Problem geben würde. Ein Cousin habe 2012 seine Schwester heiraten wollen, seine Familie habe dies aber verboten und habe er sich deswegen mit diesem gestritten, wobei ihn dieser mit einem Messer verletzt habe, worauf er ihn angezeigt habe. Er habe diese Anzeige auf Bitten vieler Personen zurückgezogen und habe er jetzt auf Facebook erfahren, dass dieser bei der Miliz ist und habe er Angst, dass ihn dieser falsch beschuldigen und die Miliz auf ihn losgehen würde. Er gab weiters an, dass er nicht in den Irak zurückkehren könne, da er nicht verheiratet sei und im Irak seine Tochter nicht anerkannt werden würde. Von seinem Familienleben in Österreich wisse nur ein Teil seiner Familie, dies sei auch bei seiner Freundin so, wenn diejenigen, die es nicht wissen, davon erfahren würden, würden Sie Probleme machen, da dies im Irak verboten sei. Dies seien alle seine Fluchtgründe. Zuletzt gab er befragt an, dass er persönlich nicht bedroht worden ist, er aber wegen seines Vornamens in Gefahr sei. Er führte weiters aus, dass der IS eine Woche nach seiner Ausreise zu ihm ins Geschäft gekommen sei, da Leute diesen erzählt hätten, dass er mit der Polizei zusammengearbeitet habe, seine Eltern hätten aber nicht gesagt, wo er sich aufhalten würde. Zuletzt gab er an, dass er im Falle seiner Rückkehr Angst habe getötet zu werden und einer Sache verdächtigt zu werden, die er nicht gemacht habe. Probleme mit staatlichen Behörden oder der Polizei habe er keine. Mit Schriftsatz vom 25.07.2017 wurde eine Stellungnahme zu den Länderberichten erstattet.

13. In der Folge wurde der Antrag des Drittbeschwerdeführers mit Bescheid des BFA vom 17.08.2017 (BF3) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides). Zugleich wurde dem Drittbeschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 16.08.2018 erteilt (Spruchpunkt III.). Begründend wurde zur Nichtgewährung von Asyl zusammengefasst im Wesentlichen ausgeführt, dass sein Vorbringen keine glaubhaften, gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlungen beinhalten würde und sich zudem widersprüchlich darstellen würde. Eine Bedrohungssituation durch Personen die Angehörige des IS gewesen sein sollten konnte ebenso wenig glaubhaft gemacht werden, wie eine Bedrohungssituation durch den Cousin oder die Bedrohung aufgrund des Namens XXXX durch Schiiten. Es sei jedoch glaubhaft, dass er den Irak aufgrund des Krieges verlassen habe. Insgesamt habe deshalb nicht festgestellt werden können, dass ihm im Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität oder eine sonstige Verfolgung droht. Der aktuellen Sicherheitslage wurde mit der Erteilung von subsidiärem Schutz Rechnung getragen.

14. Mit Schriftsatz der Rechtsvertretung vom 19.09.2017 wurde Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des verfahrensgegenständlichen Bescheides erhoben und im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde keine ausreichenden Feststellungen zu Verfolgung der sunnitischen Bevölkerung durch schiitische Milizen und den IS getroffen habe, zudem sei nicht auf die Problematik des Vornamens eingegangen worden und auch nicht auf die Bedrohungslage durch die Miliz Hasd al Shabi. Darüberhinaus sei es auch asylrelevant, dass dem Beschwerdeführer Verfolgung drohe, wenn er mit einer verheirateten Frau zusammenlebe und mit dieser ein gemeinsames Kind habe. Es werde daher beantragt eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, ihm Asyl zuzuerkennen in eventu den Bescheid zu beheben und an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

15. Beschwerde und Verwaltungsakt des Drittbeschwerdeführers wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 22.09.2017 vorgelegt.

16. Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 04.07.2018 wurden die gegenständlichen Rechtssachen betreffend BF 1, BF 2 und BF 3 der Gerichtsabteilung L514 abgenommen und der Gerichtsabteilung I416 neu zugewiesen. Am 04.07.2018 langten die verfahrensgegenständlichen Beschwerdeakte bei der zuständigen Gerichtsabteilung I 416 ein. 17. Am 24.07.2019 erfolgte in Anwesenheit der Parteien eine mündliche Beschwerdeverhandlung am Bundesverwaltungsgericht. In dessen Verlauf wurden Integrationsunterlagen der Beschwerdeführer vorgelegt. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung wurde das Erkenntnis mündlich verkündet.

18. Mit Schriftsatz vom 25.07.2019, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 25.07.2019, wurde die schriftliche Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 2a VwGVG beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer (im Folgenden BF1, BF2 und BF3 genannt):

Bei den Beschwerdeführern (BF1, BF2 und BF3) handelt es sich um irakische Staatsangehörige und somit um Drittstaatsangehörige gemäß des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Den Beschwerdeführern (BF1, BF2 und BF3) wurde der Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Irak gewährt.

Die Identität der Beschwerdeführer (BF1, BF2 und BF3) steht fest.

Die Erstbeschwerdeführerin ist gesund, verheiratet, hat zwei Kinder, einen Sohn von ihrem Ehemann und eine Tochter von ihrem Lebensgefährten, ist Muslima und sunnitischen Glaubens. Die Erstbeschwerdeführerin hat in ihrem Heimatstaat ein Universitätsstudium abgeschlossen und für mehrere Jahre als XXXXin gearbeitet.

Die Zweitbeschwerdeführerin ist in Österreich geboren.

Der Drittbeschwerdeführer ist gesund, volljährig, hat eine Tochter mit seiner Lebensgefährtin (BF1), ist Moslem und sunnitischen Glaubens. Der Beschwerdeführer hat eine mehrjährige Schulbildung und hat im Irak bis zu seiner Ausreise in einem XXXX in Mossul gearbeitet.

Die Erstbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer haben sich in Österreich kennengerlernt. Die Erstbeschwerdeführerin führt eine Beziehung mit dem Drittbeschwerdeführer und lebt seit Jänner 2016 mit ihrem Lebensgefährten (BF 3) zusammen. Nicht festgestellt werden kann, dass die Erstbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer traditionell verheiratet sind.

Die Mutter und Geschwister der Erstbeschwerdeführerin sind im Irak, der Vater der Erstbeschwerdeführerin ist laut ihren Angaben in Schweden. Der Ehemann und der Sohn der Erstbeschwerdeführerin halten sich laut ihren Angaben in Deutschland auf. Die Erstbeschwerdeführerin hat regelmäßigen Kontakt zu ihrer Mutter im Irak.

In Österreich verfügen die Beschwerdeführer über keine Verwandten oder sonstigen familiären Beziehungen.

Die Erstbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer sind strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtmotiven und der individuellen Rückkehrsituation der Beschwerdeführer (BF1, BF2 und BF3):

Vorausschickend wird festgestellt, dass für die Zweitbeschwerdeführerin dieselben Fluchtgründe gelten, wie für die Erstbeschwerdeführerin, eigene Fluchtgründe wurden nicht geltend gemacht.

1.2.1. Zur Erst- und Zweitbeschwerdeführerin:

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Erstbeschwerdeführerin im Irak aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war.

Die Erstbeschwerdeführerin konnte nicht glaubhaft machen, dass ihr im Irak Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht. Die von der Erstbeschwerdeführerin behauptete Bedrohung/Verfolgung durch den IS kann mangels Glaubhaftmachung nicht festgestellt werden. Eine Verfolgung/Bedrohung durch die Familie des Ehemannes aufgrund ihrer Lebensgemeinschaft mit dem BF 3 und der gemeinsamen Tochter wurde nicht behauptet und wäre zudem als Privatverfolgung anzusehen, eine staatliche Verfolgung hat die Erstbeschwerdeführerin nicht behauptet.

Der Erstbeschwerdeführerin hat den Irak aus anderen Gründen, als auf wohlbegründeter Furcht aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlassen. Ein konkreter Anlass für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte beschwerdegegenständlich nicht festgestellt werden.

Es kann sohin nicht festgestellt werden, dass die Erstbeschwerdeführerin vor ihrer Ausreise einer individuellen und aktuellen Verfolgung aus den von ihr genannten Gründen im Herkunftsstaat ausgesetzt gewesen wäre bzw. im Fall ihrer Rückkehr in den Irak der Gefahr einer solchen ausgesetzt sein würde.

1.2.2. Zum Drittbeschwerdeführer:

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Drittbeschwerdeführer im Irak aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt war.

Der Drittbeschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machen, dass ihm im Irak Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht. Die vom Drittbeschwerdeführer behauptete Bedrohung/Verfolgung durch den IS und die behauptete Bedrohung/Verfolgung durch den Cousin kann mangels Glaubhaftmachung dem Fluchtvorbringen des Drittbeschwerdeführers nicht zugrunde gelegt werden. Eine gegen seine Person gerichtete Bedrohung/Verfolgung aufgrund seinen Vornamens wurde nicht behauptet und wurde auch keine staatliche Verfolgung geltend gemacht.

Der Drittbeschwerdeführer hat den Irak aus anderen Gründen, als auf wohlbegründeter Furcht aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verlassen. Ein konkreter Anlass für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte beschwerdegegenständlich nicht festgestellt werden.

Es kann sohin nicht festgestellt werden, dass der Drittbeschwerdeführer vor seiner Ausreise einer individuellen und aktuellen Verfolgung aus den von ihm genannten Gründen im Herkunftsstaat ausgesetzt gewesen wäre bzw. im Fall seiner Rückkehr in den Irak der Gefahr einer solchen ausgesetzt sein würde.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage im Irak:

Den Beschwerdeführern wurden im Zuge der Ladung zur mündlichen Verhandlung das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Irak übermittelt. Daraus ergeben folgende Feststellungen:

Am 10.06.2014 eroberten radikale Islamisten, organisiert unter dem Dach des ISIL - Islamic State of Iraq and Levante (später ISIS, dann IS) - die Millionenstadt Mossul (Ninive-Ebene), darunter das Regierungsgebäude, den Mossul International Airport und alle Polizei und Militärbasen. Kurz darauf fielen auch weite Teile der Ninive-Ebene unter die Kontrolle der Islamisten. In der südwestlich von Mossul gelegenen Provinz Anbar konnten die Islamisten schon seit Anfang des Jahres eine Operationsbasis errichten und den Vormarsch in den irakischen Norden planen. Ihr Ziel war es, einen islamischen Gottesstaat in weiten Teilen Syriens und des Irak zu errichten. In Mossul wurde eine historische Kirche in Brand gesetzt. Mit der Einnahme von Polizeistationen und Militärbasen konnten die Kämpfer des IS schwere Waffen und Munition beschlagnahmen.

Nach ihrem Einmarsch in Mossul markierten Angehörige der IS-Truppen die Besitztümer von Minderheiten und fordern eine "Jihad-Steuer" von den wenigen verbliebenen Einwohnern. Dabei gerieten die christlichen Assyrer und Yeziden unter Druck und wurden zu Binnenflucht getrieben. In den Länderinformationen scheint nicht auf, dass muslimische Araber, darunter solche, sunnitischer Glaubensrichtung, von den Angehörigen des IS unter Druck gesetzt oder gar vertrieben worden wären.

Quellen:

BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 25.10.2018) Zentralverband der assyrischen Vereinigungen in Deutschland und Europäische Sektionen e.V., Dokumentation: Verfolgung und Vertreibung der assyrischen Christen im Nordirak 2014

(https://zavd.de/wp-content/uploads/2015/12/ZAVD-Dokumentation-Ereignisse-Irak-2014.pdf [Abfrage 25.10.2018]).

Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt Mossul der Provinz Ninava gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen Anbar, Diyala und Salah al-Din im Zentral- und Südirak voraus. Die seit dem Jahr 2014 währenden kriegerischen Ereignisse im Irak brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile, sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um Bagdad sowie im Umkreis von Kirkuk, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein erheblicher Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Seit dem Jahr 2014 wurden über drei Millionen Binnenvertriebene und über eine Million Binnenrückkehrer innerhalb des Iraks registriert.

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw seines "Kalifats" in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren.

Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk, doch gab der Premierminister AL-ABADI im Dezember 2017 bekannt, dass der IS, auch in diesen Gebieten, besiegt sei. Seitdem befindet sich der IS in einem taktischen Wandel, indem er sich auf die ländlichen Regionen des Landes fokussiert und dort versucht die Kontrolle zurückzuerlangen. Zugleich verstärkt er seine Konfrontation mit Sicherheitskräften (Joel Wing 3.7.2018). Im September 2018 fanden IS-Angriffe vermehrt in Bagdad statt, wobei eine Rückkehr zu Selbstmordanschlägen und Autobomben festzustellen ist (Joel Wing 6.10.2018). Mit Stand Oktober 2018 waren irakische Sicherheitskräfte gegen IS-Kämpfer in den Provinzen Anbar, Ninewa, Diyala und Salah al-Din im Gang, mit dem Ziel, eine Etablierung des IS zu verhindern und ihn von Bevölkerungszentren fernzuhalten. Betreffend vormals von IS kontrollierte ländliche Gebiete, in denen irakische Sicherheitskräfte abwesend sind, kommt es zu IS-Angriffen (CRS 4.10.2018; vgl. ISW 2.10.2018, Atlantic 31.8.2018, Jamestown 28.7.2018, Niqash 12.7.2018) und zu Drohungen, Einschüchterungen und Tötungen durch IS-Kämpfer, vor allem nachts (CRS 4.10.2018). Es gibt immer häufiger Berichte über Menschen, die aus Dörfern in ländlichen Gebieten, wie dem Bezirk Khanaqin im Nordosten Diyalas, fliehen. In vielen dieser ländlichen Gebiete wenig staatliche Präsenz gibt und die Bevölkerung eingeschüchtert wird (Joel Wing 6.10.2018). Sie kooperiert aus Angst nicht mit den Sicherheitskräften. Im vergangenen Jahr hat sich der IS verteilt und in der Zivilbevölkerung verborgen. Kämpfer verstecken sich an den unzugänglichsten Orten: in Höhlen, Bergen und Flussdeltas. Der IS ist auch zu jenen Taktiken zurückgekehrt, die ihn 2012 und 2013 zu einer Kraft gemacht haben: Angriffe, Attentate und Einschüchterungen, besonders nachts. In den überwiegend sunnitischen Provinzen, in denen der IS einst dominant war (Diyala, Salah al-Din und Anbar), führt die Gruppe nun wieder Angriffe von großer Wirkung durch (Atlantic 31.8.2018).

Der IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in BAGDAD und anderen Städten im Südirak und im Zentralirak seine - wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte - Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt durch die genannten Ereignisse. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.

Die Sicherheitslage hat sich im Irak nach dem Sieg über den IS generell deutlich verbessert. Eine Bürgerkriegssituation oder bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen im Irak können nicht festgestellt werden. Insbesondere in Bagdad, woher die Beschwerdeführer stammten, haben Aufständische ihre Ressourcen zwischenzeitig abgezogen, sodass die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle stark abgenommen hat (Joel Wing 5.4.2018, 3.7.2018, 6.10.2018). Es ist in Bagdad möglich, sicher und ohne von sicherheitsrelevanten Vorfällen behelligt zu werden, zu leben.

Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter, Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats zählen im Irak zur gefährdeten Berufsgruppe. Es wird auch berichtet, dass Extremisten und bewaffnete Gruppen Angriffe auf Künstler, Poeten, Schriftsteller und Musiker verübt hätten (USDOS 3.3.2017). Dass in BAGDAD im Zeitraum von Anfang 2014 bis laufend gezielt Angriffe auf Sportler verübt worden wären, ist in den Länderberichten nicht erwähnt.

Nach der Verfassung des Irak ist das Recht auf freie Meinungsäußerung gewährleistet, sofern die Äußerung nicht die öffentliche Ordnung oder die Moral verletzt, Unterstützung für die Baath-Partei ausdrückt oder das gewaltsame Verändern der Staatsgrenzen befürwortet. Der größte Teil der Einschränkungen dieses Rechts kommt durch Selbstzensur auf Grund von glaubhafter Furcht vor Repressalien durch die Regierung, politische Parteien, ethnische und konfessionelle Kräfte, terroristische und extremistische Gruppen oder kriminelle Banden zustande (USDOS 3.3.2017).

Die Verfassung vom 15.10.2005 (Art. 38 C und 39) normiert ausdrücklich die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit unter dem Vorbehalt der öffentlichen Ordnung und stellt die nähere Ausgestaltung durch ein Gesetz in Aussicht, das es aber noch nicht gibt. Im Alltag wird die Versammlungs- und Meinungsfreiheit durch das seit dem 7.11.2004 geltende "Gesetz zur Aufrechterhaltung der nationalen Sicherheit" eingeschränkt, das u. a. die Verhängung eines bis zu 60-tägigen Ausnahmezustands ermöglicht. Die wöchentlichen Demonstrationen gegen Korruption seit August 2015 bis in die zweite Jahreshälfte 2016 konnten weitgehend ungestört stattfinden (AA 7.2.2017). Die meisten der Demonstrationen im Süden waren von massiver Sicherheitspräsenz begleitet und waren friedlich (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

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BFA Staatendokumentation: Länderinformationsblatt zu Irak, 25.10.2017,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1416409/5818_1508929404_irak-lib-2017-08-24-ke.doc mwN (Letzter Zugriff am 25.10.2018)

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Musings on Iraq, 2017 Security in Iraq in Review Defeat of the Islamic State on the Battlefield, 03.01.2018, http://musingsoniraq.blogspot.co.at/2018/01/2017-security-in-iraq-in-review-defeat_3.html (Letzter Zugriff am 25.10.2018)

-

Schwedische Einwanderungsbehörde, The Security Situation in Iraq:

July 2016 - November 2017, 18.12.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1420556/1226_1514470370_17121801.pdf (Letzter Zugriff am 25.10.2018).

Jedes Dokument, ob als Totalfälschung oder als echte Urkunde mit unrichtigem Inhalt, ist gegen Bezahlung zu beschaffen. Zur Jahresmitte 2014 tauchten vermehrt gefälschte Visaetiketten auf. Auch gefälschte Beglaubigungsstempel des irakischen Außenministeriums sind im Umlauf; zudem kann nicht von einer verlässlichen Vorbeglaubigungskette ausgegangen werden (AA 7.2.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (7.2.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1488455296_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2016-07-02-2017.pdf, letzter Zugriff am 25.10.2018.

Die Grundschulbildung ist für Kinder, die die irakische Staatsbürgerschaft besitzen, in den ersten sechs Schuljahren verpflichtend und wird für diese kostenfrei angeboten. In der kurdischen Autonomieregion besteht die Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren; auch dort kostenfrei. Der gleichberechtigte Zugang von Mädchen zu Bildung bleibt eine Herausforderung, insbesondere in ländlichen und unsicheren Gebieten. Der Zugang zu Bildung von Kindern, die aufgrund des Konfliktes intern vertrieben wurden, ist stark einschränkt (USDOS 20.4.2018). Die Sicherheitslage und die große Zahl zerstörter Schulen verhindern mancherorts den Schulbesuch, sodass die Alphabetisierungsrate in den letzten 15 Jahren drastisch gefallen ist (aktuell bei 79,7 Prozent), besonders in ländlichen Gebieten. Im Unterschied dazu sind in der Autonomen Region Kurdistan fast alle Menschen des Lesens und Schreibens mächtig. In den vom IS beherrschten Gebieten fand kein regulärer Schulunterricht statt (AA 12.2.2018).

Es gibt keine Berichte dazu, dass der irakische Staat Muslime sunnitischer Glaubensrichtung systematisch verfolgen und/oder misshandeln würde. Dennoch ist es mitunter vorgekommen, dass Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zu Zielen von Angriffen von schiitischen Milizen geworden sind.

Der Bürgerkrieg im Irak in den Jahren 2006 und 2007 hat zwar die vormals friedliche Koexistenz zwischen den Sunniten und den Schiiten im Irak nochmals schwer erschüttert, doch ergeben sich aus den Länderinformationen zum Herkunftsstaat keine Anhaltspunkte in Hinblick auf eine systematische Verfolgung und Misshandlung von Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft. Mit einem Anteil von ca. 35 % - 40 % der Gesamtbevölkerung bilden die Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft die größte Gruppe der Minderheiten des Irak und sind in Gesellschaft und in der Politik vertreten und treten auch zu den Parlamentswahlen im Mai 2018 auch sunnitische Parteien an.

Es gibt nach wie vor Regionen, die mehrheitlich sunnitisch geprägt sind. Darüber gibt es auch in dem von Schiiten dominierten und weitestgehend stabilen Süden des Irak sunnitische Enklaven und ein weitestgehend beständiges und friedliches Nebeneinander von Angehörigen der sunnitischen und Angehörigen der schiitischen Glaubensgemeinschaft.

Eine landesweite und systematische Verfolgung für Angehörige der sunnitischen Glaubensgemeinschaft besteht nicht. Ebensowenig werden interkonfessionelle Ehen zwischen schiitischen und sunnitischen Anhängern des Islam im Irak verfolgt oder solche Ehepartner misshandelt. Gemischte Hochzeiten sind möglich. Es gibt kein Erfordernis, hierfür die religiöse Identität der heiratenden Personen zu deklarieren. Die Zahl der gemischten Ehen erhöhte sich, insbesondere in Bagdad, in den letzten Jahren. In Bagdad und in anderen Städten gibt es einige Gegenden, in denen gemischt schiitische/sunnitische Ehepaare leben, ohne Sicherheitsrisiken ausgesetzt zu sein. In ländlichen Regionen kann es sein, dass solche Ehepaare durch Gruppierungen wie Al-Quaeda oder dem IS Sicherheitsrisiken ausgesetzt sind. Im Jahr 2006 wurden sunnitisch/schiitische Ehen gefördert, indem solchen Paaren ein Anspruch auf USD 2.000,00 eingeräumt wurde. Diese Förderung existiert zwischenzeitig nicht mehr.

Quellen:

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Al-Araby, 'Don't enter Baghdad': Wave of murder-kidnappings grips Iraq capital,

https://www.alaraby.co.uk/english/news/2017/5/17/dont-enter-baghdad-wave-of-murder-kidnappings-grips-iraq-capital, 17.05.2017 (Zugriff am 11.01.2019)

-

Institute of war, Final 2014 Iraqi National Elections Results by Major Political Groups (19.05.2014), http://iswiraq.blogspot.co.at/2014/05/final-2014-iraqi-national-elections.html#!/2014/05/final-2014-iraqi-national-elections.html (Zugriff am 10.01.2019)

-

Rudaw, Kurdish, Sunni MPs boycott Iraqi parliament session over budget dispute, 01.03.2018,

http://www.rudaw.net/english/middleeast/iraq/03012018 (Zugriff am 10.01.2019)

-

UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017

https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf (Zugriff am 10.01.2019)

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WING, Joel, Musings on Iraq, 649 Deaths, 275 Wounded Feb 2018 In Iraq (UPDATED), 03.03.2018 http://musingsoniraq.blogspot.co.at/ mwN (letzter Zugriff am 10.01.2019)

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Sushi-Ehen liegen in Bagdad wieder im Trend, Die Welt 23.11.2012, https://www.welt.de/politik/ausland/article111448530/Sushi-Ehen-liegen-in-Bagdad-wieder-im-Trend.html

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Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 24.05.2016 betreffend konfessionell gemischte Ehepaare

In der Verfassung ist die Gleichstellung der Geschlechter festgeschrieben und eine Frauenquote von 25 Prozent im Parlament (Region Kurdistan: 30 Prozent) verankert (AA 12.2.2018). Frauen sind jedoch auf Gemeinde- und Bundesebene, in Verwaltung und Regierung, weiterhin unterrepräsentiert. Dabei stellt die Quote zwar sicher, dass Frauen zahlenmäßig vertreten sind, führt aber nicht dazu, dass Frauen einen wirklichen Einfluss auf Entscheidungsfindungsprozesse haben bzw. dass das Interesse von Frauen auf der Tagesordnung der Politik steht (K4D 24.11.2017). Laut Art. 14 und 20 der Verfassung ist jede Art von Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes verboten. Art. 41 bestimmt jedoch, dass Iraker Personenstandsangelegenheiten ihrer Religion entsprechend regeln dürfen. Viele Frauen kritisieren diesen Paragrafen als Grundlage für eine Re-Islamisierung des Personenstandsrechts und damit eine Verschlechterung der Stellung der Frau. Zudem findet auf einfachgesetzlicher Ebene die verfassungsrechtlich garantierte Gleichstellung häufig keine Entsprechung. Defizite bestehen insbesondere im Familien-, Erb- und Strafrecht sowie im Staatsangehörigkeitsrecht (AA 12.2.2018).

Frauen sind weit verbreiteter gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt und werden unter mehreren Aspekten der Gesetzgebung ungleich behandelt (FH 16.1.2018). Die Stellung der Frau hat sich im Vergleich zur Zeit des Saddam-Regimes teilweise deutlich verschlechtert (AA 12.2.2018; vgl. UNIraq 13.3.2013, MIGRI 22.5.2018). Die prekäre Sicherheitslage in Teilen der irakischen Gesellschaft hat negative Auswirkungen auf das Alltagsleben und die politischen Freiheiten der Frauen (AA 12.2.2018). In der Praxis ist die Bewegungsfreiheit für Frauen auch stärker eingeschränkt als für Männer (FH 16.1.2018).

Scheidung bleibt im Irak weiterhin mit starkem sozialen Stigma verbunden (MRG 11.2015; vgl.

MIGRI 22.5.2018). Das gesellschaftliche Klima gegenüber Geschiedenen ist nicht offen repressiv. Üblicherweise werden geschiedene Frauen in die eigene Familie reintegriert. Sie müssen jedoch damit rechnen, schlechter bezahlte Arbeitsstellen annehmen zu müssen oder als Zweit- oder Drittfrau in Mehrehen erneut verheiratet zu werden. Im Rahmen einer Ehescheidung wird das Sorgerecht für Kinder ganz überwiegend den Vätern (und ihren Familien) zugesprochen (AA 12.2.2018). Laut einer Studie führt das mit einer Scheidung assoziierte gesellschaftliche Stigma dazu, dass viele Frauen in Beziehungen bleiben, in denen sie Missbrauch ausgesetzt sind, um Ablehnung bzw. die Androhung von noch größerer Gewalt durch Familienmitglieder und Mitglieder der Community zu vermeiden. In manchen Fällen ist das Stigma so groß, dass Frauen von ihren Familien gezwungen werden, zu ihren sie misshandelnden Ehemännern zurückzukehren. Geschiedene Frauen, die zu ihren Familien zurückkehren, sind aufgrund ihres Status als geschiedene Frauen oft weiteren Formen des Missbrauchs und der Stigmatisierung ausgesetzt (MRG 11.2015).

Häusliche Gewalt ist weiterhin ein allgegenwärtiges Problem (USDOS 20.4.2018), vor dem Frauen nur wenig rechtlichen Schutz haben (HRW 18.1.2018). Das irakische Strafgesetz enthält zwar Bestimmungen zur Kriminalisierung von Körperverletzung, es fehlt jedoch eine ausdrückliche Erwähnung von häuslicher Gewalt (HRW 18.1.2018; vgl. MIGRI 22.5.2018).

Während sexuelle Übergriffe, wie z.B. Vergewaltigung, sowohl gegen Frauen als auch gegen Männer strafbar sind, sieht Artikel 398 des irakischen Strafgesetzbuches vor, dass Anklagen aufgrund von Vergewaltigung fallen gelassen werden können, wenn der Angreifer das Opfer heiratet (HRW 18.1.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Dies trifft auch zu wenn das Opfer minderjährig ist (MIGRI 22.5.2018). Vergewaltigung innerhalb der Ehe stellt keine Straftat dar (MIGRI 22.5.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Laut Studien handelt es sich bei denjenigen, die häusliche Gewalt gegen Frauen ausüben, am häufigsten um den Ehemann bzw. den Vater der Frau, gefolgt von Schwiegereltern, Brüdern und anderen Familienmitgliedern (UNFPA 2016; vgl. CSO 6.2012, MIGRI 22.5.2018). Täter, die Gemeinschaft, aber auch Opfer selbst sehen häusliche Gewalt oft als "normal" und rechtfertigen sie aus kulturellen und religiösen Gründen (UNFPA 2016; vgl. MRG 11.2015, MIGRI 22.5.2018). Frauen tendieren dazu häusliche Gewalt aus Scham oder Angst vor Konsequenzen nicht zu melden, manchmal auch um den Täter zu schützen (UNFPA 2016; vgl. MIGRI 22.5.2018). Der Großteil befragter Frauen hatte kein Vertrauen in die Polizei und hielt den von ihr gebotenen Schutz für nicht angemessen (MIGRI 22.5.2018).

Der Irak verfügt zurzeit über keinen adäquaten rechtlichen Rahmen, um Frauen und Kinder vor häuslicher, sexueller und geschlechtsspezifischer Gewalt zu schützen bzw. Opfern solcher Gewalt sichere Zufluchtsorte zur Verfügung zu stellen (UNAMI 14.12.2017; vgl. MIGRI 22.5.2018). Die derzeitige Version eines Gesetzesentwurfs zum Familienschutz, der vom Parlament verzögert wird, räumt der Familienaussöhnung eine höhere Priorität als dem Opferschutz ein (UNAMI 14.12.2017). Das Innenministerium unterhält 16 Familienschutzeinheiten im ganzen Land, die dafür bestimmt sind, häusliche Streitigkeiten zu lösen und sichere Zufluchtsorte für Opfer sexueller oder geschlechtsspezifischer Gewalt zu schaffen. Diese Einheiten tendieren jedoch dazu, der Familienversöhnung Vorrang vor dem Opferschutz einzuräumen und verfügen nicht über die Fähigkeit, Opfer zu unterstützen.

Quellen:

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AA - Auswartiges Amt (12.2.2018): Bericht uber die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschlandauswaertigesamt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irakstanddezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 29.8.2018

-

CIA (20.8.2018): The World Factbook - Iraq, https://www.cia.gov/library/publications/the-worldfactbook/

geos/iz.html, Zugriff 31.8.2018

-

FH - Freedom House (16.1.2018): Freedom in the World 2018: Iraq - Profile, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2018/iraq, Zugriff 10.9.2018

-

ILO - International Labour Organisation (1.2016): Iraq - Country Fact Sheet,

https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/---arabstates/---ro-beirut/documents/publication/

wcms_444514.pdf, Zugriff 31.8.2018

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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