Entscheidungsdatum
02.08.2019Norm
BFA-VG §18 Abs2 Z1Spruch
G314 2221457-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des montenegrinischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch XXXX, gegen die Spruchpunkte IV. bis VI. des Bescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 11.07.2019, Zl. XXXX, betreffend Absehen von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise, Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde und Erlassung eines Einreiseverbots beschlossen (A) und zu Recht erkannt
(B):
A) Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV. und V. des
angefochtenen Bescheids wird als unzulässig zurückgewiesen.
B) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids
wird Folge gegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben.
C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF) wurde am 02.07.2019 in XXXX von der Kriminalpolizei zunächst als Zeuge und später als Beschuldigter wegen Vergehen nach dem SMG und anderer Delikte vernommen. Er wurde wegen unrechtmäßigen Aufenthalts festgenommen und zunächst im Polizeianhaltezentrum XXXX angehalten. Mit (Mandats-) Bescheid vom 03.07.2019 wurde die Schubhaft angeordnet. Die Beschwerde des BF dagegen wurde mit dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 24.07.2019, L529 2221459-1, als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Anhaltung in Schubhaft weiterhin vorliegen.
Zuletzt mit dem Schreiben des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 11.07.2019 wurde der BF aufgefordert, sich zur beabsichtigten Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zu den aktuellen Länderinformationen betreffend Montenegro zu äußern. Er erstattete keine Stellungnahme.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid erteilte das BFA dem BF keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt I.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.), stellte die Zulässigkeit der Abschiebung nach Montenegro fest (Spruchpunkt III.), sah gemäß § 55 Abs 4 FPG von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise ab (Spruchpunkt IV.), erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.) und erließ gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 2 Z 7 FPG gegen den BF ein fünfjähriges Einreiseverbot (Spruchpunkt VI.). Das Einreiseverbot wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der BF seit Mai 2018 einer illegalen Beschäftigung (entgegen fremden- und beschäftigungsrechtlichen, steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen) im Café XXXX in XXXX nachgegangen sei. Gegen ihn sei Ermittlungsverfahren wegen des Besitzes und der Weitergabe von Kokain und wegen Körperverletzung anhängig. Er habe sich im Mai 2018 zu lange im Bundesgebiet aufgehalten, seinen alten Reisepass vernichtet und einen neuen beantragt, um "die Visabestimmungen" zu umgehen. Er halte sich nicht rechtmäßig und ohne Wohnsitzmeldung in Österreich auf und stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar.
Ausdrücklich nur gegen die Spruchpunkte IV. bis VI. dieses Bescheids richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen und die angefochtenen Spruchpunkte ersatzlos zu beheben, in eventu die Dauer des Einreiseverbots zu reduzieren. Hilfsweise wird auch noch ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag in Bezug auf die angefochtenen Spruchpunkte gestellt. Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er unbescholten sei und die angezeigten Straftaten nicht begangen habe. Er bereue, dass er ab Mai 2018 ohne die erforderlichen arbeitsmarktrechtlichen Dokumente als Security-Mitarbeiter im Café XXXX beschäftigt gewesen sei. Er sei dabei nicht betreten worden, sondern habe diese Beschäftigung (durch die er sich nicht strafbar gemacht habe) bei einer Beschuldigtenvernehmung von sich aus zugegeben. § 53 Abs 2 Z 7 FPG könne daher nicht als Rechtsgrundlage für die Erlassung eines Einreiseverbots herangezogen werden. Mit dem Skaljarski-Clan habe er inzwischen nichts mehr zu tun. Er habe seinen alten Reisepass nicht vernichtet, sondern verloren. Er wolle freiwillig nach Montenegro zurückkehren. Sein Verhalten erfordere nicht seine sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Ein fünfjähriges Einreiseverbot sei jedenfalls - auch angesichts seines Privat- und Familienlebens - unverhältnismäßig, zumal er eine Verlobte in Italien habe.
Das BFA legte die Beschwerde und einen Teil der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 19.07.2019 einlangten. Am 31.07.2019 langten weitere Aktenbestandteile ein.
Feststellungen:
Der BF kam am XXXX in der montenegrinischen Hauptstadt XXXX zur Welt. Er spricht Serbisch. Er ist gesund und arbeitsfähig. Er reiste am 12.06.2019 mit seinem am 15.04.2019 ausgestellten und bis 15.04.2029 gültigen montenegrinischen Reisepass in das Schengengebiet ein und hielt sich anschließend ohne Wohnsitzmeldung an wechselnden Adressen in XXXX auf. Zuvor hatte er sich jedenfalls auch schon von 04.01.2018 bis 04.04.2019 und von 22.05.2018 bis 18.08.2018 im Bundesgebiet aufgehalten.
Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten; gegen ihn ist ein Strafverfahren wegen des Verdachts von Vergehen nach dem SMG und anderen Delikten anhängig. In Montenegro ist er wegen Körperverletzung vorbestraft.
Bei der Einvernahme vor dem Landeskriminalamt XXXX am 02.07.2019 gab er zu, dass er ab Mai 2018 ohne arbeitsmarktrechtliche Bewilligung als Personenschützer bzw. Security-Mitarbeiter in einem Café in XXXX beschäftigt gewesen sei. Er wurde bei dieser Beschäftigung nicht durch die dafür berufenen Behörden betreten.
Der BF war im Bundesgebiet nie legal erwerbstätig; ihm wurde nie ein Aufenthaltstitel erteilt.
Der BF ist geschieden und für eine minderjährige Tochter in Montenegro sorgepflichtig. Er besitzt ein Wohnhaus in XXXX.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und der Gerichtsakten des BVwG, insbesondere der vorgenommenen Registerabfragen.
Die Identität des BF wird durch seine (dem BVwG zu GZ L529 2221459-1 in Kopie übermittelten) Ausweise belegt, insbesondere durch seinen montenegrinischen Reisepass, dessen Echtheit nicht in Zweifel steht. Der Geburtsort des BF geht aus dem Reisepass hervor. Die Einreise im Juni 2019 wird durch einen entsprechenden Einreisestempel belegt. Serbischkenntnisse sind aufgrund der Herkunft des BF plausibel, zumal die Beschuldigtenvernehmung in dieser Sprache ohne Verständigungsprobleme möglich war.
Die festgestellten Aufenthalte des BF im Bundesgebiet ergeben sich aus seinen Wohnsitzmeldungen im Bundesgebiet laut dem Zentralen Melderegister (ZMR) und aus seinen Angaben gegenüber der Kriminalpolizei, die sogar darüber hinausgehende Inlandsaufenthalte nahelegen.
Die Unbescholtenheit des BF in Österreich geht aus dem Strafregister hervor. Seine Vorstrafe in Montenegro hat er selbst gegenüber der Kriminalpolizei angegeben. Das in Österreich gegen ihn anhängige Strafverfahren ergibt sich aus den dazu vorliegenden Unterlagen, insbesondere der Beschuldigtenvernehmung vom 02.07.2019.
Anhaltspunkte für eine Erkrankung oder eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit des BF, eines Erwachsenen im erwerbsfähigen Alter, sind nicht hervorgekommen und werden von ihm auch nicht vorgebracht. Dies korrespondiert mit der ab Mai 2018 im Café XXXX in XXXX ausgeübten Tätigkeit. Diese Beschäftigung ergibt sich aus der Schilderung des BF bei der Beschuldigtenvernehmung vom 02.07.2019 und wird in der Beschwerde auch nicht bestritten. Eine Betretung des BF bei dieser Tätigkeit durch behördliche Organe ergibt sich aus den vorgelegten Akten nicht; auch sonst bestehen dafür keine Anhaltspunkte.
Der BF behauptet gar nicht, dass er einen österreichischen Aufenthaltstitel besitzt oder einer legalen Erwerbstätigkeit im Inland nachging. Dies lässt sich auch weder den vorgelegten Verwaltungsakten noch dem Auszug aus dem Informationsverbund Zentrales Fremdenregister (IZR) entnehmen.
Der Familienstand des BF und seine Sorgepflicht werden aufgrund seiner Angaben bei der Beschuldigtenvernehmung festgestellt, ebenso die Wohnmöglichkeit in seinem eigenen Haus in Montenegro.
Rechtliche Beurteilung:
Die Beschwerde richtet sich ausdrücklich nur gegen die Spruchpunkte IV. bis VI. des angefochtenen Bescheids.
Als Staatsangehöriger von Montenegro ist der BF Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG.
Zu Spruchteil A):
Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist.
Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.
Gemäß § 55 Abs 4 FPG hat das BFA von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs 2 BFA-VG aberkannt wurde.
Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung laut Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids baut auf der Rückkehrentscheidung laut Spruchpunkt II. auf und ist ihrerseits Grundlage für das Absehen von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise laut Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids. Da die Rückkehrentscheidung nicht angefochten wurde und somit bereits rechtskräftig ist, kommt eine gesonderte Anfechtung der Spruchpunkte IV. und V. nicht in Betracht. Da keine Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung vorliegt, kann einer solchen auch nicht die aufschiebende Wirkung zuerkannt werden. Damit ist aber auch der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise der Boden entzogen.
Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV. und V. des angefochtenen Bescheids ist daher als unzulässig zurückzuweisen.
Zu Spruchteil B):
Gemäß § 53 Abs 1 und 2 FPG kann das BFA mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot, also die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten der EU (außer Irlands und des Vereinigten Königreichs), Islands, Norwegens, der Schweiz und Liechtensteins einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten, erlassen, wenn der Drittstaatsangehörige die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Die Dauer des Einreiseverbots ist abhängig von seinem bisherigen Verhalten. Dabei ist zu berücksichtigen, inwieweit sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art 8 Abs 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. § 53 Abs 2 FPG enthält eine demonstrative Aufzählung von Tatbeständen, deren Vorliegen eine Gefährdung öffentlicher Interessen indiziert. Dies ist demnach z.B. dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, er hätte nach den Bestimmungen des AuslBG für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der er betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen (§ 53 Abs 2 Z 7 FPG). In diesem Fall kann ein Einreiseverbot für die Dauer von höchstens fünf Jahren erlassen werden.
Hier ist der vom BFA zur Begründung für die Erlassung des Einreiseverbots herangezogene Tatbestand des § 53 Abs 2 Z 7 FPG nicht erfüllt, weil der BF zwar einer Beschäftigung ohne die erforderlichen Bewilligungen nachging, dabei aber nicht "betreten" wurde, was Voraussetzung für die Erfüllung dieses Tatbestands ist (vgl. VwGH 18.03.2014, 2013/22/0332). Es bedarf dafür zumindest der Feststellung der nach dem AuslBG nicht zulässigen Beschäftigung aufgrund einer Nachschau durch die dafür berufenen Behörden (siehe VwGH 24.05.2018, Ra 2017/19/0311). Der Beschwerde ist daher dahingehend zuzustimmen, dass das Einreiseverbot nicht auf § 53 Abs 2 Z 7 FPG gestützt werden kann.
Andere Umstände wurden vom BFA zur Begründung für die Erlassung des Einreiseverbots nicht herangezogen. Im Beschwerdeverfahren kann kein anderer Sachverhalt zur Begründung des Einreiseverbots herangezogen werden kann als im Verwaltungsverfahren vor dem BFA. Das Heranziehen einer anderen gesetzlichen Grundlage für das Einreiseverbot, die von der Behörde weder ermittelt noch festgestellt wurde, würde die in § 27 VwGVG festgelegte Prüfbefugnis des BVwG überschreiten.
Obwohl der BF durch seinen infolge Überschreitung der zulässigen visumfreien Aufenthaltsdauer unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet, die ohne arbeitsmarktrechtliche Bewilligung ausgeübte Erwerbstätigkeit und die Missachtung melderechtlicher Vorschriften öffentliche Interessen gefährdete, ist das Einreiseverbot laut Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids, das ohne gesetzliche Grundlage erlassen wurde, in Stattgebung des entsprechenden Beschwerdeantrags ersatzlos zu beheben.
Sollte der BF in Zukunft wegen der ihm vorgeworfenen Taten strafgerichtlich verurteilt werden, kann dies zum Anlass genommen werden, neuerlich die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines darauf aufbauenden Einreiseverbots gegen ihn zu prüfen.
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte, unterbleibt gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG eine Beschwerdeverhandlung, von der keine weitere Klärung der Angelegenheit zu erwarten ist.
Zu Spruchteil C):
Erhebliche Rechtsfragen von der über den Einzelfall hinausgehenden, grundsätzlichen Bedeutung iSd Art 133 Abs 4 B-VG stellten sich nicht, weshalb die Revision an das Höchstgericht nicht zuzulassen ist.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung - Entfall, Einreiseverbot, illegaleEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2221457.1.00Zuletzt aktualisiert am
28.10.2019