Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Germ, Dr. Höß, Dr. Riedinger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Julcher, über die Beschwerde des F in H, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Dr. Peter Ringhofer, Dr. Martin Riedl und Dr. Georg Riedl, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 19. Mai 1998, Zl. 116.490/5-A/98, betreffend Anrechnung der Karenzurlaubszeit (§ 75 Abs. 3 BDG 1979), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer steht als Amtsrat in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Seine Dienststelle war die regionale Geschäftsstelle Lilienfeld des Arbeitsmarktservice (im folgenden AMS) Niederösterreich, wo er als Abteilungsleiter der Abteilung "Service Versicherungsleistungen" tätig war. Seit 1. Jänner 1998 ist er dem Amt des AMS Österreich/Bundesgeschäftsstelle zur Dienstleistung zugeteilt.
Mit Schreiben vom 6. Juni 1995 suchte der Beschwerdeführer um Gewährung eines Karenzurlaubes (KU) nach § 75 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979 (BDG 1979) an; er begründete dies im wesentlichen damit, es bestehe für ihn die Möglichkeit bei der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (Nö GKK) tätig zu werden, die spätestens ab 1. Juli 1997 bestimmte, derzeit vom AMS besorgte Aufgaben (Karenzurlaubsgeld, Sondernotstandshilfe, Teilzeitbeihilfe, Wiedereinstellungsbeihilfe) übernehmen solle. Um die Vorbereitungsarbeiten rechtzeitig beginnen zu können, ersuche er um die Gewährung eines Karenzurlaubes für die Zeit vom 1. September 1995 bis 30. April 1998. Da für die Übernahme der Aufgaben durch die Nö GKK öffentliches Interesse gegeben sein dürfte, ersuche er auch um Anrechnung dieser Zeit nach § 75 Abs. 3 BDG 1979 für die Vorrückung und den Ruhegenuß.
Dieses Ansuchen legte das Amt des AMS Niederösterreich (Dienstbehörde erster Instanz) befürwortend der belangten Behörde vor und bemerkte ergänzend, die Tätigkeit des Beschwerdeführers bei der Nö GKK diene in hohem Maße den Interessen des AMS NÖ, da er die Übernahme der abzugebenden Agenden vorbereiten und auf diese Weise verhindern solle, daß in der Vorbereitungsphase mehrere Bedienstete des AMS jeweils im Einzelfall als Auskunftspersonen neu für die Nö GKK zur Verfügung stehen müßten.
Mit Schreiben vom 19. Juli 1995 trat die belangte Behörde unter Hinweis auf die Bedeutung der Tätigkeit des Beschwerdeführers bei der Vorbereitung der Übernahme bestimmter Aufgaben des AMS durch die Nö GKK und den Entlastungseffekt für das AMS an das Bundeskanzleramt (BKA) heran, der Anrechnung der beabsichtigten Erteilung des Karenzurlaubes an den Beschwerdeführer gemäß § 75 Abs. 3 BDG 1979 zuzustimmen.
Mit Bescheid vom 23. August 1995 sprach die Dienstbehörde erster Instanz folgendes aus:
"Auf Ihr Ansuchen vom 6. Juni 1995 wird Ihnen gemäß § 75 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 für die Zeit vom 1.9.1995 bis 30.4.1998 ein Urlaub unter Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) gewährt.
Gemäß § 75 Abs. 2 Beamten-Dienstrechtsgesetz ist die Zeit dieses Karenzurlaubes für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen, nicht zu berücksichtigen.
Begründung:
Ihrem Ansuchen vom 6. Juni 1995 wurde bezüglich der Karenzierung
vollinhaltlich entsprochen."
Nach der Rechtsmittelbelehrung enthält dieser Bescheid noch
folgenden Zusatz:
"Sonstige Mitteilungen
Bezüglich einer Berücksichtigung der Zeit des Karenzurlaubes für
Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen, wird nach Entscheidung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gesondert abgesprochen werden."
Mit Schreiben vom 28. August 1995 lehnte es das BKA ab, einer Verfügung nach § 75 Abs. 3 BDG 1979 zuzustimmen. Begründet wurde dies im wesentlichen damit, die Anwendung der Ausnahmebestimmung nach der zitierten Rechtsvorschrift sei an zwei Voraussetzungen geknüpft:
1. Es müßten für die Gewährung des KU andere als private Interessen des Beamten maßgebend (überwiegend) sein und
2. müßten berücksichtigungswürdige Gründe vorliegen.
Darüber hinaus komme dem unbestimmten Gesetzesbegriff "öffentliche Interessen" nach der Judikatur normativer Charakter zu, wobei für dessen Auslegung in erster Linie das anzuwendende Gesetz heranzuziehen sei. Dies bedeute, daß für die Auslegung des Begriffes "öffentliches Interesse" im Sinne der dienstrechtlichen Vorschriften nicht irgendein tatsächliches oder fingiertes Interesse der Öffentlichkeit (Allgemeinheit) oder eines Teiles derselben maßgebend sein könne: Sein Inhalt müsse vielmehr aus den Zielsetzungen der dienstrechtlichen Vorschriften ermittelt werden. Der Übergang von "Agenden der Leistungseinheiten" möge an sich im Interesse des Bundes gelegen sein. Für die Art der Durchführung dieser Übergabe wie im gegenständlichen Fall durch die Gewährung eines KU an einen bestimmten Bediensteten könne jedoch weder ein (überwiegendes) öffentliches Interesse aus den Zielsetzungen der dienstrechtlichen Vorschriften ermittelt werden noch lägen die geforderten berücksichtigungswürdigen Gründe vor.
Diese Auffassung des BKA teilte die belangte Behörde der Dienstbehörde erster Instanz mit. Daraufhin richtete die Dienstbehörde erster Instanz am 12. Oktober 1995 an den Beschwerdeführer folgendes Schreiben:
"Betrifft: Anrechnung Ihres Karenzurlaubes gemäß § 75 Abs. 3 BDG
Bezug: Ansuchen vom 6.6.1995.
Sehr geehrter Herr F!
Der Ihnen gemäß § 75 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz für die Zeit vom 1.9.1995 bis 30.4.1998 gewährte Karenzurlaub kann leider mangels Zustimmung des Bundesministeriums für Finanzen und des Bundeskanzleramtes nicht gemäß § 75 Abs. 3 Beamten-Dienstrechtsgesetz für alle Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen, angerechnet werden.
Es bleibt daher dabei, daß dieser Karenzurlaub für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen, nicht berücksichtigt wird."
In der Folge genehmigte die Dienstbehörde erster Instanz über Ansuchen des Beschwerdeführers die vorzeitige Beendigung seines Karenzurlaubes mit Ablauf des 31. Dezember 1997 (Bescheid vom 9. Dezember 1997). Im Abschnitt "Sonstige Mitteilungen" wies die Behörde unter anderem darauf hin, daß der im Spruch genannte KU für alle Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhingen, nicht zu berücksichtigen sei.
In der Folge wurde der Beschwerdeführer auf sein Ansuchen hin mit Weisung der belangten Behörde vom 12. Dezember 1997 dem Amt des AMS Österreich/Bundesgeschäftsstelle zunächst für die Dauer von sechs Monaten zur Dienstleistung zugeteilt.
Mit Schreiben vom 22. Jänner 1998 trat die belangte Behörde an das (nunmehr) zuständige Bundesministerium für Finanzen neuerlich mit dem Ansuchen auf Zustimmung zu einer Verfügung nach § 75 Abs. 3 BDG 1979 für den (verkürzten) Karenzurlaub des Beschwerdeführers heran. Nach Darstellung seines Aufgabenbereiches bei der Nö GKK hob die belangte Behörde die Bedeutung seiner Tätigkeit für den Übergang bestimmter Agenden auf die GKK (ab 1. Juli 1997: Karenzurlaubsgeld, Teilzeitbeihilfe und Wiedereinstellungsbeihilfe) hervor; ohne Unterstützung des in die Materie eingearbeiteten Beschwerdeführers wäre die Übernahme dieser Aufgabe durch die GKK nur schwer möglich gewesen. Die gesetzeskonforme und reibungslose Vollziehung der der GKK übertragenen Agenden liege im zentralen öffentlichen Interesse.
Dazu stellte das Bundesministerium für Finanzen mit Schreiben vom 30. Jänner 1998 fest, daß es sich in der gegenständlichen Angelegenheit um eine "res iudicata" handle, seit der ab 1. Juli 1997 geltenden Rechtslage keine Mitwirkung des Bundesministers für Finanzen mehr möglich sei und somit eine Berücksichtigung des beantragten Zeitraumes für von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängige Rechte nicht in Betracht komme.
In seinem Schreiben vom 16. März 1998 wies der Beschwerdeführer im Ergebnis darauf hin, daß er bis heute keinen Bescheid der belangten Behörde über die Anrechnung seines KU gemäß § 75 Abs. 3 BDG 1979 erhalten habe. Im Schreiben der Dienstbehörde erster Instanz vom 12. Oktober1995 sei ihm lediglich formlos mitgeteilt worden, daß der KU nicht berücksichtigt werde. Er ersuche um nochmalige Prüfung und bescheidmäßige Erledigung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 19. Mai 1998 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 16. März 1998 betreffend Nachsicht von den Folgen des ihm für die Zeit vom 1. September 1995 bis 31. Dezember 1997 gewährten KU ab. Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens führte sie aus, daß durch die erste BDG-Novelle 1997, BGBl. I Nr. 61, das Erfordernis der Zustimmung des Bundeskanzlers und Bundesministers für Finanzen - soweit es um die Berücksichtigung des Karenzurlaubes für von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängige Rechte gehe - mit 1. Juli 1997 für die ab diesem Zeitpunkt gewährten Karenzurlaube entfallen sei. Nach der Übergangsbestimmung des § 241a BDG 1979 sei aber die alte Rechtslage auf Karenzurlaube, die gemäß § 75 in der bis zum Ablauf des 30. Juni 1997 geltenden Fassung gewährt worden seien, weiterhin anzuwenden. Dies treffe im Beschwerdefall zu; die gegenteilige Auffassung in der Stellungnahme des Bundesministeriums für Finanzen sei verfehlt.
Nach Auffassung der belangten Behörde seien das öffentliche Interesse für die Gewährung des KU an den Beschwerdeführer sowie berücksichtigungswürdige Gründe im Beschwerdefall klar gegeben. Durch den KU sei zum einen sichergestellt worden, daß der Nö GKK "vorort" ein exklusiver Ansprechpartner für die an die Gebietskrankenkassen übergehenden Agenden zur Verfügung gestanden sei. Das AMS NÖ habe seine Personalkapazität besser dem Vollzug der künftig bei ihm verbleibenden Aufgaben widmen können, weil es nicht zu ständigen Anfragen der Nö GKK gekommen sei. Die Tätigkeit des Beschwerdeführers bei der Nö GKK sei von größter Bedeutung für den gesetzeskonformen und reibungslosen Übergang der Vollziehung der übertragenen Aufgaben gewesen.
Die Ausführungen des BKA im Schreiben vom 28. August 1995 seien nicht nachvollziehbar. Seine abstrakten Ausführungen zum Rechtsbegriff des öffentlichen Interesses seien ohne konkretes Eingehen auf den vorliegenden Sachverhalt erfolgt; in unrichtiger Würdigung des (konkreten) Sachverhaltes sei das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 75 Abs. 3 BDG 1979 verneint worden. Die Stellungnahme des Bundesministers für Finanzen vom 30. Jänner 1998 sei nicht nachvollziehbar. "Res iudicata" könne schon deshalb nicht vorliegen, weil Mitteilungen zwischen obersten Organen in Angelegenheiten des § 75 Abs. 3 BDG 1979 keine Bescheide seien. Das Bundesministerium für Finanzen sei rechtlich nicht verpflichtet, bei einer zu Unrecht verweigerten Zustimmung nach § 75 Abs. 3 leg. cit. im Falle der erneuten Antragstellung durch ein anderes Ressort auf seiner Position zu verharren.
Die belangte Behörde vertrete daher die Rechtsansicht, daß alle Voraussetzungen für eine Verfügung nach § 75 Abs. 3 BDG 1979 aF vorlägen. Die Weigerung des Bundesministers für Finanzen, einer (positiven) Verfügung zuzustimmen, lasse es aber nicht zu, eine Nachsicht von den Folgen des dem Beschwerdeführer gewährten KU auszusprechen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer hebt hervor, daß die belangte Behörde zutreffend § 75 Abs. 2 und 3 BDG 1979 in der Fassung vor der ersten BDG-Novelle 1997 angewendet habe. In geradezu exemplarischer Weise seien die Voraussetzungen für die Vollanrechnung der Karenzurlaubszeit im Beschwerdefall gegeben, wie die belangte Behörde überzeugend dargelegt habe. Auch träfen ihre Ausführungen zur "res iudicata" vollinhaltlich zu. Trotz der Richtigkeit der Bescheidbegründung in dieser Beziehung sei der angefochtene Bescheid inhaltlich rechtswidrig; die belangte Behörde habe statt der dem Gesetz nach gebotenen Anrechnung das Gegenteil verfügt, weil die mangelnde Zustimmung des Bundesministers für Finanzen sie dazu gezwungen habe.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und teilte in einem als "Gegenschrift" bezeichneten Schriftsatz mit, sie schließe sich den Ausführungen des Beschwerdeführers an. Außerdem hat die mit der Angelegenheit befaßte Abteilung des Bundesministeriums für Finanzen über Ersuchen des Verwaltungsgerichtshofes eine Stellungnahme abgegeben, in der sie im wesentlichen ihren Standpunkt wiederholte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 75 BDG 1979, BGBl. Nr. 333 (Abs. 3 in der Fassung der BDG-Novelle 1990, BGBl. Nr. 447; Abs. 6 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 24/1991), lautet auszugsweise:
"(1) Dem Beamten kann auf sein Ansuchen ein Urlaub unter Entfall der Bezüge (Karenzurlaub) gewährt werden, sofern nicht zwingende dienstliche Gründe entgegenstehen.
(2) Die Zeit des Karenzurlaubes ist für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen, nicht zu berücksichtigen, soweit in den Besoldungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist.
(3) Sind für die Gewährung eines Karenzurlaubes andere als private Interessen des Beamten maßgebend und liegen berücksichtigungswürdige Gründe vor, so kann die zuständige Zentralstelle mit Zustimmung des Bundeskanzlers und des Bundesministers für Finanzen verfügen, daß die gemäß Abs. 2 mit der Gewährung des Karenzurlaubes verbundenen Folgen nicht oder nicht im vollen Umfang eintreten.
...
...
(6) Ein Beamter, mit dem ein befristetes Dienstverhältnis zu einem Land (zur Gemeinde Wien) als Mitglied eines unabhängigen Verwaltungssenates begründet wird, ist für die Dauer der Mitgliedschaft zum unabhängigen Verwaltungssenat gegen Entfall der Bezüge beurlaubt (Karenzurlaub). Die Zeit dieses Karenzurlaubes ist für Rechte, die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen, zu berücksichtigen."
Die erste BDG-Novelle 1997, BGBl. I Nr. 61, regelt die Berücksichtigung des Karenzurlaubes für zeitabhängige Rechte in § 75a (Art. I Z. 20 der genannten Novelle) völlig neu. § 75a Abs. 1 BDG 1979 hält an dem in § 75 Abs. 2 leg. cit. alte Fassung ausgesprochenen Grundsatz fest. § 75a Abs. 2 leg. cit. legt aber abschließend fest, in welchen Fällen und bis zu welchem zeitlichen Höchstausmaß Zeiten eines Karenzurlaubes für zeitabhängige Rechte zu berücksichtigen sind. Diese Bestimmung lautet:
"(2) Abweichend von Abs. 1 ist die Dauer eines Karenzurlaubes für Rechte , die von der Dauer des Dienstverhältnisses abhängen, in den nachstehend angeführten Fällen bis zum jeweils angeführten zeitlichen Höchstausmaß zu berücksichtigen,
1. wenn der Karenzurlaub kraft Gesetzes eintritt: Für die Dauer des Anlasses des Karenzurlaubes;
2. wenn der Karenzurlaub
a) zur Begründung eines Dienstverhältnisses gemäß §§ 3 oder 4 des Entwicklungshelfergesetzes, BGBl. Nr. 574/1983, oder
b) zur Begründung eines Dienstverhältnisses zu einer Einrichtung der Europäischen Union oder zu einer sonstigen zwischenstaatlichen Einrichtung, der Österreich angehört, oder
c) zur Ausbildung des Beamten für seine dienstliche Verwendung gewährt worden ist: Für alle von Z. 2 erfaßten Karenzurlaube insgesamt drei Jahre."
Gemäß § 278 Abs. 25 Z. 7 in der Fassung der ersten BDG-Novelle 1997 ist § 75a am 1. Juli 1997 in Kraft getreten.
Die Übergangsbestimmung des § 241a BDG 1979 in der Fassung der ersten BDG-Novelle 1997 lautet:
"Auf Karenzurlaube, die gemäß § 75 in der bis zum Ablauf des 30. Juni 1997 geltenden Fassung gewährt worden sind, ist § 75 in dieser Fassung weiterhin anzuwenden."
Zunächst ist zu klären, welche Rechtslage im Beschwerdefall anzuwenden ist. Zutreffend geht die belangte Behörde davon aus, daß im Hinblick auf die mit Bescheid der Dienstbehörde erster Instanz vom 23. August 1995 erfolgte Gewährung eines Karenzurlaubes an den Beschwerdeführer nach § 241a BDG 1979 § 75 BDG 1979 in der Fassung vor der ersten BDG-Novelle 1997 (im folgenden aF) anzuwenden ist. Der Umstand, daß der gewährte KU Zeiträume erfaßt, die nach dem 1. Juli 1997 liegen, ist rechtlich unerheblich, weil die Übergangsbestimmung ausdrücklich auf die Gewährung des KU abstellt. Die Anwendbarkeit des § 241a BDG 1979 wird im Beschwerdefall auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Dienstbehörde erster Instanz mit Bescheid vom 9. Dezember 1997 - also nach Inkrafttreten der ersten BDG-Novelle 1997 - in Stattgebung eines entsprechenden Ansuchens des Beschwerdeführers die vorzeitige Beendigung des Karenzurlaubes (mit Ablauf des 31. Dezember 1997) genehmigt hat. Dieser Umstand ist deshalb unter dem Gesichtspunkt des § 241a leg. cit. rechtlich unerheblich, weil der Bescheid vom 9. Dezember 1997 bloß die zeitliche Dauer des seinerzeit nach der alten Rechtslage gewährten KU einschränkt und auch dieser eingeschränkte Zeitraum bereits von der seinerzeitigen nach der alten Rechtslage erfolgten Genehmigung umfaßt war. Darauf kommt es aber nach § 241a BDG 1979 entscheidend an.
Vorab ist ferner zu prüfen, ob bereits vor dem angefochtenen Bescheid über die strittige Anrechnung von KU-Zeiten gemäß § 75 Abs. 3 BDG 1979 aF (aus der Sicht des Beschwerdeführers) negativ mit rechtskräftigem Bescheid abgesprochen wurde. Wäre dies der Fall, dann hätte der angefochtene Bescheid im Ergebnis nicht in subjektive Rechte des Beschwerdeführers eingegriffen, wenn es in der Zwischenzeit (d.h. bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides) zu keiner Änderung der erheblichen Sach- und Rechtslage gekommen wäre.
Der oben wiedergegebene zweite Absatz des Spruches des Bescheides der Dienstbehörde erster Instanz vom 23. August 1995 enthält nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes keinen normativ verbindlichen Abspruch über die Anrechnung, der einer Entscheidung nach § 75 Abs. 3 BDG 1979 aF entgegenstünde. Dafür spricht die im Abschnitt "Sonstige Mitteilungen" gegebene Information (im Ergebnis:
Vorbehalt der Entscheidung über § 75 Abs. 3 BDG 1979 aF durch die zuständige Behörde). Dazu kommt, daß Bescheide im Zweifel gesetzeskonform auszulegen sind: Würde man dem zweiten Absatz des Spruches dieses Bescheides die Bedeutung einer abschließenden unter Bedachtnahme auf § 75 Abs. 3 BDG 1979 aF ergangenen Entscheidung beilegen, dann hätte die Dienstbehörde erster Instanz damit ihre Zuständigkeit überschritten, weil sie diesfalls § 75 Abs. 3 leg. cit. angewendet hätte, dessen Vollzug aber der Zentralstelle zukommt. Außerdem wäre in diesem Falle dem Antrag des Beschwerdeführers vom 6. Juni 1995, der neben der Gewährung des KU auch einen Antrag auf Anrechnung nach § 75 Abs. 3 BDG 1979 aF enthielt, nicht vollinhaltlich stattgegeben worden, weshalb die Dienstbehörde verpflichtet gewesen wäre, die Abweisung dieses Antrages in diesem Umfang zu begründen.
Aus diesen Überlegungen geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, daß der zweite Absatz des Spruches der Dienstbehörde erster Instanz vom 23. August 1995 bloß ein Hinweis auf die nach § 75 Abs. 2 BDG 1979 aF grundsätzlich mit einem KU verbundene Rechtsfolge ist.
Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes kann auch das formlose nicht ausdrücklich als Bescheid bezeichnete Schreiben der Dienstbehörde erster Instanz vom 12. Oktober 1995 seinem Inhalt nach nicht zweifelsfrei als Bescheid gewertet werden. Im übrigen wäre - wie oben dargelegt - die Dienstbehörde erster Instanz für eine Entscheidung nach § 75 Abs. 3 BDG 1979 aF auch gar nicht zuständig gewesen. Das Schreiben enthält auch keinerlei Hinweis, daß damit eine Entscheidung der belangten Behörde intimiert werden sollte.
Der im Abschnitt "Sonstige Mitteilungen" im Bescheid der Dienstbehörde erster Instanz vom 9. Dezember 1997 gegebene Hinweis der Auswirkungen des Karenzurlaubes auf zeitabhängige Rechte kann gleichfalls nicht als normativer Abspruch gewertet werden; er geht seinem Inhalt nach über eine bloße Rechtsbelehrung nicht hinaus.
Als Ergebnis ist daher festzuhalten, daß vor dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde keine rechtskräftige bescheidmäßige Entscheidung über die Vollanrechnung des KU des Beschwerdeführers nach § 75 Abs. 3 BDG 1979 aF getroffen wurde.
Die im Schreiben des BMF vom 30. Jänner 1998 geäußerte Auffassung, es läge res iudicata vor, trifft - soweit damit zum Ausdruck gebracht werden soll, eine neuerliche Befassung jener Behörde, deren Zustimmung zur Anrechnung nach § 75 Abs. 3 BDG 1979 aF erforderlich ist, sei unzulässig - nicht zu. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 25. September 1989, 87/12/0056, ausgesprochen hat, handelt es sich bei der Zustimmung nicht um einen selbständigen an die Partei des Verwaltungsverfahrens gerichteten Bescheid, sondern um ein Tatbestandsmerkmal, das inzidenter im Zuge der verwaltungsgerichtlichen Prüfung des Bescheides, der der Zustimmung bedarf, einer Kontrolle unterliegt (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 6. Mai 1998, 97/21/0843 zu einer vergleichbaren Rechtslage nach § 23 Abs. 2 des Fremdengesetzes). Dem Gesetz läßt sich auch kein Anhaltspunkt dafür entnehmen, daß der Zustimmungsakt im Verhältnis der betroffenen Behörden zueinander als Bescheid anzusehen ist. Verwaltungsorgane desselben Rechtsträgers, die aufgrund einer gesetzlichen Anordnung in einer Verwaltungsangelegenheit zusammenwirken müssen, sind im Verhältnis zueinander grundsätzlich nicht Träger subjektiver Rechte und kommen daher als Adressaten von Bescheiden, die (im Falle von Meinungsverschiedenheiten) der Kontrolle der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes unterzogen werden könnten, nicht in Betracht. Eine hievon abweichende Regelung müßte der Gesetzgeber ausdrücklich treffen (vgl. in diesem Zusammenhang auch die allgemeinen Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1997, 90/12/0008 zur Beschwerdelegitimation der Universität in Angelegenheiten des autonomen Wirkungsbereiches und die dort zitierte Vorjudikatur).
Zu prüfen bleibt daher, ob die vom BKA in seiner Stellungnahme vom 28. August 1995 auf dem Boden des § 75 Abs. 3 BDG 1979 aF vorgebrachten Überlegungen - entgegen der Auffassung der belangten Behörde - geeignet sind, die Versagung der Anrechnung nach der genannten Norm zu tragen.
§ 75 Abs. 3 BDG 1979 aF sieht eine im freien Ermessen liegende Entscheidung der oberste Dienstbehörde vor, wobei - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 24. September 1997, 97/12/0178, mit ausführlicher Begründung dargelegt hat - der Gesetzgeber der Behörde Ermessen nur betreffend das Ausmaß der Nachsicht eingeräumt hat. Die Ermessensübung ist allerdings an zwei - in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilende - Voraussetzungen geknüpft, nämlich
daß für die Gewährung des KU andere als private Interessen des Beamten maßgebend (überwiegend) sind und
berücksichtigungswürdige Gründe für die Nachsichtsgewährung vorliegen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 6. Juni 1990, 89/12/0182).
Fehlt auch nur eine dieser beiden Tatbestandsvoraussetzungen, ist die Nachsicht von den Rechtsfolgen nach § 75 Abs. 2 BDG 1979 aF nicht zu gewähren. Anders gewendet: Nur wenn beide genannten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind, kann es überhaupt zu einer (rechtlich zulässigen) Ermessensübung kommen.
Die Stellungnahme des BKA vom 28. August 1995 stützt die Versagung der Zustimmung im Ergebnis darauf, daß die beiden Tatbestandsvoraussetzungen nach § 75 Abs. 3 BDG 1979 aF nicht gegeben sind, d.h. also, daß die Anrechnung zwingend zu versagen ist.
Im Beschwerdefall verneinte das BKA in der zitierten Stellungnahme das Vorliegen eines öffentlichen Interesses (offensichtlich als "Komplementärbegriff" für "andere als private Interessen" verwendet), weil der Inhalt dieses unbestimmten Gesetzesbegriffes aus dienstrechtlichen Vorschriften zu ermitteln sei. Die Unterstützung eines Rechtsträgers, auf den die Besorgung bestimmter bisher vom Bund/AMS besorgter Aufgaben übergehen soll, in der Vorbereitungsphase durch die durch Gewährung eines KU ermöglichte Beschäftigung eines in diesem Aufgabenbereich bisher tätigen Beamten bei diesem Rechtsträger erfülle weder ein derartiges überwiegendes öffentliches Interesse noch stelle es einen berücksichtigungswürdigen Grund dar.
Dem ist entgegenzuhalten, daß die Stellungnahme von einem zu engen Begriffsverständnis des Komplementärbegriffes "öffentliches Interesse" ausgeht (vgl. dazu ausführlich die hg. Erkenntnisse vom 14. September 1994, 94/12/0004, und vom 17. Dezember 1997, 96/12/0075).
Bei der Prüfung der ersten Tatbestandsvoraussetzung des § 75 Abs. 3 BDG 1979 (aF) ist zunächst anhand des Bescheides, mit dem dem Beschwerdeführer Karenzurlaub gewährt wurde, zu prüfen, ob für dessen Genehmigung private Gründe des Beamten im Vordergrund standen. Der diesbezügliche Bescheid der Dienstbehörde erster Instanz enthält keinerlei Feststellungen darüber, welche Gründe hiefür maßgebend waren. In einem solchen Fall ist auf den Antrag des Beamten auf Gewährung des KU sowie sonstige Unterlagen, die diesem Verfahren zugrunde lagen, zurückgreifen, um zu klären, ob die Voraussetzungen nach § 75 Abs. 3 leg. cit. gegeben sind oder nicht (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1995, 94/12/0104).
Dem Schriftverkehr vor Gewährung des KU an den Beschwerdeführer (insbesondere seinem Antrag vom 6. Juni 1995 sowie dessen Befürwortung durch die Dienstbehörde erster Instanz) ist hinreichend zu entnehmen, daß neben dem zweifellos auch gegebenen privaten Interesse des Beschwerdeführers an einer Beschäftigung bei der Nö GKK offenkundig gewichtige andere Gründe außerhalb seiner privaten Interessenssphäre vorlagen und diese für die Gewährung des KU ausschlaggebend waren. Solche sind zunächst in der Sicherstellung des reibungslosen Überganges staatlicher Aufgaben an Dritte durch die Ermöglichung des Einsatzes eines bisher mit dieser Materie betrauten Beamten beim Dritten zu sehen; daß der Beschwerdeführer bei der Nö GKK nicht überwiegend mit der Vorbereitung der Übernahme dieser von der GKK zu übernehmenden Aufgaben beschäftigt war, wurde nicht festgestellt. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß im Falle der Übertragung der Besorgung öffentlicher Aufgaben an Dritte die sich entlastende Gebietskörperschaft dafür Vorsorge zu treffen hat, daß der Vollzug dieser übertragenen Aufgaben auch in Zukunft sichergestellt ist. Dies findet in der Rechtsordnung etwa darin seinen Ausdruck, daß bei umfangreichen Ausgliederungen öffentlicher Aufgaben wie z.B. im Post- und Telekombereich (vgl. dazu das Poststrukturgesetz) die bisher in diesen Bereichen tätigen öffentlichen Bediensteten kraft Gesetzes dem neuen Rechtsträger auf Dauer (gleichsam in Form einer Arbeitskräfteüberlassung) zur Dienstleistung zugewiesen werden. Bei quantitativ geringfügeren Aufgabenübertragungen, die vom übernehmenden Rechtsträger im großen und ganzen mit seiner eigenen Organisation (allenfalls unter erhöhtem Mittel- und Personaleinsatz) besorgt werden können, erscheint gerade die Ermöglichung der befristeten Zurverfügungstellung von öffentlichen Bediensteten, die in diesem Bereich bisher tätig waren, durch Gewährung eines Karenzurlaubes ein taugliches Mittel, diesen reibungslosen Aufgabenübergang sicherzustellen. Dazu kommt die damit verbundene Entlastung des die Aufgaben abgebenden Rechtsträgers, während der Übergangsphase nicht durch eine Vielzahl möglicherweise auch unkoordinierter Auskunftsverlangen über Gebühr in Anspruch genommen zu werden.
Was das Nichtvorliegen berücksichtigungswürdiger Gründe im Sinne des § 75 Abs. 3 BDG 1979 aF betrifft, ist darauf hinzuweisen, daß dieser unbestimmte Gesetzesbegriff nicht bloß aus der Warte der Interessen des Dienstgebers zu beurteilen ist und auch berücksichtigungswürdige Gründe in der Sphäre des Beamten für die Nachsicht und ihr Ausmaß bestimmend sein können (vgl. dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 24. September 1997, 97/12/0178). Auch in dieser Beziehung geht die Stellungnahme des BKA offenkundig von einer zu engen Sichtweise aus.
Aus diesen Gründen war daher der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 und 49 VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 7. Oktober 1998
Schlagworte
Zurechnung von Bescheiden IntimationBeschwerdepunkt Beschwerdebegehren Entscheidungsrahmen und Überprüfungsrahmen des VwGH Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998120172.X00Im RIS seit
04.01.2002Zuletzt aktualisiert am
02.02.2011