Entscheidungsdatum
21.08.2019Norm
BFA-VG §22a Abs4Spruch
G307 2217359-6/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, StA.: Indien, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:
A)
Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und, dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig war.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), reiste am 17.06.2003 unrechtmäßig nach Österreich ein und stellte am 18.06.2003 einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.08.2003 wurde dieser Antrag gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen und festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF nach Indien gemäß § 8 Asylgesetz 1997 zulässig sei. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes (AGH) vom 27.10.2009 als unbegründet abgewiesen.
2. Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und tauchte unter. Über eine Meldeadresse verfügt er seit 30.01.2017 nicht mehr.
3. Am 21.04.2017 beantragte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) bei der indischen Vertretungsbehörde die Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) für den BF.
4. Am XXXX.2018 wurde der BF von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgegriffen, auf Grund eines vom Bundesamt am XXXX.2018 gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 BFA-VG erlassenen Festnahmeauftrages festgenommen und unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Punjabi einvernommen. Dabei gab der BF im Wesentlichen an, im Jahr 2003 - genau könne er sich nicht mehr erinnern - nach Österreich eingereist zu sein. Sein Asylverfahren sei noch anhängig.
5. Mit Bescheid des BFA vom XXXX.2018 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Dieser Bescheid wurde dem BF am XXXX.2018 persönlich zugestellt, eine Beschwerde dagegen wurde nicht eingebracht.
6. Am 17.01.2019 stellte der BF einen Asylfolgeantrag. Das BFA stellte mit Aktenvermerk vom 17.01.2019 gemäß § 76 Abs. 6 FPG fest, es bestünden Gründe zur Annahme, dass der Asylantrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt worden sei und die Anhaltung in Schubhaft daher aufrecht bleibe. Dieser Aktenvermerk wurde dem BF am 17.01.2019 persönlich zugestellt.
Am 18.01.2019 fand die Erstbefragung des BF im Asylverfahren statt. Dabei berief sich der BF auf seine seit 2003 verwendeten persönlichen Datenund führte weiters aus, in Indien keine Familienangehörigen mehr zu haben.
7. Der BF wurde am 30.01.2019 vom Bundesamt zum Asylantrag vom 17.01.2019 einvernommen. Dabei korrigierte er seinen Namen auf XXXX und sein Geburtsdatum auf den XXXX. In Indien verfüge er über einen Bruder und eine Schwester. Er nehme ein Medikament gegen Schlafmangel, befinde sich seit 16 Jahren in Österreich und habe am Anfang Deutschkurse besucht, diese jedoch nicht bestanden. Danach habe er keine Kurse mehr besucht. Er sei in keinem Verein Mitglied und habe als Zeitungszusteller gearbeitet. Soziale Unterstützung erhalte er in Österreich nicht und habe keine Familienangehörigen in Österreich. Er habe bereits im Jahr 2012 die Möglichkeit der freiwilligen Rückkehr in Anspruch genommen, die Ausreise sei jedoch wegen seines Namens und seines Geburtsdatums nicht möglich gewesen.
Mit Stellungnahme vom 31.01.2019 teilte der BF nach erfolgter Rechtsberatung mit, dass er sich mit einer freiwilligen Ausreise nach Indien einverstanden erkläre. Er wolle, dass seine Ausreise nach Indien ohne jegliche Verzögerung erfolge, weshalb er auf die Durchführung eines Parteiengehörs im Asylverfahren auf Grund des am 17.01.2019 gestellten Asylantrages verzichte.
8. Am 11.02.2019 wurde der BF einer Delegation der indischen Vertretungsbehörde vorgeführt.
9. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 12.02.2019 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 17.01.2019 wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen und ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt. Gleichzeitig wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Abschiebung nach Indien für zulässig erklärt und keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt. Dieser Bescheid wurde dem BF am 12.02.2019 persönlich zugestellt und erwuchs in Rechtskraft.
10. Das Bundesamt führte am XXXX.2019, XXXX.2019, XXXX.2019 und XXXX.2019 Schubhaftprüfungen durch.
11. Am XXXX.2019 wurde der BF neuerlich der indischen Vertretungsbehörde vorgeführt. Dabei gab diese bekannt, dass der vom BF angegebene Vorname nicht stimme und er XXXX oder XXXX heiße.
12. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 23.04.2019, Zahl W250 2217359-1/9E wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft vorlägen und deren Aufrechterhaltung im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig (gewesen) sei.
13. Die zweite Verhältnismäßigkeitsprüfung, welche am 10.05.2019 in die Wege geleitet wurde, führte ebenso zu einer Feststellung der Zulässigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft im Wege des Erkenntnisses vom 27.05.2019, Zahl G301 2217359-2/5E. Gleiches galt für die weiteren Überprüfungen am 24.06.2019 (G303 2217359-3/7E), 04.07.2019 (G308 2217359-4/4E) und 19.07.2019 (G308 2217359-5/4E).
14. Am 22.07.2019 urgierte das BFA bei der indischen Botschaft in Wien die Ausstellung des HRZ.
15. Am 06.08.2019 wurde von Seiten des BFA diesbezüglich neuerlich bei der Botschaft urgiert und zugleich die Telefonnummern der Schwester und Mutter des BF an die Vertretungsbehörde übermittelt.
16. Am 12.08.2019 verständigte die Direktion des BFA die Erstaufnahmestelle West, dass die indische Botschaft der Ausstellung eines HRZ für den BF am 09.08.2019 zugestimmt habe. Ferner erstattete das BFA eine Buchungsanfrage für den BF für einen Flug von Wien nach XXXX für den Zeitraum vom XXXX.2019 bis XXXX.2019. In der Folge wurde der Flug für den XXXX.2019, 18:30 Uhr bestätigt.
17. Am XXXX.2019 wurde ein HRZ der indischen Botschaft lautend auf den Namen XXXX, geb. am XXXX, StA.: Indien ausgestellt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der unter Punkt I.1. bis I.17. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.
1.2. Die Identität des BF steht nunmehr fest. Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Er ist in Österreich unbescholten.
1.3. Der BF wurde vom XXXX.2018 bis zum XXXX.2019 in Schubhaft angehalten.
1.4. Der BF war gesund und haftfähig. Es lagen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim BF vor.
1.5. Der BF verfügte seit 30.01.2017 über keine Meldeadresse in Österreich, er tauchte unter und erschwerte dadurch seine Abschiebung.
1.6. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 12.02.2019 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft. Es lag eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.
1.7. Der BF stellte am 17.01.2019 einen weiteren Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes in Österreich. Zu diesem Zeitpunkt war die mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.08.2003 erlassene aufenthaltsbeendende Maßnahme auf Grund der Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde mit Erkenntnis des AGH vom 27.10.2009 rechtskräftig und durchsetzbar und wurde der BF zum Zeitpunkt der Antragstellung in Schubhaft angehalten.
1.8. Der BF hat in seinen Asylanträgen vom 18.06.2003 und 17.01.2019 einen anderen Vornamen und ein anderes Geburtsdatum angeführt, als er nunmehr im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates genannt hat. Am 04.04.2013 wurde dem BF unter seiner im Jahr 2003 bekannt gegebenen Identität ein österreichischer Führerschein ausgestellt.
1.9 Der BF hat angegeben, freiwillig nach Indien ausreisen zu wollen. Im Jahr 2012 scheiterte die freiwillige Ausreise auf Grund der von ihm behaupteten Identität.
1.10. Der BF verfügt in Österreich über keine Familienangehörigen und konnten weder enge soziale noch berufliche Bindungen im Bundesgebiet festgestellt werden.
1.11. Vor seinem Aufgriff am 21.12.2018 verfügte der BF über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz, er war nach den Bestimmungen des Meldegesetzes nicht gemeldet und ging keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Er verfügt über kein zur Sicherung seiner Existenz ausreichendes Vermögen.
1.12. Der BF wurde bereits zwei Mal der indischen Vertretungsbehörde vorgeführt. Nach dem bisher letzten Interview am 12.04.2019 teilte die indische Botschaft mit, der vom BF angegebene Name XXXX sei nicht korrekt und laute sein richtiger Name XXXX oder XXXX. Diese neuen Angaben wurden in Indien überprüft und der unter I.17. angeführte Namen zu Tage gefördert.
1.13. Das Bundesamt ist seiner Verpflichtung, auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, nachgekommen, weil für den BF bereits am 21.04.2017 ein HRZ beantragt wurde, er am 07.01.2019 für eine Vorführung zu einem Interview vorgemerkt und am 11.02.2019 sowie am 12.04.2019 einer Delegation der indischen Vertretungsbehörde vorgeführt wurde.
1.14. Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit XXXX.2018 hat sich im Verfahren nicht ergeben.
1.15. Der BF wurde am XXXX.2019 um 16:15 Uhr auf dem Luftweg nach XXXX abgeschoben.
2. Beweiswürdigung:
Die oben getroffenen Feststellungen ergeben sich allgemein durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in den Akt des Asylgerichtshofes das Asylverfahren des BF betreffend, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.
Der Verfahrensgang folgt dem Akteninhalt des BFA, des gegenständlichen Aktes des BVwG und des Aktes des AGH betreffend das Asylverfahren des BF.
Die Feststellungen zur Identität des BF sind aus der Aktenvorlage des BFA vom 14.08.2019 ersichtlich, wonach die indische Botschaft den im Spruch erwähnten Namen des BF bestätigt hat. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Anträge des BF auf internationalen Schutz wurden ab- bzw. zurückgewiesen, weshalb der BF weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter ist. Die strafrechtliche Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.
Dass der BF vom XXXX.2018 bis XXXX.2019 in Schubhaft angehalten wurde, ist dem Akt des Bundesamtes der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres und dem auf seinen Namen lautenden Auszug aus dem Zentralen Melderegister zu entnehmen.
Es haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim BF eine Haftunfähigkeit vorgelegen wäre, weil eine Erkrankung, welche diesen Umstand bestätigt hätte, vom BF nicht behauptet wurde. In seiner Einvernahme durch das Bundesamt am 30.01.2019 gab er zwar an, Medikamente auf Grund von Schlafstörungen einzunehmen, eine weitergehende medizinische Behandlung erwähnte er jedoch nicht. Auch aus der Anhaltedatei ergeben sich - abgesehen von der routinemäßig durchgeführten 14tägigen Arztkontrolle - keine weiteren Arztbesuche.
Die Feststellungen zu den Meldedaten des BF ergeben sich aus dem Melderegister. Da er zuletzt untergetaucht und für das Bundesamt damit nicht greifbar war, hat er seine Abschiebung erschwert.
Die Feststellung zur mit Bescheid des Bundesamtes vom 12.02.2019 erlassenen Rückkehrentscheidung beruht auf der vom Bundesamt übermittelten Bescheidausfertigung sowie dem diesbezüglichen Zustellnachweis an den BF.
Dass im Zeitpunkt der Antragstellung vom 17.01.2019 eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorlag, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt sowie dem Akt des AGH. Dass der BF in diesem Zeitpunkt in Schubhaft angehalten wurde ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.
Die Feststellungen zu den unterschiedlichen vom BF angegebenen Identitätsdaten beruhen auf seinen Angaben in den jeweiligen Asylverfahren sowie im Verfahren zur Erlangung eines HRZ. Die Feststellungen zum österreichischen Führerschein des BF ergeben sich aus der im Verwaltungsakt befindlichen Kopie dieses Dokumentes.
Die Feststellung, wonach im Jahr 2012 eine freiwillige Ausreise an den vom BF angegebenen Identitätsdaten scheiterte, ergibt sich aus seiner Aussage vor dem Bundesamt am 30.01.2019. Dass er in der Vergangenheit angegeben hat, freiwillig nach Indien auszureisen, ergibt sich aus seinem diesbezüglichen Schreiben vom 31.01.2019.
Dass der BF über keine Familienangehörigen in Österreich verfügt, räumte er selbst in der Einvernahme durch das Bundesamt am 30.01.2019 ein.
Dass der BF vor seinem Aufgriff am XXXX.2018 über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz verfügte, folgt dem Inhalt seiner Einvernahme durch eine Landespolizeidirektion XXXX am XXXX.2018, in der er angab, bei einem Freund zu wohnen. Dass er an dieser Adresse nicht gemeldet war ergibt sich zum einen aus dem Zentralen Fremdenregister und zum anderen aus seiner Aussage vom XXXX.2018, in der er angab, dass er lediglich beabsichtigt habe, sich an dieser Adresse anzumelden. Dass der BF keiner legalen Erwerbstätigkeit nachging, ist dem Inhalt des auf seinen Namen lautenden Sozialversicherungsdatenauszuges entnehmbar. Auf die Frage nach seinen Vermögensverhältnissen antwortete der BF damit, dass er €
20,-- besitze, über kein Bankkonto verfüge aber einige Personen kenne, von denen er sich Geld leihen könne. Daraus ergibt sich, dass er über kein eigenes Einkommen verfügt.
Auf Grund seiner Angaben in der Einvernahme vom XXXX.2018 steht zwar fest, dass der BF über soziale Kontakte in Österreich verfügt, doch hat er diese Kontakte vor allem dazu genutzt, um sich illegal in Österreich aufzuhalten und zuletzt sogar unterzutauchen.
Die Feststellungen zu den Interview-Terminen des BF bei der indischen Vertretungsbehörde beruhen auf den Angaben im Verwaltungsakt. Insbesondere aus dem Bericht über das zuletzt durchgeführte Interview am 12.04.2019 ergibt sich, dass die vom BF angegebenen Daten in Indien überprüft wurden, was auch seine wahre Identität ans Tageslicht gefördert hat.
Die Feststellung zu den vom Bundesamt im Verfahren zur Erlangung eines HRZ vorgenommenen Veranlassungen ergeben sich aus dem Verwaltungsakt.
Eine Änderung der Umstände für die Verhängung der Schubhaft seit XXXX.2018 (bis zum XXXX.2019) war dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
7. c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
8. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
9. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
10. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."
Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1
FPG.
Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.
Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.
Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.
Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.
§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:
(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.
3.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
3.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung ist das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Zur Sicherung der Abschiebung kommt Schubhaft darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.
3.3.1. Gegenständlich lag eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Die Identität des BF konnte schließlich festgestellt werden.
3.3.2. Im vorliegenden Fall war zum Zeitpunkt der Aktenvorlage am 14.08.2019 von Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG auszugehen.
Dabei ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG zu berücksichtigen, ob der Fremde die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert. Der BF war seit dem Jahr 2017 untergetaucht. Dadurch hat er seine Abschiebung zumindest erschwert und den Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG erfüllt.
Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). Da gegen den BF eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt und er seine Abschiebung durch Untertauchen erschwert hat, ist auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 3 FPG erfüllt.
Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z. 5 FPG auch zu berücksichtigen, ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand. Der BF stellte am 17.01.2019 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Zu diesem Zeitpunkt war die mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 07.08.2003 erlassene aufenthaltsbeendende Maßnahme auf Grund der Abweisung der dagegen erhobenen Beschwerde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 27.10.2009 rechtskräftig und durchsetzbar und wurde der BF zum Zeitpunkt der Antragstellung in Schubhaft angehalten. Es ist daher auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 5 FPG erfüllt.
Bei der Beurteilung ob Fluchtgefahr vorliegt sind gemäß § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG der Grad der sozialen Verankerung des Fremden in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit bzw. das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Der BF verfügt über keine Familienangehörigen im Bundesgebiet, geht keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, hat kein Vermögen und ein eigener gesicherter Wohnsitz existiert nicht. Auf Grund des langen Aufenthaltes des BF in Österreich verfügt er zwar über soziale Beziehung, doch konnten ihn diese Beziehungen über einen Zeitraum von ca. 16 Jahren nicht dazu bewegen, in Österreich seine wahre Identität bekannt zu geben. Insbesondere haben es die sozialen Kontakte dem BF zuletzt ermöglicht, in Österreich unterzutauchen und unangemeldet trotz bestehender Ausreiseverpflichtung Unterkunft zu nehmen. Es liegen daher keine Umstände vor, die im Sinne des § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG gegen eine Fluchtgefahr sprechen, weshalb auch dieser Tatbestand erfüllt ist.
Es lag daher weiterhin Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3, 5 und 9 FPG vor.
Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Verhängung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprachen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen, welche ergeben hat, dass sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose einen Sicherungsbedarf ergeben haben, weil im Fall des BF ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben war. Der BF gab bereits im Jahr 2003 im Zuge seines ersten Asylantrages falsche Identitätsdaten bekannt, die er im Laufe seines bisher ca. 16jährigen Aufenthaltes nicht richtig gestellt hat. Dadurch scheiterte auch eine freiwillige Rückkehr des BF im Jahr 2012. Der BF gab zwar während seiner Anhaltung in Schubhaft bekannt, nunmehr bereit zu sein, freiwillig nach Indien zurückzukehren, doch bestand nach Ansicht des Gerichtes trotz dieser bekundeten Rückkehrwilligkeit weiterhin Sicherungsbedarf. Nach eigener Aussage des BF war er bereits im Jahr 2012 bereit, freiwillig nach Indien zurückzukehren, doch war dies auf Grund der verschleierten Identität nicht möglich. Zum damaligen Zeitpunkt stellte er seine Daten auch nicht richtig, sondern bewirkte mit den damals angegebenen Angaben sogar noch am 04.04.2013 die Ausstellung eines österreichischen Führerscheins. Ein tatsächliches ernsthaftes Interesse des BF, im Jahr 2012 freiwillig nach Indien zurückzukehren, ergab sich daher nicht. Auch bis zu seiner Abschiebung war nicht ersichtlich, dass der BF tatsächlich und ernsthaft beabsichtigte, nach Indien zurückzukehren. So gab er noch im Zuge der Asylantragstellung am 17.01.2019 seine falschen Identitätsdaten bekannt und stellte diese erst im laufenden Asylverfahren richtig. Da sich der BF ca. 16 Jahre lang auf seine falsche Identität berufen hat und zuletzt etwa zwei Jahre untergetaucht war, lag trotz seiner in Schubhaft bekundeten Bereitschaft, freiwillig auszureisen, kein den Sicherungsbedarf mindernder Umstand vor, weil das jahrelang gezeigte Verhalten des BF, dass er zum einen durch falsche Identitätsdaten und zum anderen durch Untertauchen seine Abschiebung zu umgehen suchte, nicht den Schluss zulässt, dass er auf freiem Fuß tatsächlich bis zu seiner Abschiebung für die Behörde greifbar gewesen wäre. Darüber hinaus verfügte der BF in Österreich über keine Familienangehörigen, kein Vermögen und ging keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Er hielt sich unrechtmäßig in Österreich auf und lag eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichten weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178).
Auf Grund des vom BF vor Anordnung der Schubhaft jahrelang gezeigten Verhaltens war daher weiterhin Sicherungsbedarf gegeben.
3.3.3. Als weitere Voraussetzung war die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.
Der BF hat keine Familienangehörigen in Österreich und nutzte seine sozialen Beziehungen, um sich unrechtmäßig und zuletzt unangemeldet in Österreich aufzuhalten, einer legalen Erwerbstätigkeit ging er in Österreich nicht nach und verfügte weder über einen eigenen gesicherten Wohnsitz noch ein existenzsicherndes Vermögen.
Die Dauer der Schubhaft war durch das Verhalten des BF selbst bedingt, weil er zumindest bis 30.01.2019 falsche Identitätsdaten sowohl was seinen Namen als auch sein Geburtsdatum betrifft, angegeben.
Den persönlichen Interessen des BF kam somit ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen - insbesondere an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung - zumal der BF bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, dass er die ihn treffenden Verpflichtungen nicht einhält und im Verfahren auch keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass er dieses Verhalten in Zukunft geändert hätte.
Das erkennende Gericht geht deswegen davon aus, dass die angeordnete Schubhaft bis zur Abschiebung das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllte. Dies auch unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Behörde auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken, weil das Bundesamt bereits vor der Anordnung der Schubhaft das Verfahren zur Erlangung eines HRZ für den BF einleitete und der BF während seiner Anhaltung in Schubhaft zwei Mal der indischen Vertretungsbehörde vorgeführt wurde.
Bei einer im Sinne des § 80 Abs. 4 Z. 1 und Z. 4 FPG höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 18 Monaten erschien die Aufrechterhaltung der seit XXXX.2018 bestehenden Anhaltung des BF in Schubhaft bis zum XXXX.2019 als verhältnismäßig.
3.3.4. Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt hätte. Auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens - insbesondere weil er seit dem Jahr 2003 eine falsche Identität verwendet hat und seit dem Jahr 2017 untergetaucht war - hätte die Anordnung eines gelinderen Mittels nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen können, zumal diesfalls die konkrete Gefahr des neuerlichen Untertauchens des BF bestanden hätte. Dies umso mehr, als bereits eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Entscheidung vorlag und die indische Vertretungsbehörde die vom BF angegebenen Daten in Indien überprüfte. Der BF bekundete zwar mit Schreiben vom 31.01.2019 seine Bereitschaft, freiwillig nach Indien auszureisen, doch kam diesem Moment auf Grund des vom BF jahrelang geübten Verhaltens der konsequenten Angabe falscher Identitätsdaten und zuletzt seines Untertauchens keine so große Bedeutung zu, dass die Annahme gerechtfertigt gewesen wäre, er wäre auf freiem Fuß für die Behörde bis zu seiner Abschiebung greifbar gewesen. So hat der BF nach seinen eigenen Angaben bereits im Jahr 2012 seine Bereitschaft bekundet, freiwillig auszureisen. Damals scheiterte diese Ausreise jedoch an den vom BF bekannt gegebenen - falschen - Identitätsdaten. Der BF hat zwar in der Schubhaft angegeben, nunmehr seine richtigen persönlichen Daten bekannt gegeben zu haben. Bemerkenswert ist jedoch, dass er noch in seinem am 17.01.2019 gestellten Asylantrag und der daraufhin am 18.01.2019 durchgeführten Erstbefragung seine persönlichen Daten nicht richtig gestellt hat. Dieser Asylantrag zielte daher darauf ab, eine Freilassung des BF aus der Schubhaft zu bewirken. Anhaltspunkte dafür, dass der BF bis zum Identitätsergebnis, welches die indische Botschaft zu Tage gefördert hat, seine richtigen persönlichen Daten bekannt gegeben hätte, liegen nicht vor. Da der BF seit dem Jahr 2009 - sohin seit ca. 10 Jahren - seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkam, seit dem Jahr 2003 falsche Identitätsdaten angab und zuletzt seit dem Jahr 2017 untergetaucht war, konnte auch trotz der unter dem Eindruck der Anhaltung in Schubhaft bekundeten Bereitschaft, freiwillig auszureisen, der erhebliche Sicherungsbedarf nicht durch die Anordnung eines gelinderen Mittels erfüllt werden.
Die Verhängung eines gelinderen Mittels kam daher nicht in Betracht.
3.3.5. Die hier zu prüfen gewesene Schubhaft stellte daher eine "ultima ratio" dar, weil sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorlagen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt hätte. Im Verfahren hat sich keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.
Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft bis zum XXXX.2019 notwendig und verhältnismäßig gewesen ist und, dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung bis zum Zeitpunkt der Abschiebung vorlagen.
3.3.6. Es konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, weil der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde, das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat und der BF bereits abgeschoben wurde.
3.4. Zu Spruchteil B. - Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.
Die Revision war daher nicht zuzulassen.
Schlagworte
Fluchtgefahr, Interessenabwägung, öffentliche Interessen, Schubhaft,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G307.2217359.6.00Zuletzt aktualisiert am
28.10.2019