Entscheidungsdatum
26.08.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
G311 2194392-1/16E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerden 1.) des XXXX, geboren am XXXX, 2.) der XXXX, geboren am XXXX, 3.) der minderjährigen XXXX, geboren am XXXX, und 4.) des minderjährigen
XXXX, geboren am XXXX, alle Staatsangehörigkeit: Irak, vertreten durch den MigrantInnen Verein St. Marx, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 22.03.2018,
Zahlen: zu 1.) XXXX, zu 2.) XXXX, zu 3.) XXXX und zu 4.) XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz sowie die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.03.2019, zu Recht:
A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Erstbeschwerdeführer ist mit der Zweitbeschwerdeführerin verheiratet. Aus dieser Ehe stammen die minderjährige Drittbeschwerdeführerin und der minderjährige Viertbeschwerdeführer.
Der Erstbeschwerdeführer reiste mit seiner Tochter, der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin, illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie gemeinsam am 13.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 stellten. Die Zweitbeschwerdeführerin verblieb mit dem minderjährigen Viertbeschwerdeführer im Irak.
Am 15.08.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Erstbeschwerdeführers statt. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab er an, er habe im Irak nicht mehr leben können, da es andauernd zu Explosionen komme und er sich seines Lebens nicht mehr sicher sei. Es würde einfach keine Sicherheit in seiner Heimatstadt geben und habe er auch seit vier Monaten keinen Lohn mehr erhalten. Er habe nichts mehr im Irak und sei die Sicherheitslage sehr gefährlich. Im Falle einer Rückkehr fürchte er, getötet zu werden, da er seine staatliche Arbeitsstelle ungerechtfertigt verlassen habe.
In weiterer Folge reiste auch die Zweitbeschwerdeführerin mit ihrem Sohn, dem minderjährigen Viertbeschwerdeführer, illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie am 26.10.2015 ebenfalls gemeinsam einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 stellten.
Am 26.10.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Zweitbeschwerdeführerin statt. Zu ihren Fluchtgründen befragt gab sie an, sie habe den Irak aus Sicherheitsgründen wegen der vielen Sprengungen und Detonationen verlassen. Darüber hinaus auch deshalb, weil sich ihr Ehegatte (der Erstbeschwerdeführer) und ihre Tochter (die Drittbeschwerdeführerin) bereits in Österreich aufhalten würden. Im Irak sei sie bei einem Ministerium angestellt gewesen, habe aber wegen der oft unpassierbaren Strecke, welche auch "Straße des Todes" genannt werde, nicht immer zur Arbeit fahren können. Auf dieser Straße seien bereits viele Menschen gestorben. Sie habe jeden Tag Angst um ihr Leben und das Leben ihrer Familie gehabt und fürchte darum auch im Falle einer Rückkehr. Sie fürchte Verschleppungen und sehe sie eine unmenschliche Behandlung im Irak als sehr wahrscheinlich an.
Die niederschriftliche Einvernahme des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, fand jeweils am 06.09.2017 statt.
Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Erstbeschwerdeführer zusammengefasst an, er habe bei einer dem irakischen Innenministerium zugehörigen Unternehmen gearbeitet, in welcher überwiegend Sunniten tätig gewesen seien. Der Erstbeschwerdeführer sei Schiit und hätten die sunnitischen Kollegen irgendwann begonnen, den Erstbeschwerdeführer zu mobben, indem sie ihn ignoriert und nicht mit ihm gesprochen hätten. Er habe sich mehrfach um eine Versetzung in eine andere Fabrik bemüht, diese sei ihm jedoch nie genehmigt worden. Im Juni 2015 sei sein Freund, einer der wenigen schiitischen Arbeitskollegen, von Unbekannten getötet worden. Die Tötung des Freundes und ein sich dadurch einstellendes "ungutes Gefühl" seien die tatsächlich fluchtauslösenden Gründe gewesen. Persönlich sei der Erstbeschwerde weder bedroht noch angegriffen worden. Er persönlich habe auch keinerlei Probleme mit Behörden, Gerichten oder den Milizen. Im Falle einer Rückkehr fürchte er jedoch ein Gerichtsverfahren im Irak, da er sich unerlaubt und ohne Kündigung von seinem Arbeitsplatz entfernt habe. Er habe an keinen Kampfhandlungen oder politischen Aktivitäten teilgenommen. Während seiner Zeit beim Militär (vor 2003) hätte man ihn zwingen wollen, sich der Baath-Partei anzuschließen. Er sei dann in den Libanon ausgereist und erst nach Husseins Sturz in den Irak zurückgekehrt. Seine Kinder hätten keine eigenen Fluchtgründe, jedoch sei die Lage im Irak nicht sicher und könnten die Kinder entführt und womöglich getötet werden.
Die Zweitbeschwerdeführerin gab zu ihren Fluchtgründen befragt zusammengefasst an, sie sei nie persönlich bedroht worden, habe keine Probleme mit der Polizei oder einem Gericht, habe an keinen Kampfhandlungen, politischen Aktivitäten oder Demonstrationen teilgenommen und sei kein Mitglied einer politischen Partei. Die Zweitbeschwerdeführerin habe für das "Kulturministerium" in Bagdad gearbeitet. Seit 2013 habe sie in einem der neuen "Kulturhäuser" gearbeitet, die nach außen hin extra so gebaut gewesen wären, dass sie nicht auffallen würden. 2014 sei diese Kulturhaus niedergebrannt worden. Es hätte den unbekannten Tätern nicht gepasst, dass das Ministerium über Themen wie die Ehe oder Kindererziehung geschrieben hätte. Zwischen 2014 und Juli 2015 hätte es - bis auf den Tod des Freundes des Erstbeschwerdeführers - keine Vorfälle gegeben. Auch in der Schule der Drittbeschwerdeführerin sei es wegen Paketbomben sehr gefährlich gewesen, sodass der Erstbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin den Irak zuerst verlassen hätten. Aus finanziellen Gründen sie die Zweitbeschwerdeführerin mit dem Viertbeschwerdeführer vorerst zurückgeblieben und rund drei Monate später nachgereist. Die Familie habe den Irak hauptsächlich wegen der generell gefährlichen Lage verlassen und wegen der Gefahr, dass die Kinder entführt werden könnten. Es gebe bewaffnete Überfälle und einen "Messermann", der Kinder entführe und töte. Die Kinder hätten keine eigenen bzw. darüber hinausgehenden Fluchtgründe.
Der Erstbeschwerdeführer wurde am 19.03.2018 zu den genauen personenbezogenen Daten der Drittbeschwerdeführerin und des Viertbeschwerdeführers einvernommen. In der Folge wurden entsprechend der übersetzten Personalausweise und der Angaben des Erstbeschwerdeführers die personenbezogenen Daten der Drittbeschwerdeführerin und des Viertbeschwerdeführers korrigiert.
Mit den oben im Spruch angeführten Bescheiden des Bundesamtes wurden die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (jeweils Spruchpunkt I.), als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (jeweils Spruchpunkt II.) abgewiesen, den Beschwerdeführern ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (jeweils Spruchpunkt III.), gegen sie gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Darüber hinaus wurde eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gemäß § 55 Abs. 1a FPG eingeräumt (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers im Wesentlichen ausgeführt, das Fluchtvorbringen der Beschwerdeführer werde den Feststellungen nicht zugrunde gelegt. Das Fluchtvorbringen habe nicht glaubhaft gemacht werden können. Darüber hinaus hätten die Beschwerdeführer keinerlei persönliche Verfolgung oder Bedrohung geltend gemacht. Der Todesfall des Freundes des Erstbeschwerdeführers habe keinerlei Bezug zu seiner Person. Der Erstbeschwerdeführer habe darüber hinaus nur Mobbing durch seine schiitischen Kollegen vorgebracht. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführer aus in der GFK genannten Gründen im Irak verfolgt würden oder aktuell einer relevanten Bedrohungssituation für Leib und Leben ausgesetzt wären. Eine darüber hinausgehende aktuelle oder individuell drohende Verfolgung Irak, insbesondere auch wegen der Zugehörigkeit der Beschwerdeführer zu den Schiiten, habe ebenso nicht festgestellt werden können. Im Falle einer Rückkehr würden die Beschwerdeführer über ein familiäres Netzwerk verfügen, welches diese unterstütze. Eine Rückkehr nach Bagdad sei zumutbar. Allgemein schwierige Lebensumstände seien auch vor dem Hintergrund der Länderberichte hinzunehmen. Eine Integration in maßgeblichen Ausmaß in Österreich liege nicht vor, obgleich das Bemühen der Beschwerdeführer nicht verkannt werde. Die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung würden die persönlichen Interessen der Beschwerdeführer an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen.
Zudem traf die belangte Behörde umfangreiche Länderfeststellungen zur allgemeinen Lage im Irak.
Mit dem am 13.04.2018 beim Bundesamt eingebrachten Schriftsatz vom selben Tag erhoben die Beschwerdeführer durch ihre damalige bevollmächtigte Rechtsvertretung das Rechtsmittel der Beschwerde gegen die sie betreffenden Bescheide des Bundesamtes. Darin wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den Beschwerdeführern den Status von Asylberechtigten zuerkennen und ihre Flüchtlingseigenschaft feststellen; in eventu den Beschwerdeführern den Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen; in eventu ihnen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG erteilen; in eventu die Rückkehrentscheidung beheben und feststellen, dass diese auf Dauer unzulässig ist; in eventu Spruchpunkt V. betreffend die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung aufheben; in eventu die angefochtenen Bescheide aufheben und zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt zurückverweisen sowie eine mündliche Verhandlung durchführen. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin hätten ihre Fluchtgründe ausführlich, übereinstimmend und widerspruchslos geschildert. Die belangte Behörde habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren durchgeführt und Beweise mangelhaft gewürdigt. Sowohl der Erstbeschwerdeführer als auch die Zweitbeschwerdeführerin hätten für die irakische Regierung gearbeitet und würden aufgrund ihrer Ausreise nunmehr als Verräter angesehen werden. Die belangte Behörde verkenne die gesamte Situation der Beschwerdeführer im kulturellen Kontext. Die Zweitbeschwerdeführerin pflege eindeutig einen westlichen Lebensstil. Sie habe im Irak eine Ausbildung auf Maturaniveau erworben, ergreife selbstständig das Wort, beziehe bewusst Stellung und sage offen ihre Meinung. Aus den Länderberichten gehe zudem hervor, dass sich die Situation im Irak für Frauen verschlechtert habe. Im Falle einer Rückkehr in den Irak könne sie ihren westlichen Lebensstil nicht weiter ausüben und drohe ihr eine asylrelevante Verfolgung. Die Situation im Irak hinsichtlich dort lebender Kinder sei nicht berücksichtigt worden und ebenso wenig, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr keine familiäre Unterstützung erhalten würden. Aus den Länderberichten ergebe sich, dass in Bagdad eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts gegeben sei.
Die gegenständlichen Beschwerden und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt vorgelegt und sind am 04.05.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
Am 14.05.2018 wurde ein Empfehlungsschreiben (undatiert), am 25.07.2018 ein Jahreszeugnis der Drittbeschwerdeführerin und am 03.09.2018 Bestätigungen jeweils vom 28.08.2018 über die Teilnahme an einem Werte- und Orientierungskurs des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin von der ehemaligen bevollmächtigten Rechtsvertretung der Beschwerdeführer vorgelegt.
Am 27.08.2018 reichte das Bundesamt ein Schreiben der Bezirkshauptmannschaft über den Austausch des irakischen Führerscheines des Erstbeschwerdeführers nach.
Am 18.09.2018 langte die Vollmachtsauflösung der ehemaligen bevollmächtigten Rechtsvertretung der Beschwerdeführer am Bundesverwaltungsgericht ein.
Mit Schreiben vom 01.10.2018, beim Bundesverwaltungsgericht am selben Tag einlangend, wurde die Vollmacht der nunmehrigen bevollmächtigten Rechtsvertretung bekannt gegeben.
Mit Schreiben vom 27.02.2019, am 01.03.2019 einlangend, wurden weitere Integrationsunterlagen, nämlich eine Schulnachricht der Neuen Mittelschule für die Drittbeschwerdeführerin, eine Schulbesuchsbestätigung der Volksschule des Viertbeschwerdeführers sowie ein ÖSD-Deutschzertifikat A2 der Zweitbeschwerdeführerin vorgelegt.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 29.03.2019 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an welcher der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin, ihre bevollmächtigte Rechtsvertretung sowie eine Dolmetscherin für die arabische Sprache teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.
Auf Befragen gab der Erstbeschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen zusammengefasst an, er habe bereits 1994 bei einer militärischen Behörde gearbeitet und habe auch unter Saddam Hussein als Schiit keine Probleme gehabt, bei einer staatlichen Behörde zu arbeiten. Er habe auch nach dem Sturz von Hussein bei dieser Behörde weitergearbeitet. Es handle sich nunmehr um eine zivile Behörde. Der Erstbeschwerdeführer sei an einer Maschine tätig gewesen, welche Wasserflaschen für irakische Parlamentsmitglieder und Minister befülle. Die Arbeitskollegen des Erstbeschwerdeführers wären überwiegend Sunniten gewesen. Diese hätten ihn bei der Arbeit psychisch unter Druck gesetzt und hätten seinen Arbeitsplatz haben wollen. Sie hätten ihn gemobbt, er habe nicht mit den sunnitischen Kollegen essen dürfen und hätten böse Dinge zu ihm gesagt. Er habe eine Versetzung beantragt, diese sei ihm aber wegen seiner unverzichtbaren Arbeit nicht genehmigt worden. Aufgrund der religiösen Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten sei sein schiitischer Freund und Arbeitskollege im Juni 2015 getötet worden. Er könne aber nicht angeben von wem oder wie und habe Angst bekommen, sodass er nicht mehr zur Arbeit gegangen sei und den Entschluss zur Ausreise gefasst habe. Probleme mit Behörden oder Gerichten habe er vor seiner Ausreise keine gehabt. Im Falle einer Rückkehr drohe ihm jedoch eine Strafe, weil er sein Amt verlassen habe. Auch wenn es nun eine zivile Einrichtung sei, gehöre sie dennoch dem Staat. Er habe lediglich während seiner Militärzeit Uniform getragen und habe den Rang eines einfachen Soldaten innegehabt. Sonst habe er in ziviler Kleidung gearbeitet. Er habe sich nicht politisch betätigt und sie trotz Aufforderung nicht der Baath-Partei beigetreten. Auf dem Weg zur Arbeit habe er lediglich einen einzigen Checkpoint passieren müssen. Dort seien Ausweise kontrolliert worden, der Erstbeschwerdeführer habe an diesem Checkpoint nie Probleme gehabt. Es sei schwer für ihn, in den Irak zurückzukehren, er habe dort keine Zukunft mehr. Es gebe und Ungerechtigkeiten, die Kinder hätten sich schon in Österreich eingelebt. Man könne im Irak aufgrund der allgemeinen Lage nicht mehr leben. Es käme zu vielen Entführungen und Vergewaltigungen. Die Drittbeschwerdeführerin müsste wieder einen Schleier tragen. Auf Vorhalt, dass die Journalistin Birgit Svensson seit 2009 in Bagdad keinen Schleier mehr trage, gab der Erstbeschwerdeführer an, das sei richtig. Die Kinder würden schon überwiegend Deutsch sprechen und gehe es ihnen in Österreich gut mit ihren Freunden.
Sodann gab die Zweitbeschwerdeführerin an, sie habe in den letzten Jahren nach dem Sturz Husseins ein Kopftuch getragen, da das von der Gesellschaft und auch von der Familie zum Schutz der Zweitbeschwerdeführerin so verlangt worden sei. Für ein Mädchen sei die Lage nicht sicher. Die Freiheit werde unterdrückt. Auf Vorhalt, dass die Journalistin Birgit Svensson seit 2009 in Bagdad keinen Schleier mehr trage, gab die Zweitbeschwerdeführerin an, sie hätten im Irak gelebt und es sei ganz schwer, dass sein Mädchen ohne Kopftuch und lange Kleider außer Haus gehen könne. Das sei in ganz Bagdad so und hätten bis zur Ausreise der Zweitbeschwerdeführerin auch alle Frauen in Bagdad Kopftuch getragen. Zum Arbeitsplatz sei die Zweitbeschwerdeführerin mit einer "Sammelfahrt" im Auto mit ihren Kolleginnen gekommen. Ausgereist sei die Zweitbeschwerdeführerin erstens wegen des Erstbeschwerdeführers und zweitens wegen ihrer Arbeit. Die Gehälter seien immer weiter gekürzt worden. Sie hätte viel Energie und Aktivität in ihre Weiterentwicklung gesteckt, aber die Religionen hätten dies nicht gewollt. Es sei zu einem Überfall in der Nähe des Arbeitsplatzes der Zweitbeschwerdeführerin gekommen. Es sei zu Drohungen gekommen, dass die Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz verlassen sollten. Dies habe der Chef der Zweitbeschwerdeführerin erhalten. Drei Personen hätten den Arbeitsplatz angezündet, dabei sei eine Abteilung verbrannt. Das sei im März 2014 gewesen. Die Zweitbeschwerdeführerin legte dazu Polizeidokumente und eine Dokumentations-CD vor. Sie sei jedoch weiter im Irak geblieben und habe zwischen März 2014 und September 2015 weiterhin zweimal wöchentlich gearbeitet, obwohl es immer zu weiteren Gehaltskürzungen gekommen sei. Man hätte im brandbeschädigten Gebäude weitergearbeitet, welches jedoch von einer Wache bewacht worden sei. Im August habe sie ihre Arbeit endgültig verlassen, um ihre Ausreise zu organisieren. Sie habe sich unerlaubt von der Arbeit entfernt und würden ihr dienstrechtliche Konsequenzen drohen. Die Regierung würde sie bestrafen, aber sie wisse nicht wie, das habe sie noch nicht ausprobiert. Davon habe sie jedoch erst in Österreich erfahren. Im Irak sei ihr nicht bewusst gewesen, dass ihr eine Strafe drohen könnte. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin hätten immer so gearbeitet, dass jemand von ihnen bei den Kindern sein konnte. Seit der Ausreise des Erstbeschwerdeführers und der Drittbeschwerdeführerin habe die Großmutter auf den Viertbeschwerdeführer aufgepasst. 2015 seien vor der Schule der Drittbeschwerdeführerin bei der Mülldeponie Sprengsätze gelegt worden seien. Der Erstbeschwerdeführer sei daraufhin mit der Drittbeschwerdeführerin im Juli 2015 ausgereist. Sie habe ihr Kind aus dieser misslichen Lage in Bagdad befreien wollen, das sei Grund genug für eine Ausreise. Die Tochter habe hier eine gute Schulbildung, sie trage Shorts und offene Haare. Das wäre im Irak nicht möglich. Sie habe - sofern nicht gerade ein Stromausfall herrsche - täglich Kontakt mit ihren Angehörigen im Irak. Die Kinder ihrer Geschwister würden in Bagdad auch in die Schule gehen. Sie würden nicht bedroht werden. Es seien jedoch zu viele Kinder in einer Klasse und würde es zu wenige Sitzplätze geben. Im Sommer sei es mangels Ventilatoren sehr heiß. Auch zu den Eltern und der Schwester des Erstbeschwerdeführers bestehe sehr oft Kontakt. Auch diese seien keinen Bedrohungen im Irak ausgesetzt gewesen. Im Irak könne sie nicht so leben wie in Österreich.
Seitens der erkennenden Richterin wurden die im Akt einliegenden Feststellungen und Berichte über die allgemeine Lage im Herkunftsstaat in das Verfahren eingebracht und die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.
Auf die mündliche Verkündung der Entscheidung wurde verzichtet.
Seitens der bevollmächtigten Rechtsvertretung der Beschwerdeführer wurde mit am 11.04.2019 beim Bundesverwaltungsgericht einlangenden Schreiben hinsichtlich der gewährten Stellungnahme-Frist eine Fristverlängerung von zwei Wochen beantragt und in der Folge vom Bundesverwaltungsgericht gewährt.
In der per Fax beim Bundesverwaltungsgericht einlangenden Stellungnahme vom 25.04.2019 wird zu den Länderberichten ausgeführt, dass zwar in sämtlichen Berichten über die Situation im Irak, mit der die Beschwerdeführer im Falle einer Abschiebung konfrontiert wären, auf eine relative Verbesserung der Sicherheitslage verwiesen werde, dies jedoch in Bezug auf die absolut katastrophalen Verhältnisse, wie etwa Entführungen mit lebenslanger Traumatisierung der Opfer und Bewunderung für den Überlebenswillen und Mut einzelner Intellektueller, deren Situation mit jener der Beschwerdeführer nicht vergleichbar sei. Das Bildungswesen sei offensichtlich zusammengebrochen. Es könne jedenfalls nicht von einer Dauerhaftigkeit sicherer und zumutbarer Verhältnisse die Rede sein. Eine Prognose sei unmöglich. Das UNHCR habe daher laut Pressemeldungen in aktuellen "Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus dem Irak fliehen" empfohlen, von Rückschiebungen in den Irak Abstand zu nehmen. Die Anträge auf internationalen Schutz würden wiederholt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführer führen die im Spruch jeweils angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und sind Staatsangehörige des Irak, Angehörige der Volksgruppe der Araber und bekennen sich zum moslemischen Glauben schiitischer Ausrichtung (vgl etwa Erstbefragung Erstbeschwerdeführer vom 15.08.2015, AS 11 ff Erstbeschwerdeführer; Erstbefragung Zweitbeschwerdeführerin vom 26.10.2015, AS 9 ff Zweitbeschwerdeführerin; Angaben Erstbeschwerdeführer, Niederschrift Bundesamt vom 06.09.2017, AS 55 ff Erstbeschwerdeführer; Angaben Zweitbeschwerdeführerin, Niederschrift Bundesamt vom 06.09.2017, AS 43 ff Zweitbeschwerdeführerin; irakischer Personalausweis und irakischer Führerschein Erstbeschwerdeführer, AS 69 und AS 77 Erstbeschwerdeführer; irakischer Personalausweis der Zweitbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführerin und des Viertbeschwerdeführers, AS 73 ff Zweitbeschwerdeführerin).
Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind standesamtlich verheiratet. Aus dieser Ehe stammen die minderjährige Drittbeschwerdeführerin und der minderjährige Viertbeschwerdeführer (vgl Kopie der originalen irakischen Heiratsurkunde, AS 67 Zweitbeschwerdeführerin; Erstbefragung Erstbeschwerdeführer vom 15.08.2015, AS 11 ff Erstbeschwerdeführer; Erstbefragung Zweitbeschwerdeführerin vom 26.10.2015, AS 9 ff Zweitbeschwerdeführerin; Angaben Erstbeschwerdeführer, Niederschrift Bundesamt vom 06.09.2017, AS 55 ff Erstbeschwerdeführer; Angaben Zweitbeschwerdeführerin, Niederschrift Bundesamt vom 06.09.2017, AS 43 ff Zweitbeschwerdeführerin).
Der Erstbeschwerdeführer verließ mit der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin den Irak am 17.07.2015 auf dem Luftweg und flog mit ihr von Bagdad nach Izmir/Türkei. Von dort reisten sie schlepperunterstützt über Griechenland, Nordmazedonien, Serbien und Ungarn illegal nach Österreich, wo sie am 13.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellten. Die Zweitbeschwerdeführerin und der minderjährige verblieben aus finanziellen Gründen noch etwa drei Monate im Irak, wo die Zweitbeschwerdeführerin auch bis Ende September 2015 auch weiterhin ihrer Erwerbstätigkeit in Bagdad nachgegangen ist (vgl etwa Erstbefragung Erstbeschwerdeführer vom 15.08.2015, AS 11 ff Erstbeschwerdeführer; Angaben Erstbeschwerdeführer, Niederschrift Bundesamt vom 06.09.2017, AS 59 Erstbeschwerdeführer; Einvernahme Erstbeschwerdeführer, Verhandlungsprotokoll vom 29.03.2019, S 5; Einvernahme Zweitbeschwerdeführerin, Verhandlungsprotokoll vom 29.03.2019, S 11 f).
Die Zweitbeschwerdeführerin und der minderjährige Viertbeschwerdeführer verließen den Irak legal auf dem Luftweg am 13.10.2015 und flogen von Bagdad aus nach Istanbul/Türkei und von dort weiter nach Izmir/Türkei. In der Folge reisten auch die Zweitbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer schlepperunterstützt über Griechenland, Nordmazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien illegal nach Österreich, wo sie am 26.10.2015 ebenso einen Antrag auf internationalen Schutz stellten (vgl etwa Erstbefragung Zweitbeschwerdeführerin vom 26.10.2015, AS 15 ff; Angaben Zweitbeschwerdeführerin, Niederschrift Bundesamt vom 06.09.2017, AS 47 f Zweitbeschwerdeführerin; Einvernahme Zweitbeschwerdeführerin, Verhandlungsprotokoll vom 29.03.2019, S 11 f).
Der Erstbeschwerdeführer hat im Irak sechs Jahre eine Grundschule und zwei Jahre eine mittlere Schule besucht, diese aber nicht abgeschlossen. Ab 1994 arbeitete der Erstbeschwerdeführer in einem staatlichen Betrieb bzw. einer damaligen dem Militär zugehörigen Behörde in einer "Flaschenfabrik". Unter anderem wurden dort auch Sauerstoffflaschen hergestellt oder befüllt. Um das Jahr 2000 war der Erstbeschwerdeführer für etwa drei Jahre als einfacher Soldat beim irakischen Militär und weitere zwei Jahre Reservist. Von 2003 bis 2004 arbeitete der Erstbeschwerdeführer in einer Aluminiumfabrik im Libanon. Nach seiner Rückkehr in den Irak 2004 war er als Bäcker tätig. Seit 2005 bis Ende Juni 2015 war der Beschwerdeführer wieder in der Flaschenfabrik tätig, die nunmehr eine zivile Einrichtung war. Die Beschwerdeführer lebten bis zur Ausreise im Elternhaus des Erstbeschwerdeführers in Bagdad. Dort leben nach wie vor die beiden Eltern des Erstbeschwerdeführers. Sein Vater ist Pensionist, seine Mutter Hausfrau. Weiters lebt eine der älteren Schwestern des Erstbeschwerdeführers noch in Bagdad und ist auch sie Hausfrau. Zu den Verwandten des Erstbeschwerdeführers besteht wöchentlich mehrfach Kontakt. Der Beschwerdeführer hat weiters einen Bruder, der als anerkannter Flüchtling in Belgien lebt und eine Schwester, die bereits norwegische Staatsangehörige ist (vgl etwa Erstbefragung Erstbeschwerdeführer vom 15.08.2015, AS 11 ff Erstbeschwerdeführer;
Angaben Erstbeschwerdeführer, Niederschrift Bundesamt vom 06.09.2017, AS 57 ff Erstbeschwerdeführer; Einvernahme Erstbeschwerdeführer, Verhandlungsprotokoll vom 29.03.2019, S 4 ff;
Einvernahme Zweitbeschwerdeführerin, Verhandlungsprotokoll vom 29.03.2019, S 14; aktenkundige Dienstausweise des Erstbeschwerdeführers, AS 79 und 81 Erstbeschwerdeführer).
Ein besonderes Nahe- und/Abhängigkeitsverhältnis zur in Österreich lebenden Schwester des Erstbeschwerdeführers, deren Kindern oder seinem in Österreich aufhältigen Bruder wurde weder vorgebracht noch ist ein solches sonst hervorgekommen.
Die Zweitbeschwerdeführerin hat ihre Schulbildung im Irak mit Matura abgeschlossen. Ab 2003 arbeitete sie im Medienministerium in Bagdad im Bereich Zeitschriften. Als im Irak die Probleme um Saddam Hussein begannen, hat sie mit der Arbeit aufgehört und kehrte 2009 wieder in ihren Beruf zurück. Nunmehr handelte es sich aber um das Kulturministerium, Abteilung Cinema und Theater, wo die Zweitbeschwerdeführerin bis 2013 tätig war. Von 2013 bis September 2015 war die Zweitbeschwerdeführerin in der Abteilung "Kulturhaus" des Ministeriums tätig. Dort arbeitete sie zweimal pro Woche. In Bagdad leben nach wie vor die Eltern, eine Schwester und ein Bruder der Zweitbeschwerdeführerin, wobei der Vater und der Bruder als Taxifahrer berufstätig und die Mutter und die Schwester Hausfrauen sind. Zwei weitere Schwestern der Zweitbeschwerdeführerin leben in Kirkuk und sind ebenso Hausfrauen. Sofern es keinen Stromausfall gibt, hat die Zweitbeschwerdeführerin mit ihren Geschwistern in Bagdad täglich Kontakt. Die Kinder der in Bagdad lebenden Geschwister besuchen dort die Schule. Es bestehen hinsichtlich der Familie der Zweitbeschwerdeführerin keinerlei Probleme oder Bedrohungen. Ein Bruder der Zweitbeschwerdeführerin lebt in Deutschland (vgl etwa Erstbefragung Zweitbeschwerdeführerin vom 26.10.2015, AS 9 ff Zweitbeschwerdeführerin; Angaben Zweitbeschwerdeführerin, Niederschrift Bundesamt vom 06.09.2017, AS 43 ff Zweitbeschwerdeführerin; Einvernahme Zweitbeschwerdeführerin, Verhandlungsprotokoll vom 29.03.2019, S 9 ff; Maturazeugnis, AS 59 Zweitbeschwerdeführerin; Dienstausweise der Zweitbeschwerdeführerin für das Kulturministerium, AS 61 ff Zweitbeschwerdeführerin; Versetzungsbestätigung, AS 69 Zweitbeschwerdeführerin).
Es ist daher festzustellen, dass die Beschwerdeführer im Irak über ein familiäres Auffangnetz verfügen.
Die minderjährige Drittbeschwerdeführerin besuchte bereits im Irak die Schule. Der minderjährige Viertbeschwerdeführer wurde von der Zweitbeschwerdeführerin betreut. An ihren beiden Arbeitstagen wurde er entweder von der Großmutter oder vom Erstbeschwerdeführer beaufsichtigt (vgl etwa Einvernahme Zweitbeschwerdeführerin, Verhandlungsprotokoll vom 29.03.2019, S 9 ff).
Die Beschwerdeführer sind allesamt gesund und arbeits- bzw. schulfähig. Die Zweitbeschwerdeführerin benötigt Schilddrüsentabletten, ist dadurch aber nicht in ihrer Arbeitsfähigkeit beeinträchtigt. Es konnte nicht festgestellt werden, dass einer der Beschwerdeführer an einer lebensbedrohlichen Erkrankung im Endstadium leidet, die im Irak nicht behandelbar wäre (vgl Angaben Erstbeschwerdeführer, Niederschrift Bundesamt vom 06.09.2017, AS 57; Einvernahme Erstbeschwerdeführer, Verhandlungsprotokoll vom 29.03.2019, S 3 f; Einvernahme Zweitbeschwerdeführerin, Verhandlungsprotokoll vom 29.03.2019, S 9 ff).
Die Beschwerdeführer halten sich seit ihrer jeweiligen Einreise ununterbrochen im Bundesgebiet auf. Für den Viertbeschwerdeführer bestehen jedoch im Bundesgebiet keine Wohnsitzmeldungen. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind strafgerichtlich unbescholten (vgl aktenkundige Auszüge aus dem Zentralen Melderegister sowie aus dem Strafregister vom 24.05.2019).
Weder der Erstbeschwerdeführer noch die Zweitbeschwerdeführerin gingen im Bundesgebiet bisher einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nach. Die Familie lebt von der Grundversorgung. Der Erstbeschwerdeführer wünscht sich eine Tätigkeit als Koch oder Taxifahrer. Eine Einstellungszusage konnte er bisher nicht vorlegen, jedoch besucht er einen Basisbildungskurs bei ISOP für Erwachsene. Die Zweitbeschwerdeführerin konnte im Rahmen der mündlichen Verhandlung eine undatierte Einstellungszusage vorlegen. Die Beschwerdeführer sind allesamt keine Mitglieder in einem Verein. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin engagieren sich auch nicht ehrenamtlich. Sie besuchen öfters die Kirche im Wohnort, wo sie auch am Deutschunterricht teilnahmen, und nehmen an Veranstaltungen der Kinder in der Schule bzw. früher dem Kindergarten teil und haben Bekanntschaften mit Einheimischen geschlossen. Die Zweitbeschwerdeführerin engagiert sich im Elternverein der Drittbeschwerdeführerin (vgl Angaben Erstbeschwerdeführer, Niederschrift Bundesamt vom 06.09.2017, AS 58 ff Erstbeschwerdeführer; Angaben Zweitbeschwerdeführerin, Niederschrift Bundesamt vom 06.09.2017, AS 47 Zweitbeschwerdeführerin; Bestätigung Pfarramt vom 16.08.2017, AS 85 Erstbeschwerdeführer; undatiertes Empfehlungsschreiben, AS 83 Erstbeschwerdeführer; Verhandlungsprotokoll vom 29.03.2019, S 10; Empfehlungsschreiben vom 18.08.2017, AS 99 Zweitbeschwerdeführerin).
Sowohl der Erstbeschwerdeführer als auch die Zweitbeschwerdeführerin haben einen Werte- und Orientierungskurs absolviert (vgl aktenkundige Bestätigungen des ÖIF vom 28.08.2018). Der Erstbeschwerdeführer hat ein Deutschseminar des BFI (Alpha 1) besucht, er spricht gebrochen Deutsch (vgl Niederschrift Bundesamt vom 06.09.2017, AS 58 Erstbeschwerdeführer; Teilnahmebestätigung BFI vom 11.05.2017, AS 87 Erstbeschwerdeführer). Die Zweitbeschwerdeführerin verfügt über ein ÖSD-Deutschzertifikat A2 und hat mehrere Deutschkurse besucht. Tatsächlich spricht auch sie gebrochen Deutsch (vgl aktenkundiges Zertifikat; Niederschrift Bundesamt vom 06.09.2017, AS 47 Zweitbeschwerdeführerin; Seminarbestätigungen BFI vom 09.03.2017, 06.04.2017 & 09.06.2017, AS 103, 115 & 167 Zweitbeschwerdeführerin).
Die minderjährige Drittbeschwerdeführerin besuchte erst die Volksschule und nunmehr die erste Klasse (5. Schulstufe) eine Neue Mittelschule im Bundesgebiet. Die Drittbeschwerdeführerin wird als ordentliche Schülerin geführt und wurde in jedem Fach (positiv) beurteilt. Der minderjährige Viertbeschwerdeführer besuchte erst den Kindergarten und nunmehr die erste Klasse (1. Schulstufe) Volksschule als außerordentlicher Schüler im Bundesgebiet (vgl aktenkundige Schulnachrichten, Schulzeugnisse und Kindergartenmappen, AS 81 ff Zweitbeschwerdeführerin).
Insgesamt konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration der Beschwerdeführer in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.
Die Beschwerdeführer haben im Irak an keinen bewaffneten Auseinandersetzungen teilgenommen. Sie sind weder Mitglieder einer politischen Partei noch haben sie sich sonst politisch betätigt oder an Demonstrationen teilgenommen. Sie hatten weiters keinerlei Probleme mit staatlichen Behörden, der Polizei oder einem Gericht oder aufgrund ihrer Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit im Irak. Die Beschwerdeführer haben den Irak wegen der allgemeinen Lage verlassen und lag keinerlei sie persönlich treffende Bedrohung oder Verfolgung vor (vgl Niederschrift Bundesamt vom 06.09.2017, AS 55 ff Erstbeschwerdeführer und AS 43 ff Zweitbeschwerdeführerin; Verhandlungsprotokoll vom 29.03.2019).
Ein konkreter Anlass oder Vorfall für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte daher nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass den Beschwerdeführern im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt sind oder dass Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.
Zur entscheidungsrelevanten Lage im Irak:
Zur allgemeinen Lage im Irak werden die vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 29.03.2019 in das Verfahren eingeführten Länderberichte, nämlich ein Konvolut aus fallbezogen relevanten aktueller Länderberichte samt den angeführten Quellen basierend auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 20.11.2018 auch als entscheidungsrelevante Feststellungen zum endgültigen Gegenstand des Erkenntnisses erhoben.
Daraus ergibt sich:
"1. Allgemeine Sicherheitslage:
1.1. Allgemeine Sicherheitslage und Islamischer Staat (IS):
Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den sogenannten Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt Mossul der Provinz Ninava gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen Anbar, Diyala und Salah al-Din im Zentral- und Südirak voraus. Die kriegerischen Ereignisse im Irak seit 2014 brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um Bagdad sowie im Umkreis von Kirkuk, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein geringer Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Vor dem Hintergrund einer längerfristigen Tendenz unter den Binnenvertriebenen zur Rückkehr in ihre Herkunftsgebiete waren mit 31.03.2018 noch ca. 2,2 Mio. (seit 2014) Binnenvertriebene innerhalb des Iraks registriert, diesen standen wiederum ca. 3,6 Mio. Zurückgekehrte gegenüber. Ca. 90% der bis Ende März 2018 in ihre Herkunftsregion zurückgekehrten ca. 124.000 Binnenvertriebenen stammten aus den Provinzen Anbar, Kirkuk, Ninava und Salah al-Din, 107.000 kehrten alleine in die Provinz Ninava, ca. 77.000 in den Bezirk Mossul zurück.
Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), sowie mit Unterstützung alliierter ausländischer Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze westlich von Mossul. Ab November 2016 wurden sukzessive die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tel Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk. Mit Beginn des Dezember 2017 musste der IS seine letzten territorialen Ansprüche innerhalb des Iraks aufgeben, am 01.12.2017 erklärte Premier Abadi den gesamtem Irak für vom IS befreit.
Im Zuge der Rückeroberungen von IS-Gebieten (IS: sogenannter Islamischer Staat) werden weiterhin Massengräber gefunden. Zuletzt wurde in der Nähe der Militärbasis al-Bakara etwa drei Kilometer vor der Stadt Hawija ein Grab mit mindestens 400 Toten (mutmaßlichen IS-Opfern) entdeckt (MOI 3.11.2017; Standard 11.11.2017). Umgekehrt treten weitere Berichte von Racheakten von Seiten der Befreier zutage, laut Nahostexpertin Gudrun Harrer scheint der Zyklus der Gewalt mit dem Sieg über den IS nicht unterbrochen (Harrer 24.11.2017). Mehr als 3,1 Millionen Iraker (die überwältigende Mehrheit Sunniten) sind weiterhin Vertriebene. Weitere 2,3 Millionen sind in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt. Für den Wiederaufbau ihrer Städte erhielten die Sunniten nicht viel Hilfe von der Zentralregierung, die sich mehr auf die Bekämpfung/Zurückdrängung des IS und zuletzt der Kurden konzentrieren (NYTimes 26.10.2017).
Ab dem 03.11.2017 mit Stand 17.11.2017 wurden die drei letzten irakischen Städte, die sich noch unter der Kontrolle des IS befanden, Al-Qaim, Ana und Rawa (alle drei im Westen des Landes) von den irakischen Streitkräften zurückerobert. Laut der US-geführten Koalition zur Bekämpfung des IS hat dieser nun 95 Prozent jener irakischen und syrischen Territorien verloren, welches er im Jahr 2014 als Kalifat ausgerufen hatte (Telegraph 17.11.2017; IFK 60.11.2017). Das Wüstengebiet nördlich der drei Städte bleibt vorerst weiterhin IS-Terrain. Die Gebiete rund um Kirkuk und Hawija gehören zu jenen Gebieten, bei denen das Halten des Terrains eine große Herausforderung darstellt. (MEE 16.11.2017; Reuters 05.11.2017; BI 13.11.2017). Es stellt sich auch die Frage, wo sich jene IS-Kämpfer aufhalten, die, nicht getötet wurden oder die nicht in Gefängnissen sitzen (alleine in Mossul gab es vor der Rückeroberung 40.000 IS-Kämpfer). Viele sind in die Wüste geflohen oder in der Zivilbevölkerung untergetaucht. Es gab es auch umstrittene Arrangements, die den Abzug von IS-Kämpfern und ihren Familien erlaubten. Der IS ist somit nicht verschwunden, nur sein Territorium (Harrer 24.11.2017).
Seit der IS Offensive im Jahr 2014 ist die Zahl der Opfer im Irak nach wie vor nicht auf den Wert der Zeit zwischen 2008 - 2014 zurückgegangen, in der im Anschluss an den konfessionellen Bürgerkrieg 2006-2007 eine Phase relativer Stabilität einsetzte (MRG 10.2017; vgl. IBC 23.11.2017). Von dem Höchstwert von 4.000 zivilen Todesopfern im Juni 2014 ist die Zahl 2016 [nach den Zahlen von Iraq Body Count] auf 1.500 Opfer pro Monat gesunken; dieser sinkende Trend setzt sich im Jahr 2017 fort (MRG 10.2017). Nach den von Joel Wing dokumentierten Vorfällen, wurden in den Monaten August, September und Oktober 2017 im Irak 2.988 Zivilisten getötet (MOI 09.-11.2017).
Seitdem der IS Ende 2017 das letzte Stück irakischen Territoriums verlor, hat er drei Phasen durchlaufen: Zunächst kam es für einige Monate zu einer Phase remanenter Gewalt; dann gab es einen klaren taktischen Wandel, weg von der üblichen Kombination aus Bombenanschlägen und Schießereien, zu einem Fokus auf die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes. Die Kämpfer formierten sich neu und im Zuge dessen kam es zu einem starken Rückgang an Angriffen. Jetzt versucht der IS, die Kontrolle über die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes und über Grenzgebiete zurückzuerlangen. Gleichzeitig verstärkt er die direkte Konfrontation mit den Sicherheitskräften (Joel Wing 3.7.2018). Im September 2018 fanden die IS-Angriffe wieder vermehrt in Bagdad statt und es ist eine Rückkehr zu Selbstmordanschlägen und Autobomben feststellbar (Joel Wing 6.10.2018).
Mit Stand Oktober 2018 waren Einsätze der irakischen Sicherheitskräfte gegen IS-Kämpfer in den Provinzen Anbar, Ninewa, Diyala und Salah al-Din im Gang. Ziel war es, den IS daran zu hindern sich wieder zu etablieren und ihn von Bevölkerungszentren fernzuhalten. Irakische Beamte warnen vor Bemühungen des IS, Rückzugsorte in Syrien für die Infiltration des Irak zu nutzen. Presseberichte und Berichte der US-Regierung sprechen von anhaltenden IS-Angriffen, insbesondere in ländlichen Gebieten von Provinzen, die vormals vom IS kontrolliert wurden (CRS 4.10.2018; vgl. ISW 2.10.2018, Atlantic 31.8.2018, Jamestown 28.7.2018, Niqash 12.7.2018). In diesen Gebieten oder in Gebieten, in denen irakische Sicherheitskräfte abwesend sind, kommt es zu Drohungen, Einschüchterungen und Tötungen durch IS-Kämpfer, vor allem nachts (CRS 4.10.2018).
Es gibt immer häufiger Berichte über Menschen, die aus Dörfern in ländlichen Gebieten, wie dem Bezirk Khanaqin im Nordosten Diyalas, fliehen. Ortschaften werden angegriffen und Steuern vom IS erhoben. Es gibt Gebiete, die in der Nacht No-go-Areas für die Sicherheitskräfte sind und IS-Kämpfer, die sich tagsüber offen zeigen. Dies geschieht trotz ständiger Razzien durch die Sicherheitskräfte, die jedoch weitgehend wirkungslos sind (Joel Wing 6.10.2018).
Die Extremisten richten auch falsche Checkpoints ein, an denen sie sich als Soldaten ausgeben, Autos anhalten und deren Insassen entführen, töten oder berauben (Niqash 12.7.2018; vgl. WP 17.7.2018).
Das Hauptproblem besteht darin, dass es in vielen dieser ländlichen Gebiete wenig staatliche Präsenz gibt und die Bevölkerung eingeschüchtert wird (Joel Wing 6.10.2018). Sie kooperiert aus Angst nicht mit den Sicherheitskräften. Im vergangenen Jahr hat sich der IS verteilt und in der Zivilbevölkerung verborgen. Kämpfer verstecken sich an den unzugänglichsten Orten: in Höhlen, Bergen und Flussdeltas. Der IS ist auch zu jenen Taktiken zurückgekehrt, die ihn 2012 und 2013 zu einer Kraft gemacht haben: Angriffe, Attentate und Einschüchterungen, besonders nachts. In den überwiegend sunnitischen Provinzen, in denen der IS einst dominant war (Diyala, Salah al-Din und Anbar), führt die Gruppe nun wieder Angriffe von großer Wirkung durch (Atlantic 31.8.2018).
Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat (IS). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert (CRS 4.10.2018; vgl. MIGRI 6.2.2018). IS-Kämpfer sind jedoch weiterhin in manchen Gebieten aktiv, die Sicherheitslage ist veränderlich (CRS 4.10.2018).
Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.2.2018).
In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.2.2018). Insbesondere in Bagdad kommt es zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (MIGRI 6.2.2018).
1.2. Allgemeine Sicherheitslage in Kurdistan:
Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Am 25.09.2017 hielt die kurdische Regionalregierung ein Referendum für eine mögliche Unabhängigkeitserklärung der Autonomieregion mitzustimmendem Ausgang ab. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk.
Das Verhältnis der Zentralregierung zur kurdischen Autonomieregion, die einen semi-autonomen Status innehat, hat sich seit der Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums in der Autonomieregion und einer Reihe zwischen Bagdad und Erbil umstrittener Gebiete am 25. September 2017 deutlich verschlechtert (AA 12.2.2018). Die Kurden konnten das von ihnen kontrollierte Territorium im Irak in Folge der Siege gegen den IS zunächst ausdehnen. Mit dem Referendum am 25.9.2017 versuchte die kurdische Regional-Regierung unter Präsident Masud Barzani, ihren Anspruch auch auf die von ihr kontrollierten Gebiete außerhalb der drei kurdischen Provinzen zu bekräftigen und ihre Verhandlungsposition gegenüber der Zentralregierung in Bagdad zu stärken (BPB 24.1.2018).
Bagdad reagierte mit der militärischen Einnahme eines Großteils der umstrittenen Gebiete, die während des Kampfes gegen den IS von kurdischen Peshmerga übernommen worden waren, angefangen mit der ölreichen Region um Kirkuk (AA 12.2.2018). Die schnelle militärische Rückeroberung der umstrittenen Gebiete durch die irakische Armee, einschließlich der Erdöl- und Erdgasfördergebiete um Kirkuk, mit massiver iranischer Unterstützung, bedeutete für die kurdischen Ambitionen einen Dämpfer. Präsident Barzani erklärte als Reaktion darauf am 29.10.2017 seinen Rücktritt. Der kampflose Rückzug der kurdischen Peshmerga scheint auch auf zunehmende Differenzen zwischen den kurdischen Parteien hinzudeuten (BPB 24.1.2018).
Grundlegende Fragen wie Öleinnahmen, Haushaltsfragen und die Zukunft der umstrittenen Gebiete sind weiterhin ungelöst zwischen Bagdad und der kurdischen Autonomieregion (AA 12.2.2018).
Im Dezember 2017 forderte die gewaltsame Auflösung von Demonstrationen gegen die Regionalregierung in Sulaymaniya mehrere Todesopfer. Daraufhin hat sich die Oppositionspartei Gorran aus dem kurdischen Parlament zurückgezogen (BPB 24.1.2018). In der Autonomieregion gehen die Proteste schon auf die Zeit gleich nach 2003 zurück und haben seitdem mehrere Phasen durchlaufen. Die Hauptforderungen der Demonstranten sind jedoch gleich geblieben und drehen sich einerseits um das Thema Infrastrukturversorgung und staatliche Leistungen (Strom, Wasser, Bildung, Gesundheitswesen, Straßenbau, sowie die enormen Einkommensunterschiede) und andererseits um das Thema Regierungsführung (Rechenschaftspflicht, Transparenz und Korruption) (LSE 4.6.2018).
Am 30.9.2018 fanden in der kurdischen Autonomieregion Wahlen zum Regionalparlament statt (Tagesschau 30.9.2018). Mit einer Verzögerung von drei Wochen konnte die regionale Wahlkommission am 20.10.2018 die Endergebnisse veröffentlichen. Zahlreiche Parteien hatten gegen die vorläufigen Ergebnisse Widerspruch eingelegt. Gemäß der offiziellen Endergebnisse gewann die KDP mit 686.070 Stimmen (45 Sitze), vor der PUK mit 319.912 Stimmen (21 Sitze) und Gorran mit
186.903 Stimmen (12 Sitze) (ANF 21.10.2018; vgl. Al Jazeera 21.10.2018, RFE/RL 21.10.2018). Die Oppositionsparteien lehnen die Abstimmungsergebnisse ab und sagen, dass Beschwerden über den Wahlbetrug nicht gelöst wurden (Al Jazeera 21.10.2018).
Eine Einreise in die Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist aktuell aus Österreich auf dem Luftweg ausgehend vom Flughafen Wien via Amman und via Dubai nach Erbil und auf indirektem Weg via Bagdad möglich.
1.3. Sicherheitslage und Versorgungslage in den südirakischen Provinzen (insbesondere Basra):
Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte vorerst eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte. Aktuell sind im Gefolge der Vertreibung des IS aus seinem früheren Herrschaftsgebiet im Irak keine maßgeblichen sicherheitsrelevanten Ereignisse bzw. Entwicklungen für die Region bekannt.
Der gesamte südliche Teil des Irak, einschließlich der Provinz Babil, steht nominell unter der Kontrolle der irakischen Regierung. Vielerorts scheinen die Regierungsbehörden gegenüber lokalen Stämmen und Milizen noch immer in einer schwächeren Position zu sein. Die irakische Regierung war gezwungen, dem Kampf gegen den IS im Zentral- und Nordirak in den letzten Jahren Vorrang einzuräumen und bedeutende militärische und polizeiliche Ressourcen aus dem Süden abzuziehen und in diese Gegenden zu entsenden. Vor diesem Hintergrund sind Stammeskonflikte, eskalierende Gesetzlosigkeit und Kriminalität ein Problem der lokalen Sicherheitslage. Die Bemühungen der Regierung, die Kontrolle wieder zu übernehmen, scheinen noch nicht zum entscheidenden Erfolg geführt zu haben. Regierungsnahe Milizen sind in unterschiedlichem Maße präsent, aber der Großteil ihrer Kräfte wird im Norden eingesetzt. Terrorismus und Terrorismusbekämpfung spielen im Süden nach wie vor eine Rolle, insbesondere in Babil, aber im Allgemeinen in geringerem Maße als weiter im Norden. Noch immer gibt es vereinzelte Terroranschläge (Landinfo 31.5.2018).
In der Provinz Basra kam es in den vergangenen Monaten immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen bewaffneter Gruppierungen. In Basra und den angrenzenden Provinzen besteht ebenfalls das Risiko von Entführungen (AA 1.11.2018).
Seit 2015 finden in allen Städten des Südirak regelmäßig Demonstrationen statt, um gegen die Korruption der Regierung und die Arbeitslosigkeit zu protestieren und eine bessere Infrastruktur zu fordern. Gewöhnlich finden diese Demonstrationen in Ruhe statt, sie haben jedoch auch schon zu Zusammenstößen mit der Polizei geführt, zu Verletzten und Toten (CEDOCA 28.2.2018). Dies war auch im Juli und September 2018 der Fall, als Demonstranten bei Zusammenstößen mit der Polizei getötet wurden (Al Jazeera 16.7.2018; vgl. Joel Wing 5.9.2018, AI 7.9.2018).
1.4. Sicherheitslage Nord- und Zentralirak (Kirkuk):
In den Provinzen Ninewa und Salah al-Din muss weiterhin mit schweren Anschlägen und offenen bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen dem IS und irakischen Sicherheitskräften gerechnet werden. Diese Gefährdungslage gilt ebenfalls für die Provinz Anbar und die Provinz Ta'mim (Kirkuk), sowie auch für die Provinz Diyala. Hinzu kommen aktuelle Spannungen zwischen irakischen Streitkräften und kurdischen Peshmerga (AA 1.11.2018).
Mit dem Zuwachs und Gewinn an Stärke von lokalen und sub-staatlichen Kräften, haben diese auch zunehmend Verantwortung für die Sicherheit, politische Steuerung und kritische Dienstleistungen übernommen. Infolgedessen ist der Nord- und Zentralirak, obgleich nicht mehr unter der Kontrolle des IS, auch nicht unter fester staatlicher Kontrolle. Die Fragmentierung der Macht und die große Anzahl an mobilisierten Kräften mit widersprüchlichen Loyalitäten und Programmen stellt eine erhebliche Herausforderung für die allgemeinen Stabilität dar (GPPI 3.2018).
Der Zentralirak ist derzeit der wichtigste Stützpunkt für den IS. Die Gewalt dort nahm im Sommer 2018 zu, ist aber inzwischen wieder gesunken. In der Provinz Diyala beispielsweise fiel die Zahl sicherheitsrelevanter Vorfälle von durchschnittlich 1,7 Vorfällen pro Tag im Juni 2018 auf 1,1 Vorfälle im Oktober 2018. Auch in der Provinz Salah al-Din kam es im Juni 2018 zu durchschnittlich 1,4 sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Tag, im Oktober jedoch nur noch zu 0,5. Die Provinz Kirkuk verzeichnete im Oktober 2018 einen Anstieg an sicherheitsrelevanten Vorfällen, mit durchschnittlich 1,5 Vorfällen pro Tag, die höchste Zahl seit Juni 2018. Die Anzahl der Vorfälle selbst ist jedoch nicht so maßgeblich wie die Art der Vorfälle und die Schauplätze an denen sie ausgeübt werden. Der IS ist in allen ländlichen Gebieten der Provinz Diyala, in Süd-Kirkuk, Nord- und Zentral-Salah-al-Din tätig. Es gibt regelmäßige Angriffe auf Städte; Zivilisten und Beamte werden entführt; Steuern werden erhoben und Vergeltungsmaßnahmen gegen diejenigen ausgeübt, die sich weigern zu zahlen; es kommt auch regelmäßige zu Schießereien. Es gibt immer mehr Berichte über IS-Mitglieder, die sich tagsüber im Freien bewegen und das Ausmaß ihrer Kontrolle zeigen. Die Regierung hat in vielen dieser Gegenden wenig Präsenz und die anhaltenden Sicherheitseinsätze sind ineffektiv, da die Kämpfer ausweichen, wenn die Einsätze im Gang sind, und zurückkehren, wenn sie wieder beendet sind. Der IS verfügt derzeit über eine nach außen hin expandierende Kontrolle in diesen Gebieten (Joel Wing 2.11.2018).
1.4.1. Sicherheitslage in Kirkuk 2018:
Die sicherheitsrelevanten Vorfälle in der Provinz Kirkuk starken Schwankungen und regionalen Unterschieden unterliegen. Anschläge wechseln sich mit Militäroperationen ab, welchen der Islamische Staat ausweicht. Besonders Kirkuk Stadt, der Bezirk Hawija und die Verkehrsrouten (siehe auch diesbezüglicher Abschnitt) werden als Schauplätze von Anschlägen genannt.
Die regruppierten IS-Kämpfer versuchen im ländlichen Raum wieder Fuß zu fassen und nützen diesen als Ausgangsbasis für ihre Angriffe. Besonders die Hamrin-Berge gelten als IS-Rückzugsgebiet.
"Musings on Iraq" von Joel Wing ist ein auf die Sicherheitslage im Irak spezialisierter Blog. Der Graphik vom August 2018 zu den Anschlagszahlen in Kirkuk ist zu entnehmen, dass es seit September mehr als vorher Anschläge gab und zwar mit Fluktuationen. Nach einem Anstieg im Juni 2018, gingen die Anschläge im Juli 2018 wieder zurück. Der IS wich während mittlerweile 14 Militäraktionen aus, indem er sich zurückzieht, wenn die irakischen Sicherheitskräfte einrücken und zurückkehrt, wenn diese wieder abziehen. Der IS schafft es, weiterhin der in Stadt Kirkuk aktiv zu sein. In den besonders betroffenen Gebieten Kirkuks fehlt es an einer durchgehenden Präsenz von Sicherheitskräften und an nachrichtendienstlichen Informationen, weshalb die Aussicht auf die Entwicklung der Sicherheitslage schlecht sei.
Kirkuk gehört zu den drei Provinzen, wo der IS am aktivsten ist, auch wenn im Juni die Zahl der Vorfälle von 56 auf 37 fiel. Dabei wurden 33 Personen getötet, von denen 15 Zivilisten waren. Der Übersicht der Anschlagskategorien im ersten Halbjahr 2018 ist zu entnehmen, dass der Einsatz von Sprengkörpern im Juli die häufigste Anschlagsform in Kirkuk darstellte.
Die englischsprachige irakische Nachrichtenwebseite Iraqi News berichtet im August 2018 über eine Bombenexplosion in Kirkuk, bei der ein Polizist getötet und zwei weitere verletzt wurden.
UNAMI vermeldete für Juli 2018 acht zivile Tote (Mindestzahl) für die Provinz Kirkuk sowie 34 Verletzte.
Kirkuk Now, eine auf die Berichterstattung über die "umstrittenen Gebiete" spezialisierte Nachrichtenwebsite, die sich laut eigenen Angaben der Freiheit von ethnischer und konfessioneller Voreingenommenheit verschrieben hat, berichtet, dass bei neun Detonationen in der Stadt Kirkuk insgesamt 11 Zivilisten, darunter zwei Kinder, am 18. Juli verletzt wurden. Es handelte sich nicht um Autobomben, sondern anderweitig platzierte Bomben und Granaten. Später folgte ein Mörserbeschuss auf das Kinderkrankenhaus in Kirkuk. Die Sicherhe