TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/9 W117 2211176-11

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.09.2019
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Entscheidungsdatum

09.09.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs2a
FPG §76 Abs3 Z1
FPG §76 Abs3 Z9

Spruch

W117 2211176-11/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Druckenthaner als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 830025710 - 180626389, über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , geb. XXXX , marokkanischer Staatsangehöriger in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z 2 FPG idgF, § 76 Abs. 2a FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 1 und Z 9 FPG idgF wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang

Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.08.2018, Zl 830025710 - 180626389, wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG über den Fremden die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Dieser Mandatsbescheid wurde dem Genannten durch persönliche Übergabe am selben Tag ordnungsgemäß zugestellt.

Zuletzt wurde die Schubhaft mit in der Verhandlung vom 16.08.2019 mündlich verkündetem Erkenntnis zur Zahl W112 2211176-10 verlängert.

Auf der Tatsachenebene führte die zuständige Einzelrichterin aus:

"Der volljährige Beschwerdeführer ist nicht österreichischer Staatsangehöriger oder Unionsbürger und verfügt über keine Aufenthaltsberechtigung für Österreich oder in einem anderen Mitgliedsstaat der EU. Seine Identität steht auf Grund des Heimreisezertifikates fest; er ist XXXX , geb. XXXX , StA MAROKKO; er stellte seinen Asylantrag unter einer falschen Identität; das von ihm angegebene - um elf Jahre falsche - Geburtsdatum war laut forensischer Altersdiagnostik ausgeschlossen. Auf Grund der Mitteilung der ALGERISCHEN Vertretungsbehörde vom 10.04.2017 steht fest, dass er entgegen seiner Angaben nicht ALGERIER ist.

Der Beschwerdeführer macht zu seiner Einreise keine gleichbleibenden Angaben. Er stellte am 07.01.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und wirkte an seinem Asylverfahren mit, das allerdings fast zur Gänze während seiner Anhaltung in Strafhaft geführt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde gegen den Bescheid, mit dem das Bundesamt seinen Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen hatte, mit Erkenntnis vom 18.05.2015 als unbegründet ab. Beschwerde oder Revision gegen dieses Erkenntnis wurde nicht erhoben. Mit Bescheid vom 22.12.2016, dem Beschwerdeführer zugestellt am 27.12.2016, erließ das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erkannte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab, stellte fest, dass seine Abschiebung nach ALGERIEN zulässig ist und erließ ein auf fünf Jahre befristetes Einreiseverbot gegen ihn.

Mit Bescheid vom 29.03.2018, dem Beschwerdeführer zugestellt am 05.04.2018, erließ das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erkannte der Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab, stellte fest, dass seine Abschiebung nach MAROKKO zulässig ist und erließ ein auf zehn Jahre befristetes Einreiseverbot gegen ihn. Beide Bescheide erwuchsen mangels Beschwerdeerhebung in Rechtskraft.

Der Beschwerdeführer ist achtfach vorbestraft und war in Österreich außerhalb der Grundversorgung, in der er sich während des ersten Monats seines Aufenthaltes und zwei Wochen im APRIL 2014 befand, außerhalb von Haftanstalten nicht gemeldet. Es kann nicht festgestellt werden, dass sich der Beschwerdeführer nicht anmelden konnte. Vielmehr steht fest, dass der Beschwerdeführer seinen Aufenthaltsort verschleierte, wie er auch in der hg. mündlichen Verhandlung am 04.03.2019 die Beziehung zu seiner Freundin verschleierte. Der Beschwerdeführer bestritt seinen Lebensunterhalt in Österreich außerhalb von Haftanstalten seit MAI 2014 durch Zuwendungen von Freunden, Schwarzarbeit und ist mehrfach wegen Suchtmitteldelikten und Eigentumsdelikten vorbestraft. Er hat sein soziales Netz in Österreich, das ihm bisher den Aufenthalt im Verborgenen ermöglichte und im Falle der Haftentlassung wieder ermöglichen würde.

In Schubhaft trat der Beschwerdeführer einmal in den Hungerstreik. Er wurde in Schubhaft drei Mal diszipliniert. Er war bei der Rückkehrberatung nicht rückkehrwillig und ist auch aktuell nicht rückkehrwillig. Er vereitelte den Abschiebeversuch am 12.07.2019 bereits an Bord des Flugzeuges durch aggressives Verhalten, Schreien und indem er eine Rasierklinge in der Mundhöhle verbarg. Er suchte nie um die unterstützte freiwillige Ausreise an, brachte nie Dokumente in Vorlage, beantragte nie die Ausstellung von Dokumenten für die Ermöglichung seiner Ausreise und würde sich im Falle der Haftentlassung der Effektuierung der Rückkehrentscheidung durch Weiterreise in einen anderen Staat entziehen.

Die TUNESISCHE Vertretungsbehörde teilte am 22.09.2017 mit, dass der Beschwerdeführer nicht TUNESIER ist. Das Bundesamt übermittelte am 28.4.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer an die Botschaft des Königreichs MAROKKO. Seitdem wurde wiederholt schriftlich und bei mehreren Treffen auch mündlich ausdrücklich urgiert. Der Beschwerdeführer wurde am 28.05.2019 von der MAROKKANISCHEN Vertretungsbehörde identifiziert, am 26.06.2019 stellte sie ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer aus; es ist abgelaufen und kann erst nach dem Urlaub der MAROKKANISCHEN Botschaft verlängert werden. Die Abschiebung kann daher nicht vor MITTE SEPTEMBER stattfinden.

Mit Bescheid vom 22.08.2018 wurde die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung im Anschluss an die Strafhaft über den Beschwerdeführer verhängt. Nach der Entlassung aus der Strafhaft wurde er am 23.08.2018 in Schubhaft genommen. Mit Erkenntnissen vom 18.12.2018, 10.01.2019, 07.02.2018, 04.03.2019, 01.04.2019, 29.04.2019, 24.05.2019, 21.06.2019 und 19.07.2019 stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft vorliegen und die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft verhältnismäßig war. Seit 20.07.2019 wird die Schubhaft im Polizeianhaltezentrum ROSSAUER LÄNDE vollzogen.

Der Beschwerdeführer wird zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 1, Abs. 2 Z 2 FPG in Schubhaft angehalten."

Rechtlich beurteilte die zuständige Einzelrichterin den festgestellten Sachverhalt wie folgt:

"Im Fall des Beschwerdeführers liegt Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG mangels sozialer Bindungen im Bundesgebiet vor, die gegen die Annahme von Fluchtgefahr sprechen. Er vereitelte bisher iSd Z 1 die Abschiebung durch die Angabe einer falschen Identität und durch das Vereiteln eines Abschiebeversuchs; außerdem trat er einmal in den Hungerstreik. Die Fluchtgefahr ist im Falle des Beschwerdeführers erheblich, zumal eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung iSd § 76 Abs. 3 Z 3 FPG vorliegt und der Beschwerdeführer auch keine wahren Angaben zu seiner Reiseroute machte.

Auf Grund des Vorverhaltens des Beschwerdeführers und seiner Einlassung, dass er im Falle der Entlassung aus der Schubhaft in einen anderen Staat weiterreisen würde, kann mit der Anwendung gelinderer Mittel nicht das Auslangen gefunden werden; dies ist umso mehr der Fall, nachdem der Beschwerdeführer den letzten Abschiebeversuch vereitelte.

Die Anhaltung in Schubhaft ist auch vor dem Hintergrund, des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers und der erheblichen Straffälligkeit des Beschwerdeführers (§ 76 Abs. 2a FPG) verhältnismäßig.

Auch die fast ZWÖLF Monate andauernde Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft ist auf Grund des Vorverhaltens des Beschwerdeführers, der erheblichen Fluchtgefahr und der effizienten Verfahrensführung sowie auf Grund des Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers verhältnismäßig und gem. § 80 Abs. 4 FPG rechtmäßig: Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist (Z 1) oder der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt (Z 3), kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden. Der Beschwerdeführer konnte bis JUNI nicht abgeschoben werden, weil die Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit nicht möglich war und er widersetzte sich der Abschiebung am 12.07.2019; die Anhaltung des Beschwerdeführers ist daher gemäß § 80 Abs. 4 Z 3 FPG rechtmäßig; das Bundesamt führt das Abschiebeverfahren konsequent, mit der Durchführung der Abschiebung ist nach dem Ende des Urlaubs der MAROKKANISCHEN Botschaft mit hinreichender Sicherheit zu rechnen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, die Rechtslage zu § 22a Abs. 4 BFA-VG und § 80 Abs. 4 FPG gemäß VwGH 30.08.2018, Ra 2018/21/0111, 11.05.2017, Ra 2016/21/0144, 26.01.2017, Ra 2016/21/0348, geklärt."

Mit Begleitschreiben vom 06.09.2019 legte die Verwaltungsbehörde den Verwaltungsakt vor und begehrte die weitere Anhaltung in Schubhaft; begründend führte sie unter anderem aus:

"Der nächste Abschiebetermin wurde für 07.10.2019, unter Begleitung von 4 Beamten des EKO Cobra/DSE festgesetzt."

Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt erwogen:

Feststellungen:

Der vom Bundesverwaltungsgericht im angeführten Erkenntnis vom 16.08.2019 zur Zahl W112 2211176-10, festgestellte Sachverhalt, im Rahmen des Verfahrensganges zitiert, wird zum gegenständlichen Sachverhalt erhoben.

Ergänzend wird folgendes festgehalten:

Der nächste Abschiebetermin wurde für 07.10.2019, unter Begleitung von 4 Beamte des EKO Cobra/DSE festgesetzt.

Seit dem letzten Erkenntnis hat sich also keine für die Freilassung des Beschwerdeführers sprechende Änderung ergeben.

Beweiswürdigung:

Hinsichtlich der vom angeführten Erkenntnis, W112 2211176-10 vom 16.08.2019 übernommenen Feststellungen ist auf die diesbezügliche eindeutig dokumentierte Aktenlage zu verweisen:

Sämtliche strafrechtlichen Verurteilungen sind dem aktuellen Strafregisterauszug zu entnehmen; die massive Täuschung der österreichischen Behörden und Gerichte über die eigene Identität offenbarte sich letztlich durch die Identifizierung der marokkanischen Behörden, welche schlussendlich ein Heimreisezertifikat für Marokko ausstellten, sodass die Abschiebung am 07.10.2019 stattfinden wird.

Zutreffend hatte die Verwaltungsbehörde schon früher anlässlich vormaliger Aktenvorlagen zum Zwecke der Überprüfung der weiteren Anhaltungen auch darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer letztlich die Dauer der Schubhaft durch Verschleierung seiner Identität, um (vielleicht doch) der Abschiebung in den Herkunftsstaat zu entgehen, selbst zu verantworten hat; dazu kommt die jüngst vom Beschwerdeführer zu verantwortende Verhinderung der Abschiebung (am 12.07.2019).

Auch die übrigen zitierten Feststellungen aus dem angeführten Vorerkenntnis sind aktenmäßig (seit langem) dokumentiert; der Beschwerdeführer hatte diese auch kein einziges Mal in Frage gestellt.

In diesem Sinne war auch die Feststellung, es habe sich bis zum heutigen Zeitpunkt keine Änderung auf Tatsachenebene ergeben, welche für eine Freilassung des Beschwerdeführers spricht, zu treffen.

Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt A. (Fortsetzung der Schubhaft):

Gesetzliche Grundlagen:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß

Die Grundlage zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer Fortsetzung der Schubhaft über die Viermonatsfrist im BFA-VG iVm. § 80 FPG lautet:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.

Zur Judikatur:

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf Art 1 Abs. 3 PersFrSchG 1988 hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlangt. Für die Schubhaft ergibt sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung "... wenn dies notwendig ist, um ..." in Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrSchG 1988. Dementsprechend hat der VfGH - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - in seinem Erkenntnis vom 15.06.2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der VwGH hat dazu beginnend mit dem Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe." (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).

Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Vor dem Hintergrund des aktuell unbestritten feststehenden Sachverhaltes, welcher zum größten Teil bereits dem Vorerkenntnis zugrunde gelegt wurde, waren, wie ausgeführt, keine für den Beschwerdeführer sprechenden Änderungen auf Sachverhaltsebene zu konstatieren; dies aber bedeutet, dass die im Vorerkenntnis seitens des Bundesverwaltungsgerichtes vorgenommene rechtliche Beurteilung weiterhin volle Gültigkeit aufweist; die im Rahmen des Verfahrensganges zitierte rechtliche Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes im angeführten Erkenntnis W112 2211176-10 vom 16.08.2019 wird daher zur gegenständlich rechtlichen Beurteilung erhoben.

Der Beschwerdeführer hat durch das, seine wahre Identität verschleiernde Verhalten und die Vereitelung der Abschiebung am 12.07.2019 jedenfalls den Fluchtgefahrtatbestand des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG erfüllt, da dieses Verhalten geeignet ist, die Abschiebung zumindest zu erschweren, wenn nicht gar unmöglich zu machen.

Da, wie angeführt, dem Schluss der Verwaltungsbehörde, dass der mittellose Beschwerdeführer vor dem Hintergrund der Vielzahl an begangenen Delikten und der Art der Delikte - Gewerbsmäßigkeit bei Vermögensdelikten, Verstöße gegen das SMG - im Falle der Freilassung nach allfällig weiteren Straftaten - jedenfalls untertauchen würde, nicht entgegenzutreten war, ist gegenständlich auch weiterhin der Fluchtgefahrtatbestand des §76 Abs. 3 Z 9 FPG erfüllt.

Gerade deshalb ist auch die weitere Anhaltung im Sinne des §76 Abs. 2a FPG jedenfalls verhältnismäßig.

Im Hinblick auf die gesetzlich mögliche Maximaldauer erweist sich die bisherige Anhaltung jedenfalls auch als verhältnismäßig. Nochmals hervorzuheben ist, dass schon die bisherige Dauer der Schubhaft vom Beschwerdeführer zu verantworten ist; der Beschwerdeführer perpetuierte mit seinem bisherigen Verhalten der Nichtoffenlegung seiner Identität und der Vereitelung der Abschiebung am 12.07.2019 ein die Abschiebung behinderndes/erschwerendes Verhalten im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 1

FPG.

Es war daher wiederum die Fortsetzung der Schubhaft auszusprechen.

Zu Spruchpunkt B - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie ausgeführt, sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in allen Spruchpunkten nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung, Fluchtgefahr, Fortsetzung der Schubhaft, Identität,
öffentliche Interessen, Rückkehrentscheidung, Schubhaft,
Sicherungsbedarf, strafrechtliche Verurteilung, Überprüfung,
Untertauchen, Vereitelung, Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W117.2211176.11.00

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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