Entscheidungsdatum
09.09.2019Norm
ASVG §67 Abs10Spruch
L501 2134651-1/7E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER über die Beschwerde von Frau Mag. XXXX , geboren XXXX , vertreten durch Ferner Hornung & Partner, Rechtsanwälte GmbH, gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 06.06.2016, GZ. XXXX , Beitragskontonummer XXXX , nach ergangener Beschwerdevorentscheidung am 03.08.2016 beschlossen:
A) In Erledigung der Beschwerde wird die Beschwerdevorentscheidung
der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 03.08.2016, GZ. XXXX , behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Salzburger Gebietskrankenkasse zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
I.1. Mit Schreiben vom 08.02.2016 teilte die Salzburger Gebietskrankenkasse (in der Folge belangte Behörde) der beschwerdeführenden Partei (in der Folge bP) mit, dass auf dem Beitragskonto der XXXX (in der Folge GmbH) aus den Beiträgen Mai 2013, Juni 2013 und August 2013 bis Dezember 2013 ein Rückstand in der Höhe von EUR 1.643,12 zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen bestehe. Dem Schreiben war ein Rückstandsausweis gemäß § 64 ASVG vom selben Tag beigelegt. Die bP wurde als ehemalige Geschäftsführerin der GmbH (laut Firmenbuch 12.04.2013 bis 07.01.2014) um Bezahlung der Beiträge ersucht bzw. wurde ihr unter Einräumung einer Frist die Möglichkeit eröffnet, alle Tatsachen vorzubringen, die ihrer Ansicht nach gegen ihre Haftung gemäß § 67 Abs. 10 sprechen. Gleichzeitig wurde sie aufgefordert, für den Haftungs-/Beitragszeitraum Oktober 2013 bis Dezember 2013 beginnend mit dem Beitragsmonat Oktober 2013 eine detailliert beschriebene Aufstellung zum Nachweis der Gleichbehandlung beizubringen.
In ihrer Stellungnahme vom 02.03.2016 verwies die rechtsfreundlich vertretene bP auf den mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 21.02.2013 rechtskräftig bestätigten Sanierungsplan über die GmbH sowie ihre erst danach erfolgte Bestellung zur Geschäftsführerin mit 12.04.2013. Da die GmbH nicht in der Lage gewesen sei, die Insolvenzquoten zu bezahlen, habe sie die Geschäftsführung zurückgelegt. Per 12.03.2014 sei ein weiteres Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet worden. Die GmbH sei bereits in den Monaten Oktober 2013 bis Dezember 2013 zahlungsunfähig gewesen. Auch dem seitens der Staatsanwaltschaft Salzburg eingeholten - der Stellungnahme beigelegten Buchsachverständigengutachten - seien keine Hinweise für ein schuldhaftes Verhalten erkennbar.
Mit Schreiben vom 14.03.2016 teilte die belangte Behörde mit, dass anhand der übermittelten Unterlagen eine Prüfung der Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG nicht möglich sei, es werde eine Aufstellung der offenen Verbindlichkeiten zum 30.09.2013, der neu entstandenen Verbindlichkeiten im Zeitraum 01.10.2013 bis 31.12.2013 und der in diesem Zeitraum geleisteten Zahlungen benötigt.
Mit Schreiben vom 22.03.2016 übermittelte die bP innerhalb der eingeräumten Frist die Saldenliste der GmbH und ein Bankjournal für den Zeitraum 01.10.2013 bis 31.12.2013, aus denen ihrer Ansicht nach hervorgehe, dass die zu den jeweiligen Zahlungszeitpunkten fälligen Beitragszahlungen vollständig geleistet worden seien.
Am 25.03.2016 wurde der bP mitgeteilt, dass die übersandten Unterlagen nicht der gemäß Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 29.01.2014, 2012/08/0227, geforderten Aufschlüsselung entsprechen würden und räumte zur Darlegung eine Frist bis zum 01.04.2016 ein.
Mit Schreiben vom 01.04.2016 übermittelte die bP eine Aufstellung mit dem Stand der Verbindlichkeiten in den Monaten September 2013 bis Dezember 2013 sowie die Veränderungen in den betreffenden Zeiträumen. Daraus sei ersichtlich, dass die belangte Behörde quotenmäßig bevorzugt worden sei. Mit Schreiben vom 18.04.2016 übermittelte die bP der belangten Behörde die Umsatzlisten der GmbH für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2013.
Mit Schreiben vom 25.04.2016 wurde die bP informiert, dass die Prüfung der vorgebrachten Argumente ergeben habe, dass sie ab dem Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsführertätigkeiten auch den bereits bei der GmbH bestehenden Rückstand aliquot hätte berücksichtigen müssen und deshalb ein höherer Rückstand (EUR 8.079,06) zur Haftungsprüfung anstehe. Die Höhe des nun geltend gemachten Rückstandes sei aus dem beigelegten Kontoauszug ersichtlich. Entsprechend der Judikatur sei der frühest mögliche Zeitpunkt zur Haftungsprüfung der älteste offene Beitragsrückstand, für welchen das vertretungsbefugte Organ zuständig gewesen sei. Somit beginne die Haftungsprüfung mit dem 30.09.2013, jedoch werde der bis dahin offen aushaftende Rückstand auch bei der Berechnung der Haftungsquote berücksichtigt. Aus den vorgebrachten Unterlagen hätten sich zudem weitere Fragen ergeben.
In ihrer Stellungnahme vom 13.05.2016 führte die bP zur Geltendmachung auch früherer Rückstände aus, dass gegenständlich kein Betriebsübergang stattgefunden habe und eine allfällige Haftung sich nur auf Zeiträume erstrecken könne, in denen die bP auch Geschäftsführerin der GmbH gewesen sei. Ein Verschulden der bP sei jedenfalls auszuschließen.
I.2. Mit verfahrensgegenständlichen Bescheid wurde ausgesprochen, dass die bP als ehemalige Geschäftsführerin der GmbH gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 83 ASVG die zu entrichten gewesenen Beiträge aus den Vorschreibungen für die Zeiträume Oktober 2011 bis März 2012, Mai 2013, Juni 2013 sowie von August 2013 bis Dezember 2013 in Höhe von EUR 8.079,06 zuzüglich Verzugszinsen in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe aus EUR 7.760,56 schulde. Dem Bescheid war ein Rückstandsausweis vom selben Tag angeschlossen.
Begründend wurde ausgeführt, die bP sei von 12.04.2013 bis 07.01.2014 Geschäftsführerin der GmbH gewesen sei. Mit Beschluss des LG Salzburg sei das Insolvenzverfahren aufgehoben worden und hafte nach Abzug der Zahlung des Insolvenzentgeltfonds der in der Rückstandsaufstellung ersichtliche Betrag offen aus. Die letzte auf dem Beitragskonto eingelangte Zahlung sei entsprechend der von der bP vorgenommenen Widmung auf den Beitrag September 2013 + VZ gebucht worden. Zu der im April 2015 geleisteten Zahlung werde informativ mitgeteilt, dass lediglich die im Haftungszeitraum geleisteten Zahlungen für die Berechnung der Gleichbehandlung herangezogen werden können, später geleistete nur aliquote Berücksichtigung fänden. Die bP habe trotz mehrmaliger Nachfrage bzw. detaillierter Beschreibung keine Unterlagen vorgelegt, aus denen eine Haftungsquote berechnet hätte werden können. Aus dem übermittelten Sachverständigengutachten, dem Kassajournal sowie der Umsatzlisten gingen zudem Zahlungen an andere Gläubiger hervor.
In ihrer fristgerecht erhobenen Beschwerde behauptet die bP das Nichtvorliegen einer Haftung für die vor ihrer Geschäftsführertätigkeit aufgelaufenen Beitragsrückstände und bestreitet, dass es für die belangte Behörde anhand der vorgelegten Unterlagen nicht möglich gewesen sei, eine Haftungsquote zu berechnen. Die belangte Behörde sei zudem bevorzugt worden, die Beiträge für Oktober bis Dezember 2013 seien beglichen. Das die Nichtfälligkeit der Beiträge während ihrer Geschäftsführertätigkeit bedingende Sanierungsverfahren der GmbH sei nicht berücksichtigt worden. Die Haftung der bP sei zudem aufgrund der ab dem 3. Quartal 2013 vorliegenden Zahlungsunfähigkeit ausgeschlossen.
Mit Bescheid vom 03.08.2016 wies die belangte Behörde die Beschwerde im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung ab und führte ergänzend aus, dass die bP die Pflicht gehabt hätte, sich über allfällige steuerliche Rückstände zu informieren und diese auch zu entrichten. Ab dem Zeitpunkt der Übernahme der Geschäftsführertätigkeit hätte sie den bereits bestehenden Rückstand aliquot berücksichtigen müssen. Bei der Berechnung des Haftungsbetrages seien sowohl die Quote aus dem Sanierungsverfahren als auch die Zahlungen des Insolvenz-Entgeltfonds berücksichtigt worden. Die Haftung nach § 67 ASVG stelle nicht auf die Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit, sondern auf die Gleichbehandlung ab.
In ihrem Vorlageantrag verwies die bP auf den mit dem abgeführten Sanierungsverfahren einhergehenden rechtskräftig angenommenen Sanierungsplan sowie der dadurch bedingten Nichtfälligkeit aller Verbindlichkeiten einschließlich jener der belangten Behörde. Eine Haftung könne sich daher rein theoretisch nur auf die in der Phase ihrer Geschäftsführung fällig gewordenen Quotenzahlungen ergeben. Sie habe jedoch nachgewiesen, dass sie die belangte Behörde nicht ungleich behandelt habe.
Im Hinblick auf den für die Gläubigergleichbehandlung zu beurteilenden Zeitraum ersuchte das Bundesverwaltungsgericht die belangte Behörde mit Schreiben vom 05.02.2019 um Mitteilung, welche die älteste offen gebliebene Beitragsschuldigkeit der bP sei. Im Antwortschreiben vom 07.02.2019 wurde der Dezember 2011 als ältester offener Beitrag genannt und mitgeteilt, dass sich der Rückstand aufgrund von Zahlungen des zweiten Geschäftsführers reduziert habe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
Mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 17.01.2012, XXXX , wurde der Konkurs über die GmbH eröffnet. Mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 27.11.2012, XXXX , wurde der am 14.11.2012 zwischen der Schuldnerin und ihren Gläubigern abgeschlossene Sanierungsplan bestätigt. Dieser hat folgende wesentliche Bestimmungen: Die Konkursgläubiger erhalten eine Quote von 20%, zahlbar wie folgt: 5% binnen 1 Monat ab rechtskräftiger Bestätigung des Sanierungsplans (Ausschüttung durch den Masseverwalter), weitere 5 % binnen 12, 18 und 24 Monaten ab Annahme des Sanierungsplans, Nachfrist vier Wochen. Nach Eintritt der Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses war das Sanierungsverfahren gemäß § 152b Abs. 2 IO aufgehoben.
Die bP vertrat die GmbH in der Zeit von 12.04.2013 bis 02.01.2014 als alleinige Geschäftsführerin. Mit Abtretungsvertrag vom 02.01.2014 trat die bP ihren Geschäftsanteil an der GmbH ab und wurde sie sodann vom neuen alleinigen Gesellschafter mit Umlaufbeschluss vom selben Tag von ihrer Geschäftsführertätigkeit abberufen.
Mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 12.03.2014, XXXX , wurde der Konkurs über die GmbH neuerlich eröffnet, mit Beschluss vom 26.08.2015, XXXX , mangels Kostendeckung aufgehoben und schließlich gemäß § 40 FBG amtswegig gelöscht.
Die belangte Behörde erblickt eine Pflichtverletzung darin, dass die bP die fälligen Beiträge (ohne rechtliche Grundlage) insoweit schlechter behandelt hat als sonstige Gesellschaftsverbindlichkeiten, als sie diese bedient, jene aber unberichtigt ließ bzw. im Hinblick auf das Fehlen ausreichender Mittel - nicht für eine zumindest anteilige Befriedigung auch ihrer Forderungen Sorge getragen hat. Der im Hinblick auf die Gäubigergleichbehandlung zu beurteilende Zeitraum wurde von der belangten Behörde mit 01.10.2013 - 31.12.2013 angenommen (vgl. Schreiben vom 25.04.2016, OZ IX und Schreiben vom 08.02.2016, OZ I). Die letzte auf dem Beitragskonto eingelangte Zahlung wurde von der belangten Behörde entsprechend der von der bP vorgenommenen Widmung auf den Beitrag September 2013 + VZ gebucht. Die belangte Behörde nahm in ihrer Entscheidung als ältesten offenen Beitrag jenen für Oktober 2011 an.
Laut dem im Akt einliegenden gutachterlichen Kurzbericht wurde die erste fällige Rate aus dem Sanierungsplan iHv 5% anscheinend ausgeschüttet, während die im November 2013 fällig gewesene zweite Rate nicht mehr zur Auszahlung gelangt sein dürfte. Im Kurzbericht wird des Weiteren aus einem Schreiben der belangten Behörde zitiert, wonach sie aufgrund Nichtauszahlung der zweiten Quote trotz qualifizierter Mahnung erneut einen Insolvenzantrag gestellt habe.
Die belangte Behörde hat weder Feststellungen zur Auszahlung/Nichtauszahlung der Quoten an sie bzw. an andere - im Beurteilungszeitraum relevante - Gläubiger noch zu einem eventuellen (relativ wirkenden) Wiederaufleben diverser Verbindlichkeiten wegen Erfüllungsverzug getroffen.
Im Übrigen wird auf den Verfahrensgang verwiesen.
Es wurden relevante Ermittlungen bzw. die Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts unterlassen.
2. Beweiswürdigung
Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakt der belangten Behörde sowie jenem des Bundesverwaltungsgerichtes und durch Einsichtnahme in das Firmenbuch.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Zurückverweisung
3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nur in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 und nur auf Antrag einer Partei durch einen Senat. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, [...], und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Zu A) Aufhebung und Zurückverweisung
II.3.1. Kassation
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte darstellt. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt insbesondere dann in Betracht, wenn diese jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinne einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
II.3.2. Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes
Der rezenten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge (vgl. VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038) wurde durch das SRÄG 2010, BGBl. I Nr. 62, der Anwendungsbereich des § 67 Abs. 10 ASVG dahingehend erweitert (vgl. zur vorangehenden Rechtslage VwGH (verstärkter Senat) 12.12.2000, 98/08/0191, VwSlg. 15528A), dass durch die Einfügung des § 58 Abs. 5 ASVG den dort angeführten Vertretern (u.a. von juristischen Personen) die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen der von ihnen Vertretenen übertragen wurde. Eine Verletzung der diesbezüglichen Pflichten ist daher nunmehr Anknüpfungspunkt der Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG (vgl. VwGH 15.11.2017, Ro 2017/08/0001). Eine solche die Haftung begründende Pflichtverletzung kann insbesondere darin bestehen, dass der Vertreter die fälligen Beitragsschulden (ohne rechtliche Grundlage) schlechter behandelt als sonstige Verbindlichkeiten, indem er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt bzw. im Fall des Fehlens ausreichender Mittel nicht für eine zumindest anteilsmäßige Befriedigung Sorge trägt (vgl. VwGH 7.10.2015, Ra 2015/08/0040). In subjektiver Hinsicht reicht für die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG leichte Fahrlässigkeit aus (vgl. VwGH 12.10.2017, Ra 2017/08/0070).
Die Prüfung der Gläubigergleichbehandlung erfordert insbesondere die Festlegung eines Zeitraumes, für den sie zu erfolgen hat. Ende des Beurteilungszeitraumes ist jedenfalls die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, er endet aber früher mit der Beendigung der Vertreterstellung oder auch mit einer früheren allgemeinen Zahlungseinstellung. Beginn des Beurteilungszeitraums ist der Zeitpunkt der Fälligkeit der ältesten zum Ende des Beurteilungszeitraumes noch offenen Beitragsforderung, wobei für die Ermittlung dieses Zeitraumes alle Beitragszahlungen ungeachtet allfälliger Widmungen auf die jeweils älteste Forderung zu beziehen ist. Innerhalb des Beurteilungszeitraumes sind für die Ermittlung der Zahlungsquoten alle schon zu dessen Beginn fälligen und während des Beurteilungszeitraumes fällig werdenden Verbindlichkeiten allen erfolgten Zahlungen gegenüberzustellen. Es sind also auch Forderungen mit einzubeziehen, die aus früheren Zeiträumen stammen, aber erst im Beurteilungszeitraum beglichen werden (vgl. VwGH vom 20.01.2014, 2012/08/0227).
Der neu eintretende Geschäftsführer hat mit Beginn seiner Tätigkeit sämtliche offenen Sozialversicherungsbeiträge gleich zu behandeln, auch wenn die Forderungen bereits zu einem früheren Zeitpunkt entstanden sind. Die Haftung des neu bestellten Vertreters für Beitragsrückstände, die vor seiner Bestellung aufgelaufen sind, ist zu bejahen. (VwGH 95/16/0155, Ro 2014/16/0019. Ein Vertreter, der erst zu einem Zeitpunkt Vertreter wird, zu dem bereits Beitragsschulden bestehen, die ohne seine Mitwirkung zustande gekommen sind ("Altschulden"), hat sich ab dem Eintritt seiner Verantwortlichkeit um die Berichtigung dieser Beitragsschulden aus den vorhandenen Mitteln bzw. um die Gleichbehandlung dieser Verbindlichkeiten mit anderen Schulden entsprechend zu kümmern hat, widrigenfalls er auch für "Altschulden" haftet (vgl. VwGH vom 21.09.1999, 99/08/0065).
Verfahrensgegenständlich endet der Beurteilungszeitraum der bP daher mit der Beendigung ihrer Vertreterstellung und beginnt ungeachtet der von ihr vorgenommenen Widmung mit dem in die Zeit ihrer Geschäftsführertätigkeit fallenden Fälligkeitszeitpunkt der ältesten zum Ende des Beurteilungszeitraumes noch offenen Beitragsforderung, zumal es um ihr Verhalten in Bezug auf die uneinbringlich gewordenen Forderungen ab dem Zeitpunkt ihrer Fälligkeit geht; vor diesem Zeitpunkt kann die bP ihre Zahlungsverpflichtung nicht verletzt haben (vgl. in diesem Sinne Julcher in Sozialversicherungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit, Hrsg. Pfeil und Prantner). Der Beginn dieses Beurteilungszeitraums wird folglich von der belangten Behörde zu ermitteln sein. "Altschulden" sind entsprechend der Rechtsprechung zu berücksichtigen.
Zu beachten ist im Zusammenhang mit der Festlegung des Beurteilungszeitraums sowie der anschließenden Berechnung der Haftungsquoten (wie allgemeine Zahlungsquote, Kassen-Zahlungsquote) jedenfalls der mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 27.11.2012 bestätigte Sanierungsplan und die dadurch bedingte fehlende Fälligkeit der davon umfassten Verbindlichkeiten zumindest bis zum vereinbarten Zeitpunkt der Quotenauszahlung. Relevant und sohin zu ermitteln ist, ob, wann und hinsichtlich welcher Verbindlichkeiten es zu einem qualifizierten Verzug iSd § 156a Abs. 2 IO bzw. zu einem relativen und quotenmäßigen Wiederaufleben gemäß § 156a Abs 3 IO gekommen ist.
Vor dem Hintergrund obiger Ausführungen hat die belangte Behörde jene Ermittlungstätigkeiten unterlassen, welche für die Beurteilung der Gläubigergleichbehandlung unabdingbar sind. Es liegen keine Ergebnisse vor, welche das Bundesverwaltungsgericht allenfalls im Zusammenhalt mit einer durchzuführenden Verhandlung ergänzen (und zu einer meritorischen Entscheidung heranziehen) könnte.
Es ist sohin das dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung auszuüben und das Verfahren an die belangte Behörde zurückzuverweisen, welches das Ermittlungsverfahrens unter Beachtung obiger Ausführungen durchzuführen und sodann neuerlich in der Sache zu entscheiden hat.
Absehen von einer Verhandlung
Eine Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG). Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen (§ 24 Abs.4 VwGVG).
Aufgrund der Behebung des angefochtenen Bescheides konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, da es zur Frage, unter welchen Voraussetzungen ein Verwaltungsgericht kassatorisch entscheiden darf, eine klare und aktuelle höchstgerichtliche Rechtsprechung gibt.
Schlagworte
Ermittlungspflicht, Gleichbehandlung, Kassation, mangelndeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:L501.2134651.1.00Zuletzt aktualisiert am
28.10.2019