TE Bvwg Beschluss 2019/9/9 L501 2125514-1

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Veröffentlicht am 09.09.2019
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Entscheidungsdatum

09.09.2019

Norm

ASVG §67 Abs10
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz 2

Spruch

L501 2125514-1/12E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER über die Beschwerde von Herrn XXXX , geboren XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Klaus PLÄTZER, gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 02.02.2016, GZ. 17 - 2015-BE-VER10-000GH, Beitragskontonummer XXXX , wegen Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG nach ergangener Beschwerdevorentscheidung am 18.03.2016 beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird die Beschwerdevorentscheidung

der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 18.03.2016, GZ. 17 - 2015-BE-VER10-000GH, behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Salzburger Gebietskrankenkasse zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Mit Schreiben vom 07.01.2016 teilte die Salzburger Gebietskrankenkasse (in der Folge belangte Behörde) der beschwerdeführenden Partei (in der Folge bP) mit, dass auf dem Beitragskonto der XXXX (in der Folge GmbH) aus den Beiträgen August 2011 bis Juli 2015 ein Rückstand in der Höhe von EUR 24.427,43 zuzüglich der gesetzlichen Verzugszinsen bestehe. Dem Schreiben war ein Rückstandsausweis gemäß § 64 ASVG vom selben Tag beigelegt. Die bP wurde als faktische Geschäftsführerin der GmbH um Begleichung des Rückstandes ersucht bzw. wurde ihr unter Einräumung einer Frist die Möglichkeit eröffnet, alle Tatsachen vorzubringen, die ihrer Ansicht nach gegen ihre Haftung gemäß § 67 Abs. 10 sprechen. Als Beweis für die faktische Geschäftsführung sowie das Verschulden an der Uneinbringlichkeit der Beiträge bei der GmbH werde ihre Verurteilung wegen §§ 161 Abs. 1, 159 Abs. 1 und 2 sowie 153c StGB im Strafverfahren GZ: XXXX angesehen. Eine Stellungnahme der bP langte nicht ein.

Mit verfahrensgegenständlichen Bescheid wurde ausgesprochen, dass die bP als faktische Geschäftsführerin der GmbH gemäß § 67 Abs. 10 ASVG iVm § 83 ASVG die zu entrichten gewesenen Beiträge aus den Vorschreibungen für die Zeiträume August 2011 bis Juli 2015 in Höhe von € 24.427,43 zuzüglich Verzugszinsen aus der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG ergebenden Höhe schulde. Dem Bescheid war ein Rückstandsausweis vom selben Tag angeschlossen.

Begründend wurde ausgeführt, dass die bP zwar nur im Zeitraum 20.07.2011 bis 18.08.2011 im Firmenbuch als Geschäftsführerin eingetragen gewesen sei, sie diese Funktion tatsächlich aber auch danach faktisch ausgeübt habe. Die Verurteilung im Strafverfahren wegen §§ 161 Abs. 1, 159 Abs. 1 und 2 sowie 153c StGB bestätige sowohl ihr Verschulden an der Uneinbringlichkeit der Beiträge als auch ihre faktische Geschäftsführertätigkeit. Der mit Schreiben vom 07.01.2016 ergangenen Aufforderung, den Rückstand zu bezahlen oder Gründe zu nennen bzw. Unterlagen vorzulegen (Liquiditätsaufstellung), die ihr Verschulden an der Pflichtverletzung und somit eine persönliche Haftung ausschließen würde, sei die bP nicht nachgekommen, weshalb die persönliche Haftung auszusprechen gewesen sei.

In ihrer fristgerecht erhobenen Beschwerde führte die nunmehr rechtsfreundlich vertretene bP im Wesentlichen zusammengefast aus, dass im angesprochenen Strafurteil lediglich eine Mitgeschäftsführereigenschaft für den Zeitraum Februar 2014 bis Oktober 2014 festgestellt worden sei, hingegen gegenständlich eine Haftung für Beiträge aus dem Zeitraum August 2011 bis Juli 2015 geltend gemacht werde. Bei einer faktischen Mitgeschäftsführereigenschaft sei festzustellen, wieweit der Einschreiter überhaupt in der Lage bzw. berechtigt gewesen sei, in Finanzangelegenheiten der Gesellschaft einzugreifen. Tatsächlich habe die bP selbst mit den Finanzangelegenheiten der GmbH nichts zu tun gehabt, sie sei lediglich für die Materialbeschaffung zuständig gewesen und sei auch nicht berechtigt gewesen, in finanzielle Belange einzugreifen. 97% Gesellschafter und handelsrechtlicher Geschäftsführer sei XXXX (Herr G.) gewesen, der zudem offensichtlich Geld aus der Gesellschaft ungerechtfertigt "abgezweigt" habe. Die bP habe selbst Forderungen gegen die GmbH. Zudem könne auch gegen den faktischen Geschäftsführer nur eine Haftung auf einbehaltene oder nicht abgeführte Dienstnehmeranteile sowie auf Beitragsausfälle zufolge Meldepflichtverletzungen geltend gemacht werden, wobei gegenständlich überhaupt nicht differenziert werde. Der bP sei völlig unklar, welche offenen Beiträge ihr gegenüber geltend gemacht werden.

Mit Bescheid vom 18.03.2016 wies die belangte Behörde die Beschwerde im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung ab und führte ergänzend aus, dass im Zuge einer GPLA-Prüfung Löhne nachverrechnet worden seien und es überdies zu einer Nachverrechnung der Privatnutzung des arbeitgebereigenen KFZ durch die bP gekommen sei.

Mit Schreiben vom 01.04.2016 beantragte die bP die Vorlage ihrer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Der Firmenwortlaut der 2011 gegründeten Gesellschaft wurde mit 01.08.2014 von XXXX XXXX auf XXXX geändert. Mehrheitsgesellschafter war seit 2011 der mit 18.08.2011 bestellte handelsrechtliche Geschäftsführer Herr G. Die bP war von 20.07.2011 bis 17.08.2011 handelsrechtliche Geschäftsführerin.

Mit Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 02.12.2014, XXXX , wurde der Konkurs über die GmbH eröffnet, mit Beschluss vom 24.09.2015 nach nicht vollständiger Befriedigung der Masseforderungen gemäß § 124a IO iVm § 123a IO aufgehoben.

Mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 12.03.2015, XXXX , wurde die bP für schuldig erkannt, sie hat als faktische Mitgeschäftsführerin, mithin als leitende Angestellte der GmbH 1) von 04.07.2011 bis 31.12.2013 durch kridaträchtiges Handeln grob fahrlässig die Zahlungsunfähigkeit der GmbH herbeigeführt, 2) von 01.01.2014 bis 02.12.2014 zumindest in fahrlässiger Unkenntnis der Zahlungsunfähigkeit dieses Unternehmens durch kridaträchtiges Handeln grob fahrlässig die Befriedigung dessen Gläubiger zumindest geschmälert, 3) die Dienstgeberin gewesen ist, von Februar 2014 bis Oktober 2014 Beiträge von Dienstnehmern zur Sozialviersicherung der Salzburger Gebietskrankenkasse als berechtigter Versicherungsträgerin vorenthalten. Die bP hat dadurch zu 1) das Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen als leitende Angestellte nach den §§ 161 Abs. 1, 159 Abs. 1 (Abs. 5 Z 3 und Z 4) StGB, zu 2) das Vergehen der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen nach den §§ 161 Abs. 1, 159 Abs. 2 (Abs. 5 Z 3 und Z 4) StGB und zu 3) des Vorenthaltens von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung nach § 153c Abs. 1 StGB begangen.

Die belangte Behörde hat relevante Ermittlungen bzw. die Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts unterlassen.

II.2. Beweiswürdigung

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich zweifelsfrei aus dem zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakt der belangten Behörde.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zurückverweisung

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nur in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 und nur auf Antrag einer Partei durch einen Senat. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, [...], und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Zu A) Aufhebung und Zurückverweisung

II.3.1. Zurückverweisung

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, ausgesprochen, dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht kommt, wenn diese jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.

II.3.2. Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Gemäß § 58 Abs. 5 ASVG haben die VertreterInnen juristischer Personen, die gesetzlichen VertreterInnen natürlicher Personen und die VermögensverwalterInnen (§ 80 BAO) alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Gemäß § 67 Abs. 10 ASVG haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 05.03.1991, 89/08/0223, ausgesprochen, dass die Haftungsbestimmung des § 67 Abs. 10 ASVG nur gesetzliche Vertreter juristischer Personen erfasst. Gesetzliche Vertreter einer GmbH ist (sind) der (die) Geschäftsführer.

Einen Sonderfall stellt die ausnahmsweise Haftung des "faktischen Vertreters" dar. Im Erkenntnis vom 14.03.2001, 2000/08/0097, führt der Verwaltungsgerichtshof aus, dass eine Konstruktion, die im Wesentlichen nur der Umgehung gesetzlicher Haftungen als Geschäftsführer dient, nach § 539a Abs. 2 ASVG insoweit unbeachtlich ist, als dadurch etwa auch die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG umgangen werden soll. An Stelle der unbeachtlichen Konstruktion tritt gemäß § 539a Abs. 3 ASVG jene, die den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessen gewesen wäre.

Der Verwaltungsgerichtshof hatte in diesem Erkenntnis einen Sachverhalt zu beurteilen, in welchem ein Alleingesellschafter einer GmbH einen Dritten zum Geschäftsführer bestellte, ihm zugleich im Innenverhältnis praktisch alle mit der Geschäftsführung verbundenen Befugnisse nahm, ausgenommen die gesetzlich nicht abdingbaren, und sich gleichzeitig vom nach außen hin nominellen Geschäftsführer mit einer umfassenden Generalvollmacht ausstatten ließ. In diesem Fall vertrat der VwGH die Ansicht, dass diese Konstruktion gewählt wurde, um dem Alleingesellschafter zwar die Befugnisse zur Geschäftsführung zu vermitteln, ihn jedoch vor den einen Geschäftsführer nach dem Gesetz treffenden Sorgfaltsverbindlichkeiten und den damit verbundenen Haftungen zu schützen.

Es können daher unter bestimmten Umständen auch sogenannte "faktische" Vertreter zur Haftung herangezogen werden.

Verfahrensgegenständlich war die bP lediglich im Zeitraum 20.07.2011 bis 17.08.2011 handelsrechtliche Geschäftsführerin der GmbH. Die belangte Behörde macht mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid aber einen auf dem Beitragskonto der GmbH aus dem Zeitraum August 2011 bis Juli 2015 offen gebliebenen Betrag im Rahmen der Ausfallshaftung geltend und begründet dies mit einer faktischen Geschäftsführertätigkeit der bP. Sie stützt ihre diesbezügliche Annahme auf die Verurteilung der bP nach §§ 161 Abs. 1, 159 Abs. 1 und 2 sowie 153c StGB, eigene Ermittlungen hat sie in diesem Zusammenhang nicht angestellt.

Sie lässt dabei unberücksichtigt, dass ein Schuldspruch gemäß § 153c Abs. 1 StGB nur für den Zeitraum Februar 2014 bis Oktober 2014 erging, während die Verurteilung für die Zeiträume 04.07.2011 bis 31.12.2013 und 01.01.2014 bis 02.12.2014 nach §§ 161 Abs. 1, 159 Abs. 1 und 2 StGB erfolgte; bei den strafbaren Handlungen wurde zu

1) zudem ausdrücklich der leitende Angestellte angesprochen. Während leitende Angestellte (Subjektqualität aber sehr wohl ein faktischer Geschäftsführer hat, zu dessen Agendenkreis das Einbehalten und Abführen von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung zählt) nun nicht von § 153c erfasst sind, ist nach § 159 auch strafbar, wer als leitender Angestellter einer juristischen Person die dort genannten Handlungen begeht. Eine zu einer Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG führende faktische Geschäftsführertätigkeit der bP im Sinne der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kann daher durch den bloßen Verweis auf die im Strafverfahren erfolgte Verurteilung nicht dargelegt werden. Eigene diesbezügliche Ermittlungen hat die belangte Behörde gänzlich unterlassen.

Sollte- wie es der im Bescheid angeführte Begriff ‚Liquiditätsaufstellung' vermuten lässt - die Haftung wegen Ungleichbehandlung geltend gemacht werden, so mangelt es an der gemäß Rechtsprechung vorzunehmenden Anleitung. Entgegen der Ausführungen wurde die damals noch unvertretene bP mit Schreiben vom 07.01.2016 nicht aufgefordert, bezogen auf den strittigen Zeitraum darzulegen und entsprechend unter Beweis zu stellen, welche Verbindlichkeiten der GmbH aushafteten, welche Mittel ihr an sich zur Verfügung standen und welche Zahlungen für sie jeweils geleistet wurden.

Wenn die belangte Behörde die Haftungsinanspruchnahme auf die Verurteilung der bP im Strafverfahren stützt und diese als Bestätigung für deren Verschulden an der Uneinbringlichkeit der Beiträge bei der GmbH sieht, so ist gemäß Judikatur wie folgt festzuhalten: Für die Haftung ist nicht entscheidungswesentlich, ob den Geschäftsführer an der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ein Vershulden trifft, weil nicht das Verschulden an und der Schaden aus der Insolvenz ins Gewicht fallen, sondern das Verschulden an der nicht ordnungsgemäßen (rechtzeitigen) Beitragsentrichtung vor Insolvenzeröffnung. Haftungsbegründend ist die Ungleichbehandlung der SV-Beiträge mit den anderen Verbindlichkeiten in Bezug auf ihre Bezahlung sowie die Verletzung all jener Pflichten (wie Meldepflicht, Zahlungspflicht, Abfuhrpflicht), deren Verletzung dafür kausal sein kann, dass Beiträge nicht entrichtet und später uneinbringlich werden.

Vor dem Hintergrund obiger Ausführungen hat die belangte Behörde jene Ermittlungstätigkeiten unterlassen, welche für die Beurteilung verfahrensgegenständlich unabdingbar sind. Es bedarf daher konkreter, im Einzelnen nachprüfbarer Feststellungen der Behörde, insbesondere zu der Frage, ob und in welchem Ausmaß die bP tatsächlich faktische Geschäftsführungstätigkeiten für die Primärschuldnerin wahrgenommen hat.

Es ist sohin das dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung auszuüben und das Verfahren an die belangte Behörde zurückzuverweisen, welches das Ermittlungsverfahrens unter Beachtung obiger Ausführungen durchzuführen und sodann neuerlich in der Sache zu entscheiden hat.

Absehen von einer Verhandlung

Eine Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG). Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen (§ 24 Abs.4 VwGVG).

Aufgrund der Behebung des angefochtenen Bescheides konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil zu den gegenständlich anzuwendenden Bestimmungen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt, die Rechtsfragen in der bisherigen Rechtsprechung einheitlich beantwortet wurden und die Entscheidung auf eine klare Rechtslage gestützt werden konnte.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, Geschäftsführer, Haftung, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L501.2125514.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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