TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/12 W169 2202303-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.09.2019
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Entscheidungsdatum

12.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W169 2202303-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.07.2018, Zl. 401185704-150958754, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Ab s. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 28.07.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme und die Sprachen Hindi und Punjabi in Wort und Schrift beherrsche. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der Hindus an und sei traditionell verheiratet. Der Beschwerdeführer habe von 1985 bis 1991 die Grundschule besucht und zuletzt Handys repariert. In Indien würden die Ehefrau, die minderjährige Tochter und die Eltern des Beschwerdeführers leben. Zu seinem Ausreisegrund führte der Beschwerdeführer an, dass die Familie seiner Frau gegen ihre Heirat gewesen sei, weil er Angehöriger der Religionsgemeinschaft der Hindus sei und sie der Religionsgemeinschaft der Sikhs angehöre. Aus diesem Grund hätten sie im Jahr 2011 heimlich geheiratet. Der Beschwerdeführer sei von der Familie seiner Gattin aufgefordert worden, zu konvertieren, was er jedoch nicht gewollt habe. Seither sei er mehrmals von der Familie seiner Frau misshandelt, geschlagen und in weiterer Folge auch mit dem Tod bedroht sowie verfolgt worden. Sie hätten auch in verschiedenen Städten versteckt gelebt, seien jedoch immer wieder gefunden worden.

2. Am 29.06.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen und gab er an, dass er aus dem Bundesstaat Punjab stamme und die Sprachen Bagri, Hindi, Punjabi, Urdu und etwas Englisch spreche. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der Hindus an, sei verheiratet und habe ein Kind. Der Beschwerdeführer habe im Herkunftsstaat sechs Jahre die Schule besucht und seinen Unterhalt durch Handyreparaturen bestritten. In Indien würden die Ehefrau, die Tochter und die Eltern des Beschwerdeführers leben. Er telefoniere regelmäßig mit seiner Frau, die einer Beschäftigung als Rezeptionistin nachgehe und sich um die gemeinsame Tochter kümmere. Auch habe er in Indien weitere Verwandte in Form von drei Onkeln und drei Tanten mütterlicherseits sowie sehr viele Cousins und Cousinen. Der Beschwerdeführer sei gesund.

Zu seinem Fluchtgrund brachte er insbesondere Folgendes vor (A:

nunmehriger Beschwerdeführer; F: Leiter der Amtshandlung):

" (...)

F: Schildern Sie die Gründe, warum sie Ihr Heimatland verlassen und einen Asylantrag gestellt haben, von sich aus vollständig und wahrheitsgemäß und chronologisch.

Sie werden darauf hingewiesen, dass falsche Angaben die Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens beeinträchtigen können.

A: Meine Ehefrau ist aus einer Sikh-Familie, wir haben verschiedene Religionen, ich bin Hindu. Deswegen wurde ich von der Familie meiner Ehefrau wie von meiner Familie verfolgt. Die Familie meiner Ehefrau und meine Familie waren gegen unsere Hochzeit und deswegen haben wir Probleme mit unseren Familien bekommen.

Deswegen gab es ständig Probleme mit unseren Familien. Es sind Leute zu uns gekommen und haben mich bedroht. Deswegen musste ich ständig meinen Aufenthalt ändern. Ich wurde öfters geschlagen. Ich wurde unter Druck gesetzt zum Sikhismus zu konvertieren. Man hat mir mit Säure auf meine Hand SP geschrieben, was Sikh bedeutet.

Anm.: Der AW zeigt die Unterhand seines linken Armes.

Die gesamte Sikh-Gemeinde hat sich gegen mich gestellt. Ich stand einmal mit meinem Baby auf einer Straße und da sind Leute von hinten gekommen und wollten auf mich schlagen und haben dabei mein Baby erwischt. Sie haben einen Finger meines Babys versehentlich abgeschnitten.

F: Haben sie sämtliche Gründe, die Sie veranlasst haben, Ihr Heimatland zu verlassen, vollständig geschildert?

A: Ja.

F: Wurden Sie persönlich verfolgt oder bedroht in Indien?

A: Ja.

F: Können Sie zeitliche Angaben zu Ihrem Vorbringen machen?

A: Ich habe 2011 geheiratet, da haben die Probleme begonnen. Der Vorfall mit meiner Hand und mit meiner Tochter waren im Jahr 2014, die genauen Daten kann ich jetzt nicht mehr sagen.

F: Haben Sie sich hilfesuchend an staatliche Stellen gewendet?

A: Ich habe ja in der Provinz Punjab gelebt. Die Polizisten dort sind alle Punjabis und Sikhs, wenn ich dort hingegangen wäre, dann hätten Sie mich geschlagen.

Ich bin zur Polizei gegangen, aber man hat dort nur einen Bericht geschrieben und das war es, man hat keine Anzeige erstattet.

F: Haben Sie Beweise dazu?

A: Sie haben nur einen Bericht geschrieben, sonst nichts, es wurde nichts registriert. Ich habe deswegen keinerlei Dokumente dazu bekommen.

F: Vorher haben Sie erwähnt in der Provinz Uttar Pardesh gelebt zu haben. Wie war die Situation dort?

A: Dort leben auch sehr viele Punjabis, die Sikhs sind. Auch dort hätte man mir nicht geholfen.

F: Bei der Erstbefragung gaben Sie nur an, dass die Familie Ihrer Frau gegen die Heirat gewesen wäre, sie erwähnten nicht, dass Ihre Familie auch dagegen gewesen wäre. Was sagen Sie dazu?

A: Meine Familie ist gegen unsere Hochzeit gewesen. Verfolgt werde ich aber nur von der Familie meiner Ehefrau.

F: Aus welchen Gründen lehnen Sie eine Konversion zum Sikhismus ab? Es geht hier ja um ihr Leben.

A: Ich bin als Hindu geboren und will nicht zum Sikhismus konvertieren.

F: Warum sind Sie nicht mit Ihrer Frau und Tochter ausgereist?

A: Ich hatte nicht genügend Geld.

F: Warum haben Sie nicht bereits früher das Land verlassen, wenn die Probleme so groß waren?

A: Ich habe zuerst versucht in anderen Landesteilen Indiens zu leben, das hat aber nicht funktioniert.

F: Was befürchten Sie im Falle Ihrer Rückkehr nach Indien? Was würde passieren, wenn Sie morgen zurück nach Indien zurückkehren müssten?

A: Ich habe Angst misshandelt und getötet zu werden.

F: Haben Sie jemals daran gedacht in einen Landesteil Ihres Herkunftsstaates zu ziehen?

A: Ja, wir haben sehr oft den Wohnsitz gewechselt.

Meine Ehefrau hatte immer Kontakt mit Ihrer Mutter, weil meine Ehefrau keine Geschwister und keinen Vater mehr hat. Ihre Mutter ist alles was Sie noch hat und die Mutter meiner Ehefrau ging es gesundheitlich nicht so gut.

Meine Ehefrau hat Ihrer Mutter immer gesagt, wo wir uns aufhalten. So hat die restliche Familie meiner Ehefrau herausgefunden, wo wir leben und sind zu uns gekommen und haben mich bedroht.

(...)".

Zu den Lebensumständen in Österreich gab der Beschwerdeführer an, dass er keine Verwandten oder Familienangehörigen hier habe. Er lebe von Leistungen aus der Grundversorgung und gehe keiner Beschäftigung nach, da er keine Arbeitserlaubnis habe. Der Beschwerdeführer habe einen Deutschkurs besucht und spreche die Sprache ein wenig. Er habe keine Schule, Kurse oder sonstigen Ausbildungen absolviert und sei nicht in einem Verein oder einer Organisation als Mitglied tätig. In seiner Freizeit gehe er einkaufen, koche, sei die meiste Zeit zuhause oder treffe manchmal Freunde.

Vorgelegt wurden Zeitungsartikel, aus denen hervorgeht, dass nicht erwünschte Beziehungen in Indien großen gesellschaftlichen Hürden ausgesetzt sind und mitunter fatale Folgen für die Betroffenen haben können.

Am Ende der Einvernahme wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eingeräumt, die Länderberichte zur aktuellen Situation in Indien übersetzt zu bekommen und dazu Stellung zu nehmen, worauf der Beschwerdeführer aber verzichtete.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.07.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Unter Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei. Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu den von ihm behaupteten Verfolgungsgründen die Glaubwürdigkeit abzusprechen gewesen sei. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Fall einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der nicht übermäßig langen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien. Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

6. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Nach Wiederholung der Fluchtgründe wurde moniert, dass die Behörde nicht ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht nachgekommen sei, zumal der Beschwerdeführer schlüssige, nachvollziehbare und somit überprüfbare Angaben getätigt habe. Die indischen Behörden seien ihm gegenüber nicht schutzfähig und schutzwillig und würde er sich für den Fall einer Rückkehr der Gefahr einer Verletzung seiner in Art. 2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte begeben. Auch sei der Beschwerdeführer im Bundesgebiet integriert. Beantragt wurde die Einholung eines länderkundlichen Sachverständigengutachtens und/oder Beiziehung eines Vertrauensanwaltes und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Punjab und gehört der Religionsgemeinschaft der Hindus an. Seine Identität steht nicht fest. Er ist verheiratet und hat eine Tochter. Er beherrscht die Sprachen Bagri, Hindi, Punjabi, Urdu und etwas Englisch. Im Herkunftsstaat besuchte der Beschwerdeführer sechs Jahre die Schule und sicherte den Lebensunterhalt mit Handyreparaturen.

Die Verfolgungsbehauptungen des Beschwerdeführers sind nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Indien eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht.

Der Beschwerdeführer hat im Bundesgebiet keine Verwandten oder Familienangehörigen. Er geht keiner Beschäftigung nach und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer hat einen Deutschkurs besucht und spricht die Sprache ein wenig. Er hat sonst keine Schule, Kurse oder sonstigen Ausbildungen absolviert und ist nicht in einem Verein oder einer Organisation als Mitglied tätig. In seiner Freizeit geht der Beschwerdeführer einkaufen, kocht oder trifft manchmal Freunde. Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen aus der Grundversorgung und ist strafgerichtlich unbescholten. Er ist gesund und steht im erwerbsfähigen Alter.

Im Herkunftsstaat leben die Ehefrau, die Tochter und die Eltern des Beschwerdeführers. Er telefoniert regelmäßig mit seiner Ehefrau, die als Rezeptionistin arbeitet und sich um die gemeinsame Tochter kümmert. Auch hat er weitere Verwandte (drei Onkeln und drei Tanten mütterlicherseits sowie sehr viele Cousins und Cousinen) in Indien.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:

Allgemeine Menschenrechtslage

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 16.8.2016). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2016). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 16.8.2016). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit bei (USDOS 13.4.2016).

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2016), eine verallgemeinernde Bewertung kaum möglich:

Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 16.8.2016). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 16.8.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen Die Stimmung wird durch hindunationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 6.2016).

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im Maoistengürtel begehen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 13.4.2016).

Die Behörden verstoßen auch weiterhin gegen die Privatsphäre der Bürger. In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein und es gibt Berichte von Verhaftungen, aber keine Verurteilungen nach diesem Gesetz. Manche Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 13.4.2016).

Im Oktober 1993 wurde die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) gegründet. Ihre Satzung beinhaltet den Schutz des Menschenrechtgesetzes aus dem Jahre 1993. Die Kommission verkörpert das Anliegen Indiens für den Schutz der Menschenrechte. Sie ist unabhängig und wurde durch ein Umsetzungsgesetz des Parlaments gegründet. Die NHRC hat die Befugnis eines Zivilgerichtes (NHRC o.D.). Die NHRC empfiehlt, dass das Kriminalermittlungsbüro alle Morde, in denen die angeblichen Verdächtigen während ihrer Anklage, Verhaftung, oder bei ihrem Fluchtversuch getötet wurden, untersucht. Viele Bundesstaaten sind diesem unverbindlichen Rat nicht gefolgt und führten interne Revisionen im Ermessen der Vorgesetzten durch. Die NHRC Richtlinien weisen die Bundesstaatenregierungen an, alle Fälle von Tod durch Polizeihandlung binnen 48 Stunden an die NHRC zu melden, jedoch hielten sich viele Bundesstaatenregierungen nicht an diese Richtlinien. Die NHRC forderte von den Bundesstaatenregierung, den Familien von Opfern eine finanzielle Kompensation zu bieten, aber die Bundesstaatenregierungen erfüllten diese Richtlinien nicht konsequent. Die Behörden haben die Streitkräfte nicht dazu aufgefordert, Todesfälle während der Haft an die NHRC zu melden (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2016):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/201607/indien.pdf, Zugriff 13.12.2016

-

NHRC - The National Human Rights Commission India (o. D.): The National Human Rights Commission India, http://www.nhrc.nic.in/Documents/Publications/NHRCindia.pdf, Zugriff 5.1.2017

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 13.12.2016

Religionsfreiheit

Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (USDOS 10.8.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016), ordnet eine säkularen Staat an, fordert den Staat auf, alle Religionen unparteilich zu behandeln und verbietet Diskriminierung auf religiöser Basis. Nationales und bundesstaatliches Recht setzen die Religionsfreiheit jedoch unter dem Vorbehalt der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral (USDOS 10.8.2016). Der Schutz umfasst sowohl die innere Glaubensfreiheit als auch die Ausübung und im Prinzip auch die Verbreitung der Religion (AA 16.8.2016). Religionsfreiheit wird im Allgemeinen auch in der Praxis respektiert (FH 27.1.2016) und kaum eingeschränkt (AA 16.8.2016). Premierminister Modi hat sich im Februar 2015 zur Religionsfreiheit und der Gleichwertigkeit aller Religionen bekannt (AA 25.4.2015). Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Religionsgruppen werden von der Regierung nicht geduldet (AA 25.4.2015). Das friedliche Nebeneinanderleben im multi-ethnischen, multi-religiösen Indien ist zwar die Norm, allerdings sind in einigen Unionsstaaten religiöse Minderheiten immer wieder das Ziel fundamentalistischer Fanatiker, oft auch mit Unterstützung lokaler Politiker (ÖB 12.2016). Die existierenden Spannungen, haben in der Vergangenheit auch zu massiven Gewaltausbrüchen geführt (zuletzt 2013 in Muzzafarnagar/Uttar Pradesh mit mehr als 40 Toten) (AA 16.8.2016). Berichten zufolge kommt es zu religiös motivierten Morden, Überfällen, Unruhen, Zwangskonvertierungen, Aktionen, die das Recht des Einzelnen auf Änderung seiner religiösen Überzeugung zum Ziel haben sowie zu Diskriminierung und Vandalisumus. Es kommt auch zu Bedrohungen und Übergriffen von Hindu-Nationalisten auf Muslime und Christen sowie zur Zerstörung ihres Eigentums aufgrund ihres Glaubens und im Zuge von Streitereien über die örtliche Lage von Kirchen und Moscheen (USDOS 10.8.2016).

Die größten religiösen Gruppen, nach ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung bei der Volkszählung aus dem Jahr 2001, sind Hindus (79,8%), Muslime (14,2%), Christen (2,3%) und Sikhs (1,7%) (CIA Factbook 12.12.2016). Muslime, Sikhs, Christen, Parsis, Janais und Buddhisten gelten als gesetzlich anerkannte Minderheitengruppen unter den religiösen Gruppierungen (USDOS 10.8.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016), deren Vertreter in einer staatlichen Nationalen Minderheitenkommission sitzen. Hinzu kommen eine schier unüberschaubare Vielzahl unterschiedlicher indigener Volksgruppen mit eigenen animistischen Riten ("Adivasis" genannt), und die zahlenmäßig kleinen jüdischen und Bahai-Gemeinschaften (AA 16.8.2016). Das Gesetz legt fest, dass die Regierung die Existenz dieser religiösen Minderheiten schützt und Konditionen für die Förderung ihrer individuellen Identitäten begünstigt. Bundesstaatliche Regierungen sind dazu befugt, religiösen Gruppen gesetzlich den Status von Minderheiten zuzuerkennen (USDOS 10.8.2016).

Die Gesetzgebung in mehreren Staaten mit Hindumehrheit verbietet religiöse Konversion, die aus Zwang oder "Verlockung" erfolgt - was sehr weit ausgelegt werden kann, um Personen, die missionarisch tätig sind, zu verfolgen. Manche Bundesstaaten fordern für Konversion eine Genehmigung der Regierung (FH 27.1.2016). In sechs der 29 Bundesstaaten (Arunachal Pradesh, Gujarat, Himachal Pradesh, Chhattisgarh, Odisha, und Madhya Pradesh) bestehen Anti-Konvertierungsgesetze. Es gibt in diesem Zusammenhang Berichte über Verhaftungen, jedoch nicht über Verurteilungen nach diesem Gesetz In Arunachal Pradesh ist dieses Anti-Konvertierungsgesetz aufgrund fehlender Freigabe der Gesetzgebung nicht implementiert. Ausländische Missionare jeglicher Religionszugehörigkeit benötigen "Missionsvisa" ("missionary visa") (USDOS 10.8.2016).

Bundesorgane, einschließlich des Ministeriums für Minderheitenangelegenheiten (Ministry for Minority Affairs), die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) und die Nationale Kommission für Minderheiten (National Commission for Minorities - NCM) können Behauptungen über religiöse Diskriminierung untersuchen (USDOS 10.8.2016). Religiöse Minderheiten, vor allem Muslime und Christen, werfen den Behörden vor, nicht genug zum Schutz ihrer Rechte zu tun (HRW 27.1.2016).

Personenstandsgesetze gelten nur für bestimmte Religionsgemeinschaften in Fragen der Ehe, Scheidung, Adoption und Vererbung. Die Regierung gewährt bei der Ausarbeitung dieser Gesetze erhebliche Autonomie für die Personenstandsgremien. Das hinduistische, das christliche, das Parsi und das islamisches Personenstandsgesetz sind rechtlich anerkannt und gerichtlich durchsetzbar (USDOS 10.8.2016). Im Familienrecht genießen Muslime wie auch Christen besondere Freiheiten, die ihnen die Beachtung ihrer Traditionen ermöglichen (AA 16.8.2016).

Der Wahlsieg der hindu-nationalen BJP im Jahr 2014 löste in der Öffentlichkeit eine intensive Diskussion über das Spannungsfeld zwischen den Werten einer säkularen Verfassung und einer in Teilen zutiefst religiösen Bevölkerung aus; die Debatte zu religiös motivierter Gewalt wird lebhaft und kontrovers geführt (AA 16.8.2016). Im Vorfeld der Wahlen kam es 2013 zu Vorfällen von Gewalt gegen religiöse Minderheiten. Regierungsquellen zufolge wurden dabei in 823 Vorfällen 133 Personen getötet und 2.269 verletzt (HRW 29.1.2015). Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Religionsgruppen im Jahr 2015 haben nach offiziellen Angaben zugenommen: Im Vergleich zum Vorjahr gab es rund 17% mehr Zwischenfälle (von 644 auf 751), mit insgesamt 97 Toten (95 in 2014). 2.264 Personen wurden bei derartigen Zwischenfällen verletzt (1.921 im Vorjahreszeitraum). Die Mehrzahl der Übergriffe dürfte hindu-fundamentalistisch motiviert sein; eine offizielle Aufschlüsselung gibt es nicht. Gewalttätige Übergriffe durch selbsternannte Retter der "gau mata" (Heilige Mutter Kuh im Hinduismus) haben an Intensität und Zahl zugenommen (AA 16.8.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

AA - Auswärtiges Amt (25.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

-

CIA - Central Intelligence Agency (12.12.2016): The World Factbook

-

India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017

-

FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - India, http://www.ecoi.net/local_link/327703/468368_de.html, Zugriff 21.12.2016

-

HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/295494/430526_de.html, Zugriff 21.12.2016

-

HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - India, http://www.ecoi.net/local_link/318378/457381_de.html, Zugriff 21.12.2016

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

USDOS - US Department of State (10.8.2016): 2015 Report on International Religious Freedom - India, http://www.ecoi.net/local_link/328426/469205_de.html, Zugriff 21.12.2016

Ethnische Minderheiten

Minderheiten sind nach indischem Recht als religiöse und sprachliche Minderheiten definiert (ÖB 12.2016). Die Verfassung enthält eine Garantie zum Schutz vor Diskriminierungen wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion, Rasse, Kaste, Geschlecht oder Geburtsort. Minderheiten haben das Recht auf eigene Bildungseinrichtungen sowie auf Pflege ihrer Sprache und Kultur (AA 16.8.2016). Das Gesetz räumt dem Präsidenten auch die Befähigung ein, benachteiligte Kasten und Stämme für spezielle Quoten und Begünstigungen zu bestimmen (USDOS 13.4.2016). Gesetze setzen Quoten bei Bildungseinrichtungen und Regierungsanstellungen für sogenannte "registrierte" Kasten (Dalits) und Stämme, sowie einige andere sogenannte "benachteiligte Klassen", fest (FH 27.1.2016).

Historisch sind weite Teile der Gesellschaft in Kasten oder Clans organisiert (USDOS 13.4.2016) und Mitglieder unterer Kasten und Minderheiten sind weiterhin alltäglicher Diskriminierung ausgesetzt (FH 27.1.2016). Die Kaste ist ein komplexes traditionelles Hierarchiesystem, das auf ritueller Reinheit und Berufsgruppen beruht. Obwohl mit der Verfassung von 1949 Kastendiskriminierung verboten wurde, bleibt die Registrierung zum Zwecke positiver Förderprogramme bestehen und die Regierung betreibt weiterhin verschiedene Programme, um Mitglieder niederer Kasten zu stärken (USDOS 13.4.2016). Besonders auf dem Land bleiben Diskriminierungen aufgrund der Kastenzugehörigkeit, die in der Struktur der indischen Gesellschaft angelegt sind und auf sozialen und religiösen Traditionen fußen und vielfach implizit verlaufen, jedoch weit verbreitet (USDOS 13.4.2016).

Um Minderheiten stärker in das öffentliche Leben zu integrieren und ihre Teilhabe zu erhöhen, erfahren die unterste Schicht der Kastenordnung (sog. "Dalits" oder "Unberührbare") sowie die Adivasis eine positive Diskriminierung, deren Zulässigkeit in der Verfassung festgeschrieben ist. Im Bildungswesen (u.a. Studienplätze) und in der staatlichen Verwaltung (u.a. Stellenvergabe) sind Quoten von bis zu 49,5% für die sogenannten "Scheduled" Castes and "Scheduled" Tribes ("scheduled" = in der Verfassung erwähnte Kasten und Stämme) sowie für andere benachteiligte Gruppen, "Other Backward Castes", vorgesehen. Quoten werden auf zentralstaatlicher Ebene nur nach Kastenzugehörigkeit und sozialem Status, nicht aber nach Religion, zugeordnet. Allerdings gibt es in einigen Bundesstaaten Quotenregelungen für bestimmte religiöse Gemeinschaften, so z.B. in Tamil Nadu, Kerala und Andhra Pradesh für "rückständige" Christen und Muslime (AA 16.8.2016).

Trotz dieser umfangreichen positiven Förderprogramme, weitreichender gesetzlichen Schutzbestimmungen und verfassungsmäßigem Verbot von "Unberührbarkeit" (Artikel 17) werden Angehörige von niederen Kasten und Dalits in Indien noch immer massiv und systematisch diskriminiert, vor allem auch durch Polizei und Strafjustiz (AA 16.8.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016).

Zum Schutz der benachteiligten Gruppen und zur Gewährleistung ihrer Repräsentation im Unterhaus des Parlaments, muss jeder Bundesstaat Sitze für die geschützten Kasten und Stämme in Proportion zur Bevölkerung des Staates reservieren. Nur Kandidaten, die diesen Gruppen angehören dürfen an den Wahlen in den reservierten Wahlkreisen teilnehmen. Bei den Wahlen 2014 waren 84 Sitze für Kandidaten der geschützten Kasten und 47 für jene der geschützten Stämme reserviert, was insgesamt 24% der Sitze im Unterhaus ergab. Mitglieder der Minderheitenbevölkerung dienten als Premierminister, Vizepräsidenten, Richter des Obersten Gerichts und Mitglieder des Parlaments (USDOS 13.4.2016).

Englisch genießt den Status der sekundär offiziellen Sprache, ist aber die wichtigste Sprache für nationale, politische und wirtschaftliche Kommunikation. Hindi ist die am weitest verbreitet gesprochene Sprache und die Hauptsprache von 41% der Menschen. Es gibt 14 weitere offizielle Sprachen: Bengali, Telugu, Marathi, Tamil, Urdu, Gujarati, Malayalam, Kannada, Oriya, Punjabi, Assamese, Kashmiri, Sindhi, und Sanskrit. Hindustani ist eine populäre Variante des Hindi/Urdu und wird weitgehend im Norden Indiens gesprochen, ist aber gemäß Zensus aus dem Jahr 2001 keine offizielle Sprache (CIA Factbook 12.12.2016). Die nationale Volkszählung kategorisiert die Bevölkerung anhand der gesprochenen Sprachen, aber nicht nach rassischen oder ethnischen Gruppen (USDOS 13.4.2016).

Vor allem in Indiens abgelegenen Nordosten gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Stämme und Ethnien. Ihr Verhältnis untereinander und gegenüber der Zentralregierung birgt großes

Konfliktpotential. Dieses beruht v.a. auf der Missachtung der großen ethnischen und kulturellen Vielfalt der dortigen Bevölkerungsgruppen, ihren Bestrebungen zur Wahrung ihrer kulturellen Identität sowie auf der wirtschaftlichen Vernachlässigung seitens der indischen Zentralregierung (AA 16.8.2016). Kinder aus vulnerablen Gemeinschaften sind Formen der Diskriminierung aufgrund ihrer Kasten- oder Religionszugehörigkeit sowie ihrer Ethnie ausgesetzt (HRW 27.1.2016).

Konfliktfördernd ist v.a. auch der als Bedrohung wahrgenommene, unkontrollierte Zustrom illegaler (muslimischer) Einwanderer, vor allem aus Bangladesch. Es gibt ca. 100 Rebellengruppen, deren Aktivitäten bis heute zehntausende Menschenleben gekostet haben. Aktionen von Polizei und Militär richten sich gegen diese militante Gewalt, nicht aber gegen bestimmte Ethnien (AA 16.8.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

CIA - Central Intelligence Agency (12.12.2016): The World Factbook

-

India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017

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FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - India, http://www.ecoi.net/local_link/327703/468368_de.html, Zugriff 22.12.2016

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HRW - Human Rights Watch (27.1.2016): World Report 2016 - India, http://www.ecoi.net/local_link/318378/457381_de.html, Zugriff 16.12.2016

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): India, Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 21.12.2016

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.4.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 16.8.2016).

Die Regierung lockerte Einschränkungen in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen. Die Sicherheitskräfte untersuchen Wagen und deren Inhaber bei Checkpoints im Kaschmirtal, vor öffentlichen Veranstaltungen in Neu Delhi oder nach großen terroristischen Angriffen (USDOS 13.4.2016).

Die Regierung darf die legale Ausstellung eines Passes, an einen Anwärter, von dem geglaubt wird, dass er in Aktivitäten außerhalb des Landes verwickelt ist, die "schädlich für die Souveränität und Integrität der Nation" sind, verweigern Bürger von Jammu und Kaschmir sind auch weiterhin mit massiven Verzögerungen bei der Ausstellung eines Passes konfrontiert, oft dauert es bis zu zwei Jahre, bis ihnen das Außenministerium einen Pass ausstellt oder erneuert. Die Regierung setzt Antragsteller - geboren in Jammu und Kaschmir -, darunter auch Kinder von Militäroffizieren Berichten zufolge zusätzlichen Kontrollen aus, bevor sie einen Pass erhalten (USDOS 16.8.2016).

Mit dem geplanten Datenverbundsystem für die zentralen Sicherheitsbehörden und die Unionsstaaten, Crime and Criminal Tracking Network System (CCTNS), soll künftig ein Informationsaustausch auf allen Ebenen gewährleistet sein. Für 2012 war eine Anbindung von 15.000 Polizeistationen und 6.000 übergeordneten Stellen vorgesehen. Die Umsetzung des ambitionierten Vorhabens liegt jedoch weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan (AA 3.3.2014).

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern (ÖB 12.2016). Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch. Es bedarf lediglich eines sehr einfachen, öffentlichen Namensänderungsverfahrens, um seine Identität zu verschleiern (AA 3.3.2014).

Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 16.8.2016). Ob der Betreffende nach der Umsiedlung dort die Möglichkeit hat, sich ein wirtschaftliches Auskommen zu verschaffen, hängt ausschließlich von seiner Eigeninitiative ab (AA 3.3.2014).

In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.3.2014): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Pracitces 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 28.12.2016

Meldewesen

Es gibt kein Meldewesen in Indien (AA 16.8.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

Grundversorgung/Wirtschaft

Indiens Wirtschaft hat sich zuletzt erholt und an Dynamik gewonnen. Indien zählt nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt. Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2015/2016 bei 7,6% (AA 9.2016).

Das Land hat eine aufstrebende urbane Mittelschicht. Die große Zahl an Facharbeitskräften macht es zu einem beliebten Ziel für internationale Firmen, die versuchen ihre Arbeit auszulagern. Der Großteil der ländlichen Bevölkerung ist weiterhin arm, da deren Leben auch weiterhin durch das altertümliche Hindukastensystem beeinflusst wird, welches jeder Person einen Platz in der sozialen Hierarchie zuweist (BBC 27.9.2016)

Das hohe Wachstum der Jahre bis 2011 hat die regionalen Entwicklungsunterschiede auf dem Subkontinent und das zunehmende Einkommensgefälle zwischen der expandierenden städtischen Mittelschicht und der überwiegend armen Bevölkerung auf dem Lande, wo noch knapp 70% aller Inder leben, schärfer hervortreten lassen. Ende September 2014 verkündete Premierminister Modi die "Make in India" Kampagne und rief ausländische Investoren dazu auf, in Indien bei verbesserten Investitionsbedingungen zu produzieren. Zur Ankurbelung der weiteren Industrialisierung werden groß angelegte Infrastrukturprojekte verfolgt. Auch im Bereich Schiene, den Häfen und im Luftverkehr sind erhebliche Investitionen nötig und geplant. Wachstum und Wohlstand verdankt Indien vor allem dem Dienstleistungssektor mit einem Anteil von über 53% am BIP. Hiervon profitiert aber bei einem Beschäftigungsanteil von etwa 30% nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Zur Überwindung der Massenarmut sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, vor allem auch für nicht oder gering qualifizierte Kräfte (AA 9.2016).

Indien hat eine Erwerbsbevölkerung von 404,5 Millionen, von welchen 43 Millionen im formellen Sektor und 361 Millionen im informellen Sektor arbeiten, wo sie weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert sind, noch Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung haben (AA 9.2016). Der Hauptteil der Menschen, die im informellen Sektor arbeiten, sind im privaten Sektor tätig (BAMF 12.2015). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 17,4% (2015/16) der Gesamtwirtschaft, obgleich rund 50% der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 9.2016).

Die Regierung hat überall im Land mehr als 900 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle im Regierungssekte frei ist. Das MGNREGA Gesetz (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act) ist ein Arbeitsgarantieprogramm. Erwachsenen eines ländlichen Haushalts, welche gewillt sind Handwerksarbeit zum Mindestlohn zu verrichten, wird hierdurch eine gesetzliche Jobgarantie für 100 Tage im Jahr gewährt. Das Kommissariat oder Direktorat der Industrie (The Commissionerates or Directorates of Industries) bieten Hilfe bei der Geschäftsgründung in den verschiedenen Staaten. Einige Regierungen bieten Arbeitslosenhilfe für Personen, die bereits mehr als drei Jahre bei der Stellenbörse registriert sind (BAMF 12.2015)

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 1.313 Euro. Etwa 30% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1 USD pro Kopf und Tag. Rund 70% haben weniger als 2 USD pro Tag zur Verfügung. Auf dem Human Development Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme - UNDP) steht Indien auf Platz 135 unter 187 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 9.2016).

In Indien haben derzeit von 400 Millionen Arbeitskräften nur etwa 35 Millionen Zugang zum offiziellen Sozialen Sicherungssystem in Form einer Altersrentenabsicherung. Dies schließt Arbeiter des privaten Sektors, Beamte, Militärpersonal und Arbeitnehmer von Unternehmen des staatlich öffentlichen Sektors ein (BAMF 8.2014). Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 12.2015).

Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 12.2015).

Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unter dem Existenzminimum. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 16.8.2016).

Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar ID Nummer ausgestellt. Obwohl diese nicht verpflichtend ist, gaben Beamte an, dass der Nichtbesitz den Zugang zur Staatshilfe limitieren werden könnte (FH 3.10.2013). Die unverwechselbare Identitätsnummer ermöglicht es beispielsweise, dass staatliche Zuschüsse direkt an den Verbraucher übermittelt werden. Anstatt diese auf ein Bankkonto zu senden, wird sie an die unverwechselbare Identitätsnummer überwiesen, die mit der Bank verbunden ist und geht so an das entsprechende Bankkonto. 750 Millionen Inder haben derzeit ei

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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