TE Vwgh Erkenntnis 1998/10/8 97/15/0073

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Veröffentlicht am 08.10.1998
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

BAO §184;
B-VG Art7 Abs1;
EStG 1988 §16 Abs1 Z9;
EStG 1988 §16 Abs1;
EStG 1988 §2;
EStG 1988 §4 Abs4;
EStG 1988 §4 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Robl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zeller, über die Beschwerde des G S in F, vertreten durch

Dr. Harald Christandl, Rechtsanwalt in Graz, Kaiserfeldgasse 29, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 6. März 1997, GZ B Sch11-9/96, betreffend Einkommensteuer 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 4.565 S binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist als Dienstnehmer im Außendienst tätig und verwendet hiefür sein eigenes Kraftfahrzeug. Für die beruflich gefahrenen Strecken erhielt er von seinem Arbeitgeber Ersatzzahlungen in Höhe von 3 S pro Kilometer, die als nicht steuerbare Bezüge iSd § 26 Z 4 EStG 1988 behandelt wurden. Im Streitjahr 1994 legte er im beruflichen Einsatz 55.723 Kilometer (und privat 6.830 Kilometer) zurück und erhielt hiefür Aufwandsersätze in Höhe von 167.169 S. Die Differenz zwischen dem amtlichen Kilometergeld (4,30 bzw. 4,60 S) für diese Strecke und den Aufwandsersätzen - sie beträgt 79.371,70 S - machte er als Werbungskosten geltend.

Das Finanzamt setzte im Rahmen der Arbeitnehmerveranlagung die Einkommensteuer fest, anerkannte dabei aber die genannten Werbungskosten nicht. Werde ein Kraftfahrzeug überwiegend beruflich genutzt, sei es als Arbeitsmittel iSd § 16 Abs. 1 Z 7 EStG 1988 einzustufen. Bei beruflichen Fahrten von mehr als 30.000 km pro Jahr gehe das Finanzamt von einer überwiegenden beruflichen Nutzung aus. Es könnten dann nur mehr die tatsächlich nachgewiesenen Kosten anerkannt werden. Das Finanzamt habe aufgrund der Aussagen des Beschwerdeführers und der vorgelegten Belege den tatsächlichen Aufwand des Beschwerdeführers mit 3 S pro Kilometer berechnet, sodaß die Aufwendungen in den Ersatzzahlungen des Arbeitgebers gedeckt seien.

Der Beschwerdeführer berief. § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 regle, daß die Reisekosten bei ausschließlich beruflich veranlaßten Reisen Werbungskosten seien und dabei Aufwendungen ohne Nachweis ihrer Höhe anzuerkennen seien, soweit sie die Sätze des § 26 Z 4 leg. cit. nicht überstiegen. Bei Berücksichtigung der Finanzierungskosten, der Abnutzung und der Instandhaltungsaufwendungen würden zudem die tatsächlichen Kosten dem amtlichen Kilometergeld zumindest entsprechen.

Das Finanzamt setzte den Beschwerdeführer davon in Kenntnis, daß es die tatsächlichen Fahrzeugkosten im Streitjahr unter Berücksichtigung von Abschreibung (bei Anschaffungskosten von 349.800 S), Benzin, Reifen, Felgen, Autowäsche, Park- und Mautgebühren, Versicherung und Service mit 187.711 S annehme. Da von diesen Kosten 11 % auf private Fahrten entfielen, verblieben beruflich veranlaßte Kosten von 167.213 S, das entspreche 3 S pro Kilometer.

Nach Ergehen einer - im hier strittigen Punkt abweisenden - Berufungsvorentscheidung, bei welcher das Finanzamt von Fahrtkosten in Höhe von 3 S pro Kilometer ausging, stellte der Beschwerdeführer den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung hinsichtlich der in Rede stehenden Differenzbeträge keine Folge gegeben. Beruflich bzw. betrieblich bedingte Fahrtkosten seien auch dann Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben, wenn die Voraussetzungen für das Vorliegen einer beruflich oder betrieblich bedingten Reise iSd § 16 Abs. 1 Z 9 bzw. des § 4 Abs. 5 EStG 1988 nicht gegeben seien. Wirtschaftsgüter, die überwiegend betrieblich genutzt würden, seien Teile des Betriebsvermögens, wobei die Betriebsausgaben nach den allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln seien. Das gelte auch für Kraftfahrzeuge. Trotz der Verweisung des § 4 Abs 5 EStG 1988 auf die Beträge des § 26 Z 4 leg. cit. komme, wenn das Kraftfahrzeug zum Betriebsvermögen gehöre, nicht das amtliche Kilometergeld zur Anwendung. Die belangte Behörde vertrete die Auffassung, daß auch die im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit für das Arbeitsmittel "Kraftfahrzeug" erwachsenen Werbungskosten nach den allgemeinen Grundsätzen zu ermitteln und nicht in Höhe des amtlichen Kilometergeldes anzunehmen seien. Allerdings dürften die tatsächlichen Fahrzeugkosten bei einer Fahrleistung bis zu 30.000 Kilometer pro Jahr in Höhe des amtlichen Kilometergeldes geschätzt werden, weil die tatsächlichen Kosten eines durchschnittlichen Fahrzeuges bei dieser Fahrleistung dem Kilometergeld entsprechen würden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

§ 4 Abs. 5 EStG 1988 lautet:

"Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Verpflegung und Unterkunft bei ausschließlich durch den Betrieb veranlaßten Reisen sind als Betriebsausgaben anzuerkennen, soweit sie die sich aus § 26 Z 4 ergebenden Beträge nicht übersteigen."

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 zählen zu den Werbungskosten auch:

"Reisekosten bei ausschließlich beruflich veranlaßten Reisen. Diese Aufwendungen sind ohne Nachweis ihrer Höhe als Werbungskosten anzuerkennen, soweit sie die sich aus § 26 Z 4 ergebenden Beträge nicht übersteigen. Höhere Aufwendungen für Verpflegung sind nicht zu berücksichtigen."

Gemäß § 26 Z 4 EStG 1988 gehören nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit:

"Beträge, die aus Anlaß einer Dienstreise als Reisevergütungen (Fahrtkostenvergütung, Kilometergelder) und als Tagesgelder und Nächtigungsgelder gewährt werden"

§ 26 Z 4 EStG 1988 enthält auch Regelungen über Obergrenzen für Kilometergelder, Tagesgelder und Nächtigungsgelder.

§ 4 Abs. 5 EStG 1988 regelt die Reise im betrieblichen Bereich; die Regelung bringt klar zum Ausdruck, daß sie nur hinsichtlich der Tagesgelder und der Nächtigungsgelder auf § 26 Z 4 leg. cit. verweist. Eine gesetzliche Sonderregelung für die Bemessung des Fahrtaufwandes - etwa im Fall der Benutzung eines überwiegend privat genutzten Pkw - besteht nicht.

§ 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 regelt die beruflich veranlaßte Reise. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung ist nicht eindeutig, ob ihr Verweis auf § 26 Z 4 leg. cit. neben den Tagesgeldern und den Nächtigungsgeldern auch die Kilometergelder erfaßt. Das Gesetz definiert nämlich den Begriff der Reisekosten nicht. In der Literatur findet sich die Meinung, daß Fahrtkosten (auch mit dem Pkw) keine spezifischen Reisekosten seien (Doralt, EStG3, § 16 Tz 203).

Eine Reise iSd § 16 Abs 1 Z 9 wie auch iSd § 4 Abs 5 EStG 1988 liegt nur vor, wenn eine Entfernung vom Ort der ständigen Tätigkeit von zumindest etwa 25 km erreicht wird (vgl. Hofstätter/Reichel, § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 Tz 2; Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 16 Tz 81). Andererseits stellen tatsächliche Fahrtkosten unabhängig davon Werbungskosten iSd § 16 Abs 1 erster Satz bzw. Betriebsausgaben iSd § 4 Abs 4 erster Satz EStG 1988 dar, ob das genannte Erfordernis einer Reise erfüllt ist. Fahrten im Nahebereich führen somit zur steuerlichen Berücksichtigung der tatsächlichen Fahrtaufwendungen, nicht aber zur Anerkennung eines Tagessatzes. Die Höhe der Fahrtkosten (Pkw-Aufwendungen) hängt nicht davon ab, ob die Fahrt im Nahebereich verbleibt oder darüber hinausgeht. Es gäbe daher keinen sachlichen Grund, insbesondere innerhalb ein und derselben Einkunftsart für die Bemessung der Fahrtkosten danach zu unterscheiden, ob die beruflichen Fahrten diesen Nahebereich überschreiten oder nicht. Der Verpflegungsmehraufwand (und zusätzliche Nächtigungsaufwand) ist hingegen typischerweise nicht ohne Verlassen des Nahebereiches gegeben.

Die Berücksichtigung der persönlichen Leistungsfähigkeit gehört zu den wesentlichen Merkmalen der Einkommensteuer; es bedarf einer sachlichen Rechtfertigung, wenn in einem Teilbereich vom Leistungsfähigkeitsprinzip abgewichen werden soll (vgl etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1991, VfSlg. 12941). Die tatsächlichen Kosten für Fahrten mit dem eigenen Pkw entwickeln sich bei höheren Kilometerleistungen im Hinblick auf den hohen Anteil an Fixkosten degressiv. Werden die Werbungskosten für Pkw-Fahrten mit dem amtlichen Kilometergeld bemessen, ergibt sich hingegen ein lineares Ansteigen, welches immer mehr von den tatsächlichen Aufwendungen abweicht (vgl. Doralt, EStG3, Seite 731). Eine am Prinzip der persönlichen Leistungsfähigkeit orientierte Interpretation ergibt daher ebenfalls, daß Fahrtaufwendungen stets in ihrer tatsächlichen Höhe (anteilige AfA, Benzinkosten, etc.) als Werbungskosten anzusetzen sind.

Bei dieser Interpretation entsprechen die Regelungen für die einkünftemindernde Berücksichtigung von Fahrtaufwendungen im außerbetrieblichen Bereich jenen im betrieblichen Bereich. Damit ist auch der einkommensteuerlichen Systematik entsprochen, nach welcher die Geschäftsreise iSd § 4 Abs. 5 inhaltlich mit der beruflich veranlaßten Reise iSd § 16 Abs. 1 Z 9 EStG 1988 übereinstimmt (vgl. Doralt, EStG3, § 16 Tz 171).

Ergibt sich nun, daß Fahrtaufwendungen stets in der tatsächlich angefallenen Höhe als Werbungskosten oder Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind, so wird es dennoch vielfach, mangels vorliegender Informationen über die exakte Höhe der Aufwendungen zu einer Schätzung der Höhe dieser Aufwendungen kommen. Dabei wird die Schätzung mit dem amtlichen Kilometergeld in vielen Fällen zu einem den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Ergebnis führen.

Die belangte Behörde ist im Beschwerdefall davon ausgegangen, daß die Fahrtkosten bei einer Fahrtleistung von über 30.000 Kilometer jährlich in ihrer tatsächlichen Höhe zum Ansatz gebracht werden müssen. Diese Rechtsansicht entspricht sohin dem Gesetz.

Im Beschwerdefall hat das Finanzamt die tatsächlichen Fahrtkosten unter Berücksichtigung der einzelnen Kostenkomponenten ermittelt. Die belangte Behörde hat diese Kostenberechnung übernommen, zumal der Beschwerdeführer im Vorlageantrag dem Berechnungsergebnis nicht entgegengetreten ist. Daß diese sachverhaltsmäßige Feststellung unter Verletzung von Verfahrensvorschriften getroffen worden wäre, vermag die Beschwerde nicht aufzuzeigen. Der Beschwerdeführer behauptet, er hätte im Verwaltungsverfahen darüber belehrt werden müssen, daß er an Stelle der tatsächlichen Kosten das amtliche Kilometergeld hätte heranziehen können. Dem ist aber entgegenzuhalten, daß eine derartige Wahlmöglichkeit - wie oben ausgeführt - nicht besteht.

Die Beschwerde vermag sohin die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen und war daher als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. 416/1994.

Wien, am 8. Oktober 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997150073.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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