TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/17 I403 2215230-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.04.2019
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Entscheidungsdatum

17.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §55
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I403 2215237-1/8E

I403 2215230-1/8E

I403 2215232-1/8E

I403 2215234-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, Sta. Nigeria, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Doris EINWALLNER, Schönbrunner Str. 26/3, 1050 Wien gegen Spruchpunkte I., II. und III. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. ist stattzugeben. Ein Zeitraum von sechs Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung wird für die freiwillige Ausreise festgesetzt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL über die Beschwerden von XXXX, geb. XXXX; von XXXX, geb. XXXX und von XXXX, geb. XXXX, alle Staatsbürger von Nigeria, gesetzlich vertreten durch ihre Mutter XXXX, alle vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Doris EINWALLNER, Schönbrunner Str. 26/3, 1050 Wien gegen Spruchpunkte I., II. und III. der Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX zu Recht:

A)

Den Beschwerden wird stattgegeben, und die angefochtenen Bescheide werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um die Erstbeschwerdeführerin XXXX und deren drei minderjährige Kinder (den Zweitbeschwerdeführer XXXX XXXX, geb. XXXX, und die Dritt- und Viertbeschwerdeführerinnen XXXX und XXXX, beide XXXX geboren).

Die Erstbeschwerdeführerin war von 01.12.2014 bis 28.02.2018 bei der XXXX Botschaft in XXXX tätig; sie und ihre drei Kinder waren in dieser Zeit zum Aufenthalt in Österreich berechtigt und sind seit 23.12.2014 in Österreich gemeldet.

Für die drei Kinder wurden am 23.02.2018 Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (für den Zweck "Schüler") eingebracht, eine rechtskräftige Entscheidung liegt nicht vor.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 25.01.2019 erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführern keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG und erließ gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt I.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Nigeria gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt II.), erteilte gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt III.) und erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt IV.).

Gegen diese Bescheide wurde rechtzeitig Beschwerde erhoben. Die gegenständlichen Beschwerden und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und langten am 01.03.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Teilerkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.03.2019, I403 2215237-1/4Z, I403 2215230-1/4Z, I403 2215232-1/4Z und I403 2215234-1/4Z wurde den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuerkannt und Spruchpunkt IV. der angefochtenen Bescheide behoben.

Das Bundesverwaltungsgericht forderte die Beschwerdeführer im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung zur Abgabe einer Stellungnahme zu ihrem Privat- und Familienleben auf. Mit Stellungnahme vom 27.03.2019 wurden verschiedene Dokumente vorgelegt. Die Unterlagen wurden dem BFA zur Abgabe einer Stellungnahme übermittelt, auf eine solche wurde verzichtet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Erstbeschwerdeführerin war von 01.12.2014 bis 28.02.2018 bei der XXXX Botschaft in XXXX tätig; sie und ihre drei Kinder waren in dieser Zeit zum Aufenthalt in Österreich berechtigt und sind seit 23.12.2014 in Österreich gemeldet.

Die minderjährigen Beschwerdeführer besuchen in Österreich die Schule und sind hier sozial eingebunden. Entgegen den Feststellungen im angefochtenen Bescheid verfügen die Beschwerdeführer über finanzielle Mittel und eine aufrechte Krankenversicherung.

Die Erstbeschwerdeführerin bevollmächtigte im August 2018 Freunde der Familie mit der Übernahme der Pflege und Erziehung der minderjährigen Beschwerdeführer bis zu deren Volljährigkeit. Die Viertbeschwerdeführerin lebt seit 23.08.2018 bei ihrem Freund.

Die Beschwerdeführer sind strafrechtlich unbescholten.

Für die minderjährigen Beschwerdeführer wurden am 22.03.2018 bzw. am 23.02.2018 Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Aufenthaltsbewilligung - Schüler" gemäß § 63 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) gestellt. Diese wurden mit Bescheiden vom 31.10.2018 abgewiesen, da keine Unterlagen vorgelegt wurden, die den gesicherten Lebensunterhalt und den Aufenthalt der Mutter im Bundesgebiet belegen würden. Gegen diese Bescheide wurde Beschwerde erhoben. Die Verfahren sind beim Verwaltungsgericht XXXX anhängig.

Die Erstbeschwerdeführerin stellte keinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Sie war daher seit Ende der Gültigkeit ihrer Legitimationskarte am 28.02.2018 nicht mehr rechtmäßig in Österreich aufhältig. Neben den minderjährigen Beschwerdeführern leben drei erwachsene Kinder der Erstbeschwerdeführerin in Österreich, zwei aufgrund einer Aufenthaltsbewilligung als Studierende. Gegen eine erwachsene Tochter der Erstbeschwerdeführerin und deren drei Kinder wurde ebenfalls mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl eine Rückkehrentscheidung erlassen; das diesbezügliche Beschwerdeverfahren ist beim Bundesverwaltungsgericht anhängig.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Meldung und Unbescholtenheit beruhen auf einem Auszug aus dem Strafregister und dem Zentralen Melderegister vom 28.02.2019.

Mit der Beschwerde wurden Schulbesuchsbestätigungen und Schulzeugnisse, Kontoauszüge (Erstbeschwerdeführerin: Guthaben von 9000 Euro; Viertbeschwerdeführerin: Guthaben von 6000 Euro) und eine Versicherungsbestätigung vorgelegt.

Mit der Stellungnahme vom 27.03.2019 wurden vorgelegt:

* Bescheid des Amtes der XXXX Landesregierung vom XXXX, betreffend

XXXX

* Bescheid des Amtes der XXXX Landesregierung vom 31.10.2018, Zl. XXXX, betreffend XXXX

* Aufforderung zur Urkundenvorlage durch das Verwaltungsgericht XXXX vom 11.03.2019, Zl. XXXX betreffend XXXX

* Aufforderung zur Urkundenvorlage durch das Verwaltungsgericht XXXX vom XXXX betreffend XXXXA

* Aufforderung zur Urkundenvorlage durch das Verwaltungsgericht XXXX vom XXXX betreffend XXXX

* Ersuchen um Fristerstreckung in Bezug auf die Aufforderung zur Urkundenvorlage durch das Verwaltungsgericht XXXX, datiert mit 20.03.2019 (in diesem Schreiben gibt sich Dr. XXXX als Bevollmächtigter für den Zweit- und die Drittbeschwerdeführerin zu erkennen)

* Befund zur Myomoperation der Erstbeschwerdeführerin im November 2017

* Entlassungsbrief nach der Laparoskopischen Cholecystektomie bei der Erstbeschwerdeführerin (stationärer Aufenthalt von 09.03.2018 bis 23.03.2018)

* Schreiben der XXXX Botschaft in XXXX vom 15.01.2014, in dem bestätigt wird, dass die Erstbeschwerdeführerin als Verwaltungsattaché seit November 2017 für zunächst drei Jahre an der Botschaft tätig ist

* Klage der Erstbeschwerdeführerin gegen das nigerianische Außenministerium, eingebracht beim "National Industrial Court of Nigeria"

* Unbefristete Wohnrechtsvereinbarung zwischen der Botschaft der Republik Nigeria und der Erstbeschwerdeführerin vom 23.12.2014

* Stellungnahme der Klassenlehrerin der Dritt- und Viertbeschwerdeführerin

* Stellungnahme der Klassenlehrerin des Zweitbeschwerdeführers sowie Unterschriftenliste seiner Klasse zu seiner Unterstützung und seine Schulbesuchsbestätigung

* "Solidaritätsschreiben" des XXXX Leichtathletikverbandes vom 18.03.2019 für den Zweitbeschwerdeführer

* Untermietvertrag für die Viertbeschwerdeführerin vom 23.08.2018, befristet bis 31.08.2020 und Meldezettel der Viertbeschwerdeführerin

* Vereinbarung zwischen der Erstbeschwerdeführerin und XXXX, dass dieser bis zur Volljährigkeit des Zweitbeschwerdeführers dessen Pflege und Erziehung übernimmt, datiert mit 27.08.2018 (Unterschrift der Erstbeschwerdeführerin durch das BG XXXX beglaubigt)

* Vereinbarung zwischen der Erstbeschwerdeführerin und XXXX, dass diese bis zur Volljährigkeit der Viertbeschwerdeführerin deren Pflege und Erziehung übernimmt, datiert mit 22.08.2018 (Unterschrift der Erstbeschwerdeführerin durch das BG XXXX beglaubigt)

* Schreiben der XXXX Botschaft an die Krankenversicherung mit der Aufforderung, die Krankenversicherung für die Beschwerdeführer mit 28.02.2018 zu kündigen

* Bestätigung aufrechter Krankenversicherungsverträge für die Beschwerdeführer vom 22.11.2018

Dass die Beschwerdeführer bis zum 28.02.2018 aufgrund einer vom Bundesministerium für Auswärtige Angelegenheiten ausgestellten "blauen" Legitimationskarte zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt waren, ergibt sich aus einem entsprechenden in den Akten einliegenden Schreiben des Ministeriums vom 08.10.2018.

Dass die Verfahren über einen Antrag auf Aufenthaltsbewilligung der minderjährigen Beschwerdeführer noch nicht rechtskräftig entschieden wurden, ergibt sich aus einer telefonischen Auskunft des zuständigen Verwaltungsgerichtes am 11.04.2019.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Rechtliche Grundlagen

§ 57 Abs. 1 AsylG 2005 lautet:

Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

§ 9 Abs. 2 BFA-VG lautet:

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

§ 55 Abs. 1, 2, 3 und 4 FPG lauten:

(1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) ...

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

§ 21 NAG lautet:

(1) Erstanträge sind vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen. Die Entscheidung ist im Ausland abzuwarten.

(2) Abweichend von Abs. 1 sind zur Antragstellung im Inland berechtigt:

1. Familienangehörige von Österreichern, EWR-Bürgern und Schweizer Bürgern, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben, nach rechtmäßiger Einreise und während ihres rechtmäßigen Aufenthalts;

2. Fremde bis längstens sechs Monate nach Ende ihrer rechtmäßigen Niederlassung im Bundesgebiet, wenn sie für diese Niederlassung keine Bewilligung oder Dokumentation nach diesem Bundesgesetz benötigt haben;

3. ...

(3) Abweichend von Abs. 1 kann die Behörde auf begründeten Antrag die Antragstellung im Inland zulassen, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt und die Ausreise des Fremden aus dem Bundesgebiet zum Zweck der Antragstellung nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar ist:

1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen (§ 2 Abs. 1 Z 17) zur Wahrung des Kindeswohls oder

2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK (§ 11 Abs. 3).

Die Stellung eines solchen Antrages ist nur bis zur Erlassung des Bescheides zulässig. Über diesen Umstand ist der Fremde zu belehren.

(4) Beabsichtigt die Behörde den Antrag nach Abs. 3 zurück- oder abzuweisen, so hat die Behörde darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(5) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, Staatsangehörige bestimmter Staaten durch Verordnung zur Inlandsantragsstellung zuzulassen, soweit Gegenseitigkeit gegeben ist oder dies im öffentlichen Interesse liegt.

(6) Eine Inlandsantragstellung nach Abs. 2 Z 1, Z 4 bis 9, Abs. 3 und 5 schafft kein über den erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalt hinausgehendes Bleiberecht. Ebenso steht sie der Erlassung und Durchführung von Maßnahmen nach dem FPG nicht entgegen und kann daher in Verfahren nach dem FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten.

(7) Abs. 2 bis 6 gelten nicht für Drittstaatsangehörige, die einen Antrag auf erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung als unternehmensintern transferierter Arbeitnehmer (§ 58) beantragen.

§ 52 Abs. 1 und 4 FPG lauten:

(1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder

2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

3.2. Zur Anwendung der geltenden Rechtslage auf die Erstbeschwerdeführerin

Die Erstbeschwerdeführerin verfügte zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung über keine Aufenthaltsberechtigung für Österreich, eine solche ist auch zum aktuellen Zeitpunkt nicht gegeben. Ihre Legitimationskarte war nicht mehr gültig und sie stellte auch keinen Antrag auf Erteilung einer sonstigen Aufenthaltsbewilligung.

Im Falle der Erstbeschwerdeführerin ist daher zunächst zu prüfen, ob ihr ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 zu erteilen ist, doch ergeben sich dafür aus der Aktenlage keine Hinweise und wurde dies auch nicht in der Beschwerde beantragt. In weiterer Folge stellt sich die Frage, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung als verhältnismäßig anzusehen ist; dafür sind die Kriterien des § 9 Abs. 2 BFA-VG heranzuziehen. Im konkreten Fall der Erstbeschwerdeführerin ist allerdings zu berücksichtigen, dass sie sich zwar seit Dezember 2014 und damit seit etwas mehr als vier Jahren in Österreich aufhielt, dass ihr Aufenthalt aber im Rahmen einer diplomatischen Mission erfolgte, der inhärent ist, dass nach einer gewissen Zeit eine Abberufung erfolgt. Es wird vom Bundesverwaltungsgericht nicht angezweifelt, dass die Erstbeschwerdeführerin, wie in der Beschwerde angegeben, soziale Kontakte in Österreich geknüpft hat, doch musste der Erstbeschwerdeführerin als Angehörige des diplomatischen Dienstes stets bewusst sein, dass ihr Aufenthalt in Österreich nur als vorläufig anzusehen war. In Bezug auf ihre sechs in Österreich lebenden Kinder besteht zwar jedenfalls in Hinsicht auf die minderjährigen Beschwerdeführer ein Familienleben, doch bevollmächtigte die Erstbeschwerdeführerin bereits im August 2018 Freunde der Familie mit der "Pflege und Erziehung" ihrer minderjährigen Kinder bis zu deren Volljährigkeit. Die minderjährigen Kinder verfügen daher in Österreich über erwachsene Bezugspersonen, die sich für sie verantwortlich fühlen. So lebte etwa die Viertbeschwerdeführerin seit August 2018 gar nicht mehr bei ihrer Mutter, der Erstbeschwerdeführerin, sondern bei ihrem Freund und dessen Mutter, welche eben auch zu ihrer "Pflege und Erziehung" bevollmächtigt worden war. Zudem ist der dauerhafte Aufenthalt der minderjährigen Beschwerdeführer in Österreich ebenfalls nicht gesichert, ebenso wenig wie jener der bereits volljährigen Kinder, da diese teilweise für die Dauer des Studiums aufenthaltsberechtigt sind bzw. in Bezug auf eine Tochter eine Beschwerde gegen die vom BFA ausgesprochene Rückkehrentscheidung anhängig ist.

In Bezug auf die Erstbeschwerdeführerin wurde im Beschwerdeverfahren auch weniger auf die nachhaltige Aufenthaltsverfestigung im Bundesgebiet als vielmehr auf ihr Interesse an einem Sieg im Rechtsstreit mit der XXXX Botschaft in XXXX verwiesen. So wurde etwa in der Beschwerde ausgeführt, dass die Beendigung des Dienstverhältnisses rechtswidrig erfolgt sei und die Erstbeschwerdeführerin rechtliche Schritte eingeleitet habe und dass dies einer der wichtigsten Gründe sei, warum sie bislang das Bundesgebiet nicht verlassen habe. Allerdings wurde die entsprechende Klage bei einem XXXX Gericht eingereicht, so dass es der Erstbeschwerdeführerin zumutbar erscheint, den Ausgang des Verfahrens in ihrem Herkunftsland abzuwarten. Zudem ergibt sich aus dem arbeitsrechtlichen Streit keine besondere Bindung zu Österreich, welche im Rahmen des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen wäre.

Auch Erkrankungen können unter bestimmten Umständen das Interesse an einem Verbleib in Österreich stärken; aus den Befunden, die im Übrigen bereits mehr als ein Jahr alt sind, ergibt sich zwar, dass die Erstbeschwerdeführerin operative Eingriffe über sich ergehen lassen musste und unmittelbar nach den Eingriffen in ihrer Reisefähigkeit eingeschränkt war, doch kann daraus nicht von einem derart starken Interesse an der Fortführung einer medizinischen Behandlung in Österreich geschlossen werden, dass es zu einem Überwiegen ihrer privaten Interessen an einem Verbleib in Österreich kommt.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher zum Schluss, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen die Erstbeschwerdeführerin verhältnismäßig ist und keine Verletzung des Art. 8 EMRK darstellt. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides war daher abzuweisen.

In Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Erstbeschwerdeführerin nach Nigeria zulässig ist. Sie machte auch zu keinem Zeitpunkt des Beschwerdeverfahrens eine Gefährdung ihrer Person in Nigeria geltend, vielmehr gehört sie selbst dem diplomatischen Apparat an. Daran ändert auch nichts, dass sie sich in Bezug auf gewisse finanzielle Ansprüche im Rechtsstreit mit der Botschaft in XXXX befindet, zumal sie, wie der Stellungnahme vom 27.03.2019 zu entnehmen ist, weiterhin Gehaltszahlungen des XXXX Staates erhält. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des Bescheides war daher abzuweisen.

Weiters wurde unter Spruchpunkt III. festgestellt, dass der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt wird. Aufgrund des Umstandes, dass bereits mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.03.2019, I403 2215237-1/4Z, Spruchpunkt IV. behoben wurde und damit der Beschwerde gegen den Bescheid aufschiebende Wirkung zukam, findet § 55 Abs. 4 FPG aber keine Anwendung. Zudem ist im besonderen Falle der Erstbeschwerdeführerin davon auszugehen, dass sie eine längere Frist als zwei Wochen dafür benötigen wird, um ihre Angelegenheiten zu regeln; dies beinhaltet die Auflösung der Wohnung, das Schaffung adäquater Verhältnisse für ihre rechtmäßig in Österreich aufhältigen Kinder, die Auflösung der Versicherung und etwaige noch vorzunehmende Klarstellungen mit ihrem früheren Arbeitgeber. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden und ihre persönliche Verhältnisse und jene ihrer Kinder zu regeln, erscheint aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes ein Zeitraum von sechs Wochen angemessen.

Der Beschwerde war daher in Bezug auf Spruchpunkt III. stattzugeben und ein Zeitraum von sechs Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise festzusetzen.

3.3. Zur Anwendung der geltenden Rechtslage auf den Zweitbeschwerdeführer sowie die Dritt- und Viertbeschwerdeführerin

Gemäß § 21 Abs. 2 Z 2 NAG sind Fremde bis längstens sechs Monate nach Ende ihrer rechtmäßigen Niederlassung im Bundesgebiet zur Inlandsantragstellung berechtigt, wenn sie für diese Niederlassung keine Bewilligung oder Dokumentation nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz benötigt haben. Inhaber von Legitimationskarten fallen unter diese Ausnahme. Ebenso hat dieser Personenkreis ein Bleiberecht, wenn der Inlandsantrag fristgerecht gestellt wird (§ 21 Abs. 6 NAG).

Die minderjährigen Beschwerdeführer stellten am 23.02.2018 und damit noch vor Ablauf ihres aufgrund des diplomatischen Status ihrer Mutter bis zum 28.02.2018 rechtmäßigen Aufenthaltes einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Daher waren die minderjährigen Beschwerdeführer rechtmäßig in Österreich aufhältig und hätte nicht auf Basis des § 52 Abs. 1 FPG eine Rückkehrentscheidung gegen sie ergehen dürfen.

Nach § 52 Abs. 4 FPG kann unter bestimmten Umständen auch gegen einen rechtmäßig in Österreich aufhältigen Fremden eine Rückkehrentscheidung ergehen, doch unterließ es das BFA aufzuzeigen, dass eine der Voraussetzungen dafür gegeben ist bzw. ergibt sich darauf aus dem Akteninhalt auch kein Hinweis.

Soweit das BFA in den angefochtenen Bescheiden davon ausgeht, dass es wahrscheinlich sei, dass das Verwaltungsgericht die Beschwerden gegen die abweisenden Bescheide im Verfahren über die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG abweisen wird, kann die Behörde nicht der Entscheidung des Gerichtes vorweggreifen, sondern ist der Ausgang der diesbezüglichen Verfahren abzuwarten. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt haben die minderjährigen Beschwerdeführer aufgrund des anhängigen Verfahrens ein Bleiberecht inne.

Die Bescheide waren daher ersatzlos zu beheben.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Übrigen war eine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Prüfung vorzunehmen.

Schlagworte

anhängiges Verwaltungsverfahren, Aufenthaltstitel, Behebung der
Entscheidung, ersatzlose Behebung, Kassation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I403.2215230.1.01

Zuletzt aktualisiert am

25.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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