TE Vwgh Erkenntnis 1998/10/9 96/19/1587

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Veröffentlicht am 09.10.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §3 Abs1 idF 1995/351;
AufG 1992 §4 Abs3 idF 1995/351;
AufG 1992 §6 Abs1 idF 1995/351;
AVG §13 Abs1;
AVG §66 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des 1994 geborenen J B, vertreten durch die Mutter E B, beide in Wien, letztere vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in N, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27. März 1996, Zl. 301.908/5-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer stellte, vertreten durch seinen Vater, bei der österreichischen Botschaft in Tirana einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der am 13. Juli 1995 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 8. Jänner 1996 wurde der Antrag gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) mangels einer für Inländer ortsüblichen Unterkunft in Österreich abgewiesen.

Die dagegen erhobene Berufung wurde vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 27. März 1996 gemäß § 4 Abs. 3 und § 5 Abs. 1 AufG abgewiesen. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, die Mutter des Beschwerdeführers, der seine Pflege und Erziehung zukomme und zu der die engste familiäre Bindung bestehe, verfüge weder über eine gültige Aufenthaltsbewilligung noch über eine Arbeitserlaubnis, woraus zu schließen sei, daß der Unterhalt des Beschwerdeführers gemäß § 5 Abs. 1 AufG in keiner Weise gesichert sei. Darüber hinaus sei gemäß § 4 Abs. 3 AufG eine Bewilligung gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AufG jeweils mit der gleichen Befristung zu erteilen wie die der Bewilligung des Ehegatten bzw. Elternteiles oder Kindes. Da die Mutter des Beschwerdeführers über keine Aufenthaltsbewilligung verfüge, sei sein Antrag gemäß § 4 Abs. 3 AufG abzuweisen gewesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt und bringt vor, die belangte Behörde habe nicht berücksichtigt, daß sein Vater sich seit seiner Kindheit in Österreich rechtmäßig aufhalte und daher die im Sinne des § 4 Abs. 3 AufG maßgebliche Bezugsperson sei. Überdies sei entgegen der Auffassung der belangten Behörde der Aufenthalt des Beschwerdeführers auch deswegen gesichert, weil im Verwaltungsverfahren eine Verpflichtungserklärung seines Großvaters vorgelegt worden sei, der Bediensteter des Magistrates der Stadt Wien sei.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Aus diesen ergibt sich, daß hinsichtlich der Beilagen zum Antrag des Beschwerdeführers auf die Verwaltungsakten betreffend seine Mutter verwiesen wird. Über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes legte die belangte Behörde auch diese Verwaltungsakten vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 17. April 1996) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.

Die §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 3 und 5 Abs. 1 AufG lauteten in der Fassung dieser Novelle:

"§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten

...

(2) von Fremden, die auf Grund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerks oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 bis 5 rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.

...

§ 4.

...

(3) Eine Bewilligung gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 ist jeweils mit der gleichen Befristung zu erteilen, wie die der Bewilligung des Ehegatten bzw. Elternteiles oder Kindes, bei der ersten Bewilligung aber höchstens für die Dauer von fünf Jahren.

...

§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."

Die belangte Behörde stützte ihren abweisenden Bescheid zunächst darauf, daß der Unterhalt des Beschwerdeführers für die Dauer der von ihm angestrebten Bewilligung nicht gesichert sei.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes haben Fremde von sich aus (initiativ) zu belegen, daß sie über die zur Bestreitung ihres Unterhaltes erforderlichen Mittel verfügen. Nur dadurch kommen sie ihrer Obliegenheit gemäß § 6 Abs. 1 AufG nach, glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund im Sinne des § 5 Abs. 1 leg. cit. vorliegt. Aufforderungen seitens der Behörde an die Antragsteller, dieser Darlegungspflicht entsprechend zu handeln, sind demnach ebensowenig geboten wie die Durchführung entsprechender amtswegiger Ermittlungen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1997, Zl. 96/19/0355, u.a.).

Der Beschwerdeführer hat in seinem Bewilligungsantrag lediglich seinen Namen, sein Geburtsdatum und sein Geschlecht angeführt, ansonsten aber keinerlei Angaben gemacht. Offenkundig lagen der belangten Behörde, die nicht auf die Vervollständigung dieser Angaben drang, als Entscheidungsgrundlage auch die die Mutter des Beschwerdeführers betreffenden Akten vor (dafür spricht auch der Vermerk auf dem Antrag: "Siehe Antrag" (Es folgt Name und Geschäftszahl betreffend die Mutter des Beschwerdeführers(). Der angefochtene Bescheid erging am selben Tag wie der in Ansehung der Mutter ergangene Berufungsbescheid. In einem solchen Fall hat das Antragsvorbringen der Mutter auch als solches des Kindes zu gelten.

Wie sich aus dem die Mutter des Beschwerdeführers betreffenden Verwaltungsakt ergibt, stützte sich diese in ihrem Antrag auf Unterhaltsmittel, die ihr von ihrem Schwiegervater (dem Großvater des Beschwerdeführers, im folgenden: Großvater) zur Verfügung gestellt würden. Vorgelegt wurde im Verwaltungsverfahren eine Verpflichtungserklärung des Großvaters vom 28. Juni 1995, der zufolge dieser sich unwiderruflich verpflichte, für den gesamten Lebensunterhalt der Mutter des Beschwerdeführers solange uneingeschränkt aufzukommen, bis sie dazu aus eigenem Einkommen in der Lage sein würde. Ausdrücklich ist in dieser Verpflichtungserklärung auch der Beschwerdeführer erwähnt. Die Verpflichtungserklärung kann demnach bei verständiger Würdigung nur so gedeutet werden, daß der Großvater des Beschwerdeführers nicht nur für den Unterhalt seiner Schwiegertochter, sondern auch für denjenigen seines Enkels (des Beschwerdeführers) aufzukommen gedenkt, für den gleichzeitig mit dem Antrag seiner Schwiegertochter ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vom Vater des Beschwerdeführers gestellt wurde. Aus ebenfalls vorgelegten Gehaltszetteln des Großvaters des Beschwerdeführers geht hervor, daß dieser, ein Bediensteter der Stadt Wien, im Mai 1995 (inklusive Sonderzahlung) S 33.898,14 und im Juni 1995 17.912,85 S bezogen hat. Da nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch eine freiwillig übernommene Verpflichtung zur Gewährung von Unterhalt geeignet sein kann, den Lebensunterhalt im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG als gesichert erscheinen zu lassen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/0612, und vom 28. Februar 1997, Zl. 95/19/1544), ist der Beschwerdeführer seiner Pflicht, glaubhaft zu machen, daß kein Ausschließungsgrund vorliegt, nachgekommen.

Die belangte Behörde hat jedoch keine Feststellungen über das Vorliegen einer Verpflichtungserklärung für den Beschwerdeführer sowie über das Einkommen des Verpflichters (des Großvaters) getroffen. Sie hat sich vielmehr ausschließlich darauf berufen, daß der Unterhalt des Beschwerdeführers nicht gesichert sei, weil seine Mutter über keine Aufenthaltsbewilligung verfüge. Daß die Mutter des Beschwerdeführers über keine Aufenthaltsbewilligung verfügte, hätte eine Abweisung des Antrages wegen nicht gesicherter Unterhaltsmittel des Beschwerdeführers jedoch nur dann gerechtfertigt, wenn dieser seinen Unterhalt nur von den Mitteln zu bestreiten beabsichtigt hätte, die seiner Mutter aus einer Erwerbstätigkeit auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung im Bundesgebiet zugänglich gewesen wären(vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Mai 1998, Zlen. 96/19/1802, 1899).

Die belangte Behörde wäre daher gehalten gewesen, Feststellungen darüber zu treffen, ob die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Unterhaltsmittel (das Einkommen seines Großvaters) ausreichend wären. Diesbezügliche Feststellungen hat die belangte Behörde nicht getroffen. Der angefochtene Bescheid enthält auch keine Ausführungen dazu, weshalb davon auszugehen wäre, daß das Einkommen des Großvaters des Beschwerdeführers nicht ausreiche, den Unterhalt des Beschwerdeführers zu sichern.

Die belangte Behörde hat daher in einem maßgeblichen Punkt den entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht festgestellt. Da es, hätte die belangte Behörde die unterlassenen Feststellungen getroffen, auch bei Heranziehung des Sozialhilferichtsatzes für das Bundesland Wien nicht ausgeschlossen wäre, daß das Einkommen des Großvaters des Beschwerdeführers ausreichend wäre, um den Unterhalt auch des Beschwerdeführers zu bestreiten, hätte die belangte Behörde in diesem Punkt zu einem anderen Bescheid gelangen können.

Die belangte Behörde hat ihren abweisenden Bescheid jedoch auch noch auf § 4 Abs. 3 AufG gestützt.

Wie sich jedoch aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren ergibt, beantragte er ganz offensichtlich auch Familiengemeinschaft mit seinem Vater, der seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung für ihn einbrachte.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes berechtigte allein der Umstand, daß die Mutter des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides über keine Aufenthaltsbewilligung verfügte, die belangte Behörde nicht zur Abweisung eines auch auf Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft mit seinem Vater gerichteten Antrages des Beschwerdeführers (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. Dezember 1997, Zl. 95/19/1718).

Da der Antrag des Beschwerdeführers, wie bereits erwähnt, erkennbar auch auf Familiengemeinschaft bzw. Familienzusammenführung mit seinem Vater gerichtet war, hatte die belangte Behörde im Rahmen ihres Ermittlungsverfahrens Feststellungen darüber zu treffen, ob der Vater des Beschwerdeführers auf Grund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerks oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 AufG rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren seinen Hauptwohnsitz in Österreich hatte, weil diesfalls - jedenfalls bei Fehlen von Ausschließungsgründen gemäß § 5 Abs. 1 AufG - ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung bestand. Derartige Feststellungen hat die belangte Behörde jedoch unterlassen, obwohl sich aus dem Verwaltungsakt betreffend die Mutter des Beschwerdeführers Hinweise darauf ergeben, daß in den am 18. August 1993 ausgestellten mazedonischen Reisepaß des Vaters des Beschwerdeführers, der sich nach dem Beschwerdevorbringen sich seit seiner Kindheit in Österreich aufhält, ein unbefristeter Wiedereinreisesichtmerk der Bundespolizeidirektion Wien aufscheint. Da es, stammte dieser unbefristete Wiedereinreisesichtvermerk bereits aus der Zeit vor dem 1. Juli 1993 (handelte es sich dabei nur um einen sogenannten "Übertrag" in einen anderen Paß), nicht ausgeschlossen ist, daß der Beschwerdeführer als Kind eines Fremden im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gehabt hätte, oder es, läge kein Rechtsanspruch vor, der Behörde nicht verwehrt gewesen wäre, eine Aufenthaltsbewilligung im Rahmen einer Ermessensentscheidung nach § 4 Abs. 1 AufG zu erteilen, hätte die belangte Behörde bei Vermeidung des ihr zur Last fallenden Verfahrensmangel auch in diesem Punkt zu einem anderen Bescheid gelangen können.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Das Mehrbegehren an Ersatz von Stempelgebühren war abzuweisen, weil die Vorlage der Beschwerde in zweifacher und dieses angefochtenen Bescheides in einfacher Ausfertigung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung ausreichend gewesen wäre. Wien, am 9. Oktober 1998

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996191587.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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