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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §140 impl;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin über die Beschwerde des 1975 geborenen DR in Wien, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. April 1996, Zl. 305.719/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer verfügte über eine vom 16. Juli 1994 bis 16. Juli 1995 gültige Aufenthaltsbewilligung. Ein rechtzeitig gestellter Antrag auf Verlängerung dieser Bewilligung wurde mit rechtskräftigem Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 3. August 1995 abgewiesen.
Mit dem nunmehr verfahrensgegenständlichen Antrag vom 13. September 1995 beantragte der Beschwerdeführer neuerlich die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung und gab als Aufenthaltszweck den der Familienzusammenführung mit seinen Eltern und mit seiner Schwester an. Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 8. Februar 1996 diesen Antrag gemäß § 4 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. Der Beschwerdeführer erhob Berufung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. April 1996 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4 Abs. 1 AufG und § 5 Abs. 1 AufG ab. Die belangte Behörde stellte nach Wiedergabe der bezughabenden Gesetzesstellen fest, der Beschwerdeführer habe seinen am 26. Mai 1995 gestellten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung damit begründet, daß er beabsichtige, im Bundesgebiet der unselbständigen Erwerbstätigkeit eines Malers und Anstreichers nachzugehen. Die derzeitige Arbeitsmarktlage sei von einer extrem hohen Arbeitslosigkeit gekennzeichnet, was dem Beschwerdeführer ebenso wie der Behörde bekannt sei. In dieser Situation und insbesondere angesichts der bisherigen Verfahrensergebnisse müsse die Berufungsbehörde die Möglichkeit eines Fremden auf Zugang zu legaler Beschäftigung verneinen. Es sei somit nicht davon auszugehen, daß der Lebensunterhalt im Bundesgebiet gesichert sei, da der Beschwerdeführer diesen nicht aus einer unselbständigen Erwerbstätigkeit bestreiten könnte.
Mit seinem am 13. September 1995 eingebrachten Antrag habe der Beschwerdeführer als Zweck des Aufenthaltes die Familiengemeinschaft mit den Eltern und Geschwistern angegeben. Familienzusammenführungen für volljährige Kinder gemäß § 3 Abs. 4 AufG könnten nur in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen erteilt werden. Als besonders berücksichtigungswürdig würden jedoch nur körperliche oder geistige Gebrechen gelten. Der Beschwerdeführer habe laut Aktenlage eine Lohnbestätigung seines Vaters vom 28. August 1995 über einen monatlichen Nettobezug von S 15.250,-- vorgelegt. Der Mietzins betrage für die Familie S 3.000,--. Aus dem Akt sei nicht ersichtlich, für wieviele Personen der Vater mit einem Betrag von S 12.250,-- sorgepflichtig sei. Weiters liege für den Beschwerdeführer keine gültige und tragfähige Verpflichtungserklärung vor, die eine dauernde oder befristete Sicherung seines Lebensunterhaltes im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG eventuell gewährleisten könnte. Gerade die Notwendigkeit, in einem ohnedies sensiblen Bereich die weitere Zuwanderung sorgfältig zu steuern, mache es erforderlich, strenge Maßstäbe an die Beurteilung der gesicherten Unterhaltsmittel von Zuwanderern anzulegen. Sei der Unterhalt für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert, so dürfe gemäß § 5 Abs. 1 AufG eine Bewilligung nicht erteilt werden.
Bei Abwägung der persönlichen Interessen mit den öffentlichen gemäß Art. 8 Abs. 2 MRK habe die Berufungsbehörde festgestellt, daß zwar die Eltern und Geschwister des Beschwerdeführers in Österreich aufhältig seien, die öffentlichen Interessen aber im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen überwögen, weil durch den nicht gesicherten und eigeninitiativ nicht ausreichend belegten Unterhalt davon auszugehen sei, daß der Beschwerdeführer nicht ohne Unterstützung des Sozialhilfeträgers für die Geltungsdauer der Bewilligung das Auslangen finden würde und durch "den nicht alle mit Erkrankungen und Unfällen verbundenen Kosten auf Dauer ohne Zuhilfenahme der öffentlichen Hand" mit Sicherheit abgedeckt werden könnten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Die §§ 3 Abs. 1 und 4, 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 AufG lauteten:
"§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten
1.
von österreichischen Staatsbürgern oder
2.
von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerkes oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 bis 5 rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z. 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.
...
(4) In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen und unter denselben Voraussetzungen kann, wenn dies zur Vermeidung einer besonderen Härte geboten ist, eine Bewilligung auch volljährigen Kindern und Eltern der in Abs. 1 genannten Personen erteilt werden, wenn sie von diesen wirtschaftlich abhängig sind.
§ 4. (1) Eine Bewilligung kann Fremden unter Beachtung der gemäß § 2 erlassenen Verordnungen sowie unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in dem Land des beabsichtigten Aufenthaltes erteilt werden, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt. Auf die Verlängerung von Bewilligungen finden die gemäß § 2 erlassenen Verordnungen keine Anwendung.
§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewiligung nicht gesichert ist."
Vorauszuschicken ist, daß auf den Beschwerdefall die Bestimmung des § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 deshalb keine Anwendung findet, weil es sich beim verfahrensgegenständlichen, nach rechtskräftiger Abweisung eines Verlängerungsantrages gestellten Antrag des Beschwerdeführers um einen Erstantrag, und nicht um einen Verlängerungsantrag handelt.
Die belangte Behörde stützte ihren abweislichen Bescheid zum einen darauf, daß im Fall des Beschwerdeführers als volljähriges Kind von Fremden, die aufgrund einer Bewilligung rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, die Voraussetzungen des § 3 Abs. 4 AufG nicht vorlägen. Der belangten Behörde ist beizupflichten, wenn sie im Fall des Beschwerdeführers das Vorliegen der Voraussetzungen des § 3 Abs. 4 AufG mangels eines entsprechenden Vorbringens während des Verwaltungsverfahrens als nicht gegeben erachtete. Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Auslegung dieser Bestimmung ausgeführt, daß diese Ausnahmebestimmung nur volljährige, von ihren Eltern wirtschaftlich abhängige Kinder vor Augen hat, deren individuelle Lebenssituation sich von der allgemeinen Lage anderer, von ihren Eltern wirtschaftlich abhängiger volljähriger Fremder unterscheidet. Ein Fall besonderer Härte werde dann gegeben sein, wenn die Schutzbedürftigkeit und Abhängigkeit des Volljährigen (außerhalb der bloß wirtschaftlichen Abhängigkeit) mit jener eines minderjährigen Kindes vergleichbar ist, z.B. wegen körperlicher oder geistiger Gebrechen. Darüberhinaus müsse es diese besondere, individuelle Lebenssituation des Fremden zur Vermeidung einer besonderen Härte geboten erscheinen lassen, im Inland einen Hauptwohnsitz zu begründen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. September 1997, Zl. 96/19/0685). Eine derartige, der Abhängigkeit von Minderjährigen gleichzuhaltende Unterstützungsbedürftigkeit durch seine Eltern im Inland wurde durch den Beschwerdeführer nicht dargetan. Der Behörde war es daher im Fall des Beschwerdeführers verwehrt, im Wege einer gesonderten Ermessensentscheidung gemäß § 3 Abs. 4 AufG eine Bewilligung im Sinne des § 3 Abs. 1 AufG dennoch zu erteilen und damit in Ansehung der Bewilligungsdauer die (privilegierende) Bestimmung des § 4 Abs. 3 AufG anzuwenden.
Dies bedeutet jedoch, daß die belangte Behörde gehalten gewesen wäre, eine Ermessensentscheidung gemäß § 4 Abs. 1 AufG - sei es durch die Erteilung einer Bewilligung oder einer Versagung einer solchen - unter Berücksichtigung der geltend gemachten familiären geltenden Gründe zu treffen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 1998, Zlen. 96/19/1842 bis 1844 u.a.). Eine Ermessensentscheidung im Sinne der Erteilung der Bewilligung wäre allerdings nur dann möglich, wenn kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegen würde. Diesbezüglich ging die belangte Behörde im Fall des Beschwerdeführers davon aus, daß dieser nicht über ausreichende Unterhaltsmittel für die Sicherung seines Lebensunterhaltes auf die Dauer seines Aufenthaltes verfüge. Träfe diese Annahme der belangten Behörde zu, wäre eine Ermessensübung im obgenannten Sinn zugunsten des Beschwerdeführers nicht möglich, die Abweisung des Antrages wäre diesfalls zu Recht erfolgt.
Die belangte Behörde vertrat die Ansicht, der Beschwerdeführer sei nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt im Bundesgebiet aus einer unselbständigen Erwerbstätigkeit zu bestreiten; weiters sei nicht ersichtlich, für wieviel Personen der Vater des Beschwerdeführers mit seinem monatlichen Einkommen sorgepflichtig sei und es liege für den Beschwerdeführer keine gültige und tragfähige Verpflichtungserklärung vor. Dazu ist zu bemerken, daß der Beschwerdeführer als Aufenthaltszweck nicht mehr - so wie bei seinem ersten Antrag vom 26. Mai 1995 - die Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nennt. Der belangten Behörde ist daher zuzustimmen, wenn sie die Ansicht vertritt, daß der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt nicht aus einer eigenen Erwerbstätigkeit bestreiten könnte.
Der Beschwerdeführer berief sich im gegenständlichen Verwaltungsverfahren und im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof darauf, kroatischer Staatsbürger zu sein. Daher ist auf ihn gemäß § 24 IPRG das kroatische Unterhaltsrecht, geregelt im (kroatischen) Gesetz Nr. 31 Pos. 1168 vom 27. Oktober 1989 über die Ehe und über die Familienbeziehungen (abgedruckt in deutscher Übersetzung in Bergmann-Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Kroatien, 33ff), anzuwenden. Im sechsten Teil dieses Gesetzes verpflichtet dessen Art. 237 die Eltern, für ihre minderjährigen Kinder Unterhalt zu leisten. Art. 238 Abs. 1 sieht eine derartige Verpflichtung zur Unterhaltsleistung von Eltern, ihren Möglichkeiten entsprechend, gegenüber ihren volljährigen Kindern in den Fällen vor, in denen die Kinder ordentlich geschult werden; nach Absatz 2 dieser Bestimmung sind die Eltern auch dann verpflichtet, für ein volljähriges Kind Unterhalt zu leisten, wenn dieses wegen Krankheit oder physischer und psychischer Mängel nicht arbeitsfähig ist und nicht genügend Mittel zum Leben hat oder diese nicht aus eigenem Vermögen bestreiten kann.
Daß der volljährige Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Bescheiderlassung einer schulischen Ausbildung nachgehe, wurde von ihm während des Verwaltungsverfahrens nicht behauptet und geht auch aus dem Verwaltungsakt nicht hervor. Ebensowenig ist während des Verfahrens hervorgekommen, daß der Beschwerdeführer wegen Krankheit oder physischer bzw. psychischer Mängel nicht arbeitsfähig sei. Für den Vater des volljährigen Beschwerdeführers bestand daher keine gesetzliche Verpflichtung (mehr), für den Beschwerdeführer, auf den Art. 238 des obgenannten Gesetzes keine Anwendung findet, Unterhalt zu leisten. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann auch die freiwillige Verpflichtung zur Gewährung von Unterhalt geeignet sein, den Lebensunterhalt im Sinne des § 5 Abs. 1 AufG als gesichert erscheinen zu lassen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 14. Dezember 1995, Zl. 95/19/0612). Entgegen den diesbezüglich mit dem Akteninhalt in Widerspruch stehenden Behauptungen in der Beschwerde hat sich der Vater des Beschwerdeführers aber während des Verwaltungsverfahrens nicht verpflichtet, dem Beschwerdeführer Unterhalt zu leisten. Eine derartige Verpflichtungserklärung wurde nicht vorgelegt, weshalb sich der Beschwerdeführer auch nicht auf die seinem Vater zufließenden Einkünfte zur Sicherung seines Unterhaltes berufen kann.
Ergänzend wird bemerkt, daß auch in dem Fall, daß der Beschwerdeführer neben der kroatischen Staatsbürgerschaft (weiterhin) die bosnisch-herzegowinische Staatsbürgerschaft besäße, hinsichtlich der Unterhaltspflicht seiner Eltern ihm gegenüber nichts anderes gelte. Unter der Annahme, daß der Beschwerdeführer als Doppelstaatsbürger stärkere Beziehungen zu Bosnien-Herzegowina hätte und auf ihn gemäß § 9 Abs. 1 letzter Satz IPRG in Verbindung mit § 24 IPRG das (bosnisch-herzegowinische) Gesetz über die Familie vom 29. Mai 1979 in der Fassung vom 20. Dezember 1989 (abgedruckt in Bergmann-Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Bosnien-Herzegowina, S 29ff) Anwendung finden würde, würde eine andere Betrachtungsweise deshalb nicht Platz greifen, weil auch das letztgenannte Gesetz eine Unterhaltspflicht von Eltern gegenüber ihren volljährigen Kindern nur in den Fällen vorsieht, in denen sich das volljährige Kind einer ordentlichen Schulausbildung unterzieht (Art. 231 Abs. 1) oder wegen Krankheit oder physischer oder psychischer Mängel arbeitsunfähig ist und keine ausreichenden Mittel zum Leben hat (Art. 231 Abs. 2). Auch in diesem Fall wäre der Beschwerdeführer auf eine ausdrückliche Verpflichtungserklärung seines Vaters (oder einer dritten Person) angewiesen.
Der belangten Behörde kann somit nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausging, daß es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, ausreichende Mittel zu seinem Lebensunterhalt glaubhaft zu machen. Das Vorliegen eines Versagungsgrundes gemäß § 5 Abs. 1 AufG machte es der belangten Behörde somit rechtlich unmöglich, zu einer für den Beschwerdeführer positiven Ermessensausübung durch Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 4 Abs. 1 AufG zu gelangen. Die Abweisung des Antrages erfolgte daher zu Recht.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am 9. Oktober 1998
Schlagworte
Ermessen Ermessen VwRallg8European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996191866.X00Im RIS seit
11.07.2001