Entscheidungsdatum
25.06.2019Norm
AVG §68 Abs1Spruch
W129 2219682-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter DDr. Markus GERHOLD über die Beschwerde des XXXX gegen den Bescheid des Universitätsstudienleiters der Universität Innsbruck vom 05.10.2018, Gz. 245029/18, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid gem. § 28 Abs 5 VwGVG ersatzlos behoben und der Behörde die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme des gebrauchten Zurückweisungsgrunds aufgetragen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer stellte am 09.07.2018 den Antrag auf Anerkennung mehrerer bestimmter Prüfungsleistungen aus dem von ihm erfolgreich abgeschlossenen Diplomstudium Rechtswissenschaften für bestimmte Prüfungsleistungen des Bachelorstudiums Wirtschaftsrecht an der Universität Innsbruck.
2. Mit mündlich verkündetem Bescheid des Universitätsstudienleiters der Universität Innsbruck vom 09.07.2018 wurden dem Beschwerdeführer mehrere bestimmte Prüfungsleistungen anerkannt, darunter auch die absolvierte Fachprüfung "Handels-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht" für die Prüfungen "SL Einführung in das Unternehmensrecht" und "Gesamtprüfung Unternehmensrecht".
Im Anschluss an die Verkündung des mündlichen Bescheides verzichtete der Beschwerdeführer auf ein Rechtsmittel.
3. Mit Schreiben vom 12.07.2018 beantragte der Beschwerdeführer die Anerkennung der absolvierten Fachprüfung "Handels-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht" (auch) für die Lehrveranstaltungsprüfung "VO Bank- und Kapitalmarktrecht".
4. Mit Bescheid vom 05.10.2018, Zl. 245029/18, wies der Universitätsstudienleiter der Universität Innsbruck den Antrag vom 12.07.2018 wegen entschiedener Sache zurück. Die Prüfung sei bereits am 09.07.2018 für die Prüfungen "Einführung in das Unternehmensrecht" und "Gesamtprüfung Unternehmensrecht" anerkannt worden, der Beschwerdeführer habe auf ein Rechtsmittel verzichtet. Zwischen dem Antrag vom 09.07.2018 und 12.07.2018 bestehe Identität der Sache nach. Das Bundesverwaltungsgericht habe mit Entscheidung vom 13.04.2017, Zl. W128 2117470-1, entschieden, dass eine nochmalige Anerkennung einer Prüfungsleistung wegen Identität der Sache nicht nochmals erfolgen könne.
5. Mit Schreiben vom 19.10.2018 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte auf das Wesentlichste zusammengefasst aus, es decke sich das neue Parteibegehren nicht im Wesentlichen mit dem früheren.
Er habe von einer Referentin des Prüfungsreferates erfahren, er hätte im damaligen Diplomstudium Rechtswissenschaften zusätzlich zur Fachprüfung eine Vorlesungsprüfung aus Bank- und Kapitalmarktrecht ablegen müssen. Diese Vorlesungsprüfung wäre anerkannt worden, da man seitens der Universität wolle, dass Studierende im gegenständlichen Wahlmodul explizit eine eigene Prüfung über das das Bank- und Kapitalmarktrecht ablegen.
6. Mit Schreiben vom 21.05.2019 teilte der Vorsitzende des Senates der Universität Innsbruck dem Universitätsstudienleiter mit, es werde von einem Gutachten abgesehen.
7. Mit Begleitschreiben vom 27.05.2019 (eingelangt am 04.06.2019) legte der Universitätsstudienleiter die gegenständliche Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1. Der Beschwerdeführer absolvierte an der Universität Innsbruck erfolgreich das Diplomstudium Rechtswissenschaften (und im Rahmen dieses Studiums am 06.03.2013 die Fachprüfung aus "Handels-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht").
Zum Zeitpunkt der Prüfung beinhaltete die Fachprüfung die Teilbereiche Handelsrecht und Grundzüge des gewerblichen Rechtsschutzes, Gesellschaftsrecht sowie Wertpapier- und Kapitalmarktrecht.
2. Der Beschwerdeführer ist an der Universität Innsbruck zum Bachelorstudium Wirtschaftsrecht zugelassen.
3. Der Beschwerdeführer stellte am 09.07.2018 den Antrag auf Anerkennung mehrerer bestimmter Prüfungsleistungen aus dem von ihm erfolgreich abgeschlossenen Diplomstudium Rechtswissenschaften für bestimmte Prüfungsleistungen des Bachelorstudiums Wirtschaftsrecht an der Universität Innsbruck.
4. Mit mündlich verkündetem Bescheid des Universitätsstudienleiters der Universität Innsbruck vom 09.07.2018 wurden dem Beschwerdeführer mehrere bestimmte Prüfungsleistungen anerkannt, darunter auch die absolvierte Fachprüfung "Handels-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht" für die Prüfungen "SL Einführung in das Unternehmensrecht" und "Gesamtprüfung Unternehmensrecht".
Das vom Beschwerdeführer ausgefüllte Formular beinhaltet auch eine Zeile, in welcher eine Anerkennung einer "VO Bank- und Kapitalmarktrecht" aus dem Diplomstudium Rechtswissenschaften für eine gleichnamige Vorlesung aus dem Bachelorstudium Wirtschaftsrecht beantragt werden kann. Diese Zeile wurde nicht ausgefüllt bzw. mit einem handschriftlichen Querstrich nicht zur Anerkennung beantragt.
Im Anschluss an die Verkündung des mündlichen Bescheides verzichtete der Beschwerdeführer auf ein Rechtsmittel.
5. Mit Schreiben vom 12.07.2018 beantragte der Beschwerdeführer die Anerkennung der absolvierten Fachprüfung "Handels-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht" (auch) für die Lehrveranstaltungsprüfung "VO Bank- und Kapitalmarktrecht".
6. Mit Bescheid vom 05.10.2018, Zl. 245029/18, wies der Universitätsstudienleiter der Universität Innsbruck den Antrag vom 12.07.2018 wegen entschiedener Sache zurück.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde und der Beschwerde. Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen. Der verfahrensmaßgebliche Sachverhalt entspricht dem oben angeführten Verfahrensgang und konnte auf Grund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei und vollständig festgestellt werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Mangels gegenteiliger gesetzlicher Regelung liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
2. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.
Da sich im vorliegenden Fall der Sachverhalt aus den Akten ergibt und auch unstrittig ist, kann von einer mündlichen Verhandlung, welche der Beschwerdeführer auch nicht beantragt hat, abgesehen werden.
Darüber hinaus konnte nach § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG von einer Verhandlung abgesehen werden.
Zu A)
3. Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren hat die belangte Behörde den (zweiten) Antrag wegen als unzulässig zurückgewiesen und führte dazu im Wesentlichen aus, dass über den Antrag bereits rechtskräftig abgesprochen worden sei und daher der Behandlung des Antrags das Entscheidungshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegenstehe.
Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist - ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfangs - jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (VwGH 17.12.2014, Ra 2014/03/0049). Hat die Behörde einen Antrag zurückgewiesen, dann ist Sache eines Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ausschließlich die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002). Es ist somit die Zulässigkeit des Zurückweisungsbescheides zu überprüfen, nicht jedoch das Begehren des zugrundeliegenden Antrages, über den nicht befunden wurde. (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 13 Rz 30).
Sache im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist somit alleine die Frage, ob die Zurückweisung des Antrags zu Recht erfolgte oder nicht und damit letztlich die Frage. ob die belangte Behörde zu Recht das Vorliegen von res iudicata angenommen hat oder nicht.
4. Das Entscheidungshindernis der entschiedenen Sache gem. § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn seit der Erlassung des rechtskräftigen Vorbescheides die maßgebende Sach- und Rechtslage in den entscheidungswesentlichen Punkten unverändert geblieben ist. Dies muss aus einer rechtlichen Betrachtungsweise beurteilt werden. Die Sache verliert ihre Identität, wenn in den entscheidungsrelevanten Fakten bzw. in den die Entscheidung tragenden Normen eine wesentliche, dh. die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides ermöglichende oder gebietende Änderung eingetreten ist. Das Wesen einer Sachverhaltsänderung ist dabei nicht nach der objektiven Rechtslage, sondern nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen rechtskräftigen Entscheidung erfahren hat. Identität der Sache liegt überdies nur dann vor, wenn bei gleichgebliebener maßgeblicher Sach- und Rechtslage auch das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren Begehren übereinstimmt, also in derselben Sache eine nochmalige Entscheidung fordert. Keine rechtskräftig entschiedene Sache liegt demnach vor, wenn sich das neue Ansuchen auf ein gänzlich verschiedenes Projekt bezieht und die Änderungen nicht nur Nebenumstände betreffen (VwGH 24.10.2011, 2010/10/0231; vgl. zudem Hengstschläger/Leeb, AVG, § 68 Rz 23 - 38).
5. Wenngleich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zu Recht ausführte, dass der (erste) Bescheid aufgrund des ausdrücklichen Rechtsmittelverzichtes in Rechtskraft erwuchs, irrt sie doch in der Annahme, es liege das Entscheidungshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) vor. Dies ergibt sich aufgrund nachstehender Erwägungen.
6. Der Beschwerdeführer begehrte in seinem ersten Antrag die Anerkennung mehrerer bestimmter Prüfungsleistungen aus dem von ihm erfolgreich abgeschlossenen Diplomstudium Rechtswissenschaften für bestimmte Prüfungsleistungen des Bachelorstudiums Wirtschaftsrecht an der Universität Innsbruck, darunter auch die absolvierte Fachprüfung "Handels-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht" für die Prüfungen "SL Einführung in das Unternehmensrecht" und "Gesamtprüfung Unternehmensrecht".
Der entsprechende Formularvordruck der Universität Innsbruck sieht diesbezüglich je eine entsprechende Zeile vor, wobei links die bereits absolvierte Prüfung (somit die Fachprüfung aus "Handels-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht") und rechts die anzuerkennende Studienleistungen (somit die Prüfungen "SL Einführung in das Unternehmensrecht" und "Gesamtprüfung Unternehmensrecht") vorausgefüllt sind.
Dieser Formularvordruck beinhaltet auch eine weitere Zeile, in welcher eine Anerkennung einer "VO Bank- und Kapitalmarktrecht" aus dem Diplomstudium Rechtswissenschaften für eine gleichnamige Vorlesung aus dem Bachelorstudium Wirtschaftsrecht beantragt werden kann. Diese Zeile wurde nicht ausgefüllt bzw. aufgrund eines handschriftlichen Querstriches nicht zur Anerkennung beantragt, zumal der Beschwerdeführer im Rahmen seines Diplomstudiums Rechtswissenschaften keine Prüfung über eine Vorlesung "Bank- und Kapitalmarktrecht" ablegte. Das Curriculum des vom Beschwerdeführer absolvierten Studiums weist hingegen "Wertpapier- und Kapitalmarktrecht" als Teil der Fachprüfung "Handels-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht" aus.
7. Eine Zeile mit der Möglichkeit, die Anerkennung der Fachprüfung aus "Handels-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht" (auch) als Prüfung über die Vorlesung "Bank- und Kapitalmarktrecht" zu beantragen, sieht der Formularvordruck hingegen nicht vor.
Auch ein etwaiger - vom Formularvordruck abweichender - eigener bzw. ausdrücklicher Antrag auf Anerkennung der Fachprüfung aus "Handels-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht" (auch) als Prüfung aus "Bank- und Kapitalmarktrecht" erfolgte (zunächst) nicht, erst nach Erlassung des ersten Bescheides.
8. Der (erste) Bescheid vom 09.07.2019 ging somit nicht auf eine etwaige Anerkennung der Fachprüfung aus "Handels-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht" (auch) als Prüfung aus "Bank- und Kapitalmarktrecht" ein.
Eine Identität der Sache iSd der oben zitierten Ausführungen liegt daher im gegenständlichen Fall nicht vor.
Mangels Identität der Sache ging die belangte Behörde somit zu Unrecht vom Vorliegen des Entscheidungshindernisses der entschiedenen Sache (res iudicata) aus, weshalb sie nicht berechtigt war, den (zweiten) Antrag des Beschwerdeführers als unzulässig zurückzuweisen.
9. Wird seitens einer Behörde der Antrag der Partei rechtswidrigerweise zurückgewiesen, weil sie zB. zu Unrecht der Meinung war, dass in der vorliegenden Angelegenheit keine Sachentscheidung zu treffen sei, hat das Verwaltungsgericht nur über die ungerechtfertigte Zurückweisung zu entscheiden und diese ersatzlos zu beheben (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 66 Rz 106) - mit der Konsequenz, dass die belangte Behörde in Bindung an die Auffassung des Verwaltungsgerichtes den gestellten Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 68 Rz 46, § 66 Rz 106, 109 und VwGVG § 28 Rz 39, 73, 77).
Der angefochtene Bescheid war folglich gem. § 28 Abs 5 VwGVG ersatzlos zu beheben (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Aufl., VwGVG § 28 Anm. 17 und 18), wobei darauf hingewiesen wird, dass der dem Verfahren zugrundeliegende (zweite) Antrag des Beschwerdeführers trotz der ersatzlosen Behebung unerledigt bleibt und die belangte Behörde unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund über den Antrag inhaltlich abzusprechen hat.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
10. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Schlagworte
Anerkennung von Prüfungen, Anerkennungsantrag, ersatzlose Behebung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W129.2219682.1.00Zuletzt aktualisiert am
25.10.2019