TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/27 W108 2184194-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.06.2019
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Entscheidungsdatum

27.06.2019

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §2 Abs1 Z15
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs4
AsylG 2005 §75 Abs24
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W108 2184191-1/10E

W108 2184194-1/8E

W108 2184193-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. BRAUCHART über die Beschwerde von 1. XXXX , geb. XXXX , 2. XXXX , geb. XXXX , 3. XXXX , geb. XXXX , alle Staatsangehörigkeit Syrien, alle vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen Spruchpunkt I. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 06.12.2017, 1. Zl. 1094044504-151735761/BMI-BFA_NOE_RD, 2. Zl. 1094044700-151735818/BMI-BFA_NOE_RD, 3. Zl. 1094044907-151735770/BMI-BFA_NOE_RD, nach Durchführung einer

mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, § 34 Abs. 1 AsylG iVm 34 Abs. 2 AsylG und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status von Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wird festgestellt, dass XXXX , XXXX und XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG jeweils nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang, Sachverhalt und Vorbringen:

1. Verfahrensgegenständlich sind die Anträge auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (im Folgenden: Antrag bzw. Asylantrag und AsylG) des Erstbeschwerdeführers und seiner Ehefrau (Zweitbeschwerdeführerin) und der gemeinsamen - damals 25jährigen - Tochter (Drittbeschwerdeführerin) vom 09.11.2015.

Zu ihren persönlichen/familiären Verhältnissen gaben sie an, sie seien syrische Staatsangehörige und arabische Sunniten aus dem syrischen Gouvernement XXXX . Sie hätten gemeinsam Syrien von XXXX aus illegal verlassen.

Zuvor hatten die Söhne bzw. Brüder der beschwerdeführenden Parteien XXXX und XXXX am 16.06.2015 bzw. am 06.05.2014 Asylanträge in Österreich gestellt, denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde) jeweils hinsichtlich des Status des Asylberechtigten Folge gab.

Zu ihren Flucht- und Asylgründen erstatteten die beschwerdeführenden Parteien folgendes Vorbringen:

Der Erstbeschwerdeführer gab an, sie hätten im Krieg ihr Haus verloren, in Syrien gebe es keine Sicherheit und keine Zukunft mehr. Außerdem sei der IS ("Islamische Staat") eine ständige Bedrohung. Er habe sich gezwungen gesehen, mit seiner Familie zu fliehen. Im Fall einer Rückkehr fürchtete er um sein Leben und um das seiner Familie. In Syrien habe er niemanden mehr gehabt, da seine Kinder das Land verlassen hätten und in Österreich seien. Ihr Leben sei zerstört gewesen. Es sei nicht möglich gewesen, ein halbwegs normales Leben zu führen. Die Zerstörung sei allgegenwärtig. Der Sohn eines Neffen sei getötet worden. Anfang des Jahres 2015 sei sein Haus zerstört worden und er habe niemanden mehr, der ihn unterstützen könne. Auch seine Geschwister könnten kaum überleben. Direkt gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlungen habe es nicht gegeben, er sei kein Politiker und sei seinen Kindern gefolgt. Er sei ein pensionierter Beamter.

Die Zweitbeschwerdeführerin sagte aus, in Syrien gebe es keine Sicherheit und keine Zukunft, besonders für die Drittbeschwerdeführerin sei es in Syrien sehr gefährlich geworden. Außerdem habe sie zu ihren Söhnen nach Österreich gewollt. Im Fall einer Rückkehr fürchtete sie um ihr Leben und um das ihrer Familie. Ihr Haus sei zerstört worden. Sie habe in ständiger Angst gelebt, es habe sehr viele Bomben gegeben. Sie hätten nicht schlafen können und seien gezwungen gewesen, das Haus zu verlassen und nach XXXX zu gehen. Sie sei dann ihrem Mann aus dem Land gefolgt. Direkt gegen sie gerichtete Verfolgungshandlungen habe es nicht gegeben, sie sei zu Hause gewesen, aber ihre Söhne seien verfolgt gewesen.

Die Drittbeschwerdeführerin brachte vor, sie hätte ihr Studium nicht weiterführen können und ständig Angst gehabt, aus dem Haus zu gehen. Viele Mädchen würden entführt und verkauft. Von den Entführungen seien besonders Mädchen betroffen. Wegen des Krieges hätte sie in ständiger Angst gelebt. Aus Angst hätte sie das Haus nicht mehr verlassen können. Ein normales Leben hätte sie nicht führen können. Um zurückkehren zu können, müsse der Krieg beendet und ein anderes Regierungssystem gegeben sein. Direkt gegen sie gerichtete staatliche Verfolgungshandlungen hätte es nicht gegeben. Alle Verwandten hätten das Land verlassen.

2. Mit den nunmehr vor dem Bundesverwaltungsgericht bekämpften Bescheiden wies die belangte Behörde die Anträge der beschwerdeführenden Parteien hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (jeweils Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieser Bescheide wurde den beschwerdeführenden Parteien gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihnen unter Spruchpunkt III. dieser Bescheide gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

Begründend führte die belangte Behörde aus, die beschwerdeführenden Parteien hätten Syrien aufgrund der allgemeinen Lage, vor allem wegen des damals stattfindenden Krieges verlassen und seien als Personen nicht bedroht gewesen. So tatsächlich Gefahr für sie bestanden hätte, dann nur im Rahmen der allgemeinen Kriegshandlungen in Syrien. Die Gefährdung ihrer Personen ginge nicht über die generelle Bedrohung aller in Syrien lebenden Menschen hinaus. Sie wären nicht aus den in der Flüchtlingskonvention genannten Gründen bedroht gewesen. Durch den Sieg über den IS in Syrien sei auch eine allfällige Gefahr von dieser Seite gebannt. Eine zusätzliche, auf asylrelevante Gründe gestützte Gefährdung, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgingen, sei nicht hervorgekommen. In Bezug auf die Volksgruppen- oder Religionszugehörigkeit der beschwerdeführenden Parteien lasse sich aus der allgemeinen Situation in Syrien keine Verfolgung der beschwerdeführenden Parteien erkennen. Staatliche oder politische Verfolgung sei "zu keinem Zeitpunkt" feststellbar gewesen. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten gefährdeten sozialen Gruppe hätte nicht festgestellt werden können. Die beschwerdeführenden Parteien hätten, insgesamt beurteilt, nichts vorzubringen vermocht, was unter einen der Tatbestände der Genfer Flüchtlingskonvention subsumierbar wäre.

3. Gegen Spruchpunkt I. der Bescheide (Versagung des Asylstatus) richtet sich die fristgerecht eingebrachte gemeinsame Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG.

Die beschwerdeführenden Parteien hätten nicht detailliert über die Bedrohung der Familie wegen der nach Österreich geflüchteten Söhne bzw. Brüder sprechen können. Im Mai 2015 seien Soldaten zu den beschwerdeführenden Parteien nach Hause gekommen und hätten vom Erstbeschwerdeführer gefordert, dass seine Söhne nach Syrien zurückkehren sollten, da sie sich dem Wehrdienst entzogen hatten, andernfalls die ganze Familie verhaftet werden würde. Daraufhin seien die beschwerdeführenden Parteien gezwungen gewesen, das Haus zu verlassen. Zwei Tage nach diesem Vorfall seien sie nach XXXX gegangen. Dort hätte jedoch eine sehr große Gefahr der Zwangsrekrutierung der Drittbeschwerdeführerin durch kurdische Milizen bestanden, sodass sie den Entschluss gefasst hätten, Syrien zu verlassen. Sie seien illegal aus Syrien ausgereist. Somit seien die beschwerdeführenden Parteien aufgrund der Flucht ihrer Söhne/Brüder aus Syrien von Soldaten bedroht worden, weil diese sich dem Militärdienst entzogen hätten. Die belangte Behörde habe in ihre Entscheidungen die Asylverfahren der Söhne/Brüder der beschwerdeführenden Parteien nicht einbezogen, obwohl allgemein bekannt sei, dass in Syrien Sippenhaft herrsche und Familienmitglieder staatlich verfolgt würden. Mit der Beschwerde wurden unter anderem Kopien von Urkunden in Arabisch vorgelegt und dazu angegeben, dass es sich hierbei um einen Haftbefehl/Gerichtsbeschluss gegen den Sohn/Bruder XXXX und um den Einberufungsbefehl betreffend den Sohn/Bruder XXXX handle.

4. Die belangte Behörde machte von der Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung nicht Gebrauch und legte die Beschwerde samt den bezughabenden Akten der Verwaltungsverfahren dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

5. Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache der beschwerdeführenden Parteien eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher sich die beschwerdeführenden Parteien persönlich beteiligten. Zur Verhandlung wurden die Asylverfahrensakten der Söhne bzw. Brüder der beschwerdeführenden Parteien XXXX beigeschafft und deren Inhalte verlesen und erörtert. Daraus ergab sich, dass

XXXX in Syrien zum Militärdienst einberufen wurden, den Einberufungen aber keine Folge geleistet haben, sondern illegal aus Syrien ausgereist sind. Die beschwerdeführenden Parteien verwiesen auf die vorgelegten Urkunden, auf den gegen XXXX ergangenen Haftbefehl/Gerichtsbeschluss, ausgestellt am XXXX wegen "politischer Aktivitäten" und auf den Einberufungsbefehl betreffend XXXX . Die Söhne/Brüder seien gesuchte Gegner der syrischen Regierung, sie hätten in Syrien gegen die Regierung demonstriert, hätten Einberufungsbefehle erhalten und den Militärdienst verweigert. Bewaffnete Soldaten hätten ihr Haus in XXXX gestürmt und zerstört. Sie hätten gedroht, wenn sich die Söhne/Brüder nicht ergeben, würden sie statt den Söhnen/Brüdern festgenommen bzw. der Erstbeschwerdeführer statt seiner Söhne zum Militär rekrutiert werden. Danach hätten sie XXXX verlassen und seien nach XXXX geflüchtet, wo kurdische Kontrolle geherrscht habe. Bei der Einvernahme vor der belangten Behörde hätten sie nur persönliche Gründe erwähnen sollen, obwohl sie angegeben hätten, dass die Söhne/Brüder politisch aktiv seien. Sie würden aber nicht nur wegen ihrer oppositionellen Söhne/Brüder verfolgt werden, sie seien selbst ebenfalls Regierungsgegner. Die Drittbeschwerdeführerin habe auch an Demonstrationen gegen die Regierung teilgenommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. hinsichtlich der Lage in Syrien:

1.1.3. Opposition/Zuschreibung einer oppositionellen Gesinnung

Bestimmte Personen werden aufgrund ihrer politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen oder ihnen wird auf andere Weise Schaden zugefügt. Aber die Konfliktparteien wenden Berichten zufolge breitere Auslegungen an, wen sie als der gegnerischen Seite zugehörig betrachten. Diese basieren z.B. auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in einem bestimmten Gebiet, das als "regierungsfreundlich" oder "regierungsfeindlich" gilt.

Eine sich verstärkende Besonderheit des Konflikts in Syrien ist der Umstand, dass - auch - die syrische Regierung als Konfliktpartei oftmals größeren Personengruppen, einschließlich Familien, Stämmen, religiösen bzw. ethnischen Gruppen sowie ganzen Städten, Dörfern und Wohngebieten, eine politische Meinung unterstellt. Die Annahme, dass eine Person eine bestimmte politische Meinung hat, oder eine bestimmte Konfliktpartei unterstützt, basiert oft nur auf wenig mehr als der physischen Anwesenheit dieser Person in einem bestimmten Gebiet oder ihrer Abstammung aus diesem Gebiet oder auf ihrem ethnischen oder religiösen Hintergrund oder ihrer Stammeszugehörigkeit.

Personen, die tatsächlich oder vermeintlich regierungsfeindliche Ansichten haben

Einwohner Syriens, die tatsächlich oder vermeintlich regierungskritische politische Ansichten im weitesten Sinne haben, sind als Personen anzusehen, die gefährdet sind durch die Regierung verfolgt zu werden. Es liegen schon seit längerem Berichte darüber vor, dass die syrische Regierung politischen Dissens durch Einschüchterung, Überwachung und Inhaftierung von politischen Aktivisten, Journalisten, Schriftstellern und Intellektuellen unterdrückt. Auf die im März 2011 aufkommenden Protestbewegungen und die sich anschließenden bewaffneten Aufstände, reagierten die Regierung und regierungsfreundliche Kräfte, wie aus Berichten hervorgeht, mit massiver Unterdrückung und Gewalt. Die Regierung wendet, wie berichtet wird, bei der Beurteilung von politischem Dissens sehr breite Kriterien an: jegliche Kritik, Opposition oder sogar unzureichende Loyalität der Regierung gegenüber, wie auch immer ausgedrückt - friedlich oder gewalttätig, organisiert oder spontan, im Rahmen einer politischen Partei, bewaffneten Gruppe oder individuell, virtuell im Internet oder im bewaffneten Konflikt - führte Berichten zufolge zu schweren Vergeltungsmaßnahmen für die betreffenden Personen. Es wurde berichtet, dass zahlreiche Protestteilnehmer, Aktivisten, Wehrdienstentzieher, Deserteure, Laienjournalisten, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen, Ärzte und andere Personen, denen regierungsfeindliche Haltungen zugeschrieben wurden, willkürlich verhaftet, in incommunicado Haft genommen, gefoltert oder anderen Misshandlungen ausgesetzt, oder Opfer von extralegalen oder Massenhinrichtungen wurden. Gegen zahlreiche Personen wurden Berichten zufolge Strafverfahren gemäß dem Terrorbekämpfungsgesetz (Gesetz Nr. 19 vom 2. Juli 2012) durchgeführt. Das Gesetz sieht schwere Strafen - von langjährigen Haftstrafen bis hin zur Todesstrafe - für Personen vor, bei denen festgestellt wird, dass sie "terroristische" Handlungen begangen haben. "Terrorismus" ist vage und mit sehr weiten Begriffen in den Gesetzen definiert, die viel Raum für Strafverfolgung wegen zahlreicher unterschiedlicher Aktivitäten bieten, einschließlich Teilnahme an Protesten, Äußerungen in sozialen Medien, Bereitstellung humanitärer Hilfsdienste, Schmuggeln von Arzneimitteln und Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen. Berichten ist zu entnehmen, dass die meisten Häftlinge nie förmlich angeklagt werden. Gegen tausende Zivilisten wurden Berichten zufolge von Strafgerichten, dem Antiterrorismus-Gericht in Damaskus und militärischen Feldgerichten Strafverfahren durchgeführt, die gegen die internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren verstoßen. In der Regel gingen den Verfahren monatelange Untersuchungshaft in Einrichtungen der Sicherheitsdienste und erzwungene Geständnisse voraus. Es wird berichtet, dass die Strafen für jene Personen, die vor Gericht gestellt und verurteilt wurden, auch dann hart sind, wenn die fraglichen Aktivitäten selbst friedlich waren. Wie aus Berichten hervorgeht, überwacht die Regierung Korrespondenz, Online-Aktivitäten und politische Zusammenkünfte. Die Regierung hört Berichten zufolge mit Hilfe von entsprechender Ausrüstung Gespräche ab, installiert Spysoftware auf den Computern von Aktivisten, blockiert Textnachrichten und ortet Mobil- und Satellitentelefone. Aus Berichten geht hervor, dass die Online-Überwachung zu willkürlichen Verhaftungen, incommunicado Haft, Folter und Tötungen von zahlreichen politischen Dissidenten, Aktivisten, Laienjournalisten und anderen Personen geführt hat. Zahllose Personen wurden Berichten zufolge inhaftiert, nachdem sie über soziale Medien Fotos oder Videos, die regierungskritische Proteste oder Aufstände unterstützen, weitergeleitet, positiv bewertet oder kommentiert hatten. Wie berichtet wird, hackt die seit April 2011 bestehende so genannte Syrische Elektronische Armee mit stillschweigender Zustimmung der Regierung Websites und Seiten sozialer Medien von oppositionellen Gruppen, von bestimmten westlichen Medien und Menschenrechtsorganisationen und blockiert sie oder überflutet sie mit regierungsfreundlichen Inhalten. Wie aus Berichten hervorgeht, wurden nach Ausbruch der regierungskritischen Proteste im März 2011 Syrer, die im Ausland an solchen Protesten teilnahmen, durch Mitarbeiter syrischer Botschaften und durch andere Personen, die mutmaßlich im Auftrag der syrischen Regierung handelten, kontrolliert, eingeschüchtert und teilweise körperlich angegriffen. Berichten zufolge wurden die in Syrien gebliebenen Angehörigen von syrischen Staatsangehörigen, die sich an Protesten oder damit verbundenen Aktivitäten im Ausland beteiligt hatten, Befragungen unterzogen, durch telefonische Anrufe, E-Mails und Facebook-Nachrichten bedroht, sie wurden verhaftet, misshandelt oder sogar getötet. In Deutschland wurden vier Mitarbeiter der syrischen Botschaft, die mutmaßlich Aktivitäten syrischer Oppositionsmitglieder überwachten, ausgewiesen. Wie berichtet wird, befürchten im Exil lebende Syrer von Landsleuten, die aus eigener Initiative oder als Informanten im Auftrag der syrischen Regierung handeln, überwacht, bedroht oder in sozialen Medien als "regierungsfeindlich" dargestellt zu werden.

(Arabische) Sunniten werden im Allgemeinen und insbesondere, wenn sie aus Gebieten stammen, die bekanntermaßen mit der Opposition sympathisieren oder unter der de facto Kontrolle bewaffneter oppositioneller Gruppen stehen, als regierungsfeindlich wahrgenommen. Aus diesem Grund waren ihre Wohngebiete von Beschießungen, Artilleriefeuer und Militärangriffen betroffen und von der Versorgung mit Lebensmitteln und anderen Grundbedarfsgütern abgeschnitten. Darüber hinaus wurden Sunniten von Streitkräften der Regierung aufgrund ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Verbindung mit sunnitischen Islamisten oder Salafisten bzw. ganz allgemein bewaffneten oppositionellen Gruppen willkürlich verhaftet, in Isolationshaft genommen, gefoltert und auf andere Weisen misshandelt sowie extralegal und standrechtlich hingerichtet. Der unabhängigen UN-Untersuchungskommission zufolge besteht "in von der Regierung kontrollierten Gebieten für sunnitische Männer aus Unruhegebieten das größte Risiko, an Kontrollstellen oder bei Hausdurchsuchungen inhaftiert zu werden, da sie als wahrscheinliche Sympathisanten oder Unterstützer von oppositionellen bewaffneten Gruppen gelten. Diese Gemeinschaft ist insbesondere in Hinblick auf Zwangsverschleppung, Folter und andere Menschenrechtsverletzungen während Inhaftierungen gefährdet.

Berichten ist zu entnehmen, dass Zivilpersonen, die aus Gebieten stammen oder in Gebieten wohnen, in denen es zu Protesten der Bevölkerung kam und/oder in denen bewaffnete oppositionelle Gruppen in Erscheinung treten oder (zeitweise) die Kontrolle übernommen haben, im Allgemeinen mit der Opposition in Verbindung gebracht werden und daher von der Regierung als regierungsfeindlich angesehen werden. Es gehört Berichten zufolge zu einer umfassenden Politik, Zivilisten aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, ihrer Anwesenheit in einem Gebiet oder ihrer Herkunft aus einem Gebiet, das als regierungsfeindlich und/oder als Unterstützer oppositioneller bewaffneter Gruppen betrachtet wird, ins Visier zu nehmen. Der Herkunftsort kann einen Faktor darstellen, wie mit dessen Bewohnern umgegangen wird - besonders bei Gebieten, die vormals von Aufständischen gehalten wurden oder sich noch unter deren Kontrolle befinden.

Die tatsächlich oder vermeintlich oppositionellen Ansichten einer Person werden häufig auch Personen in ihrem Umfeld, wie Familienmitgliedern, Nachbarn und Kollegen zugeschrieben. Die Familienangehörigen (beispielsweise Ehegatten, Kinder, Geschwister, Eltern und auch entferntere Verwandt) von (tatsächlichen oder vermeintlichen) Protestteilnehmern, Aktivisten, Mitgliedern von Oppositionsparteien oder bewaffneten oppositionellen Gruppen, Überläufern und Wehrdienstentziehern und anderen Personen wurden Berichten zufolge willkürlich verhaftet, in incommunicado Haft genommen, gefoltert und in sonstiger Weise - einschließlich unter Anwendung sexueller Gewalt - misshandelt sowie auch willkürlich hingerichtet. Verläuft die Fahndung nach einem Regierungsgegner bzw. einer Person, die für einen Regierungsgegner gehalten wird, erfolglos, gehen die Sicherheitskräfte Berichten zufolge dazu über, die Familienangehörigen der betreffenden Person festzunehmen oder zu misshandeln. Dies geschieht entweder, um Vergeltung zu üben für die Aktivitäten bzw. den Loyalitätsbruch der gesuchten Person oder um Informationen über ihren Aufenthaltsort zu gewinnen und/oder mit der Absicht, die betreffende Person dazu zu bewegen, sich zu stellen bzw. die gegen sie erhobenen Anschuldigungen zu gestehen. Wie aus Berichten hervorgeht, wurden weibliche Verwandte verhaftet und als "Tauschobjekte" für Gefangenenaustausch mit regierungsfeindlichen bewaffneten Gruppen verwendet. Darüber hinaus liegen Berichte vor, dass sogar Nachbarn, Kollegen und Freunde verfolgt wurden.

Aus Angst, selbst inhaftiert und misshandelt zu werden, sehen Familienmitglieder, wie Berichten zu entnehmen ist, häufig davon ab, nach dem Aufenthaltsort von verhafteten Familienmitgliedern zu forschen oder sich über die Verhaftung zu beklagen. Wie aus Berichten hervorgeht, sehen sie sich stattdessen gezwungen, korrupten Staatsbediensteten Schmiergelder zu bezahlen, um Informationen über den Aufenthaltsort eines inhaftierten Angehörigen zu erhalten, seine Verlagerung von einer Haftanstalt des Sicherheitsdienstes in die zentrale Haftanstalt zu veranlassen oder für seine Freilassung zu sorgen - dabei besteht für sie keine Erfolgsgarantie. Amnestien durch den Präsidenten haben, wie berichtet wird, auch Richtern die Möglichkeit eröffnet, Bestechungsgelder von Familien entgegen zu nehmen, die die Freilassung eines inhaftierten Familienmitglieds erreichen möchten. In besonders schwerwiegenden Fällen wurden Berichten zufolge ganze Familien von Oppositionsmitgliedern oder Überläufern verhaftet oder extralegal hingerichtet, beispielsweise bei Hausdurchsuchungen.

Aufgrund verfügbarer Herkunftslandinformationen reicht allein der Verdacht, dass eine Person regierungskritische Ansichten hat oder mit einer Person in Verbindung steht, die solche Ansichten hat, für die Verfolgung aus.

Wehrdienstverweigerer, Deserteure und ihre Familienangehörigen

Den vorliegenden Quellen zufolge können Angehörige von gesuchten Personen, inklusive Wehrdienstentziehern, bei ihrer Rückkehr verhaftet werden, etwa um die gesuchten Personen unter Druck zu setzen, ihre Aktivitäten einzustellen oder sich den syrischen Behörden zu stellen.

Die Untersuchungskommission des UN-Menschenrechtsrates zu Syrien und das Syrian Human Rights Committee berichteten 2013 über Exekutionen von desertierten Soldaten, über Verhaftungen von Familienangehörigen von Deserteuren und über willkürliche Verhaftungen von Personen, die sich nicht ausweisen können und aus umkämpften Gebieten geflohen sind.

Syrische Oppositionelle oder Deserteure sind im mit Syrien verbündeten Libanon ebenfalls von Verhaftung bedroht. Sogar Familienangehörige von Deserteuren und Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, sind im Ausland in Gefahr.

Zivilisten, die für die Armee gearbeitet haben und die Armee verlassen haben, gelten als Verräter und werden wie Deserteure bestraft. Personen, die nach einem bewilligten Aufenthalt im Ausland nicht nach Syrien zurückkehren, werden als Wehrdienstverweigerer oder Deserteur eingestuft und dementsprechend bestraft.

Wenn die Personen, die vom syrischen Regime einberufen wurden, nicht freiwillig erscheinen, werden sie als Wehrdienstverweigerer gelistet und werden von den Behörden gesucht. Die Truppen der Regierung sind ausgedünnt und es mangelt an Militärs.

Wehrdienstentzieher, die sich nicht innerhalb von 30 Tagen nach Ablauf der festgelegten Frist zum Militärdienst melden, werden (in Friedenszeiten) mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft. Die Wehrdienstpflicht besteht dabei weiterhin fort. Wenn Personen sich innerhalb von 30 Tagen nach Ablauf der Frist freiwillig melden, wird die Strafe um 50 Prozent herabgesetzt. In Kriegszeiten wird Wehrdienstentziehung je nach den Umständen mit Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren bestraft. Nach Verbüßung der Strafe muss der Wehrdienstentzieher weiterhin den regulären Militärdienst ableisten.

Es wird berichtet, dass Wehrdienstentzieher in der Praxis festgenommen und unterschiedlich lange inhaftiert werden und danach in ihrer militärischen Einheit Dienst leisten müssen. Aus Berichten geht hervor, dass sie während der Haft dem Risiko der Folter und anderen Misshandlungen ausgesetzt sind. Die Regierung inhaftiert Berichten zufolge außerdem gezielt Familienmitglieder von Wehrdienstentziehern, um Druck auf Männer im wehrfähigen Alter auszuüben, in den Militärdienst zu treten. Wie aus Berichten hervorgeht, ist es unklar, auf welche Weise Personen über die Verpflichtung informiert werden, sich zum Militärdienst zu melden. Ferner ist unklar, wie viel Zeit vergeht, bis der Name einer Person, die dem Einberufungsbefehl nicht Folge leistet, an das Militär und an Personenkontrollstellen mit der Anweisung gemeldet wird, die betreffende Person aufgrund von Wehrdienstentziehung festzunehmen. Einzelne Berichte legen außerdem nahe, dass zumindest in manchen Fällen Personen nach ihrer Festnahme an Kontrollstellen in die Armee eingezogen wurden, ohne zuvor einen Einberufungsbescheid erhalten zu haben. Ungeachtet des genauen Zeitpunkts, zu dem eine Person gemäß anwendbarem syrischem Recht als wehrdienstpflichtig betrachtet wird (und sich daher strafbar macht, wenn sie dem Einberufungsbefehl nicht Folge leistet), kann nach Beobachtungen von UNHCR "eine Wehrdienstentziehung auch präventiv erfolgen, indem die betreffende Person noch vor Eintreffen des eigentlichen Erfassungs- oder Einberufungsbefehls handelt", indem sie zum Beispiel das Land verlässt.

Die syrische Regierung betrachtet, wie Berichten zu entnehmen ist, Wehrdienstentziehung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen.

Auch Familien von Deserteuren oder Wehrdienstverweigerern haben mit Konsequenzen zu rechnen. Eine Familie könnte von der Regierung unter Druck gesetzt werden, wenn der Deserteur dadurch vielleicht gefunden werden kann. Familienmitglieder (auch weibliche) können festgenommen werden, um den Deserteur dazu zu bringen, sich zu stellen. Manchmal wird ein Bruder oder der Vater eines Deserteurs ersatzweise zur Armee rekrutiert. Die Familien und besonders die Väter von Militärdienstverweigerern und Deserteuren werden üblicherweise schikaniert, um die Söhne zu zwingen, sich zu stellen. Die Behörden treten auch an bestimmte Gemeinschaften heran und verlangen, dass die Familien die Mitglieder, die für den Militärdienst gesucht werden, übergeben. Obwohl die Soldaten streng beaufsichtigt werden und ihre Familien bei Fahnenflucht mit Repressalien rechnen müssen, gibt es immer wieder Deserteure. Die meisten von ihnen seien Angehörige der sunnitischen Bevölkerungsmehrheit. Das Regime verwendet weiterhin alle möglichen Druckmittel von bürokratischen Auflagen bis hin zu Gefängnis und Folter, um die syrischen Streitkräfte oder die paramilitärischen Verbände zu verstärken. Amnestien dienen im Endeffekt nicht dazu, den Wehrdienstverweigerern und Deserteuren eine Strafe zu ersparen, sondern ihrer habhaft zu werden, um sie zum Militärdienst und letztendlich zum Kampfeinsatz einziehen zu können. Auch Familienangehörige von Deserteuren, von Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, oder von Zivilisten, die bei der Armee gearbeitet haben, werden bestraft. Geschwister, Brüder und Schwestern, wie auch Mütter und Väter werden verhaftet. Neben Plünderung ihrer Häuser und Verhaftungen werden Familienangehörige von Deserteuren und Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, häufig aus der Gemeinschaft ausgeschlossen. Die Maßnahmen gegen die Familien von Deserteuren variieren in den verschiedenen Regionen. Väter oder Brüder werden rekrutiert, um den Deserteur in der Armee zu ersetzen. Desertiert jemand mit der Waffe, werden die Familienangehörigen verhaftet. Wenn sie sich nicht mehr in Syrien aufhalten, werden sie auf eine der Suchlisten gesetzt. Wie Berichte belegen, griffen Regierungskräfte zum Beispiel bei Verhaftungskampagnen in Gebieten, in denen ihrer Wahrnehmung nach die Opposition unterstützt wurde, gezielt Angehörige von Deserteuren heraus. Das Eigentum von Deserteuren wurde, wie berichtet wird, durch Plünderung und Brandstiftung zerstört.

Personen, die im Ausland auf bestimmte Weise aktiv sind

Wie aus Berichten hervorgeht, betrachtet die Regierung bestimmte Aktivitäten von im Ausland lebenden Syrern als Ausdruck einer oppositionellen Einstellung, darunter Anträge auf Asyl, Teilnahme an regierungskritischen Protesten, Kontakte zu Oppositionsgruppen oder andere Ausdrucksformen der Kritik an der Regierung, einschließlich über soziale Medien.

Frauen

Die Situation von Frauen verschlechtert sich durch den fortgesetzten Konflikt dramatisch, da Frauen aufgrund ihres Geschlechts zunehmend Opfer unterschiedlicher Gewalthandlungen der verschiedenen Konfliktparteien werden. Berichten zufolge wurden Tausende von Frauen bei dem Beschuss ziviler Gebiete und durch Heckenschützen sowie im Rahmen von Überfällen und Massakern getötet. Andere werden inhaftiert, als Geisel genommen, gefoltert, sexueller und sonstiger Gewalt ausgesetzt, als menschliche Schutzschilde verwendet oder werden Opfer einer strengen Auslegung der Scharia. Zunehmend übernehmen Frauen die überwiegende oder ausschließliche Versorgung der Familie, da die männlichen Familienangehörigen verletzt, behindert, festgenommen, verschwunden, getötet oder aufgrund ihrer Beteiligung am Konflikt nicht vor Ort sind oder aus Angst vor Inhaftierung oder vor Massenhinrichtungen an Kontrollstellen nicht wagen, ihre Häuser zu verlassen. Diese Frauen und Mädchen sind besonderen Schwierigkeiten während ihrer Bemühungen ausgesetzt, ihr Leben neu aufzubauen und trotz erhöhtem Missbrauchs- und Ausbeutungsrisiko für ihre Familien zu sorgen.

Ethnische/religiöse Minderheiten/Staatsangestellte

Auch unter den Minderheiten gibt es eine Spaltung zwischen Gegnern und Befürwortern des syrischen Regimes. Auch (bzw. gerade auch) Kurden zählen zu den [auch exilpolitisch tätigen] Regimegegnern. Das Regime geht verstärkt gegen christliche und alawitische Regimegegner vor, welche der Regime-Narrative von "der sunnitisch gesponserten Gewalt" widersprechen könnten. Die ChristInnen werden beschuldigt, auf Seiten des Regimes zu stehen. In noch stärkerem Ausmaß werden AlawitInnen kollektiv als verantwortlich für Taten des Regimes wahrgenommen, obwohl bereits unter Hafiz al-Assad aus ihren Reihen die bekanntesten RegimekritikerInnen stammten. Der Anstieg an interkonfessioneller Gewalt traf besonders AlawitInnen, DruzInnen, schiitische MuslimInnen und ChristInnen. Mitglieder religiöser Minderheiten sind Drohungen und Einschüchterungen, Entführungen, Folter und Hinrichtungen durch bewaffnete Oppositionsgruppen ausgesetzt, weil sie Unterstützer oder Angehörige der Regierung, seiner Streitkräfte und Milizen sind bzw. als solche wahrgenommen werden. Staatsangestellte, die das Land ohne Bewilligung verlassen haben, werden als Verräter eingestuft und dementsprechend bestraft. Staatsangestellte und (insbesondere christliche und alawitische) Minderheiten werden dem syrischen Regime zugerechnet. Die Regierung erwartet von Personen "in ihren eigenen Reihen" umso mehr eine Unterstützung und ein eindeutiges Bekenntnis zum Regime.

Von Staatsangestellten wird erwartet, dass sie dem Staat zur Verfügung stehen. Um sich ein "Pool" von potentiell zur Verfügung Stehenden zu sichern, wurde ein Dekret bezüglich Staatsangestellte und Wehrdienst erlassen: Laut Legislativdekret Nr. 33 von 2014 wird das Dienstverhältnis von Staatsangestellten beendet, wenn sie sich der Einberufung zum Wehr- oder Reservedienst entziehen. Gerade auch in alawitischen Gebieten gibt es eine Verbindung zwischen Staatsangestellten und der Notwendigkeit der Erfüllung bürgerlicher Pflichten.

Menschenrechtsverletzungen

Die syrische Regierung, ihre Streitkräfte und regierungsfreundliche Kräfte begehen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen, wie Mord, Vernichtung, Folter, Vergewaltigung, Zwangsverschleppungen, Angriffe auf die Zivilbevölkerung und andere unmenschliche Akte. Im Zuge mehrerer großer Militäroperationen von Regierungs- und regierungsfreundlichen Truppen verübten diese Massenmorde, auch an Frauen und Kindern. Der fortgesetzte Konflikt führte zu einigen der abscheulichsten Bedingungen für Menschenrechte und humanitäre Lage weltweit, darunter Ermordungen, Folter, willkürliche Haft, Verschwindenlassen, Verweigerung des Zugangs zu Justiz, schwere Einschränkungen der Meinungsfreiheit und die Verfolgung von Frauen und Minderheiten. Kinder wurden ermordet, gefoltert und der Gewalt durch alle Parteien ausgesetzt. Es kommt auch zu frühen Zwangsheiraten von Mädchen. Die meisten Menschenrechtsverletzungen und Brüche des humanitären Gesetzes wurden systematisch von syrischen Regierungskräften und ihren verbündeten Gruppen begangen.

Der bewaffnete Konflikt in Syrien ist Berichten zufolge weiterhin von weit verbreiteten und systematischen Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts gekennzeichnet, die in einem Klima der Straflosigkeit stattfinden. Die Unabhängige UN-Untersuchungskommission zu Syrien und Menschenrechtsorganisationen haben syrische Regierungskräfte der Begehung von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschuldigt. Willkürliche und direkte Angriffe auf Zivilisten, Belagerungen und Verwehrung des Zugangs von humanitärer Hilfe sowie Angriffe auf medizinische Einrichtungen und Mitarbeiter haben sich Berichten zufolge als typisches Schema von Menschenrechtsverletzungen auf Seiten der syrischen Regierungskräfte erwiesen. Wie aus Berichten hervorgeht, haben syrische Regierungskräfte Waffen auf willkürliche Weise eingesetzt, darunter Artillerie, Luftangriffe, Fassbomben, Brandwaffen, Streumunition und chemische Waffen.

Aus den Berichten der unabhängigen UN-Untersuchungskommission und von Menschenrechtsorganisationen geht hervor, dass bewaffnete oppositionelle Gruppen Kriegsverbrechen in Form von Mord, Hinrichtung ohne Gerichtsverfahren, Folter, Geiselnahme, Rekrutierung von Kindern und deren Einsatz für Kampfhandlungen und für andere Zwecke sowie Angriffe auf Mitarbeiter medizinischer und religiöser Einrichtungen, Journalisten und geschützte Objekte begehen. Von der Regierung kontrollierte Ortschaften, einschließlich solcher Gebiete, die von religiösen Minderheiten bewohnt werden, sind Berichten zufolge häufig Ziel willkürlicher Mörser-, Raketen- und USBV-Angriffe durch bewaffnete oppositionelle Gruppen. Diese bewaffneten oppositionellen Gruppen haben Berichten zufolge Zivilgebiete, die als regierungsnah angesehen werden, belagert oder zeitweise von der Wasser- und/oder Stromversorgung abgeschnitten.

Ausreise aus Syrien

Die Informationen beschreiben die Situation gemäß geltenden syrischen Gesetzen. Im Kontext des Konflikts in Syrien werden Berichten zufolge Gesetze jedoch auf willkürliche und nicht vorhersehbare Weise umgesetzt. Hinzu kommt, dass Grenzbehörden interne Anweisungen erhalten können, zu denen Informationen nicht öffentlich verfügbar sind.

Im Prinzip steht es syrischen Staatsangehörigen frei, mit ihrem syrischen Pass (oder bei einer Ausreise in den Libanon: mit gültigem Personalausweis) über alle funktionsfähigen Grenzübergänge, einschließlich dem Flughafen Damaskus, das Land zu verlassen. Syrische Staatsangehörige müssen eine Ausreisegebühr in einer Höhe zahlen, die vom Ausreisepunkt (Landgrenze oder Flughafen) abhängt. Auf Grundlage von Gesetz Nr. 18 aus dem Jahr 2014 kann die Ausreise oder Rückkehr ohne gültigen Pass oder ohne die erforderliche Genehmigung oder über einen nicht genehmigten Ausreisepunkt je nach Umständen des Einzelfalls Freiheits- und/oder Geldstrafen nach sich ziehen. Es ist nicht klar, ob das Gesetz tatsächlich angewandt wird und ob Personen, die aus dem Ausland zurückkehren, gemäß Gesetz Nr. 18 von 2014 einer Strafverfolgung ausgesetzt waren.

Personen der folgenden Kategorien benötigen eine Reiseerlaubnis, um das Land legal zu verlassen:

a) Staatsbedienstete

Staatsbedienstete genießen keine unbeschränkte Reisefreiheit, sondern brauchen eine Ausreisegenehmigung des jeweiligen Ministeriums. Je nach ihrer Position kann eine solche Genehmigung mit bestimmten Auflagen verknüpft sein, bis hin zu einer erforderlichen "Vor-Genehmigung" bei Anträgen auf Ausstellung eines Passes.

b) Berufssoldaten

Berufssoldaten brauchen vor jeder Auslandsreise eine Genehmigung. In den vergangenen Jahren wurde berichtet, dass derartige Genehmigungen jedoch nur solchen Personen bewilligt wurden, die das Land für offizielle Zwecke verlassen mussten. Berufssoldaten, die ohne Genehmigung außer Landes reisen, werden Berichten zufolge gemäß den für Deserteure geltenden Gesetzen behandelt.

c) Weitere Gruppen, die eine Reisegenehmigung brauchen:

Kinder können nicht ohne schriftliche Genehmigung ihres Vaters ins Ausland reisen (selbst wenn sie sich in Begleitung ihrer Mutter befinden).

Männer im wehrfähigen Alter zwischen 18 und 42 benötigen für eine legale Ausreise eine Genehmigung des Rekrutierungsamts. Gemäß Informationen, die UNHCR zur Verfügung stehen, trifft dies in der Praxis auch auf Personen zu, die (etwa aus medizinischen Gründen) vom Militärdienst befreit wurden oder deren Militärdienst (wie etwa bei Studenten) aufgeschoben wurde. Nach Ende der Aufschubfrist wird erwartet, dass diese Personen zurückkehren, um Militärdienst zu leisten. Sofern sie nicht wie vorgesehen zurückkehren, gelten sie, wie aus Berichten hervorgeht, als Wehrdienstentzieher.

Männer, welche ihren Militärdienst geleistet haben, brauchen sowohl für die Ausstellung von Pässen, von Heiratsurkunden wie auch für die Arbeit im öffentlichen Dienst die Bewilligung der Armee. Ein syrischer Journalist bestätigt, dass alle Männer zwischen 18 und 42 Jahren die Bewilligung ihres Rekrutierungsbüros brauchen, damit sie einen Pass beantragen können.

Gemäß einer Quelle das Finnish Immigration Service erhalten Jugendliche ab 16 Jahre selten Pässe, da die Behörden nicht wollen, dass sie das Land verlassen. Wenn ihnen ein Pass ausgestellt wird, ist dieser nur zwei Jahre gültig.

Seit März 2012 implementiert die syrische Regierung eine Quasi-Reisesperre für Männer zwischen 18 und 42 Jahren. Es handelt sich dabei nicht um ein offizielles Reiseverbot. Die Männer dürfen in der Theorie reisen, aber sie brauchen die Bewilligung der Armee. Im Herbst 2014 erließ das Regime weitere Maßnahmen, um die Ausreise wehrdienstpflichtiger Männer zu verhindern. In einer Regulierung vom Oktober 2014 ist festgehalten, dass alle, welche eine Ausreisebewilligung haben, ein Depot von 50'000 syrischen Pfund hinterlegen müssen, das erst bei der Rückkehr nach Syrien wieder ausgehändigt wird. Zusätzlich muss ein Sponsor, entweder ein Beamter oder ein Kaufmann, die Rückkehr des Ausreisewilligen garantieren.

Gemäß dem Bericht des Danish Immigration Service wurden im Dezember 2014 die syrischen Immigrations- und Grenzbehörden erneut darüber informiert, dass syrische Männer, welche den obligatorischen Militärdienst abgeschlossen haben und sich als Reservisten bereithalten müssen, nicht ausreisen dürfen, es sei denn sie haben die Bewilligung ihres Rekrutierungsbüros. Auch Reservisten, die bereits einen Pass haben, brauchen die Bewilligung des Rekrutierungsbüros, damit sie das Land verlassen können. Für die Ausreisebewilligung müssen Dokumente vorgelegt werden, welche die Dringlichkeit der Reise belegen. Gründe können benötigte medizinische Versorgung oder eine Weiterbildung sein.

Sogar Zivilisten, die bei der Armee oder im Staatsdienst arbeiten, brauchen eine Bewilligung, damit sie das Land verlassen dürfen. Diese Bewilligung ist sehr schwierig zu erhalten. Verlassen sie das Land trotzdem ohne Bewilligung, werden sie, da sie Informationen über die Armee haben, als Verräter eingestuft und dementsprechend bestraft.

Am 20. Oktober 2014 verbot die General Mobilisation Administration des Department of Defense allen Männern die Ausreise, die zwischen 1985 und 1991 geboren sind. Die Washington Post berichtet, dass seither die Ausreise für Männer, die um die 20 bis 30 Jahre alt sind, praktisch unmöglich ist.

Der Finnish Immigration Service, der Danish Immigration Service wie auch ein syrischer Journalist weisen darauf hin, dass in Syrien Willkür vorherrscht. Es kommt vor, dass die Bewilligungen nicht akzeptiert werden. Andererseits können Bewilligungen von bestechlichen Beamten gekauft werden.

Die Art der Ausreise - ob offiziell oder inoffiziell -, für die Syrer sich entscheiden, hängt Berichten zufolge von verschiedenen Faktoren und Gründen ab, darunter vorhandene oder fehlende Papiere, Sicherheitserwägungen (einschließlich Sicherheit der Flugroute), finanzielle Lage der betroffenen Personen, Nähe eines bestimmten Grenzübergangs, usw. Da es für syrische Staatsbürger zunehmend schwierig wurde, offizielle Grenzübergänge der Nachbarstaaten zu benutzen, gab es Berichte, dass immer mehr Syrer gezwungen waren, Syrien auf gesetzeswidrige Weise zu verlassen. Wie berichtet wird, haben einige Männer aus Furcht vor Einziehung zum Wehrdienst Syrien innerhalb des knappen Zeitfensters ab Erhalt des Einberufungsbescheids bis zu dem Zeitpunkt, an dem ihre Namen an Grenzkontrollstellen geleitet wurden, über offizielle Grenzübergänge verlassen, oder Staatsbedienstete bestochen, ihre Namen vorübergehend aus der an Grenzkontrollstellen vorliegenden Liste gesuchter Personen zu entfernen.

Behandlung bei Rückkehr nach Syrien aus dem Ausland

Es liegen kaum konkrete Informationen über die Behandlung von Rückkehrern nach Syrien vor. Quellen zufolge werden Personen an der Grenzübergangsstelle (Landgrenze, Flughafen) bei ihrer Einreise untersucht, um festzustellen, ob sie im Zusammenhang mit sicherheitsbezogenen Vorfällen (wie Straftaten, tatsächliche oder vermeintliche regierungsfeindliche Aktivitäten oder Ansichten, Kontakte zu politischen Oppositionellen im Ausland, Einberufung etc.) gesucht werden. Personen, deren Profil irgendeinen Verdacht erregt, insbesondere aus den unter den Risikoprofilen unten beschriebenen Gründen, sind Berichten zufolge dem Risiko einer längeren incommunicado Haft und Folter ausgesetzt. Es wird berichtet, dass für Rückkehrer außerdem das Risiko besteht, inhaftiert zu werden, weil Familienmitglieder von den Behörden gesucht werden, weil sie ihren Militärdienst nicht geleistet haben, weil sie aus einem Gebiet stammen, das sich unter der Kontrolle der Opposition befindet, oder weil sie aufgrund ihrer konservativen Kleidung als religiös wahrgenommen werden. Andere werden, wie berichtet wird, ohne bestimmten Grund entsprechend der weit verbreiteten Willkür und des Machtmissbrauchs durch Sicherheitsbeamte inhaftiert und misshandelt.

Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch (HRW) haben mehrere Fälle dokumentiert, in denen Syrer am Flughafen Damaskus oder an Landgrenzübergängen bei Ein- oder Ausreisen durch Sicherheitsdienste verhaftet und später gefoltert wurden und/oder gewaltsam verschwanden. Auch nach der ersten Einreise nach Syrien kann das Inhaftierungsrisiko weiterhin bestehen. Berichten der Unabhängigen UN-Untersuchungskommission zu Syrien zufolge wurde ein Syrer, der zwangsweise aus Jordanien nach Syrien zurückgewiesen wurde, an einer Kontrollstelle in einem ländlichen Gebiet des Gouvernements Homs verhaftet.

Länger zurückliegende Gesetzesverletzungen im Heimatland (z.B. illegale Ausreise) können von den syrischen Behörden bei einer Rückkehr verfolgt werden. In diesem Zusammenhang kommt es immer wieder zu Verhaftungen. Quellen des kanadischen IRB gaben an, dass Personen bei der Einreise nach Syrien über den internationalen Flughafen Damaskus oder andere Einreiseorte kontrolliert werden. Bei männlichen Personen im wehrfähigen Alter wird auch kontrolliert, ob diese ihren Militärdienst bereits abgeleistet haben. Männer im wehrfähigen Alter sind bei der Einreise besonders gefährdet, Opfer von Misshandlungen durch das Sicherheitspersonal zu werden. Die Sicherheitsorgane haben am Flughafen freie Hand, und es gibt keine Schutzmechanismen, wenn eine Person verdächtigt und deswegen misshandelt wird. Es kann passieren, dass die Person sofort inhaftiert und dabei Opfer von Verschwindenlassen oder Folter wird. Oder der Person wird die Einreise nach Syrien erlaubt, sie muss sich jedoch zu einem anderen Zeitpunkt erneut melden und verschwindet dann. Eine Person kann auch Opfer von Misshandlungen werden, ohne dass es dafür einen bestimmten Grund gibt. Das System ist sehr unberechenbar. Bereits im Jahr 2012 hat ein britisches Gericht festgestellt, dass für einen nach Syrien zurückkehrenden, abgelehnten Asylwerber im Allgemeinen bei der Ankunft die reale Gefahr besteht, aufgrund einer angenommenen politischen Gesinnung inhaftiert zu werden, und in der Folge schweren Misshandlungen ausgesetzt zu sein. Seit dieser Feststellung hat sich die Situation weiter verschlimmert. Bei Rückkehr nach einem abgelehnten Asylantrag würde eine Person inhaftiert und im Zuge von Befragungen gefoltert werden. Die Person könnte für die Verbreitung falscher Informationen über Syrien im Ausland verurteilt werden, oder die Behörden würden versuchen durch Folter Informationen über andere Asylwerber oder die Opposition zu bekommen. Es kann jedoch auch sein, dass eine Person, trotz eines abgelehnten Asylantrages, auch nach der Rückkehr nach Syrien noch als Unterstützer des Asad-Regimes angesehen wird. Das Gesetz bestraft auch Personen, welche versuchen in einem anderen Land Zuflucht zu suchen, um eine Strafe in Syrien zu vermeiden.

Den Berichten des UK Home Office ist zu entnehmen, dass die Asylantragstellung im Ausland als illoyaler Akt und als Zeichen oppositioneller Gesinnung gilt und dass bei (nach negativem Asylverfahren) nach Syrien zurückgeführten Personen die Gefahr der Inhaftierung/Misshandlung aufgrund einer ihnen unterstellten missliebigen politischen Gesinnung droht, sofern sie nicht (nach wie vor) als Unterstützer des Assad-Regimes betrachtet werden.

Quellen zufolge beinhaltet die Sicherheitsprüfung durch die Grenzbehörden am Flughafen Damaskus und an anderen Grenzübergangsstellen die Prüfung, ob ein Rückkehrer Syrien gesetzeswidrig verlassen hat.

Das syrische Gesetz bestraft auch Personen, welche versuchen in einem anderen Land Asyl zu suchen, um eine Strafe in Syrien zu vermeiden.

Die syrische Regierung hat Interesse an politischen Aktivitäten von Syrern im Ausland, auch deshalb, um oppositionelle Alternativen zum gegenwärtigen Regime zu unterbinden. Die Regierung überwacht Aktivitäten dieser Art im Ausland, auch in Österreich. Dass die syrische Regierung Kenntnis von solchen Aktivitäten hat, ist wahrscheinlich, und sie hat die Möglichkeit, ihr diesbezügliches Wissen zu nützen, wenn sich dazu die Gelegenheit ergibt. Eine Überwachung von exilpolitischen Aktivitäten passiert hauptsächlich an Orten mit einer größeren syrischen Gemeinde, weil sich dort eher Informanten der Regierung befinden können. Eine Gefährdung eines Rückkehrers im Falle von exilpolitischer Aktivität hängt jedoch von den Aktivitäten selbst, dem Profil der Person und von zahlreichen anderen Faktoren, wie dem familiären Hintergrund und den Ressourcen ab, die der Regierung zur Verfügung stehen.

Die nach Syrien einreisenden Personen werden vom syrischen Militärgeheimdienst überprüft.

Neben dem Flughafen Damaskus gibt es auch einen internationalen Flughafen in Lattakiah.

Derzeit sind die syrischen Grenzübergänge zum Libanon offen, wobei laut Schweizer Flüchtlingshilfe der Libanon mit mutmaßlichem Auftrag von Syrien nur bestimmte syrische BürgerInnen und palästinensische Flüchtlinge über den Internationalen Flughafen Beirut in den Libanon für ihre Weiterreise nach Syrien einreisen lässt. Die libanesische Botschaft in Berlin erwähnt, dass syrische StaatsbürgerInnen bei Vorweisen eines gültigen Reisepasses kein Visum benötigen, verweist aber auf die Notwendigkeit je nach Reisezweck Unterlagen vorzulegen:

Es gibt eine Liste mit detaillierten Einreisebedingungen für den Libanon, welche die Frage offen lässt, ob/wie durchreisende Rückkehrer nach Syrien vom libanesischen Staat in dem Kategoriensystem eingeordnet würden - insbesondere in den Fällen, wo diese nie über den Libanon aus Syrien ausgereist waren, bzw. wo es keine legale Ausreise aus Syrien gab [Anm.: Das müsste im Einzelfall im Rahmen der Heimreisezertifikate geklärt werden.].

Der Grenzübergang Kessab an der türkischen Grenze wird nur fallweise von der Türkei geöffnet.

Alle anderen Grenzübergänge befinden sich nicht unter Regierungskontrolle.

Prinzipiell muss davon ausgegangen werden, dass jede Person, die nach Syrien zurückkehrt, verhaftet und misshandelt werden kann. In Istanbul kontaktierte syrische Aktivisten wiesen darauf hin, dass alles möglich ist. Die Willkür zeige sich auch darin, dass sich einzelne mit Bestechung freikaufen können. Ein syrischer Direktor einer NGO in Istanbul weist zudem darauf hin, dass abgewiesene Asylsuchende bei einer Einreise nach Syrien verhaftet und misshandelt werden. Seiner Meinung nach sind Aktivisten, Oppositionelle, Familienangehörige von Aktivisten und Männer, die aus der syrischen Armee desertiert sind, besonders gefährdet, bei ihrer Rückkehr verhaftet und misshandelt zu werden. Ein syrischer Journalist geht davon aus, dass syrische Männer unter 45, Sunniten und Personen, die aus Regionen kommen, die von der Opposition besetzt sind, am meisten gefährdet sind, verhaftet, erpresst oder getötet zu werden.

Das kanadische COI-Büro IRB hat eine ausführliche Beschreibung erstellt, wie die Einreise nach Syrien über den Flughafen von Damaskus erfolgt, und wie freiwillige und unfreiwillige Rückkehrer behandelt werden. In der Beschreibung des Prozederes befindet sich auch der Hinweis auf die Entscheidungsfreiheiten der dortigen Kontrolleure, wen sie aus welchen Gründen verhaften. Das Maß an Willkür sei groß und gleichzeitig gäbe es seit 2011 wenige Informationen über das Schicksal von Gefangenen.

Im Fall der Verhaftung und Folter eines von Australien unter Druck gesetzten Mannes, nach Syrien zurückzukehren, wird sein Herkunftsort sowie die Rückkehrhilfe als Hintergrund angesehen.

Neben Risikofaktoren wie beispielsweise eine Asylantragstellung (oder deren Vermutung durch die syrischen Behörden), Verwandtschaftsverbindungen oder Wehr- und Reservedienst kann auch die Herkunft eine Rolle spielen. Je mehr eine Gegend für aufständische Aktivitäten bekannt ist, desto größer sei das Risiko.

Das öffentliche australische Fernsehen berichtete im Oktober 2015 über den Fall eines Syrers aus einem besonders umkämpften Ort in Deraa, der unter australischer Begleitung bis zum Flughafen Amman nach Syrien zurückkehrte. Nach Ankunft in Damaskus sei er wegen seines Herkunftsortes und des Rückkehrgeldes gefoltert und 20 Tage lang festgehalten worden.

Risikoprofile

Personen, die tatsächlich oder vermeintlich in Opposition zur Regierung stehen, einschließlich, jedoch nicht beschränkt auf Mitglieder politischer Oppositionsparteien; Aufständische, Aktivisten und sonstige Personen, die als Sympathisanten der Opposition angesehen werden; Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen bzw. Personen, die als Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen angesehen werden; Wehrdienstverweigerer und Deserteure der Streitkräfte; Mitglieder der Regierung und der Baath-Partei, die ihre Ämter niedergelegt haben; Familienangehörige von tatsächlichen oder vermeintlichen Regierungsgegnern sowie andere Personen, die mit tatsächlichen oder vermeintlichen Regierungsgegnern in Verbindung gebracht werden; Zivilisten, die in vermeintlich regierungsfeindlichen städtischen Nachbarschaften, Städten und Dörfern leben.

...

Angehörige bestimmter Berufsgruppen, insbesondere Journalisten und andere in der Medienbranche tätige Personen, Laienjournalisten;

Ärzte und andere im Gesundheitswesen tätige Personen;

Menschenrechtsaktivisten; humanitäre Helfer; Künstler; Unternehmer und andere Personen, die tatsächlich oder vermeintlich vermögend oder einflussreich sind.

Mitglieder religiöser Gruppen, einschließlich Sunniten, Alawiten, Ismailis, Zwölfer-Schiiten, Drusen, Christen und Jesiden.

....

Frauen, insbesondere Frauen ohne Schutz durch Männer, Frauen, die Opfer von sexueller Gewalt, von Kinder- und Zwangsheirat, häuslicher Gewalt, Verbrechen zur Verteidigung der Familienehre ("Ehrendelikt") und Menschenhandel wurden, oder einem entsprechenden Risiko ausgesetzt sind.

... .

1.2. Hinsichtlich der beschwerdeführenden Parteien:

1.2.1. Die beschwerdeführenden Parteien sind syrische Staatsangehörige. Am 09.11.2015 stellten sie Anträge auf internationalen Schutz. Sie sind nicht straffällig geworden.

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind miteinander verheiratet, wobei die Ehe vor der Ausreise aus Syrien geschlossen wurde, und die Eltern der volljährigen Drittbeschwerdeführerin.

Sie sind arabische Sunniten aus der Stadt XXXX im (ehemaligen) syrischen Gouvernement XXXX im Norden von Syrien. Die beschwerdeführenden Parteien lebten dort zusammen mit ihren Söhnen bzw. Brüdern XXXX . Der Erstbeschwerdeführer ist ein pensionierter Beamter des syrischen Staates.

1.2.2. Das von den beschwerdeführenden Parteien vor der Ausreise bewohnte Gebiet wurde Schauplatz der Aufstandsbewegung, von Protesten, Demonstrationen, gegen die syrische Regierung. Das Gebiet war zwischen der syrischen Regierung und oppositionellen bewaffneten (insbesondere auch fundamentalistischen sunnitischen), gegen die syrische Regierung kämpfenden Gruppierungen (wie auch dem IS) und kurdischen Gruppen umkämpft und zog die syrische Regierung in diesem Gebiet militärdienstpflichtige Männer zum Militärdienst ein. Der Großteil dieses Gebietes ist gegenwärtig unter der Kontrolle kurdischer Einheiten, Teile (von Städten bzw. der Stadt XXXX ) stehen noch unter der Kontrolle der Regierung.

1.2.3. Von den Kampfhandlungen und der dadurch bewirkten Zerstörung der Infrastruktur in ihrem Herkunftsort und der dortigen prekären Lage waren auch die beschwerdeführenden Parteien betroffen, sodass die beschwerdeführenden Parteien in den Ort XXXX , der von kurdischen Einheiten kontrolliert wurde, flüchteten. Nach mehreren Monaten Aufenthalt in XXXX reisten die beschwerdeführenden Parteien illegal aus Syrien aus.

1.2.4. Vor den beschwerdeführenden Parteien waren bereits ihre Söhne bzw. Brüder XXXX aus Syrien geflüchtet. Die genannten Söhne bzw. Brüder der beschwerdeführenden Parteien hatten sich in Syrien an der Aufstandsbewegung gegen die syrische Regierung beteiligt und an Demonstrationen gegen diese teilgenommen. Die Söhne bzw. Brüder der beschwerdeführenden Parteien erhielten Einberufungsbefehle der syrischen Regierung, denen diese nicht Folge leisteten. Sie entzogen sich dem Militärdienst in Syrien nach Einberufung und reisten illegal aus Syrien aus. Sie wurden/werden von der syrischen Regierung als Regimegegner gesucht. Ihnen wurde in Österreich der Status von Asylberechtigten zuerkannt. Die beschwerdeführenden Parteien befinden sich mit ihren Söhnen bzw. Brüdern in Österreich.

1.2.5. Die beschwerdeführenden Parteien sind wie ihre Söhne/Brüder keine Anhänger des syrischen Regimes und lehnen eine Unterstützung der Regierung ab.

1.2.6. Die beschwerdeführenden Parteien sind gefährdet, asylrelevant in das Blickfeld der syrischen Regierung zu geraten. Ihnen droht, wegen ihrer Söhne bzw. Brüder in Anspruch genommen und/oder der politischen Gegnerschaft zur Regierung (einer ablehnenden/abweichenden Haltung) bezichtigt zu werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Darstellung der Situation in Syrien ergibt sich aus den länderkundlichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid sowie aus den diesen Feststellungen zu Grunde liegenden und in der Beschwerdeverhandlung erörterten Länderberichten (Herkunftsländerinformationen). Insbesondere werden die Herkunftsländerinformationen des UNHCR (UNHCR-Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, November 2017; Ergänzende aktuelle Länderinformationen, Syrien: Militärdienst, vom 30.11.2016; Relevante Herkunftslandinformationen zur Unterstützung der Anwendung des UNHCR-Länderleitfadens für Syrien, Feststellung des internationalen Schutzbedarfs von Asylsuchenden aus Syrien - "illegale Ausreise" aus Syrien und verwandte Themen, Februar 2017 [deutsche Version April 2017]), des UK Home Office (Operational Guidance Note Syria; Country Information and Guidance vom 21.02.2014, vom Dezember 2014 und vom August 2016), der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vom 23.03.2017:

Syrien: Zwangsrekrutierung, Wehrdienstentzug, Desertion; vom 21.03.2017, Syrien: Rückkehr), der belangten Behörde (Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, August 2017), der Staatendokumentation (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien vom 05.01.2017 und vom 25.01.2018; Anfragebeantwortungen: vom 24.03.2016 "Wehrpflicht: Einziger Sohn der Familie"; vom 27.03.2017 "Befreiung vom Wehr- und Reservedienst"; vom 09.05.2017 "Folgen von Flucht von Staatsbediensteten; vom 27.03.2017 "Islamischer Staat und Lehrer

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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