TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/12 I412 2211968-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.07.2019
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Entscheidungsdatum

12.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I412 2163262-1/6E

I412 2211968-1/6E

I412 2163263-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1. XXXX, geb. XXXX, 2. XXXX, geb. am XXXX und 3. XXXX, geb. XXXX, alle StA.

NIGERIA, vertreten durch: Migrantinnenverein St. Marx RA Dr. Lennart Binder LL.M. gegen die Bescheide des BFA, RD Wien, XXXX vom 1. XXXX, Zl. XXXX, 2. XXXX, Zl. XXXXund 3. XXXX Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.07.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Verfahren von XXXX (Erstbeschwerdeführerin) und ihren minderjährigen Kindern (der am XXXX geborenen Zweitbeschwerdeführerin XXXX und des am XXXX geborenen Drittbeschwerdeführers XXXX) sind im Sinne des § 34 AsylG 2005 gemeinsam als Familienverfahren zu führen.

2. Die Erstbeschwerdeführerin reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 15.09.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Befragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab die Erstbeschwerdeführerin an, lesbisch zu sein. Sie habe eine Freundin gehabt, und sei mit dieser vom Vermieter beim Sex erwischt worden. Sie habe sich angezogen und sei weggerannt, dann habe sie ihre Schwester XXXX angerufen, die ihr gesagt habe, dass der König angeordnet habe, ihre Freundin zu töten. Deshalb sei sie nach Lagos geflüchtet. Dort habe sie sich länger als zwei Monate versteckt gehalten. Eines Tages sei sie raus gegangen und eine Frau aus ihrem Dorf habe ihr gesagt, dass der König ihre Suche angeordnet habe. Sie sei in Nigeria nicht mehr sicher und deshalb habe sie sich entschlossen, zu fliehen.

3. Am XXXX wurde die Zweitbeschwerdeführerin in Wien geboren und für diese von der Mutter als gesetzlicher Vertretung am 06.04.2017 ein Antrag auf Familienverfahren gestellt. Es wurde angegeben, dass die Zweitbeschwerdeführerin keine eigenen Fluchtgründe bzw. Rückkehrbefürchtungen habe.

4. Am 25.04.2017 wurde die Erstbeschwerdeführerin durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einvernommen. Die Erstbeschwerdeführerin gab zu ihrem Fluchtgrund befragt an, sie habe Nigeria verlassen, weil sie gesucht worden sei. Man habe sie töten wollen. Sie sei nach Österreich gekommen, um hier gut zu leben. Sie sei nun nicht mehr lesbisch, wolle aber nicht nach Nigeria zurück, weil sie nicht sterben wolle. Sie könne nicht mehr zurück, weil die Polizei auf eine Liste geschrieben habe, dass sie lesbisch sei. Die Polizei habe ihre Familie festgenommen, weil sie nach ihr gesucht hätten. Als sie in Lagos gewesen sei, sei ihre Familie verhaftet worden. Sie sei jedoch niemals einer konkreten Bedrohung gegen ihre Person ausgesetzt gewesen.

5. Mit Bescheiden vom 08.06.2017 wurden die Anträge der Erst- und Zweitbeschwerdeführerinnen hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 und hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigen gemäß § 8 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 gegen diese eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung gemäß § 46 nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.) Als Frist für eine freiwillige Ausreise wurden gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.).

Gegen diese Entscheidungen wurde mit bei der belangten Behörde am 29.06.2017 eingelangten Schriftsatz fristgerecht Beschwerde erhoben.

6. Am XXXX wurde der Drittbeschwerdeführer geboren und gemäß § 17a AsylG der Antrag auf internationalen Schutz durch Einlangen der Geburtsurkunde bestätigt. Mit Bescheid vom 07.12.2018 wurde für diesen eine den Bescheiden betreffend die Erst- und Zweitbeschwerdeführerinnen gleichlautende Entscheidung getroffen, gegen die ebenfalls, mit Schreiben vom 21.12.2018, fristgerecht Beschwerde erhoben wurde.

7. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 03.07.2017 (Erst- und Zweitbeschwerdeführerinnen) bzw. vom 28.12.2018 wurden die Verfahren dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt und der Gerichtsabteilung I412 zugeteilt. Am 02.07.2019 wurde eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht abgehalten, in welcher die Erstbeschwerdeführerin befragt wurde. Im Vorfeld war den Beschwerdeführern das Länderinformationsblatt zu Nigeria übermittelt worden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den Personen der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer sind nigerianische Staatsangehörige.

Die Identität der Erstbeschwerdeführerin steht nicht fest. Die Identität der Zweit- und des Drittbeschwerdeführers steht fest.

Es handelt sich bei den Beschwerdeführern um eine volljährige Frau (Erstbeschwerdeführerin) und ihre beiden minderjährigen Kinder (die am XXXX in Österreich geborene Zweitbeschwerdeführerin und den am XXXX in Österreich geborenen Drittbeschwerdeführer).

Die Erstbeschwerdeführerin stammt aus Ishan, Edo State. Die Erstbeschwerdeführerin verfügt über eine mehrjährige Schulbildung und über Arbeitserfahrung in Nigeria, die sie als Friseurin gesammelt hat.

Die Familie der Erstbeschwerdeführerin ist in Nigeria aufhältig. Es ist davon auszugehen, dass die Erstbeschwerdeführerin bei einer Rückkehr auf Unterstützung zurückgreifen könnte.

Die Beschwerdeführer sind gesund, die Erstbeschwerdeführerin befindet sich zudem in einem erwerbsfähigen Alter.

Zum Vater der Kinder, bei dem es sich ebenfalls um einen nigerianischen Staatsbürger handelt, hat die Beschwerdeführerin seit der Geburt ihres Sohnes keinen Kontakt und erhält von diesem keine Unterstützung.

Die Beschwerdeführer bestreiten ihren Lebensunterhalt über die staatliche Grundversorgung.

Die Erstbeschwerdeführerin verfügt in Österreich über keine familiären und über keine maßgeblichen privaten Anknüpfungspunkte.

Es liegen hinsichtlich der Beschwerdeführer keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, gesellschaftlicher sowie kultureller Hinsicht vor.

Die Beschwerdeführer sind strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtmotiven und zu einer Rückkehrgefährdung der Beschwerdeführer

Die Beschwerdeführer werden in Nigeria nicht aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt.

Es ist nicht glaubhaft, dass die Erstbeschwerdeführerin auf Grund früherer homosexueller Neigungen in Nigeria der Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt ist.

Es ist nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Nigeria in eine existenzbedrohende Situation oder menschenunwürdige Lage geraten werden.

1.3. Zur Situation in Nigeria:

1.3.1 Zur allgemeinen Situation in Nigeria:

Hinsichtlich der Lage in Nigeria ist auf Basis des aktuellen "Länderinformationsblattes der Staatendokumentation" (Stand: 07.08.2017) zu Nigeria festzustellen:

1.3.2 Sicherheitslage

Es gibt in Nigeria keine klassischen Bürgerkriegsgebiete oder -parteien (AA 10.12.2018). Im Wesentlichen lassen sich mehrere Konfliktherde unterscheiden: Jener von Boko Haram im Nordosten; jener zwischen Hirten und Bauern im Middle-Belt; sowie Spannungen im Nigerdelta (AA 10.12.2018; vgl. EASO 11.2018a) und eskalierende Gewalt im Bundesstaat Zamfara (EASO 11.2018a). Außerdem gibt es im Südosten zwischen der Regierung und Igbo-Gruppen, die für ein unabhängiges Biafra eintreten, (EASO 11.2018a; vgl. AA 10.12.2018), sowie zwischen Armee und dem Islamic Movement in Nigeria (IMN) Spannungen (EASO 11.2018a). Die 2017 deutlich angespannte Lage im Südosten des Landes ("Biafra") hat sich mit dem Eingriff des Militärs und der mutmaßlichen Flucht des Anführers der stärksten separatistischen Gruppe IPOB derzeit wieder beruhigt (AA 10.12.2018).

In den nordöstlichen Bundesstaaten Adamawa, Borno, Gombe und Yobe kommt es häufig zu Selbstmordanschlägen (BMEIA 12.4.2019). Außenministerien warnen vor Reisen dorthin sowie in den Bundesstaat Bauchi (BMEIA 12.4.2019; vgl. AA 12.4.2019; UKFCO 12.4.2019). Vom deutschen Auswärtige Amt wird darüber hinaus von nicht notwendigen Reisen in die übrigen Landesteile Nordnigerias abgeraten (AA 12.4.2019).

Zu Entführungen und Raubüberfällen kommt es im Nigerdelta und einigen nördlichen Bundesstaaten. Betroffen sind: Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bauchi, Bayelsa, Cross River, Delta, Ebonyi, Enugu, Imo, Jigawa, Kaduna, Kano, Katsina, Kogi, Nasarawa, Plateau, Rivers und Zamfara. Für die erwähnten nordöstlichen und nördlichen Bundesstaaten sowie jenen im Nigerdelta gelegenen gilt seitens des österreichischen Außenministeriums eine partielle Reisewarnung; Hohes Sicherheitsrisiko (Sicherheitsstufe 3) in den übrigen Landesteilen (BMEIA 12.4.2019).

Das deutsche Auswärtige Amt rät von Reisen in die Bundesstaaten Kaduna (insbesondere Süd- Kaduna), Plateau, Nasarawa, Benue, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo (insbesondere die Hauptstadt Owerri), Abia, Anambra, Ebonyi, Edo, Enugu, Delta, Kogi, den südlichen Teil von Cross Rivers, Ogun und Akwa Ibom ab (AA 12.4.2019). Das britische Außenministerium warnt (neben den oben erwähnten nördlichen Staaten) vor Reisen in die am Fluss gelegenen Regionen der Bundesstaaten Delta, Bayelsa, Rivers, Akwa Ibom and Cross River im Nigerdelta. Abgeraten wird außerdem von allen nicht notwendigen Reisen in die Bundesstaaten Bauchi, Zamfara, Kano, Kaduna, Jigawa, Katsina, Kogi, Abia, im 20km Grenzstreifen zum Niger in den Bundesstaaten Sokoto und Kebbi, nicht am Fluss gelegene Gebiete von Delta, Bayelsa und Rivers (UKFCO 29.11.2018).

In Nigeria können in allen Regionen unvorhersehbare lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe der Konflikte sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser oder ethnischer Art. Meist dauern diese Auseinandersetzungen nur wenige Tage und sind auf einzelne Orte bzw. einzelne Stadtteile begrenzt. Insbesondere die Bundesstaaten Zamfara, das Sokoto (Nordteil) und Plateau (Südteil) sind derzeit von bewaffneten Auseinandersetzungen betroffen (AA 12.4.2019).

In der Zeitspanne April 2018 bis April 2019 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch

Gewaltakte besonders hervor: Borno (2.333), Zamfara (1.116), Kaduna (662), Benue (412), Adamawa (402), Plateau (391). Folgende

Bundesstaaten stechen mit einer niedrigen Zahl hervor: Jigawa (2), Gombe (2), Kebbi (3) und Osun (8) (CFR 2019).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

-

AA - Auswärtiges Amt (12.4.2019): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/ 205788#content_6, Zugriff 12.4.2019

-

BMEIA - Österreichisches Außenministerium (12.4.2019):

Reiseinformationen - Nigeria, https:// www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/nigeria/, Zugriff 12.4.2019

-

CFR - Council on Foreign Relations (2019): Nigeria Security Tracker, https://www.cfr.org/nigeria/ nigeria-security-tracker/p29483, Zugriff 12.4.2019

-

EASO - European Asylum Support Office (11.2018a): Country of Origin Information Report - Nigeria - Security Situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2001366/2018_EASO_COI_Nigeria_SecuritySituation.pdf, Zugriff 12.4.2019

-

UKFCO - United Kingdom Foreign and Commonwealth Office (12.4.2019): Foreign Travel Advice - Nigeria - summary, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria, Zugriff 12.4.2019

1.3.3. Frauen

Auch wenn die Verfassung Gleichberechtigung vorsieht (USDOS 13.3.2019; vgl. AA 10.12.2018), kommt es zu beachtlicher ökonomischer Diskriminierung von Frauen (USDOS 13.3.2019). Frauen werden in der patriarchalischen und teilweise polygamen Gesellschaft Nigerias in vielen Rechts- und Lebensbereichen benachteiligt, v.a. dort, wo traditionelle Regeln gelten. So sind Frauen in vielen Landesteilen aufgrund von Gewohnheitsrecht von der Erbfolge nach ihrem Ehemann ausgeschlossen. Vor allem im Osten des Landes müssen sie entwürdigende und die persönliche Freiheit einschränkende Witwenzeremonien über sich ergehen lassen (z.B. werden sie gezwungen, sich den Kopf zu rasieren oder das Haus für einen bestimmten Zeitraum nicht zu verlassen oder sind rituellen Vergewaltigungen ausgesetzt). Darüber hinaus können Frauen im Norden zum Teil keiner beruflichen Betätigung nachgehen, weil sie die familiäre Wohnung ohne Begleitung eines männlichen Angehörigen nicht verlassen dürfen (AA 10.12.2018). Die geschlechtsspezifische Diskriminierung im Rechtssystem konnte allerdings reduziert werden (BS 2018).

Auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) spielen Frauen kaum eine Rolle. Jene mit Sekundär- und Tertiärbildung haben Zugang zu Arbeitsplätzen in staatlichen und öffentlichen Institutionen. Immer mehr Frauen finden auch Arbeit im expandierenden Privatsektor (z.B. Banken, Versicherungen, Medien). Einige Frauen besetzen prominente Posten in Regierung und Justiz, z.B. eine Richterin beim Obersten Gerichtshof und die Finanzministerin (BS 2018).

Rechtlich ist keine Vorschrift vorhanden, die gleiche Bezahlung für Frauen und Männer für gleichwertige Tätigkeiten festschreibt. Es gibt auch kein Diskriminierungsverbot bei der Einstellung von Angestellten. Im formalen Sektor bleiben Frauen unterrepräsentiert, während sie in der informellen Wirtschaft eine bedeutende Rolle spielen (Landwirtschaft, Nahrungsmittel, Märkte, Handel) (USDOS 13.3.2019).

Das Gesetz Violence Against Persons Prohibition Act (VAPP) befasst sich mit sexueller, körperlicher, psychologischer und sozioökonomischer Gewalt sowie mit schädlichen traditionellen Praktiken. Laut dem VAPP stellen häusliche Gewalt, gewaltsames Hinauswerfen des Ehepartners aus der gemeinsamen Wohnung, erzwungene finanzielle Abhängigkeit, verletzende Witwenzeremonien, Genitalverstümmelung (FGM/C) usw. Straftatbestände dar. Opfer haben Anspruch auf umfassende medizinische, psychologische, soziale und rechtliche Unterstützung. Mit Stand März 2018 ist das Gesetz erst im Federal Capital Territory (FCT) und den Bundesstaaten Anambra, Ebonyi und Oyo gültig, in anderen Bundesstaaten erst, sobald es dort verabschiedet wird (USDOS 13.3.2019).

Häusliche Gewalt ist weit verbreitet und wird sozial akzeptiert, die Polizei schreitet oft nicht ein. In ländlichen Gebieten zögern Polizei und Gerichte, in Fällen aktiv zu werden, in welchen die Gewalt das traditionell akzeptierte Ausmaß des jeweiligen Gebietes nicht übersteigt (USDOS 13.3.2019).

Geschlechtsspezifische Gewalt ist in Nigeria auf nationaler Ebene nicht unter Strafe gestellt. Einige Bundesstaaten, hauptsächlich im Süden gelegene, haben Gesetze, die geschlechtsspezifische Gewalt verbieten oder versuchen bestimmte Rechte zu schützen. Für häusliche Gewalt sieht das VAPP eine Haftstrafe von maximal drei Jahren, eine Geldstrafe von höchstens 200.000 Naira oder eine Kombination von Haft- und Geldstrafe vor (USDOS 20.4.2018).

Vergewaltigung steht unter Strafe. Gemäß dem VAPP beträgt das Strafmaß zwischen zwölf Jahren und lebenslänglicher Haft. Es sieht auch ein öffentliches Register von verurteilten Sexualstraftätern vor. Auf lokaler Ebene sollen Schutzbeamte ernannt werden, die sich mit Gerichten koordinieren und dafür sorgen sollen, dass die Opfer relevante Unterstützung bekommen. Das Gesetz enthält auch eine Bestimmung, welche Gerichte dazu ermächtigt, Vergewaltigungsopfern eine angemessene Entschädigung zuzusprechen. Vergewaltigungen bleiben aber weit verbreitet. Aus einer Studie geht hervor, dass der erste sexuelle Kontakt bei drei von zehn Mädchen im Alter von 10 bis 19 Jahren eine Vergewaltigung war (USDOS 13.3.2019).

Das Bundesgesetz kriminalisiert seit 2015 FGM/C auf nationaler Ebene (USDOS 13.3.2019; vgl. AA 10.12.2018; GIZ 4.2019b), dieses Gesetz ist aber bisher nur in einzelnen Bundesstaaten umgesetzt worden (AA 10.12.2018), nach anderen Angaben gilt es bis dato nur im Federal Capital Territory. 13 andere Bundesstaaten haben ähnliche Gesetze verabschiedet (EASO 11.2018b). Die Regierung unternahm im Jahr 2018 keine Anstrengungen, FGM/C zu unterbinden (USDOS 13.3.2019). Andererseits wird mit unterschiedlichen Aufklärungskampagnen versucht, einen Bewusstseinswandel einzuleiten. Bei der Verbreitung gibt es erhebliche regionale Unterschiede. In einigen - meist ländlichen - Regionen im Südwesten und in der Region Süd-Süd ist die Praxis weit verbreitet, im Norden eher weniger (AA 10.12.2018). Während im Jahr 2013 der Anteil beschnittener Mädchen und Frauen noch bei 24,8 Prozent lag, waren es 2017 nur noch 18,4 Prozent (EASO 11.2018b).

Für Opfer von FGM/C bzw. für Frauen und Mädchen, die von FGM/C bedroht sind, gibt es Schutz und/oder Unterstützung durch staatliche Stellen und NGOs (UKHO 2.2017). Frauen, die von FGM/ C bedroht sind und die nicht in der Lage oder nicht willens sind, sich dem Schutz des Staates anzuvertrauen, können auf sichere Weise in einen anderen Teil Nigerias übersiedeln, wo es sehr unwahrscheinlich ist, dass sie von ihren Familienangehörigen aufgespürt werden. Frauen, welche diese Wahl treffen, können sich am neuen Wohnort dem Schutz von Frauen-NGOs anvertrauen (UKHO 12.2013; vgl. UKHO 2.2017).

Die Hauptaufgaben der Bundesbehörde NAPTIP (National Agency for the Prohibition of Trafficking in Person) sind Bekämpfung des Menschenhandels, Verfolgung der Täter im Bereich Menschenhandel und Schutzmaßnahmen für Opfer (temporäre Unterkunft, Beratung, Rehabilitierung, Reintegration und Zugang zur Justiz). Obwohl die Behörde im Jahr 2017 deutlich höhere Geldmittel als im Vorjahr erhielt, verfügt sie über zu geringe Ressourcen (EASO 2.2019). Oba Ewuare, König von Benin (Bundesstaat Edo) hat am 9.3.2018 alle Opfern des Menschenhandels auferlegten Flüche für nichtig erklärt, und im Gegenzug jene, welche die Flüche ausgesprochen haben, ihrerseits mit einem Fluch belegt. Bei der Zeremonie waren Priester und traditionelle Heiler sowie Vertreter von NAPTIP eingeladen (Vanguard 10.3.2018; vgl. Iroko 21.3.2018). Üblicherweise sollen Opfer von Menschenhandel durch die auferlegten Flüche dazu gezwungen werden, die Namen der Täter nicht preiszugeben. NAPTIP geht davon aus, dass nunmehr die Strafverfolgung in solchen Fällen erleichtert wird (Vanguard 10.3.2018).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Nigeria Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427393/488302_en.pdf, Zugriff 19.11.2018

-

EASO - European Asylum Support Office (11.2018b): Country of Origin Information Report - Nigeria - Targeting of individuals, https://www.ecoi.net/en/file/local/2001375/2018_EASO_COI_Nigeria_TargetingIndividuals.pdf, Zugriff 11.4.2019, S129ff

-

EASO - European Asylum Support Office (2.2019): Country Guidance:

Nigeria,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2004112/Country_Guidance_Nigeria_2019.pdf, Zugriff 12.4.2019

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2019b): Nigeria - Gesellschaft, https://www.liportal.de/nigeria/gesellschaft/, Zugriff 10.4.2019

-

Iroko - Assoziazione onlus (21.3.2018): Oba of Benin (Edo State) revokes curses on victims of trafficking, http://www.associazioneiroko.org/slide-en/oba-of-benin-edo-state-revokes-curses-onvictims-of-trafficking/, Zugriff 12.4.2019

-

ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria

-

UKHO - United Kingdom Home Office (12.2013): Operational Guidance Note - Nigeria,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1387367781_nigeria-ogn.pdf, Zugriff 19.11.2018

-

UKHO - United Kingdom Home Office (2.2017): Country Policy and Information Note Nigeria: Female Genital Mutilation (FGM), https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595458/CPIN_-

_NGA_-_FGM_-_v_1_0.pdf, Zugriff 19.11.2018

-

USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/document/2004182.html, Zugriff 20.3.2019

-

Vanguard (10.3.2019): "Our gods will destroy you"; Oba of Benin curse human traffickers,

https://www.vanguardngr.com/2018/03/gods-will-destroy-oba-benin-curse-human-traffickers/, Zugriff 12.4.2019

1.3.4. (Alleinstehende) Frauen: interne Relokation, Rückkehr, Menschenhandel

Für alleinstehende Rückkehrerinnen ist keine generelle Aussage möglich. Nigeria verfügt über eine Anzahl staatlicher und halbstaatlicher Einrichtungen, insbesondere die National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons (NAPTIP), die sich um die Rehabilitierung und psychologische Betreuung rückgeführter Frauen annehmen und in jeder der sechs geopolitischen Zonen Regionalbüros unterhalten. NAPTIP kann als durchaus effektive nigerianische Institution angesehen werden und kooperiert mit mehreren EU-Staaten bei der Reintegration, ist Rückführungspartner für Drittstaaten und leistet u.a. Integrationshilfe (ÖB 10.2018). Die Agentur ist außerdem für die Bekämpfung des Menschenschmuggels zuständig, hat seit ihrer Gründung 2003 359 Verurteilungen von Schleppern erreicht sowie bis heute mehr als 13.000 Opfern von Menschenhandel geholfen (AA 10.12.2018). NAPTIP ist eine zentrale Anlaufstelle für Rückkehrerinnen und bietet unter anderem mehrmonatige Rehabilitierung (psychologische Betreuung) und Berufstraining für ehemalige Zwangsprostituierte an (ÖB 10.2018).

Es gibt viele Frauengruppen, welche die Interessen von Frauen vertreten, praktische Hilfe und Zuflucht anbieten (UKHO 8.2016a). Vom Office of the Special Adviser to the President on Relations with Civil Society erhielt die österreichische Botschaft eine Liste mit 203 auf Seriosität/Bonität geprüften NGOs, die sich um Rehabilitierung, Fortbildung und medizinische Betreuung/Versorgung sämtlicher Bevölkerungsgruppen des Staates bemühen. Darin werden regionale bzw. das ganze Staatsgebiet umfassende Organisationen aufgelistet, die sich um Witwen, Vollwaisen, minderjährige Mütter, alleinstehende Frauen, Albinos, HIV-Positive, Ex- Häftlinge, Häftlinge, Prostituierte, Alphabetisierung, FGM oder Opfer häuslicher Gewalt bemühen. Diese Organisationen betreiben Wohn- und Bildungsmöglichkeiten für Frauen, Waisen sowie körperlich und geistig Behinderte. Zusätzlich unterstützen Gattinnen der Gouverneure eigene "pet projects". Die bekannteste Vertreterin ist Dr. Amina Titi Atiku Abubakar, Gründerin und Vorsitzende der NGO WOTCLEF, die es bis zur Akkreditierung durch die UN gebracht hat und zahlreiche Projekte im Frauenbereich unterstützt (ÖB 10.2018).

Im traditionell konservativen Norden, aber auch in anderen Landesteilen, sind alleinstehende Frauen oft erheblichem Druck der Familie ausgesetzt und können diesem häufig nur durch Umzug in eine Stadt entgehen, in der weder Familienangehörige noch Freunde der Familie leben. Im liberaleren Südwesten des Landes - und dort vor allem in den Städten - werden alleinstehende oder allein lebende Frauen eher akzeptiert (AA 10.12.2018). Die Verfassung und Gesetze sehen interne Bewegungsfreiheit vor und Berichten zufolge treten Frauen aus dem ganzen Land kurze oder lange Reisen alleine an. Die Bewegungsfreiheit der Frauen aus muslimischen Gemeinden in den nördlichen Regionen ist jedoch stärker eingeschränkt. Im Allgemeinen ist eine interne Relokation insbesondere für alleinstehende und kinderlose Frauen nicht übermäßig hart - z.B. im Falle der Flucht vor einer lokalen Bedrohung, die von ihrer Familie oder nicht-staatlichen Akteuren ausgeht (UKHO 8.2016a).

Eine Auswahl spezifischer Hilfsorganisationen für Frauen:

African Women Empowerment Guild (AWEG): 29, Airport Road, Benin

City, Edo State Tel.: 08023514832, 08023060147, Email:

info@awegng.org (AWEG o.d.a). Die AWEG ist eine ausschließlich weibliche nicht profitorientierte NGO. Zielgruppe sind Frauen und Jugendliche. Spezielle Programme zielen darauf ab, Frauen beim Erwerb von Fähigkeiten im Bildungsbereich sowie im sozialen, ökonomischen und politischen Bereich zu unterstützen. AWEG führt Studien zu geschlechtsspezifischer Gewalt durch (AWEG o.D.b).

Women Aid Collective (WACOL), No 9 Matthias Ilo Avenue, New Haven Extension by Akanu Ibia Airport Flyover, Enugu State. Tel:

+234-8095757590, +234-9091333000, Email: wacolnig@gmail.com, wacolnig@yahoo.com, wacolenugu@wacolnigeria.org. WACOL ist eine Wohltätigkeitsorganisation und bietet verschiedene Unterstützung an:

Schulungen, Forschung, Rechtsberatung, Unterkunft, kostenloser Rechts- und Finanzbeistand, Lösung familieninterner Konfliktsituationen, Informationen und Bücherdienste (WACOL o.D.).

Women Advocates Research and Documentation Center (WARDC), 9b james Oluleye Crescent (Harmony Enclave), off Adeniyi Jones by Koko bus stop, Ikeja, Lagos State, (+234) 818 005 6401, Email:

womenadvocate@yahoo.com (WARDC o.d.a). WARDC ist eine Frauenrechts-NGO für weibliche Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt und anderer Menschenrechtsverletzungen. Ca. sechs Frauen pro Woche werden diesbezüglich in rechtlicher und sozialer Hinsicht beraten (WARDC o.d.b.).

Womens Health and Equal Rights Initiative (WHER), Adresse nicht online verfügbar, +234 818 645 7675, Email: wher@whernigeria.org (WHER o.d.a): WHER ist eine NGO zur Unterstützung von Frauen, die Angehörige einer sexuellen Minderheit sind (WHER o.d.b).

The Women's Consortium of Nigeria (WOCON): 13 Okesuna Street, Off Igbosere Road, Lagos, Nigeria, Tel: +234 8033188767, +234 8037190133, +234 8033347896, Email:

wocon95@yahoo.com, info@womenconsortiumofnigeria.org (WOCON o.D.a). WOCON ist eine gemeinnützige NGO, die sich der Durchsetzung der Frauenrechte und der Erzielung von Gleichheit, persönlicher Entwicklung und Frieden widmet. Ziel ist die Aufklärung bezüglich Menschenhandel und der Kampf gegen den Menschenhandel (WOCON o.D.b).

Women's Rights Advancement and Protection Alternative (WRAPA): 19, Monrovia Street, Off Aminu Kano Way, Wuse II Abuja, Tel.:

08188699961, 08172125692, 07063807887, Email: Wrapa399@gmail.com, wrapa399@yahoo.com. WRAPA ist eine Organisation, die bundesweit für Frauenrechte eintritt. Aktivitäten umfassen kostenfreie Rechtsberatung, Ausbildung, Mobilisation, Sensibilisierung und Meinungsbildung bezüglich rechtlicher Reformen. Jede Frau, die in irgendeiner Form einen Eingriff in ihre Rechte bzw. eine Diskriminierung erlitten hat, kann in den Genuss der Unterstützung von WRAPA kommen (WRAPA, o.D.).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

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AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.a): AWEG - Contact Information, http://www.awegng.org/contactus.htm, Zugriff 19.11.2018

-

AWEG - African Women Empowerment Guild (o.D.b): AWEG - About Us, http://www.awegng.org/aboutus.htm, Zugriff 19.11.2018

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BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 - Nigeria Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427393/488302_en.pdf, Zugriff 19.11.2018

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ÖB - Österreichische Botschaft Abuja (10.2018): Asylländerbericht Nigeria

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UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016a): Country Information and Guidance Nigeria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-

_Nigeria_-_Women.pdf, Zugriff 13.11.2018

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WACOL - Women Aid Collective (o.D.): Homepage, https://wacolnigeria.org/, Zugriff 19.11.2018

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WARDC - Women Advocates Research and Documentation Center (o.d.a):

WARDC - Contact us, http://wardcnigeria.org/contact-us/, Zugriff 21.12.2018

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WARDC - Women Advocates Research and Documentation Center (o.d.b):

WARDC - About us, http://wardcnigeria.org/what-we-do/, Zugriff 21.12.2018

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WHER - Womens Health and Equal Rights Initiative (o.d.a): WHER - Contact, https://whernigeria.org/contact/, Zugriff 21.12.2018

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WHER - Womens Health and Equal Rights Initiative (o.d.b): WHER - About us, https://whernigeria.org/about/, Zugriff 21.12.2018

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WOCON - Women's Consortium of Nigeria (o.D.a): WOCON - Contact, http://womenconsortiumofnigeria.org/?q=content/contact, Zugriff 19.11.2018

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WOCON - Women's Consortium of Nigeria (o.D.b): WOCON - About us, http://womenconsortiumofnigeria.org/?q=about-us, Zugriff 19.11.2018

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WRAPA - Women's Rights Advancement and Protection Alternative (o.D.): FAQ, https://wrapanigeria.org/faq/, Zugriff 19.11.2018

1.3.5. Kinder

Die Rechte des Kindes werden in Nigeria nur unzureichend gewährleistet. Der Child Rights Act, mit dem die UN-Kinderrechtskonvention in nationales Recht umgesetzt werden soll, wurde bislang lediglich von 24 (AA 10.12.2018; vgl. UNICEF o.D.), nach anderen Angaben von 25 der 36 Bundesstaaten ratifiziert (USDOS 13.3.2019). Insbesondere die nördlichen Bundesstaaten sehen in einigen Bestimmungen (Rechte des Kindes gegenüber den eigenen Eltern, Mindestalter für Eheschließungen) einen Verstoß gegen die Scharia (AA 10.12.2018).

Der Child Rights Act sieht bei einer Eheschließung ein Mindestalter von 18 Jahren vor. Jene Bundesstaaten, die das Gesetz nicht ratifiziert haben, kennen kein Mindestalter für eine Eheschließung. Vor allem die nördlichen Bundesstaaten halten sich nicht an das offizielle Mindestalter auf Bundesebene (USDOS 13.3.2019). Kinderehen, in denen Mädchen in jungen Jahren mit zumeist älteren Männern verheiratet werden, sind folglich vor allem im Norden des Landes verbreitet (AA 10.12.2018; vgl. UNICEF o.D.). Insgesamt heiraten schätzungsweise 43 Prozent der Mädchen unter 18 Jahren und 17 Prozent unter 15 Jahren (AA 10.12.2018).

Mit traditionellen Glaubensvorstellungen verbundene Rituale und der in Bevölkerungsteilen verbreitete Glaube an Kinderhexen, führen zu teils schwersten Menschenrechtsverletzungen (Ausgrenzung, Aussetzung, Mord) an Kindern, insbesondere an Kindern mit Behinderungen (AA 10.12.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Entsprechende Fälle werden überwiegend aus der südlichen Hälfte Nigerias berichtet, besonders gehäuft aus dem Südosten und den Bundesstaaten Akwa Ibom und Edo (AA 10.12.2018).

Gesetzlich sind die meisten Formen der Zwangsarbeit verboten, und es sind ausreichend harte Strafen vorgesehen. Die Durchsetzung der Gesetze bleibt jedoch in weiten Teilen des Landes ineffektiv. Daher ist Zwangsarbeit - u.a. bei Kindern - weit verbreitet. Frauen und Mädchen müssen als Hausangestellte, Buben als Straßenverkäufer, Diener, Minenarbeiter, Steinbrecher, Bettler oder in der Landwirtschaft arbeiten (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018)

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UNICEF - United Nations International Children's Emergency Fund (o.D.): The situation, https:// www.unicef.org/nigeria/protection.html, Zugriff 21.11.2018

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USDOS - U.S. Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/document/2004182.html, Zugriff 20.3.2019

1.3.6. Grundversorgung

Die nigerianische Wirtschaft hat sich 2017 allmählich aus der schlimmsten Rezession seit 25 Jahren erholt, das BIP ist um 0,55 Prozent gestiegen. Mehrere Faktoren haben dazu beigetragen, dass sich die nigerianische Wirtschaft seit Ende 2017 allmählich wieder erholt, unter anderem eine Steigerung der Erdölförderleistung, die Erholung des Erdölpreises und eine verbesserte Leistung von Landwirtschaft und Dienstleistungssektor (GIZ 4.2019c).

Etwa 80 Prozent der Gesamteinnahmen Nigerias stammen aus der Öl- und Gasförderung (AA 10.12.2018). Neben Erdöl verfügt das Land über z.B. Zinn, Eisen-, Blei-, und Zinkerz, Kohle, Kalk, Gesteine, Phosphat - gesamtwirtschaftlich jedoch von geringer Bedeutung (GIZ 4.2019c). Von Bedeutung sind hingegen der (informelle) Handel und die Landwirtschaft, welche dem größten Teil der Bevölkerung eine Subsistenzmöglichkeit bieten (AA 10.12.2018). Der Industriesektor (Stahl, Zement, Düngemittel) machte 2016 ca. 20 Prozent des BIP aus. Neben der Verarbeitung von Erdölprodukten werden Nahrungs- und Genussmittel, Farben, Reinigungsmittel, Textilien, Brennstoffe, Metalle und Baumaterial produziert. Industrielle Entwicklung wird durch die unzureichende Infrastruktur (Energie und Transport) behindert (GIZ 4.2019c).

Über 60 Prozent der Nigerianer sind in der Landwirtschaft beschäftigt, in ländlichen Gebieten über 90 Prozent (AA 9.2018c). Der Agrarsektor wird durch die Regierung Buhari stark gefördert. Dadurch hat etwa der Anteil an Großfarmen zugenommen (GIZ 4.2019c; vgl. AA 9.2018c). Auch die Mais- und Reisproduktion wurde dadurch kräftig ausgeweitet. Dabei ist das Potenzial der nigerianischen Landwirtschaft bei Weitem nicht ausgeschöpft (AA 9.2018c) und das Land ist nicht autark, sondern auf Importe - v.a. von Reis - angewiesen (ÖB 10.2018; vgl. AA 9.2018c). Über 95 Prozent der landwirtschaftlichen Produktion kommt aus Subsistenzbetrieben (AA 9.2018c). Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Experten schließen aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertreibungen als Folge der Attacken durch Boko Haram Hungerperioden für die nördlichen, insbesondere die nordöstlichen Bundesstaaten nicht aus. In Ernährungszentren nahe der nördlichen Grenze werden bis zu 25 Prozent der unter fünfjährigen Kinder wegen starker Unterernährung behandelt (ÖB 10.2018).

Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt (BS 2018; vgl. GIZ 4.2019b). Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut (BS 2018; vgl. ÖB 10.2018), fast 50 Prozent unter der Armutsgrenze (GIZ 4.2019b).

Die Arbeitslosigkeit ist hoch, bei Jugendlichen wird sie auf über 20 Prozent geschätzt (GIZ 4.2019b). Offizielle Statistiken über Arbeitslosigkeit gibt es aufgrund fehlender sozialer Einrichtungen und Absicherung nicht. Geschätzt wird sie auf 20 bis 45 Prozent - in erster Linie unter 30-jährige - mit großen regionalen Unterschieden (ÖB 10.2018). Der Staat und die Bundesstaaten haben damit begonnen, Programme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit umzusetzen. Die Resultate sind dürftig (BS 2018). Der Mangel an lohnabhängiger Beschäftigung führt dazu, dass immer mehr Nigerianer in den Großstädten Überlebenschancen im informellen Wirtschaftssektor als "self-employed" suchen. Die Massenverelendung nimmt seit Jahren bedrohliche Ausmaße an (GIZ 4.2019b).

Die Großfamilie unterstützt in der Regel beschäftigungslose Angehörige (ÖB 10.2018). Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen (BS 2018). Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2018).

Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Nur eine geringe Anzahl von Nigerianern (2016 ca. fünf Millionen) ist im Pensionssystem (Contributory Pension Scheme) registriert (BS 2018).

Programme zur Armutsbekämpfung gibt es sowohl auf Länderebene als auch auf lokaler Ebene. Zahlreiche NGOs im Land sind in den Bereichen Armutsbekämpfung und Nachhaltige Entwicklung aktiv. Frauenorganisationen, von denen Women In Nigeria (WIN) die bekannteste ist, haben im traditionellen Leben Nigerias immer eine wichtige Rolle gespielt. Auch Nigerianer, die in der Diaspora leben, engagieren sich für die Entwicklung in ihrer Heimat (GIZ 4.2019c).

Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für "peppersoup", "garri" oder "pounded yam", für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch "mini-farming" eine Möglichkeit, selbständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als "bushmeat" gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun "grasscutter" (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als "bushmeat" gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und "grasscutter" finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden 10 Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖB 10.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (10.12.2018): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2018

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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