TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/22 G308 2178451-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.07.2019
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Entscheidungsdatum

22.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G308 2178451-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Irak, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.11.2017, Zahl: XXXX, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 14.06.2015 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005.

2. Am 14.06.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung des Beschwerdeführers im Asylverfahren statt.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab er zusammengefasst an, dass er Sunnit sei und deswegen zwangsweise sein Geschäft habe zusperren müssen. Er sei auch geschlagen worden. Es gebe keine Sicherheit im Irak, da es immer wieder zu Kämpfen zwischen Schiiten und Sunniten komme. Er habe sich deswegen entschlossen, den Irak zu verlassen. Er habe dort Angst um sein Leben.

3. Am 07.06.2017 fand die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, statt. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er habe gemeinsam mit einem schiitischen Geschäftspartner in einem schiitischen Viertel von Bagdad ein Geschäft betrieben. Im Jahr 2013 seien drei schiitische Personen zum Beschwerdeführer in das Geschäft gekommen und hätten eine "Spende" bzw. die Leistung eines Geldbetrages für deren schiitische Moschee im Viertel verlangt. Der Beschwerdeführer habe nichts bezahlt, weshalb sie ihm auf den Kopf geschlagen hätten. Er sei dann in die Türkei ausgereist. Direkt am Wohnort in Bagdad, in einem sunnitischen Viertel, habe er aber keine Probleme gehabt. Er sei nur dieses eine Mal bedroht worden und etwa zwei Wochen danach ausgereist. In den zwei Wochen habe er sich im Haus seines Bruders versteckt. Der Polizei habe er nichts gemeldet, da diese zur Hälfte aus schiitischen Milizen bestehe. Wäre er in Bagdad geblieben, wäre er wahrscheinlich verhaftet oder getötet worden. Es käme ständig zu Willkür durch die Polizei oder das Militär. Er hätte weder innerhalb Bagdads noch innerhalb des Irak umziehen können. Von staatlicher Seite drohe ihm keine Verfolgung, unmenschliche Behandlung oder Todesstrafe.

Der Beschwerdeführer brachte anlässlich dieser Einvernahme eine Reihe von (teils im Original, teils in Kopie) Beweismitteln (darunter ein irakischer Personalausweis, ein irakischer Staatsbürgerschaftsnachweis, eine irakische Meldekarte des Vaters, eine irakische Versorgungskarte, zwei UNHCR Bestätigungen aus der Türkei sowie eine Bestätigung über die Teilnahme des Beschwerdeführers am Training "Grundlagen der Straßenverkehrsordnung für Radfahrer/Innen" der LPD XXXX) zur Vorlage.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 02.11.2017, dem Beschwerdeführer am 07.11.2017 durch Hinterlegung beim Zustellpostamt zugestellt, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 14.06.2015 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 und § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak (Spruchpunkt II.) abgewiesen, dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.), sowie gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG dem Beschwerdeführer eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nicht festgestellt habe werden können, dass der Beschwerdeführer im Irak der Gefahr einer individuellen, konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung ausgesetzt sei oder eine solche bei einer Rückkehr in den Irak zu befürchten hätte. Das Fluchtvorbringen sei äußerst vage und sei der Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen, ein konkretes individuelles Vorbringen zu erstatten. Sein Vorbringen erweise sich als nicht glaubwürdig. Es sei nicht nachvollziehbar, warum der Beschwerdeführer wegen eines einzigen Vorfalles ohne religiöse oder ethnische Hintergründe sein Land verlassen habe, zumal es seinerseits seinen eigenen Angaben nach zu keiner weiteren Bedrohung in welcher Form auch immer gekommen sei. Der geschilderte Sachverhalt sei jedenfalls nicht asylrelevant. Der Beschwerdeführer verfüge über familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsland und sei ein gesunder, arbeitsfähiger Mann mit Berufserfahrung. Eine Rückkehr sei zumutbar und möglich.

Das Bundesamt traf weiters Feststellungen zur Situation im Herkunftsland Irak.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seiner bevollmächtigten Rechtsvertretung vom 27.11.2017, beim Bundesamt per Fax am selben Tag einlangend, das Rechtsmittel der Beschwerde und beantragte, das Bundesverwaltungsgericht möge dem Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten, in eventu eines subsidiär Schutzberechtigten, zuerkennen; in eventu die Rückkehrentscheidung beheben und dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG erteilen; in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Bundesamt zurückverweisen sowie eine mündliche Verhandlung durchführen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Bundesamt entgegen der Rechtslage und Judikatur den Beschwerdeführer nicht näher befragt habe, obwohl dieser Hinweise zur Begründung seines Antrages auf internationalen Schutz gegeben habe. Das Bundesamt habe die allgemeine Situation im Irak insbesondere auch hinsichtlich der vom Beschwerdeführer erwähnten schiitischen Milizen nicht berücksichtigt und es weiters unterlassen, sich mit der Gefahr für den Beschwerdeführer aufgrund seines sunnitisch-konnotierten Vornamens zu beschäftigten. Der sunnitisch konnotierte Vorname des Beschwerdeführers könne im Irak große Probleme bereiten. Es sei gegenständlich unerheblich, ob dem Beschwerdeführer Verfolgung seitens staatlicher Akteure oder nicht-staatlicher Akteure drohe, da der Irak weder schutzfähig noch schutzwillig sei. Beim Beschwerdeführer liege eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der GFK vor. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung von Asyl lägen gegenständlich mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit vor.

6. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt vorgelegt und sind am 01.12.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.

7. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 07.05.2019 wurden dem Beschwerdeführer aktuelle Länderinformationen zum Irak, nämlich das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 09.04.2019 sowie eine BFA-Anfragebeantwortung vom 07.05.2018 zur Verfolgung aufgrund eines sunnitischen Namens, übermittelt und ihm eine Möglichkeit zur Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs unter ausdrücklichem Hinweis auf die Möglichkeit, ein aktuelles Vorbringen hinsichtlich seines Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK zu erstatten eingeräumt.

8. Mit am 16.05.2019 einlangender Dokumentenvorlage wurde seitens der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers eine Bestätigung über die Teilnahme des Beschwerdeführers an einem Werte- und Orientierungskurs am 26.06.2018 übermittelt.

Eine darüber hinausgehende Stellungnahme zu den übermittelten aktuellen Länderberichten oder dem aktuellen Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers langte bis dato nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger der Republik Irak, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und bekennt sich zum sunnitisch-moslemischen Glauben. Seine Muttersprache ist Arabisch (vgl Erstbefragung vom 14.06.2015, AS 5 ff; Angaben Beschwerdeführer, Niederschrift Bundesamt vom 07.06.2017, AS 37 ff; vorgelegter irakischer Personalausweis sowie irakischer Staatsbürgerschaftsnachweis AS 49 ff).

Der Beschwerdeführer reiste seinen Angaben nach im Mai 2013 legal von Erbil mit dem Flugzeug in die Türkei aus, wo er sich bis zum 15.05.2015 aufhielt. Dann reiste er schlepperunterstütz über Griechenland über ihm unbekannte weitere Länder bis nach Österreich, wo er am 14.06.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte (vgl Erstbefragung vom 14.06.2015, AS 9 ff; vorgelegte UNHCR-Bestätigung vom 15.05.2013 aus der Türkei).

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Zum Entscheidungszeitpunkt führt er auch keine Lebensgemeinschaft. Er ist gesund, bedarf keiner medizinischen Behandlung und ist arbeitsfähig. Er ist in Bagdad geboren und aufgewachsen und lebte dort auch bis zu seiner Ausreise 2013 in die Türkei im Elternhaus. Die Mutter des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. Der Beschwerdeführer hat fünf Brüder und drei Schwestern. Zwei Brüder des Beschwerdeführers leben nach wie vor in Bagdad, die restliche Familie, darunter auch der Vater, in Jordanien. Eine der Schwestern lebt mit ihrem Ehegatten, der zugleich ein Cousin des Beschwerdeführers ist, sowie mit ihren drei Kindern, als Asylberechtigte in Österreich. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer mit seiner in Österreich aufenthaltsberechtigten Schwester Kontakt hat oder zu ihr ein Abhängigkeitsverhältnis besteht. In Bagdad hat der Beschwerdeführer neun Jahre die Schule besucht, aber keinen Beruf gelernt. Er war mit einem Partner im eigenen Geschäft für Elektrogeräte selbstständig erwerbstätig (vgl Erstbefragung vom 14.06.2015, AS 9 f; Angaben Beschwerdeführer, Niederschrift Bundesamt vom 07.06.2017, AS 39 ff; Einsicht in das Aktenverwaltungssystem des Bundesverwaltungsgerichtes hinsichtlich der Schwester des Beschwerdeführers und ihrer Familie am 16.07.2019).

Der Beschwerdeführer weist im Bundesgebiet seit 20.08.2015 durchgehend Meldungen eines Hauptwohnsitzes im Bundesgebiet auf. Er absolviert im Bundesgebiet keine Ausbildung, ist weder ehrenamtlich noch in einem Verein tätig, war bisher auch nicht sozialversicherungspflichtig erwerbstätig und lebt von der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer hat bisher einen Deutschkurs Niveau Alpha 2 im Zeitraum 12.06.2017 bis 29.06.2017 besucht. Dass er eine Deutschsprachprüfung absolviert hätte oder über maßgebliche Deutsch-Kenntnisse verfügt, konnte hingegen nicht festgestellt werden. Am 26.06.2018 hat der Beschwerdeführer einen Werte- und Orientierungskurs des ÖIF und am 16.11.2015 an einem Training der Landespolizeidirektion zu "Grundlagen der Straßenverkehrsordnung für Radfahrer/Innen" teilgenommen (vgl Auszug aus dem Zentralen Melderegister, den Sozialversicherungsdaten und den Grundversorgungsdaten jeweils vom 23.04.2019; aktenkundige Seminarbestätigung des bfi vom 29.06.2017; Teilnahmebestätigung des ÖIF vom 26.06.2018; Bestätigung der LPD vom 16.11.2015, AS 57).

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten (vgl Strafregisterauszug vom 23.04.2019).

Der Beschwerdeführer hat maßgebliche private Bindungen im Bundesgebiet weder vorgebracht noch haben sich solche sonst ergeben. Insgesamt liegen keine Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht vor.

Weder der Beschwerdeführer noch seine Familienangehörigen im Irak hatten Probleme mit staatlichen Behörde, Gerichten oder der Polizei, es ist gegen ihn kein Gerichtsverfahren anhängig, er ist kein Mitglied einer Partei bzw. einer parteiähnlichen Organisation und hatte auch nicht aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit im Irak Probleme (vgl Angaben Beschwerdeführer, Niederschrift Bundesamt vom 07.06.2017, AS 37 ff).

Ein konkreter Anlass für ein (fluchtartiges) Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt ist oder, dass Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

Zur entscheidungsrelevanten Lage im Irak:

Zur allgemeinen Lage im Irak werden die vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten Länderberichte zur aktuellen Situation im Irak mit Stand 09.04.2019 und die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 07.05.2018 zur Verfolgung aufgrund eines sunnitischen Namens auch als entscheidungsrelevante Feststellungen zum endgültigen Gegenstand dieses Erkenntnisses erhoben.

Dazu ist bezogen auf den Beschwerdeführer festzuhalten:

1. ""KI vom 9.4.2019, Parlamentswahlen vom 30.12.2018 (relevant für Abschnitt 3. Sicherheitslage)

Die folgende Karte von liveuamap zeigt die Einteilung des Irak in offiziell von der irakischen Zentralregierung kontrollierte Gouvernements (in rosa), die autonome Region Kurdistan (KRG) (in gelb) und Gebiete unter der weitgehenden Kontrolle von Gruppen des Islamischen Staates (IS) (in grau). Die Symbole kennzeichnen dabei Orte und Arten von sicherheitsrelevanten Vorfällen, wie Luftschläge, Schusswechsel/-attentate, Sprengstoffanschläge/Explosionen, Granatbeschuss, uvm.

https://iraq.liveuamap.com/en/time/01.04.2019/ [Karte gelöscht, Anm.]

Seit Sommer 2018 ist die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Irak zurückgegangen. Im Dezember 2018 wurde ein Rekordtief an Sicherheitsvorfällen registriert (Joel Wing 2.1.2019). Anfang 2019 ist diese Zahl wieder leicht angestiegen, wobei die Monate Jänner und Februar in etwa die gleichen Zahlen an Angriffen und Opfern aufweisen (Joel Wing 4.3.2019). Für März 2019 wurde die niedrigste, je vom Irak-Experten Joel Wing registriere Zahl von Sicherheitsvorfällen verzeichnet (Joel Wing 3.4.2019).

Die folgende Grafik von Iraq Body Count (IBC) stellt die von IBC im Irak dokumentierten zivilen Todesopfer seit 2003 dar (pro Monat jeweils ein Balken). Seit Februar 2017 sind nur vorläufige Zahlen (in grau) verfügbar. (IBC 3.2019).

https://www. iraqbodycount.org/database/ [Karte gelöscht, Anm.]

Die folgende Tabelle des IBC gibt die Zahlen der Todesopfer an. Für Dezember 2018 sind 155 zivile Todesopfer im Irak ausgewiesen. Im Jänner 2019 wurden von IBC 323 und im Februar 2019 271 getötete Zivilisten im Irak dokumentiert (IBC 3.2019).

https://www.iraqbodvcount.org/database/ [Tabelle gelöscht, Anm.]

Der Islamische Staat (IS) ist im Irak weitestgehend auf Zellen von Aufständischen reduziert worden, die meist aus jenen Gebieten heraus operieren, die früher unter IS-Kontrolle standen, d.h., aus den Gouvernements Anbar, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salahaddin. Laut dem Institute for the Study of War (ISW) werden nur die Distrikte Shirqat und Tuz in Salahaddin, Makhmour in Erbil, Hawija und Daquq in Kirkuk, sowie Kifri und Khanaqin in Diyala als umkämpft angesehen (EASO 3.2019). Das ganze Jahr 2018 über führten IS-Kämpfer Streifzüge nach Anbar, Bagdad und Salahaddin durch, zogen sich dann aber im Winter aus diesen Gouvernements zurück. Die Anzahl der verzeichneten Übergriffe und zivilen Todesopfern sank daher im Vergleich zu den Vormonaten deutlich ab (Joel Wing 2.1.2019).

BAGDAD

Aufständische haben mittlerweile die meisten ihrer Ressourcen aus Bagdad abgezogen, einst das Hauptziel des Terrorismus (Joel Wing 4.3.2019). Im Dezember 2018 wurden 15 sicherheitsrelevante Vorfälle mit zehn Toten (Joel Wing 2.1.2019) verzeichnet, bzw. 17 Tote und drei Verwundete (UNAMI 3.1.2019). Im Jänner 2019 wurden zwölf sicherheitsrelevante Vorfälle mit 13 Toten erfasst (Joel Wing 4.2.2019), im Februar dagegen nur noch sieben Vorfälle mit sieben Toten (Joel Wing 4.3.2019) und im März vier Vorfälle mit fünf Toten und fünf verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Dabei handelte es sich meist um Schießereien/Schussattentate in den Vorstädten und Dörfern des Gouvernements (Joel Wing 4.3.2019).

Der IS behielt jedoch eine latente Präsenz nördlich von Bagdad und begann damit seine Unterstützungszone weiter auszubauen (ISW 7.3.2019). Er verfügt in Bagdad und den Bagdad Belts über mehrere aktive Zellen (EASO 3.2019). Der nördliche "Bagdad-Belt" dient dabei als Transferroute von Kämpfern zwischen den Gouvernements Anbar, Salahaddin und Diyala, während das sogenannte "Dreieck des Todes" im südlichen Bagdad-Belt IS-Gruppen in den Gouvernements Anbar, Bagdad und Babil verbindet. Irakische Sicherheitskräfte (ISF) haben seit Dezember 2018 mehrere IS-Kämpfer an Kontrollpunkten entlang der Autobahnen, die das Gouvernement Babil mit Bagdad verbindet, festgenommen und im Februar 2019 180 Personen mit Verbindungen zum IS verhaftet (ISW 7.3.2019).

AUTONOME REGION KURDISTAN (KRG)

In Nordkurdistan setzte die Türkei ihre Angriffe auf PKK-Stellungen fort. Zwei Treffer durch Luftschläge in Ninewa zogen letztlich einen Protest der irakischen Regierung nach sich. Die Türkei gab jedoch bekannt, ihre Aktionen fortführen zu wollen (Joel Wing 2.1.2019). Als Folge eines Luftangriffs, bei dem mutmaßlich einige Zivilisten ums Leben kamen, stürmte eine aufgebrachte Menge einen Posten der türkischen Armee nahe Dohuk, wobei eine Person ums Leben kam und zehn verletzt wurden (BBC 26.1.2019). Im Dezember 2018 wurden zwölf Luftschläge mit 31 Toten registriert (Joel Wing 2.1.2019), im Jänner 2019 elf mit 35 Toten (Joel Wing 4.2.2019) und im März zwei Vorfälle mit 32 Toten und 10 Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Zusammenstöße zwischen türkischen Soldaten und kurdischen Kämpfern hatten Todesopfer auf beiden Seiten zur Folge (Joel Wing 26.3.2019). Am 30.3.2019 bombardierte die türkische Luftwaffe erneut PKK-Stellungen im Qandil Gebirge (BAMF 1.4.2019).

Der IS rekrutiert in der kurdischen Autonomieregion (ISW 7.3.2019).

NORD- UND ZENTRALIRAK

In einem Bericht des UN-Sicherheitsrats vom 1.2.2019 heißt es, dass verbliebene IS-Kämpfer nach wie vor eine Bedrohung im Nord- und Zentralirak (Gouvernements Kirkuk, Ninewa und Salahaddin, sowie Anbar, Bagdad und Diyala) darstellen (UNSC 1.2.2019). Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salahaddin sind dabei das Herzstück der Umgruppierungsbemühungen des IS. Dort werden monatlich auch die meisten sicherheitsrelevanten Vorfälle verzeichnet. Der IS ist beinahe im gesamten ruralen Gebiet dieser Gouvernements aktiv, kann sich Berichten zufolge in einigen Städten nachts völlig frei bewegen und hebt Steuern ein (Joel Wing 3.4.2019). Die Lage in diesen umstrittenen Gebieten hat sich nach dem Abzug der kurdischen Peschmerga 2017 verschärft (Landinfo 8.1.2019). Die Konkurrenz zwischen der irakischen Zentralregierung und der kurdischen Autonomieregierung, erzeugt in diesen Gebieten zusätzliche Instabilität, die wiederum vom IS ausgenutzt werden kann (ISW 7.3.2019). Sowohl kurdische Streitkräfte als auch Mitglieder der vom Iran unterstützten Volksmobilisierungskräfte (PMF) üben weiterhin in unterschiedlichem Ausmaß Kontrolle und Einfluss aus, was die Zentralregierung in eine prekäre Lage versetzt, da sie sowohl mit zivilen Unruhen, als auch mit Versuchen einer Reorganisation des IS umgehen und gleichzeitig ihre Verbündeten unter Kontrolle halten muss (ACLED 2019).

Insbesondere ländliche Gebiete, das Hamrin-Gebirge, sowie das Diyala-Flussdelta dienen dem IS als Rückzugsorte, von wo bereits im Jahr 2018 ein Großteil der IS-Operationen im Irak ausgegangen sind (Landinfo 8.1.2019). Das Hamrin-Gebirge ermöglicht dabei den Nord-Süd Übergang zwischen den Gouvernements Ninewa und Diyala und bietet dem IS dauerhaften Schutz vor Luftangriffen und Bodenoffensiven (ISW 7.3.2019). Es gelang den irakischen Sicherheitskräften (ISF) bisher trotz umfangreicher Säuberungsaktionen nicht, den IS aus Hawija zu vertreiben (ISW 7.3.2019; vgl. Landinfo 8.1.2019). Zwischen 25. und 27. März wurde eine neuerliche koordinierte Luft- und Bodenoperation durch die Luftwaffe der Koalition und die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) gegen den IS im nordwestlichen Irak geführt (OIR 29.3.2019).

Der IS führt seine Operationen hauptsächlich südlich und westlich von Ninewas Hauptstadt Mossul durch (Joel Wing 4.2.2019). Er soll auch in der Stadt über Schläferzellen verfügen, und hat dort zuletzt im Februar 2019 eine Autobombe eingesetzt (ISW 7.3.2019). Seit einigen Wochen fordern IS-Angriffe insbesondere in Ninewa regelmäßig viele Opfer (Joel Wing 1.4.2019). So wurden in der Provinz im Dezember 2018 22 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 36 Toten und 37 Verwundeten registriert, wobei hier elf ältere Leichen eingerechnet wurden, die aus Trümmern der Altstadt von Mossul geborgen wurden. Mit den verbliebenen 25 im Dezember getöteten Personen und 37 Verwundeten verzeichnete die Provinz die meisten Gewaltopfer im Irak im Dezember (Joel Wing 2.1.2019). Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen für den Irak nennt für denselben Zeitraum hingegen sieben Tote und 19 Verwundete (UNAMI 3.1.2019). Im Jänner 2019 wurden neun Vorfälle mit 75 Toten und einer verwundeten Person, sowie zwei Massengräberfunde (ältere Gräber aus der Zeit der IS-Herrschaft) mit den Überresten von insgesamt 66 Leichen verzeichnet (Joel Wing 4.2.2019). Im Februar kam es erneut zu einem Anstieg der IS-Aktivitäten, mit 20 Vorfällen mit 147 Toten und 31 Verletzten, wobei wiederum die meisten der Toten auf Funde von Massengräbern älteren Datums zurückgehen (Joel Wing 4.3.2019). Im März wurden elf Vorfälle mit 109 Toten und 53 Verletzten registriert (Joel Wing 3.4.2019).

In Diyala kam es im Dezember 2018 zu 28 sicherheitsrelevanten Vorfällen, mit insgesamt 15 Toten und 16 Verwundeten, darunter drei Angriffe auf Kontrollpunkte (Joel Wing 2.1.2019), sowie Mörserbeschuss der Stadt Saraya (Joel Wing 10.12.2018). Im Jänner 2019 wurden 32 Vorfälle mit zehn Toten und 21 Verwundeten registriert (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 26 Vorfälle mit acht Toten und 16 Verwundeten (Joel Wing 4.3.2019) und im März 17 Vorfälle mit acht Toten und 18 Verletzten (Joel Wing 3.4.2019).

In Kirkuk wurden im Dezember 17 Vorfälle mit 204 Toten und 16 Verwundeten registriert, wobei 200 Leichenfunde aus einem Massengrab im Distrikt Hawija im Süden Kirkuks miteingerechnet wurden (Joel Wing 2.1.2019). Im Jänner 2019 wurden 28 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 13 Toten und 31 Verwundeten registriert (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 17 Vorfälle mit 17 Toten und 7 Verwundeten (Joel Wing 4.3.2019) und im März 15 Vorfälle mit sieben Toten und sechs Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Die Stämme von Diyala kündigten um Jänner 2019 eine Mobilmachung gegen den IS an, um die Sicherheitskräfte in ihrem Kampf zu unterstützen (Diyaruna 21.1.2019).

In Salahaddin wurden im Dezember acht Vorfälle mit drei Toten und zwei, bzw. drei Verletzten registriert (Joel Wing 2.1.2019; vgl. UNAMI 3.1.2019), im Jänner 2019 14 Vorfälle mit 17 Toten und 36 Verwundeten (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 18 Vorfälle mit 25 Toten und 48 Verwundeten (Joel Wing 4.3.2019) und im März acht Vorfälle mit acht Toten und 14 Verletzten (Joel Wing 3.4.2019).

In Anbar, ist es dem IS wieder gelungen eine Unterstützungszone in der Nähe von Amariyat al- Fallujah einzurichten, von der aus seit August 2018 Angriffe in Fallujah erfolgen (ISW 7.3.2019). Im Dezember 2018 wurden in Anbar acht Vorfälle mit acht Toten und 13 Verwundeten registriert (Joel Wing 2.1.2019), im Jänner 2019 16 Vorfälle mit elf Toten und 35 Verwundeten (Joel Wing 4.2.2019), im Februar 28 Vorfälle mit 46 Toten und 26 Verletzten und im März fünf Vorfälle mit acht Toten und fünf Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Der starke Anstieg im Februar wird auf das Einsickern fliehender IS-Kämpfer aus dem benachbarten Syrien zurückgeführt (Joel Wing 4.3.2019).

SÜDIRAK

Am 21.12.2018 setzte die Polizei scharfe Munition und Tränengas ein, um Demonstranten im südirakischen Basra an der Erstürmung eines Regierungsgebäudes zu hindern. Die zweitgrößte Stadt des Landes erlebt seit Juli 2018 ausgedehnte Proteste gegen Korruption, Misswirtschaft, die schlechte Grundversorgung und Arbeitslosigkeit (Guardian 18.7.2018; vgl. Reuters 21.12.2019). Auch 2019 kommt es weiterhin zu häufigen Protesten (Jane's 5.2.2019).

In Qadisiya wurde im Dezember 2018 ein sicherheitsrelevanter Vorfall mit einer verwundeten Person registriert. In Babil waren es im Dezember 2018 zwei Vorfälle mit sechs Verletzten (Joel Wing 2.1.2019), im Jänner 2019 drei Vorfälle mit sechs Verletzten (Joel Wing 4.2.2019) und im Februar zwei Vorfälle mit zwei Verletzten (Joel Wing 4.3.2019). Im März wurde in Babil ein Vorfall registriert, bei dem zwei Personen getötet wurden (Joel Wing 3.4.2019). In Basra wurden bei einem Zusammenstoß zweier Stämme am 11.3.2019 mindestens drei Menschen getötet und sieben weitere verwundet (Kurdistan 24 12.3.2019).

Quellen:

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ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2019),

Behind Frenemy Lines: Uneasy Alliances against IS in Iraq, https://www.acleddata.com/2019/03/01/behind-frenemy-lines-uneasy-alliances-against-is-in-iraq/, Zugriff 12.3.2019

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BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (1.4.2019): Briefing Notes 1 April 2019, per E-Mail

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BBC News (29.1.2019): Kurdish protesters storm Turkish military camp in Iraq, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-47015699, Zugriff 13.3.2019

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Diyaruna (21.1.2019): Diyala tribes mobilise to rout ISIS remnants,

http://diyaruna.com/en_GB/articles/cnmi_di/features/2019/01/28/feature-02, Zugriff 14.3.2019

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EASO - European Asylum Support Office (3.2019): Iraq; Security situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2004116/Iraq security situation.pdf, 13.3.2019

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IBC - Iraq Bodycount (3.2019): Monthly civilian deaths from violence, 2003 onwards, https://www.iraqbodycount.org/database/, Zugriff 12.3.2019

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ISW - Institute for the Study of War (7.3.2019): ISIS Re-Establishes Historical Sanctuary in Iraq, https://iswresearch.blogspot.com/2019/03/isis-re-establishes-historic-sanctuary.html, Zugriff 12.3.2019

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Jane's 360 (5.2.2019): Protests in Iraq's Basra likely throughout 2019, but security force presence mitigates disruption risk to oil sites,

https://www.janes.com/article/86167/protests-in-iraq-s-basra-likely-throughout-2019-but-security-force-presence-mitigates-disruption-risk-to-oil-sites, Zugriff 13.3.2019

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Joel Wing, Musings on Iraq (10.12.2018): Security In Iraq Dec 1-7, 2018,

https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/12/security-in-iraq-dec-1-7-2018.html, Zugriff 4.4.2019

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Joel Wing, Musings on Iraq (2.1.2019): Islamic State Went Into Hibernation In Winter 2018,

https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/01/islamic-state-went-into-hibernation-in.html, Zugriff 12.3.2019

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1 Politische Lage

Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert (KAS 2.5.2018). Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat (AA 12.2.2018), der aus 18 Provinzen (muhafazät) besteht (Fanack 27.9.2018). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (RoI 15.10.2005). Die Autonome Region ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte (Fanack 27.9.2018).

An der Spitze der Exekutive steht der irakische Präsident, der auch das Staatsoberhaupt ist. Der Präsident wird mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (majlis al-nuwwab, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat), für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt und genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt. Zusammen bilden sie den Präsidialrat (Fanack 27.9.2018).

Teil der Exekutive ist auch der Ministerrat, der sich aus dem Premierminister und anderen Ministern der jeweiligen Bundesregierung zusammensetzt (Fanack 27.9.2018; vgl. RoI 15.10.2005). Der Premierminister wird vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt (RoI 15.10.2005).

Am 2.10.2018 wählte das neu zusammengetretene irakische Parlament den moderaten kurdischen Politiker Barham Salih zum Präsidenten des Irak (DW 2.10.2018). Dieser wiederum ernannte den schiitischen Politik-Veteranen Adel Abd al-Mahdi zum Premierminister und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung (BBC 3.10.2018). Abd al-Mahdi ist seit 2005 der erste Premier, der nicht die Linie der schiitischen Da'wa-Partei vertritt, die seit dem Ende des Krieges eine zentrale Rolle in der Geschichte Landes übernommen hat. Er unterhält gute Beziehungen zu den USA. Der Iran hat sich seiner Ernennung nicht entgegengestellt (Guardian 3.10.2018).

Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik (Fanack 27.9.2018). Im Gegensatz zum Präsidenten, dessen Rolle weitgehend zeremoniell ist, liegt beim Premierminister damit die eigentliche Exekutivgewalt (Guardian 3.10.2018).

Die gesetzgebende Gewalt, die Legislative, wird vom irakischen Repräsentantenrat (Parlament) ausgeübt (Fanack 27.9.2018). Er besteht aus 329 Abgeordneten (CIA 17.10.2018; vgl. IRIS 11.5.2018).

Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich (Standard 3.10.2018). So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnite, der Premierminister ist ein Schiite und der Präsident der Republik ein Kurde (Al Jazeera 15.9.2018).

In weiten Teilen der irakischen Bevölkerung herrscht erhebliche Desillusion gegenüber der politischen Führung (LSE 7.2018; vgl. IRIS 11.5.2018). Politikverdrossenheit ist weit verbreitet (Standard 13.5.2018). Dies hat sich auch in der niedrigen Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen im Mai 2018 gezeigt (WZ 12.5.2018). Der Konfessionalismus und die sogennante "Muhassasa", das komplizierte Proporzsystem, nach dem bisher Macht und Geld unter den Religionsgruppen, Ethnien und wichtigsten Stämmen im Irak verteilt wurden, gelten als Grund für Bereicherung, überbordende Korruption und einen Staat, der seinen Bürgern kaum Dienstleistungen wie Strom- und Wasserversorgung, ein Gesundheitswesen oder ein Bildungssystem bereitstellt (TA 12.5.2018).

Viele sunnitische Iraker stehen der schiitischen Dominanz im politischen System kritisch gegenüber. Die Machtverteilungsarrangements zwischen Sunniten und Schiiten sowie Kurden festigen den Einfluss ethnisch-religiöser Identitäten und verhindern die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt (AA 12.2.2018).

Die Zeit des Wahlkampfs im Frühjahr 2018 war nichtsdestotrotz von einem Moment des verhaltenen Optimismus gekennzeichnet, nach dem Sieg über den sogenannten Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (ICG 9.5.2018). Am 9.12.2017 hatte Haider al-Abadi, der damalige irakische Premierminister, das Ende des Krieges gegen den IS ausgerufen (BBC 9.12.2017). Irakische Sicherheitskräfte hatten zuvor die letzten IS-Hochburgen in den Provinzen Anbar, Salah al-Din und Ninewa unter ihre Kontrolle gebracht. (UNSC 17.1.2018).

Quellen:

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Zugriff 12.10.2018

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Al Jazeera (15.9.2018): Deadlock broken as Iraqi parliament elects speaker,

https://www.aljazeera.com/news/2018/09/deadlock-broken-iraqi-parliament-elects-speaker- 180915115434675.html, Zugriff 19.10.2018

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BBC - British Broadcasting Corporation (9.12.2017): Iraq declares war with Islamic State is over, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-42291985. Zugriff 18.10.2018

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BBC - British Broadcasting Corporation (3.10.2018): New Iraq President Barham Saleh names Adel Abdul Mahdi as PM, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-45722528. Zugriff 18.10.2018

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CIA - Central Intelligence Agency (17.10.2018): The World Factbook

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Fanack (27.9.2018): Governance & Politics of Iraq, https://fanack.com/iraq/governance-and- politics-of-iraq/. Zugriff 17.10.2018

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The Guardian (3.10.2018): Iraqi president names Adel Abdul-Mahdi as next prime minister,

https://www.theguardian.com/world/2018/oct/03/iraqi-president-names-adel-abdul-mahdi-as-next-prime-minister, Zugriff 18.10.2018

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Zugriff 18.10.2018

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LSE - London School of Economics and Political Science (7.2018):

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Reuters (15.9.2018): Iraq parliament elects Sunni lawmaker al-Halbousi as speaker, breaking deadlock, https://www.reuters.com/article/us-iraq-politics/iraq-parliament-elects-sunni-lawmaker-al-halbousi-as-speaker-breaking-deadlock-idUSKCN1LV0BH.

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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