TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/30 G308 2217837-2

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Veröffentlicht am 30.07.2019
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Entscheidungsdatum

30.07.2019

Norm

BFA-VG §22a
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76

Spruch

G308 2217837-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin über die Einzelrichterin im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl Zl. XXXX, über die weitere Anhaltung von XXXX, alias XXXX, alias XXXX, geb. XXXX, StA.:

Afghanistan, über die weitere Anhaltung in Schubhaft, zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem oben im Spruch angeführten Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde), Regionaldirektion Steiermark, vom 03.04.2019, vom Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) persönlich übernommen am 03.04.2019 um 19:50 Uhr, wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm. § 57 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme angeordnet.

2. Mit dem am 23.04.2019 beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) eingebrachten und mit demselben Tag datierten Schriftsatz erhob der BF durch seine bevollmächtigte Rechtsvertretung Beschwerde gegen den im Spruch angeführten Schubhaftbescheid.

3. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden von der belangten Behörde dem BVwG am 24.04.2019 vorgelegt.

4. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 30.04.2019 in der Außenstelle Graz eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der BF nach polizeilicher Vorführung aus dem Anhaltezentrum (AHZ) XXXX, seine bevollmächtigte Rechtsvertreterin, ein Vertreter der belangten Behörde und ein Dolmetscher für die Sprache Paschtu teilnahmen.

Nach Schluss der Verhandlung wurde das Erkenntnis mündlich verkündet, die Beschwerde abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen. Die Rechtsvertreterin des BF stellte sogleich einen Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses.

5. Mit Schreiben vom 23.07.2019 legte das BFA den Verwaltungsakt zur Prüfung der Verlängerung der Schubhaft gemäß § 76 Abs 2 Z1 FPG viVM § 22A Abs 4 BFA-VG dem BVwG vor, wo er am 26.07.2019 eingelangt ist und der G308 zugeteilt wurde.

Im Begleitschreiben wurde begründend Wiedergabe des Verfahrensgangs und Sachverhalts dargelegt, dass die freiwillige Rückkehr aufgrund der Ausreiseunwilligkeit des BF am 25.04.2019 abgebrochen wurde.

Am 18.07.2019 fand vor dem BVwG eine Verhandlung zum Asylverfahren statt (zur Zahl W 246 1421635-2/28Z) und wurde eine dreiwöchige Frist zur Stellungnahme bezüglich der Länderberichte eingeräumt.

Die weiteren Schritte der Behörde sind Abwarten der Entscheidung im Asylverfahren, danach das HRZ verfahren starten, und Abschiebung in das Herkunftsland.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger von Afghanistan. Identitätsdokumente wurden nicht vorgelegt. Der BF verfügt über kein gültiges Reisedokument.

1.2. Der BF reiste rechtswidrig nach Österreich ein und stellte am 16.04.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 15.09.2016 abgewiesen. Dagegen erhob der BF das Rechtsmittel der Beschwerde. Einer von BVwG anberaumten Verhandlung blieb der BF trotz Kenntnis des Verhandlungstermines unentschuldigt fern, und verfügte seit 17.08.2015 über keine Meldung an einer Wohnadresse. Die letzte amtliche Anmeldung endete mit 24.11.2017, und stellte diese eine Anmeldung in einem Polizeianhaltezentrum dar. Der BF war für die Behörden ab diesem Zeitpunkt nicht mehr greifbar. Das Asylverfahren musste deshalb bereits 4 Mal eingestellt werden. Das Beschwerdeverfahren wurde vom BVwG in weiterer Folge ebenfalls eingestellt, und über Antrag des BF als auch der belangten Behörde mit Beschluss des BVwG vom 15.04.2019 fortgesetzt (GZ: W246 1421635-2/19Z).

1.3. Der BF reiste im Jahr 2018 nach Frankreich, wo er sich ungefähr 8 Monate aufhielt, und weiter nach Deutschland wo er sich ungefähr 3 Monate aufhielt. In Deutschland stellte der BF am 02.01.2019 unter Angabe eines anderen Namen ("XXXX") einen weiteren Asylantrag. Schließlich wurde der BF am 03.04.2019 in XXXX festgenommen, und wird seit XXXX.04.2019, XXXX Uhr, auf Grund des verfahrensgegenständlichen Bescheides in Schubhaft (dzt. PAZ XXXX) angehalten.

1.4. Im Zeitraum von 2013 bis 2016 wurde der BF vom Landesgericht für Strafsachen XXXX 4 Mal rechtskräftig verurteilt. Zwei Mal wegen des Verbrechens des Raubes, der schweren Sachbeschädigung, Körperverletzung, schwerer Hausfriedensbruch, Vergehen nach dem Waffengesetz, und gefährlicher Drohung. Der BF finanziert seinen Lebensunterhalt durch Zuwendungen von der Cariats und durch den Verkauf von Canabis.

1.5. Es konnten keine Anhaltspunkte für eine nennenswerte soziale und gesellschaftliche Integration des BF festgestellt werden. Es konnte insbesondere nicht festgestellt werden, dass der BF mit einer anderen Person in einer aufrechten Beziehung lebt. Der BF verfügt über keine familiären, beruflichen oder sonstigen nennenswerten tiefergehenden sozialen Bindungen in Österreich, und über keine ausreichenden Existenzmittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes. Zuletzt war der BF in der Nähe des Bahnhofes in XXXX bei einem Freund aufhältig.

1.6. Der BF stellte am 15.04.2019 einen Antrag auf freiwillige Rückkehr und Rückkehrhilfe in seinen Herkunftsstaat. Dieser Antrag wurde vom BF am 25.04.2019 widerrufen.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt den vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht in der mündlichen Verhandlung und auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

2.1. Die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und die angeführte Staatsangehörigkeit beruhen auf den von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen seitens des BF weder in seiner Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung entgegengetreten wurde.

2.2. Die Feststellungen hinsichtlich der Einreise und des Aufenthaltes des BF sowie zu den ihn betreffenden asyl- und fremdenrechtlichen Entscheidungen beruhen auf einer Abfrage des Zentralen Fremdenregisters und auf den Feststellungen des Bescheides der belangten Behörde, denen seitens des BF nicht entgegengetreten wurde.

2.3. Die Feststellung, dass der BF über kein gültiges Reisedokument verfügt, erschließt sich aus dem vorliegenden Akt.

2.4. Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Vormerkungen gründen sich auf einem aktuellen Auszug aus dem Strafregister. Die Feststellung zum Umstand, dass der BF sich seinen Lebensunterhalt unter anderem durch den Verkauf von Drogen finanziert, gründen sich auf seine Angaben im Zuge einer niederschriftlichen Einvernahme am 03.04.2019 durch die belangte Behörde.

2.5. Die Feststellungen zu den Wohnsitzmeldungen des BF gründen sich auf einen aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

2.6. Der BF hat familiäre Bezugspunkte in Österreich weder behauptet noch belegt und basiert die entsprechende Feststellung auf den unbestritten gebliebenen Feststellungen im verfahrensgegenständlichen Bescheid.

2.7. Feststellungen hinsichtlich fehlender beruflicher Bindungen an Österreich bzw. ausreichender Existenzmittel gründen sich auf entsprechende, unbestritten gebliebene Feststellungen im angefochtenen Bescheid und auf das Vorbringen des BF in der mündlichen Verhandlung.

2.8. Auf Grund des bisherigen Gesamtverhaltens tritt das erkennende Gericht im Ergebnis der Beurteilung der belangten Behörde bei, dass sich der BF bislang als nicht vertrauenswürdig erwiesen hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit:

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Das BVwG ist nach § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

3.2. Zu Spruchpunkt A.I.:

3.2.1. Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG),

lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist oder wenn die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-VO vorliegen (§ 76 Abs. 2 FPG). Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647). Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG).

Der aktuelle Sicherungsbedarf muss in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann (vgl. zum Grad der sozialen Verankerung in Österreich VwGH 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498).

Die Anhaltung eines Asylwerbers in Schubhaft kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn besondere Umstände vorliegen, die im jeweiligen Asylverfahrensstadium ein Untertauchen des betreffenden Fremden befürchten lassen (vgl. VwGH 05.07.2011, Zl. 2008/21/0080 mwN). Dabei bedarf es in dem frühen Verfahrensstadium (etwa vor Einleitung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) besonderer Umstände, die ein Untertauchen des betreffenden Fremden schon zu diesem Zeitpunkt konkret befürchten lassen. In einem späteren Stadium des Asylverfahrens, insbesondere nach Vorliegen einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung oder Anordnung zur Außerlandesbringung, können dann unter Umständen auch weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung für die Annahme eines Sicherungsbedarfs genügen (vgl. VwGH 23.09.2010, Zl. 2007/21/0432 mwN).

3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Die beschwerdeführende Partei hat sich durch ihr bisheriges persönliches Gesamtverhalten als nicht vertrauenswürdig erwiesen. Der BF verfügt seit 24.11.2017 über keinen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet, wobei dies die Meldung in einem Polizeianhaltezentrum darstellt. Die letzte Meldung an einer Wohnadresse endete am 17.08.2015. Das laufende Asylverfahren musste bereits 4 Mal eingestellt werden, weil der BF weder für die Behörde noch das Gericht greifbar war. Termine zur Einvernahme bzw. Ladungen wurde vom BF mehrfach unentschuldigt nicht wahrgenommen. Der BF reiste nach Frankreich und auch nach Deutschland, stellte in Deutschland unter Angabe weiterer Aliasdaten im Jänner 2019 einen Asylantrag, obwohl er vom Verfahren in Österreich in Kenntnis war. Dieses Verhalten zeigt die hohe Mobilität des BF und liegt daher im Lichte der obigen Ausführungen eine erhebliche Fluchtgefahr beim BF vor. Der BF verfügt überdies in Österreich weder über berücksichtigungswürdige familiäre oder sonstige berücksichtigungswürdige private Bindungen, und über keine ausreichenden Existenzmittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes.

Der BF ist auch massiv strafrechtlich negativ in Erscheinung getreten. Die zweifache Verurteilung wegen des Verbrechens des Raubes, der qualifizierten Form des schweren Hausfriedensbruches, der Körperverletzung, der gefährlichen Drohung, des Besitzes von verbotenen Waffen, als auch der schweren Sachbeschädigung, zeigt von der hohen Gewaltbereitschaft des BF. Wenngleich sich seit der Haftentlassung des BF aus der Strafhaft bzw. der anschließend vollzogenen polizeilichen Verwaltungsstrafhaft am 23.11.2017, keine strafrechtliche Vormerkung mehr findet, gab der BF im Zuge seiner Einvernahme am 03.04.2019 an, seinen Lebensunterhalt nunmehr auch durch den Drogenhandel (Verkauf von Cannabis) zu finanzieren, was durch das Abtauchen des BF und dem damit verbundenen Wegfall der Grundversorgung, durchaus nachvollziehbar ist. Im Ergebnis stellt der BF durch sein bislang gezeigtes Gesamtverhalten eine tatsächliche und gegenwärtige erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, stellt doch der Schutz von Leib und Leben ein massives Grundinteresse der Gesellschaft dar.

Es kann daher der belangten Behörde unter Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens des BF nicht vorgeworfen werden, wenn sie bei ihrer Entscheidung zur Anordnung der Schubhaft und dem dafür erforderlichen Sicherungsbedarf davon ausging, dass sich der BF durch Untertauchen dem Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme entziehen könnte. Dem verfahrensgegenständlichen Sicherungszweck steht auch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG entgegen.

Eine Gesamtabwägung aller angeführten Umstände ergibt daher, dass das öffentliche Interesse an der Sicherung des Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme das Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit überwogen und ein konkretes Sicherungsbedürfnis bestanden hat. Auch erweist sich die bisherige Anhaltung in Schubhaft bei Abwägung aller betroffenen Interessen als verhältnismäßig.

3.3. Vorliegen der maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft:

Den oben unter Punkt 3.2. dargelegten Erwägungen zum Vorliegen eines konkreten Sicherungsbedarfs und zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft kommt auch zum Zeitpunkt dieser Entscheidung unverändert Geltung zu.

Aus den oben dargelegten Umständen und insbesondere auch unter Berücksichtigung der fehlenden sozialen Bindungen in Österreich ist aktuell von einer erheblichen Fluchtgefahr auszugehen, zumal besondere Umstände vorliegen, die ein Untertauchen des BF befürchten lassen. Letztlich konnte der BF auch nicht glaubhaft machen, dass er sich in einer festen, emotional tiefgreifenden Beziehung mit einer in Österreich lebenden Person befindet.

Die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG erweist sich im Hinblick auf den verfahrensgegenständlichen Sicherungszweck als nicht geeignet.

Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeenden Maßnahme einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt somit, dass das erwähnte öffentliche Interesse überwiegt, weil ohne Anordnung der Schubhaft das Verfahren wahrscheinlich vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde.

Dass besondere, in der Person des BF gelegene Umstände vorliegen, die der Schubhaft entgegenstehen würden, ist weder dem Vorbringen in der Beschwerde noch den Ermittlungsergebnissen in der mündlichen Verhandlung zu entnehmen.

Die fortgesetzte Anhaltung in Schubhaft erweist sich daher zum Zweck der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme als notwendig und verhältnismäßig. Die Anhaltung in Schubhaft kann somit derzeit auch aus diesem Gesichtspunkt, aber auch unter Berücksichtigung der gesetzlich festgelegten Höchstdauer der Anhaltung in Schubhaft, fortgesetzt werden.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

4. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der einschlägigen Erkenntnisse des VwGH vom 19.02.2015, Zl. Ro 2013/21/0075, vom 23.04.2015, Zl. Ro 2014/21/0077, und vom 19.05.2015, Zl. Ro 2014/21/0071, sowie auch der die Schubhaft betreffenden Erkenntnisse des VfGH vom 12.03.2015, G 151/2014 ua., und E 4/2014.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Interessenabwägung, öffentliche Interessen, Schubhaft,
Sicherungsbedarf, Verhältnismäßigkeit, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G308.2217837.2.00

Zuletzt aktualisiert am

24.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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