TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/2 W196 2199048-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.08.2019
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Entscheidungsdatum

02.08.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W196 2199048-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, Diakonie und Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.05.2018, Zl. 1133994901/161492483 EAST Ost, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit aus XXXX gelangte -als damals Minderjährige- in das österreichische Bundesgebiet und brachte am 03.11.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Im Rahmen der Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 03.11.2016 gab Beschwerdeführerin an, sie habe die Russische Föderation verlassen, weil sie dort seit ca. einem halben Jahr von einem unbekannten Mann verfolgt werde, um sie zu einer Ehe zu zwingen. Im Fall der Rückkehr befürchte sie, dass sie selbst als auch ihre Familie bedroht würde und den unbekannten Mann heiraten müsse. Sie legte Kopien ihrer russischen Reisepässe sowie ihrer Geburtsurkunde vor.

Im Rahmen der ärztlichen Begutachtung im Zulassungsverfahren am 26.02.2018 wiederholte sie, ihre Heimat wegen einer geplanten Zwangsverheiratung verlassen zu haben, und brachte vor, studieren zu wollen. Sie habe in Tschetschenien neun Jahre lang die Schule besucht und danach Kosmetikerin gelernt. Im Herkunftsstaat lebten noch die Mutter und zwei erwachsene Brüder. Der Vater sei bereits verstorben. In Österreich wohne sie derzeit in einem Studentenheim. Ihre erwachsene Schwester und deren Familie seien seit sieben Jahren in Österreich. Eine krankheitswertige gesundheitliche Beeinträchtigung der Beschwerdeführerin wurde nicht festgestellt.

Am 08.05.2018 wurde die Beschwerdeführerin im Rahmen einer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) niederschriftlich befragt, wobei sie wiederholte, ihren Herkunftsstaat wegen einer ihr drohenden Zwangsverheiratung mit einem fremden Mann verlassen zu haben. Dieser Mann habe sie auf einer Geburtstagsparty einer Kollegin aus dem Kosmetikstudio in einem Restaurant angestarrt sowie einmal beim Besuch des Kosmetikkurses angesprochen und ihr gedroht, dass er sie jedenfalls finden werde. Er habe sie dann ein halbes Jahr hindurch immer nachmittags oder abends angerufen. Der Mann habe auch beim Kurs mit dem Auto auf sie gewartet und ihr gesagt, dass er sie heiraten wolle, und ihr mit Vergewaltigung gedroht, falls sie ablehne. Dies wäre eine Schande für ihre Familie und ihre Brüder würden sie töten, falls sie den Mann nicht heiraten würde. Sie habe seit langem ein schlechtes Verhältnis zu einem Bruder, weil sie sich weigere, ein Kopftuch zu tragen, und sich schminke. Ihre Mutter habe ihr die Verfolgung geglaubt und alle Papiere für die Ausreise der Beschwerdeführerin vorbereitet. Sie habe keine Anzeige erstattet, weil dies nicht möglich sei. Die Beschwerdeführerin besuche in Österreich ein College und spiele ziemlich gut Tennis. Sie besuche auch ein Fitnesscenter. Sie wolle Opernsängerin werden und singe bei verschiedenen Veranstaltungen. Sie könne auch als Kosmetikerin arbeiten. Mit ihrer in Österreich aufenthaltsberechtigten Schwester lebe sie nicht im gemeinsamen Haushalt. Im Fall der Rückkehr befürchte sie, von ihren Brüdern getötet zu werden, weil diese vermuten würden, dass sie etwas Schlechtes getan habe. Außerdem habe sie Angst, von diesem Mann verfolgt zu werden. Neben mehreren Integrationsunterlagen legte die Beschwerdeführerin einen schweizerischen Zeitungsartikel zur Situation der Frauen in Tschetschenien vor.

Mit Bescheid vom 15.05.2018 wies das Bundesamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz vom 03.11.2016 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 sowie der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 AsylG 2005 ab, erteilte einen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht und erließ gemäß § 10 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführerin, stellte fest, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei und setzte die Frist für ihre freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

Begründend wurde zur Asylfrage darin ausgeführt, dass ihr - nicht als glaubhaft erachtetes - Vorbringen zu ihren Ausreisegründen (drohende Zwangsverheiratung, Beschimpfung durch ihre Brüder wegen ihres Auftretens ohne Kopftuch) keine asylrelevante Verfolgung darstelle und sie eine konkrete gegen ihre Person gerichtete Verfolgung durch die russischen Behörden, von deren Schutzfähigkeit bzw. Schutzwilligkeit auszugehen sei, nicht behauptet habe. Zudem bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative in einem anderen Landesteil ihres Heimatlandes.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihren Vertreter mit Schriftsatz vom 15.06.2018 vollinhaltlich Beschwerde und führte im Wesentlichen nach Wiederholung ihrer Ausreisegründe, nämlich die ihr drohende Zwangsehe und Probleme mit ihren Brüdern wegen ihres Auftretens (geschminkt und ohne Kopftuch) aus, dass ihre Brüder davon ausgingen, dass sie mit ihrer Weigerung zur Eheschließung einen außerehelichen Geschlechtsverkehr habe verheimlichen wollen. Nach den Länderfeststellungen sei die Situation von Frauen insbesondere in Tschetschenien mehr als bedenklich und würden diese mit einer ACCORD-Anfragebeantwortung übereinstimmen, wonach Frauen kaum die Möglichkeiten hätten, sich einer Zwangsehe zu entziehen. Gegen häusliche Gewalt gegen Frauen würden in Russland bzw. Tschetschenien keine effektiven Rechtsschutzmöglichkeiten bzw. Schutz- und Zufluchtsmöglichkeiten existieren. Die Behörde habe diese Berichte unberücksichtigt gelassen. Zudem sei die Beweiswürdigung unschlüssig und entbehre konkreter Begründungen. Die mangelnde Schutzfähigkeit russischer Behörden insbesondere in Tschetschenien ergebe sich auch aus den Länderfeststellungen. Die Beschwerdeführerin habe keine Möglichkeit, sich dem Schutz der Polizei zu unterstellen. Zur rechtlichen Beurteilung wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin als Angehörige der sozialen Gruppe der Frauen in Tschetschenien zu betrachten sei, welche immer wieder von Zwangsheirat, Vergewaltigung und häuslicher Gewalt betroffen sei, und wogegen von den Behörden kein Schutz gewährt werde. Nach der Judikatur des VwGH sei die Geschlechtszugehörigkeit vom Begriff der sozialen Gruppe jedenfalls umfasst und auch das BVwG habe ua. zu Zl. W226 2147603-1/14E vom 12.12.2017 erkannt, dass es für Frauen in Tschetschenien kaum Zugang zu staatlichen Schutzmöglichkeiten gebe. Der Beschwerdeführerin wäre demnach Asyl zuzuerkennen gewesen.

Am 14.05.2019 fand zur Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, bei welcher die Beschwerdeführerin in Anwesenheit ihrer Rechtsvertretung und einer Dolmetscherin auf Deutsch befragt wurde. Sie wiederholte dabei im Wesentlichen ihre bereits vor dem Bundesamt gemachten Angaben zu ihren Fluchtgründen. Der fremde Mann habe seine Mutter und seine Tante zu seiner Mutter und ihren Brüdern geschickt, um die Heirat mit der Beschwerdeführerin zu arrangieren, und ihre Brüder hätten vermutlich zugestimmt. Weiters brachte sie vor, dass ihre Brüder sie töten würden, wenn sie herausfänden, dass sie hier ohne Kopftuch und ohne ihre Schwester lebe. Ihre Brüder hätten sie in Tschetschenien oft geschlagen und sie sei immer gezwungen gewesen, ein Kopftuch zu tragen. Sie habe Sängerin werden wollen, sie hätten es ihr jedoch nicht erlaubt. Im Fall der Rückkehr könne sie keine Anzeige bei der Polizei erstatten. Es sei normal, geschlagen zu werden, wenn man kein Kopftuch trage und eine Zwangsheirat sei dort in Ordnung. Sie habe in Österreich bereits eine Beziehung mit einem Tschetschenen gehabt. Diese Beziehung sei jedoch wegen dem Umstand, dass sie hier alleine lebe, von ihrem Freund beendet worden, weil seine Familie dies nicht gutgeheißen habe. Im Fall der Rückkehr würde ihre Familie sie in Moskau finden können, weil die Tschetschenen dort einander kennen würden. Auch könne sie den Namen in ihrem Pass nicht ändern, er sei eindeutig tschetschenisch. Die Beschwerdeführerin brachte ferner vor, in Tschetschenien auch als Konditorin gearbeitet zu haben, Erfahrung als Kosmetikerin gesammelt zu haben und als Nagelpflegerin tätig gewesen zu sein. Sie treibe Sport und besuche ein Fitnesscenter, spiele mit Freunden Volleyball und fahre in der Freizeit mit dem Rad. Sie liebe es zu singen und habe schon ein paar Mal auf Veranstaltungen gesungen. Sie besuche Deutsch-, Englischsowie Mathematikkurse und leihe Bücher aus. Sie wolle gerne Opernsängerin werden sowie die Matura und eine Ausbildung machen. Ihre Mutter habe sich gewünscht, dass die Beschwerdeführerin Designerin werde und ihr eine Nähmaschine gekauft, auf welcher sie zu Hause immer genäht habe.

In der Stellungnahme vom 15.07.2019 brachte die Vertreterin der Beschwerdeführerin zusammengefasst vor, dass diese eine westlich orientierte und selbstbestimmte junge Frau sei, die bereits in Tschetschenien versucht habe, frei und selbstbestimmt zu leben. Doch ihre beiden älteren Brüder hätten dies nicht akzeptiert und versucht, sie mit Schlägen zur Einhaltung der tschetschenischen Bräuche zu zwingen. Schließlich hätten sie sie zwangsverheiraten wollen. In Österreich lebe die Beschwerdeführerin eine westlichen, den tschetschenischen Traditionen widersprechenden Lebensstil. Sie habe sich nach jahrelangen Misshandlungen in der patriarchisch organisierten tschetschenischen Gesellschaft gegen ihre Brüder gestellt, weshalb ihr im Fall der Rückkehr asylrelevante geschlechtsspezifische Verfolgung durch diese drohe. Sie befürchte von diesen auch in Moskau gefunden, misshandelt und schlimmstenfalls getötet zu werden. Die mangelnde staatliche Schutzwilligkeit bzw. Schutzfähigkeit vor dieser privaten Verfolgung ergebe sich zweifelsfrei aus den Länderberichten. Adat und Scharia stünden im vorliegenden Fall jedenfalls über dem Gesetz. Der Beschwerdeführerin drohe daher auf Grund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie als Folge geschlechtsspezifischer Verfolgung durch ihre Brüder asylrelevante Verfolgung. Eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe für sie nicht. Nach der Berichtslage könne die Beschwerdeführerin im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat ohne Familienanschluss und ohne jegliche männliche Unterstützung in eine Notlage geraten. Aus dem aktuellen Länderinformationsblatt gehe auch hervor, dass sich Frauen in Tschetschenien an die islamischen Traditionen zu halten hätten und Gewalt für Frauen in Tschetschenien -insbesondere häusliche Gewalt- sehr verbreitet sei. Auch gehe aus dem aktuellen Länderinformationsblatt hervor, dass Frauen auch in der übrigen Russischen Föderation häusliche Gewalt fürchten müssten. Nach einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Situation von Frauen in Tschetschenien ergebe sich, dass tschetschenische Frauen, welche ihre Familie ohne deren Zustimmung verlassen, selbst in Moskau von ihren Familienmitgliedern aufgefunden werden können. Eine allein reisende Frau aus Tschetschenien würde von der Diaspora nicht gut angesehen sein und könne keine Unterstützung erwarten. Zudem sehe die Polizei häusliche Gewalt als Privatsache an.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Einvernahme der Beschwerdeführerin durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und des Bundesamtes, der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes, der Befragung der Beschwerdeführerin im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 14.05.2019 beim Bundesverwaltungsgericht, der im Beschwerdeverfahren übermittelten Stellungnahme vom 15.07.2019 und Unterlagen durch die Beschwerdeführerin sowie der Einsichtnahme in die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Länderinformationen (LIB der Staatendokumentation vom 31.08.2018, Stand 28.2.2019, und Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 08.05.2017 zur Situation von Frauen in der Russischen Föderation und in Tschetschenien), werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

Zur Person und zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe. Sie bekennt sich zum muslimischen Glauben.

Sie stellte am 03.11.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die vorliegende vollumfängliche Beschwerde richtet sich ua. gegen die Nichtzuerkennung von Asyl im angefochtenen Bescheid vom 15.05.2017.

Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerin in der Russischen Föderation mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität droht.

Die Beschwerdeführerin hat glaubwürdig vorgetragen, dass sie gemäß den tschetschenischen Traditionen zwangsverheiratet werden sollte und schon davor von ihren Brüdern im Rahmen häuslicher Gewalt misshandelt worden sei, weil sie sich geschminkt und geweigert habe, ein Kopftuch zu tragen. Die Mutter der Beschwerdeführerin verhalf ihr als damals Minderjährige zur legalen Ausreise nach Österreich, wo die ältere Schwester der Beschwerdeführerin samt ihrer Familie bereits aufhältig ist. Entgegen dem Wunsch ihrer Schwester lebt die Beschwerdeführerin in Österreich jedoch nicht mit dieser und deren Familie im gemeinsamen Haushalt. Sie besucht laufend Kurse, möchte die Matura erlangen und Opernsängerin werden. Sie betreibt in ihrer Freizeit auch Sport und führt ein selbstbestimmtes, westlich orientiertes Leben in Österreich.

Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführerin aktuell in der gesamten Russischen Föderation Verfolgung durch ihre älteren Brüder droht, da sie sich ihrer Zwangsverheiratung widersetzte, Tschetschenien unbegleitet verlassen hat und ihr Leben auch nicht nach den tschetschenischen Wertvorstellungen gestalten will. Sie kann sich nicht in einem anderen Teil der russischen Föderation niederlassen, ohne von ihrer Familie gefunden zu werden, und die Hilfe staatlicher Behörden in Anspruch nehmen. Der Beschwerdeführerin kann daher eine Rückkehr in die Russische Föderation nicht zugemutet werden.

Zur maßgeblichen Situation in der Russischen Föderation, insbesondere in Tschetschenien, wird basierend auf dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Folgendes festgestellt:

Politische Lage

Die Russische Föderation hat ca. 143 Millionen Einwohner (CIA 12.7.2018, vgl. GIZ 7.2018c). Russland ist eine Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau. Der Präsident verfügt über weit reichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik (GIZ 7.2018a, vgl. EASO 3.2017). Er ernennt auf Vorschlag der Staatsduma den Vorsitzenden der Regierung, die stellvertretenden Vorsitzenden und die Minister und entlässt sie (GIZ 7.2018a). Wladimir Putin ist im März 2018, bei der Präsidentschaftswahl im Amt mit 76,7% bestätigt worden. Die Wahlbeteiligung lag der Nachrichtenagentur TASS zufolge bei knapp 67% und erfüllte damit nicht ganz die Erwartungen der Präsidialadministration (Standard.at 19.3.2018). Putins wohl ärgster Widersacher Alexej Nawalny durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Er war zuvor in einem von vielen als politisch motivierten Prozess verurteilt worden und rief daraufhin zum Boykott der Abstimmung auf, um die Wahlbeteiligung zu drücken (Presse.at 19.3.2018). Oppositionelle Politiker und die Wahlbeobachtergruppe Golos hatten mehr als 2.400 Verstöße gezählt, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und die Behinderung von Wahlbeobachtern. Wähler waren demnach auch massiv unter Druck gesetzt worden, um an der Wahl teilzunehmen. Auch die Wahlkommission wies auf mutmaßliche Manipulationen hin (Tagesschau.de 19.3.2018, FH 1.2018). Putin kann dem Ergebnis zufolge nach 18 Jahren an der Staatsspitze weitere sechs Jahre das Land führen. Gemäß der Verfassung darf er nach dem Ende seiner sechsjährigen Amtszeit nicht erneut antreten, da es eine Beschränkung auf zwei aufeinander folgende Amtszeiten gibt (Tagesschau.de 19.3.2018, vgl. OSCE/ODIHR 18.3.2018).

Die Verfassung wurde per Referendum am 12.12.1993 mit 58,4% der Stimmen angenommen. Sie garantiert die Menschen- und Bürgerrechte. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist zwar in der Verfassung verankert, jedoch verfügt der Präsident über eine Machtfülle, die ihn weitgehend unabhängig regieren lässt. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, trägt die Verantwortung für die Innen- und Außenpolitik und kann die Gesetzentwürfe des Parlaments blockieren. Die Regierung ist dem Präsidenten untergeordnet, der den Premierminister mit Zustimmung der Staatsduma ernennt. Das Parlament - Staatsduma und Föderationsrat - ist in seinem Einfluss stark beschränkt. Der Föderationsrat ist als "obere Parlamentskammer" das Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht aus 178 Abgeordneten: Jedes Föderationssubjekt entsendet je einen Vertreter aus der Exekutive und Legislative in den Föderationsrat. Die Staatsduma mit 450 Sitzen wird für vier Jahre nach dem Verhältniswahlrecht auf der Basis von Parteilisten gewählt. Es gibt eine Siebenprozentklausel. Wichtige Parteien sind die regierungsnahen Einiges Russland (Jedinaja Rossija) mit 1,9 Millionen Mitgliedern und Gerechtes Russland (Spravedlivaja Rossija) mit 400.000 Mitgliedern. Die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) mit 150.000 Mitgliedern, die die Nachfolgepartei der früheren KP ist. Die Liberaldemokratische Partei (LDPR) mit 185.000 Mitgliedern, die populistisch und nationalistisch ausgerichtet ist, die Wachstumspartei (Partija Rosta), die sich zum Neoliberalismus bekennt; Jabloko, eine demokratisch-liberale Partei mit 55.000 Mitgliedern, die Patrioten Russlands (Patrioty Rossii), linkszentristisch, mit 85.000 Mitgliedern, die Partei der Volksfreiheit (PARNAS) und die demokratisch-liberale Partei mit 58.000 Mitgliedern (GIZ 7.2018a). Die Zusammensetzung der Staatsduma nach Parteimitgliedschaft gliedert sich wie folgt: Einiges Russland (339 Sitze), Kommunistische Partei Russlands (42 Sitze), Liberaldemokratische Partei Russlands (40 Sitze), Gerechtes Russland (23 Sitze), Vaterland-Partei (1 Sitz), Bürgerplattform (1 Sitz) (AA 5.2018b).

Russland ist eine Föderation, die aus 85 Föderationssubjekten (einschließlich der international umstrittenen Einordnung der Republik Krim und der Stadt föderalen Ranges, Sewastopol) mit unterschiedlichem Autonomiegrad besteht. Die Föderationssubjekte (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Gebiete, Regionen und Föderale Städte) verfügen über jeweils eine eigene Legislative und Exekutive (GIZ 7.2018a, vgl. AA 5.2018b). Die Gouverneure der Föderationssubjekte werden auf Vorschlag der jeweils stärksten Fraktion der regionalen Parlamente vom Staatspräsidenten ernannt. Dabei wählt der Präsident aus einer Liste dreier vorgeschlagener Kandidaten den Gouverneur aus (GIZ 7.2018a).

Es wurden acht Föderationskreise (Nordwestrussland, Zentralrussland, Südrussland, Nordkaukasus, Wolga, Ural, Sibirien, Ferner Osten) geschaffen, denen jeweils ein Bevollmächtigter des Präsidenten vorsteht. Der Staatsrat der Gouverneure tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt der Exekutive Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten. Nach der Eingliederung der Republik Krim und der Stadt Sewastopol in die Russische Föderation wurde am 21.3.2014 der neunte Föderationskreis Krim gegründet. Die konsequente Rezentralisierung der Staatsverwaltung führt seit 2000 zu politischer und wirtschaftlicher Abhängigkeit der Regionen vom Zentrum. Diese Tendenzen wurden bei der Abschaffung der Direktwahl der Gouverneure in den Regionen und der erneuten Unterordnung der regionalen und kommunalen Machtorgane unter das föderale Zentrum ("exekutive Machtvertikale") deutlich (GIZ 7.2018a).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (5.2018b): Russische Föderation - Außen- und Europapolitik,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederationnode/russischefoederation/201534, Zugriff 1.8.2018

-

CIA - Central Intelligence Agency (12.7.2018): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 1.8.2018

-

EASO - European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-stateactors-of-protection.pdf, Zugriff 1.8.2018

-

FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2017 - Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1428824.html, Zugriff 1.8.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2018a): Russland, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c17836, Zugriff 1.8.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2018c): Russland, Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/, Zugriff 1.8.2018

-

OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights (18.3.2018): Russian Federation Presidential Election Observation Mission Final Report,

https://www.osce.org/odihr/elections/383577?download=true, Zugriff 29.8.2018

-

Presse.at (19.3.2018): Putin: "Das russische Volk schließt sich um Machtzentrum zusammen",

https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5391213/Putin_Das-russische-Volkschliesst-sich-um-Machtzentrum-zusammen, Zugriff 1.8.2018

-

Standard.at (19.3.2018): Putin sichert sich vierte Amtszeit als Russlands Präsident,

https://derstandard.at/2000076383332/Putin-sichert-sich-vierte-Amtszeit-als-Praesident, Zugriff 1.8.2018 - Tagesschau.de (19.3.2018): Klarer Sieg für Putin, https://www.tagesschau.de/ausland/russland-wahl-putin-101.html, Zugriff 1.8.2018

Tschetschenien

Die Tschetschenische Republik ist eine der 22 Republiken der Russischen Föderation. Die Fläche beträgt 15.647 km2 (Rüdisser 11.2012) und laut offizieller Bevölkerungsstatistik der Russischen Föderation zum 1.1.2018 beläuft sich die Einwohnerzahl Tschetscheniens auf 1,4 Millionen (GKS 25.1.2018), wobei die offiziellen Angaben von unabhängigen Medien infrage gestellt werden. Laut Aussagen des Republiksoberhauptes Ramzan Kadyrow sollen rund 600.000 TschetschenInnen außerhalb der Region leben, die eine Hälfte davon in der Russischen Föderation, die andere Hälfte im Ausland. Experten zufolge hat die Hälfte Tschetschenien während der Kriege nach dem Zerfall der Sowjetunion verlassen, bei der anderen Hälfte handle es sich um Siedlungsgebiete außerhalb Tschetscheniens, die bereits vor über einem Jahrhundert entstanden seien, teilweise durch Migration aus dem Russischen in das Osmanische Reich, und zwar über Anatolien bis in den arabischen Raum (ÖB Moskau 12.2017). In Bezug auf Fläche und Einwohnerzahl ist Tschetschenien somit mit der Steiermark vergleichbar. Etwa die Hälfte des tschetschenischen Territoriums besteht aus Ebenen im Norden und Zentrum der Republik.

Heutzutage ist die Republik eine nahezu monoethnische: 95,3% der Bewohner/innen Tschetscheniens gaben [bei der letzten Volkszählung] 2010 an, ethnische Tschetschenen/innen zu sein. Der Anteil ethnischer Russen/innen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 1,9%. Rund 1% sind ethnische Kumyk/innen, des Weiteren leben einige Awar/innen, Nogaier/innen, Tabasar/innen, Türk/innen, Inguschet/innen und Tatar/innen in der Republik (Rüdisser 11.2012).

In Tschetschenien gilt Ramzan Kadyrow als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres Herrschaftssystem geschaffen, das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist und weitgehend außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert (ÖB Moskau 12.2017, vgl. AA 21.5.2018). So musste im Mai 2016 der Vorsitzende des Obersten Gerichts Tschetscheniens nach Kritik von Kadyrow zurücktreten, obwohl die Ernennung/Entlassung der Richter grundsätzlich in föderale Kompetenz fällt. Fraglich bleibt auch die föderale Kontrolle über die tschetschenischen Sicherheitskräfte, deren faktische Loyalität vorrangig dem Oberhaupt der Republik gilt. Im Juni 2016 beschloss das tschetschenische Parlament die vorzeitige Selbstauflösung, um vorgezogene Neuwahlen parallel zu den Wahlen zum Oberhaupt der Republik durchzuführen. Bei den Wahlen vom 18.9.2016 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien weit über dem landesweiten Durchschnitt. Kadyrow wurde laut offiziellen Angaben bei hoher Wahlbeteiligung mit überwältigender Mehrheit für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Unabhängige Medien berichteten über Unregelmäßigen bei den Wahlen, in deren Vorfeld Human Rights Watch über massive Druckausübung auf Kritiker des derzeitigen Machthabers berichtet hatte. Das tschetschenische Oberhaupt bekundet immer wieder seine absolute Loyalität gegenüber dem Kreml (ÖB Moskau 12.2017). Vertreter russischer und internationaler NGOs berichten immer wieder von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen, einem Klima der Angst und Einschüchterung (AA 21.5.2018). Gegen vermeintliche Extremisten und deren Angehörige, aber auch gegen politische Gegner, wird rigoros vorgegangen. Anfang 2016 sorgte Kadyrow landesweit für Aufregung, als er die liberale Opposition in Moskau als Staatsfeinde bezeichnete, die danach trachteten, Russland zu zerstören. Nachdem er dafür von Menschenrechtsaktivisten sowie von Vertretern des präsidentiellen Menschenrechtsrats scharf kritisiert worden war, wurde in Grozny eine Massendemonstration zur Unterstützung Kadyrows organisiert (ÖB Moskau 12.2017).

Während der mittlerweile über zehn Jahre dauernden Herrschaft des amtierenden Republikführers Ramzan Kadyrow gestaltete sich Tschetscheniens Verhältnis zur Russischen Föderation ambivalent. Einerseits ist Kadyrow bemüht, die Zugehörigkeit der Republik zu Russland mit Nachdruck zu bekunden, tschetschenischen Nationalismus mit russischem Patriotismus zu verbinden, Russlands Präsidenten in der tschetschenischen Hauptstadt Grozny als Staatsikone auszustellen und sich als "Fußsoldat Putins" zu präsentieren. Andererseits hat er das Föderationssubjekt Tschetschenien so weit in einen Privatstaat verwandelt, dass in der Umgebung des russischen Präsidenten die Frage gestellt wird, inwieweit sich die von Wladimir Putin ausgebaute föderale Machtvertikale dorthin erstreckt. Zu Kadyrows Eigenmächtigkeit gehört auch eine Außenpolitik, die sich vor allem an den Mittleren Osten und die gesamte islamische Welt richtet. Kein anderer regionaler Führer beansprucht eine vergleichbare, über sein eigenes Verwaltungsgebiet und die Grenzen Russlands hinausreichende Rolle. Kadyrow inszeniert Tschetschenien als Anwalt eines russländischen Vielvölker-Zusammenhalts, ist aber längst zum "inneren Ausland" Russlands geworden. Deutlichster Ausdruck dieser Entwicklung ist ein eigener Rechtszustand, in dem islamische und gewohnheitsrechtliche Regelungssysteme sowie die Willkür des Republikführers in Widerspruch zur Gesetzgebung Russlands geraten (SWP 3.2018).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (21.5.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation

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GKS - Staatliches Statistikamt (25.1.2018): Bevölkerungsverteilung zum 1.1.2018,

http://www.gks.ru/free_doc/new_site/population/demo/PrPopul2018.xlsx, Zugriff 1.8.2018

-

ÖB Moskau (12.2017): Asylländerbericht Russische Föderation

-

Rüdisser, V. (11.2012): Russische Föderation/Tschetschenische Republik. In: Länderinformation n°15, Österreichischer Integrationsfonds,

http://www.integrationsfonds.at/themen/publikationen/oeif-laenderinformation/, Zugriff 1.8.2018

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (3.2018): Tschetscheniens Stellung in der Russischen Föderation. Ramsan Kadyrows Privatstaat und Wladimir Putins föderale Machtvertikale, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2018S01_hlb.pdf, Zugriff 1.8.2018

Sicherheitslage

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, zu Anschlägen kommen. Todesopfer forderte zuletzt ein Terroranschlag in der Metro von St. Petersburg im April 2017. Die russischen Behörden halten ihre Warnung vor Anschlägen aufrecht und rufen weiterhin zu besonderer Vorsicht auf (AA 28.8.2018a, vgl. BMeiA 28.8.2018, GIZ 6.2018d). Trotz verschärfter Sicherheitsmaßnahmen kann das Risiko von Terrorakten nicht ausgeschlossen werden. Die russischen Sicherheitsbehörden weisen vor allem auf eine erhöhte Gefährdung durch Anschläge gegen öffentliche Einrichtungen und größere Menschenansammlungen hin (Untergrundbahn, Bahnhöfe und Züge, Flughäfen etc.) (EDA 28.8.2018).

Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderten Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Gewaltzwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Demnach stand Russland 2011 noch an neunter Stelle hinter mittelöstlichen, afrikanischen und südasiatischen Staaten, weit vor jedem westlichen Land. Im Jahr 2016 rangierte es dagegen nur noch auf Platz 30 hinter Frankreich (Platz 29), aber vor Großbritannien (Platz 34) und den USA (Platz 36). Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der sogenannte Islamische Staat (IS) Russland den Dschihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem Sinai mit 224 Todesopfern. Seitdem ist der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken soll. Moskau appelliert beim Thema Terrorbekämpfung an die internationale Kooperation (SWP 4.2017).

Eine weitere Tätergruppe rückt in Russland ins Zentrum der Medienaufmerksamkeit, nämlich Islamisten aus Zentralasien. Die Zahl der Zentralasiaten, die beim sogenannten IS kämpfen, wird auf einige tausend geschätzt (Deutschlandfunk 28.6.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (28.8.2018a): Russische Föderation: Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/russischefoederationsicherheit/201536#content_0, Zugriff 28.8.2018

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BmeiA (28.8.2018): Reiseinformation Russische Föderation, https://www.bmeia.gv.at/reiseaufenthalt/reiseinformation/land/russische-foederation/, Zugriff 28.8.2018

-

Deutschlandfunk (28.6.2017): Anti-Terrorkampf in Dagestan. Russische Methoden,

https://www.deutschlandfunk.de/anti-terrorkampf-in-dagestan-russischemethoden.724.de.html?dram:article_id=389824, Zugriff 29.8.2018

-

EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (28.8.2018): Reisehinweise für Russland, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-undreisehinweise/russland/reisehinweise-fuerrussland.html, Zugriff 28.8.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (6.2018d): Russland, Alltag,

https://www.liportal.de/russland/alltag/#c18170, Zugriff 28.8.2018

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, https://www.swpberlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf, Zugriff 28.8.2018

Nordkaukasus

Die Menschenrechtsorganisation Memorial beschreibt in ihrem Bericht über den Nordkaukasus vom Sommer 2016 eindrücklich, dass die Sicherheitslage für gewöhnliche Bürger zwar stabil ist, Aufständische einerseits und Kritiker der bestehenden Systeme sowie Meinungs- und Menschenrechtsaktivisten andererseits weiterhin repressiven Maßnahmen und Gewalt bis hin zum Tod ausgesetzt sind (AA 21.5.2018). In internationalen sicherheitspolitischen Quellen wird die Lage im Nordkaukasus mit dem Begriff "low level insurgency" umschrieben (SWP 4.2017).

Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum sogenannten IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Novaya Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der ISSprecher Muhammad al-Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz', eine Provinz Kaukasus, als Teil des ISKalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus Emirats dem ‚Kalifen' Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Dschihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren (SWP 10.2015). Das rigide Vorgehen der Sicherheitskräfte, aber auch die Abwanderung islamistischer Kämpfer in die Kampfgebiete in Syrien und in den Irak haben dazu geführt, dass die Gewalt im Nordkaukasus in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen ist. Innerhalb der extremistischen Gruppierungen verschoben sich in den vergangenen Jahren die Sympathien zur regionalen Zweigstelle des sogenannten IS, die mittlerweile das Kaukasus-Emirat praktisch vollständig verdrängt haben soll. Dabei sorgt nicht nur Propaganda und Rekrutierung des IS im Nordkaukasus für Besorgnis der Sicherheitskräfte. So wurden Mitte Dezember 2017 im Nordkaukasus mehrere Kämpfer getötet, die laut Angaben des Anti-Terrorismuskomitees dem sogenannten IS zuzurechnen waren (ÖB Moskau 12.2017). Offiziell kämpfen bis zu 800 erwachsene Tschetschenen für die Terrormiliz IS. Die Dunkelziffer dürfte höher sein (DW 25.1.2018).

Ein Risikomoment für die Stabilität in der Region ist die Verbreitung des radikalen Islamismus. Während in den Republiken Inguschetien und Kabardino-Balkarien auf einen Dialog innerhalb der muslimischen Gemeinschaft gesetzt wird, verfolgen die Republiken Tschetschenien und Dagestan eine konsequente Politik der Repression radikaler Elemente (ÖB Moskau 12.2017).

Im gesamten Jahr 2017 gab es im ganzen Nordkaukasus 175 Opfer des bewaffneten Konfliktes, davon 134 Todesopfer (82 Aufständische, 30 Zivilisten, 22 Exekutivkräfte) und 41 Verwundete (31 Exekutivkräfte, neun Zivilisten, ein Aufständischer) (Caucasian Knot 29.1.2018). Im ersten Quartal 2018 gab es im gesamten Nordkaukasus 27 Opfer des bewaffneten Konfliktes, davon 20 Todesopfer (12 Aufständische, sechs Zivilisten, 2 Exekutivkräfte) und sieben Verwundete (fünf Exekutivkräfte, zwei Zivilisten) (Caucasian Knot 21.6.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (21.5.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation - Caucasian Knot (29.1.2018): Infographics. Statistics of victims in Northern Caucasus for 2017 under the data of the Caucasian Knot, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/42208/, Zugriff 28.8.2018

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Caucasian Knot (21.6.2018): Infographics. Statistics of victims in Northern Caucasus in Quarter 1 of 2018 under the data of the Caucasian Knot, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/43519/, Zugriff 28.8.2018

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DW - Deutsche Welle (25.1.2018): Tschetschenien: "Wir sind beim IS beliebt",

https://www.dw.com/de/tschetschenien-wir-sind-beim-is-beliebt/a-42302520, Zugriff 28.8.2018

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ÖB Moskau (12.2017): Asylländerbericht Russische Föderation

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (10.2015): Reaktionen auf den "Islamischen Staat" (ISIS) in Russland und Nachbarländern, http://www.swpberlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2015A85_hlb.pdf, Zugriff 28.8.2018

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, https://www.swpberlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf, Zugriff 28.8.2018

Tschetschenien

Als Epizentrum der Gewalt im Kaukasus galt lange Zeit Tschetschenien. Die Republik ist in der Topographie des bewaffneten Aufstands mittlerweile aber zurückgetreten; angeblich sind dort nur noch kleinere Kampfverbände aktiv. Dafür kämpfen Tschetschenen in zunehmender Zahl an unterschiedlichen Fronten außerhalb ihrer Heimat - etwa in der Ostukraine sowohl auf Seiten prorussischer Separatisten als auch auf der ukrainischen Gegenseite, auch in Syrien und im Irak (SWP 4.2015). In Tschetschenien konnte der Kriegszustand überwunden und ein Wiederaufbau eingeleitet werden. In einem Prozess der "Tschetschenisierung" wurde die Aufstandsbekämpfung im zweiten Tschetschenienkrieg an lokale Sicherheitskräfte delegiert, die sogenannten Kadyrowzy. Diese auf den ersten Blick erfolgreiche Strategie steht aber kaum für nachhaltige Befriedung (SWP 4.2017).

Im gesamten Jahr 2017 gab es in Tschetschenien 75 Opfer des bewaffneten Konfliktes, davon 59 Todesopfer (20 Aufständische, 26 Zivilisten, 13 Exekutivkräfte) und 16 Verwundete (14 Exekutivkräfte, zwei Zivilisten) (Caucasian Knot 29.1.2018). Im ersten Quartal 2018 gab es in Tschetschenien acht Opfer des bewaffneten Konfliktes, davon sieben Todesopfer (sechs Aufständische, eine Exekutivkraft) und ein Verwundeter (eine Exekutivkraft) (Caucasian Knot 21.6.2018).

Quellen:

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Caucasian Knot (29.1.2018): Infographics.Statistics of victims in Northern Caucasus for 2017 under the data of the Caucasian Knot, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/42208/, Zugriff 28.8.2018

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Caucasian Knot (21.6.2018): Infographics.Statistics of victims in Northern Caucasus in Quarter 1 of 2018 under the data of the Caucasian Knot, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/43519/, Zugriff 28.8.2018

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2015): Dagestan:

Russlands schwierigste Teilrepublik, http://www.swpberlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2015_S08_hlb_isaeva.pdf, Zugriff 28.8.2018

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, https://www.swpberlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf, Zugriff 28.8.2018

Rechtsschutz / Justizwesen

Es gibt in der Russischen Föderation Gerichte bezüglich Verfassungs-, Zivil-, Administrativ- und Strafrecht. Es gibt den Verfassungsgerichtshof, den Obersten Gerichtshof, föderale Gerichtshöfe und die Staatsanwaltschaft. Die Staatsanwaltschaft ist verantwortlich für Strafverfolgung und hat die Aufsicht über die Rechtmäßigkeit der Handlungen von Regierungsbeamten. Strafrechtliche Ermittlungen werden vom Ermittlungskomitee geleitet (EASO 3.2017). Die russischen Gerichte sind laut Verfassung unabhängig, allerdings kritisieren sowohl internationale Gremien (EGMR, EuR) als auch nationale Organisationen (Ombudsmann, Menschenrechtsrat) regelmäßig Missstände im russischen Justizwesen. Einerseits kommt es immer wieder zu politischen Einflussnahmen auf Prozesse, andererseits beklagen viele Bürger die schleppende Umsetzung von Urteilen bei zivilrechtlichen Prozessen (ÖB Moskau 12.2017). Der Judikative mangelt es auch an Unabhängigkeit von der Exekutive und berufliches Weiterkommen in diesem Bereich ist an die Einhaltung der Präferenzen des Kreml gebunden (FH 1.2018).

In Strafprozessen kommt es nur sehr selten zu Freisprüchen der Angeklagten. Laut einer Umfrage des Levada-Zentrums über das Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Institutionen aus Ende 2014 rangiert die Justiz (gemeinsam mit der Polizei) im letzten Drittel. 45% der Befragten zweifeln daran, dass man der Justiz trauen kann, 17% sind überzeugt, dass die Justiz das Vertrauen der Bevölkerung nicht verdient und nur 26% geben an, den Gerichten zu vertrauen (ÖB Moskau 12.2017). Der Kampf der Justiz gegen Korruption steht mitunter im Verdacht einer Instrumentalisierung aus wirtschaftlichen bzw. politischen Gründen: So wurde in einem aufsehenerregenden Fall der amtierende russische Wirtschaftsminister Alexei Ulyukayev im November 2016 verhaftet und im Dezember 2017 wegen Korruptionsvorwürfen seitens des mächtigen Leiters des Rohstoffunternehmens Rosneft zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt (ÖB Moskau 12.2017, vgl. AA 21.5.2018, FH 1.2018).

2010 ratifizierte Russland das 14. Zusatzprotokoll der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), das Änderungen im Individualbeschwerdeverfahren vorsieht. Das 6. Zusatzprotokoll über die Abschaffung der Todesstrafe ist zwar unterschrieben, wurde jedoch nicht ratifiziert. Der russische Verfassungsgerichtshof hat jedoch das Moratorium über die Todesstrafe im Jahr 2009 bis zur Ratifikation des Protokolls verlängert, so dass die Todesstrafe de facto abgeschafft ist. Auch das Römer Statut des Internationalen Strafgerichtshofs wurde von Russland nicht ratifiziert. Spannungsgeladen ist das Verhältnis der russischen Justiz zu den Urteilen des EGMR. Moskau sieht im EGMR ein politisiertes Organ, das die Souveränität Russlands untergraben möchte (ÖB Moskau 12.2017). Im Juli 2015 stellte der russische Verfassungsgerichtshof klar, dass bei einer der russischen Verfassung widersprechenden Konventionsauslegung seitens des EGMR das russische Rechtssystem aufgrund der Vorrangstellung des Grundgesetzes gezwungen sein wird, auf die buchstäbliche Befolgung der Entscheidung des Straßburger Gerichtes zu verzichten. Diese Position des Verfassungsgerichtshofs wurde im Dezember 2015 durch ein Föderales Gesetz unterstützt, welches dem VfGH das Recht einräumt, Urteile internationaler Menschenrechtsinstitutionen nicht umzusetzen, wenn diese nicht mit der russischen Verfassung im Einklang stehen. Das Gesetz wurde bereits einmal im Fall der Verurteilung Russlands durch den EGMR in Bezug auf das Wahlrecht von Häftlingen 61 angewendet (zugunsten der russischen Position) und ist auch für den YUKOS-Fall von Relevanz. Der russische Verfassungsgerichtshof zeigt sich allerdings um grundsätzlichen Einklang zwischen internationalen gerichtlichen Entscheidungen und der russischen Verfassung bemüht (ÖB Moskau 12.2017, vgl. AA 21.5.2018, US DOS 20.4.2018).

Am 10.2.2017 fällte das Verfassungsgericht eine Entscheidung zu

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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