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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §4;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 97/19/1662Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerden 1.) der 1976 geborenen S (auch S) J (auch J) und 2.) der 1994 geborenen MJ (auch J), beide in G, die Erstbeschwerdeführerin vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in S, die Zweitbeschwerdeführerin vertreten durch Mag. C, Rechtsanwalt in S, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres 1.) vom 9. April 1997, Zl. 307.836/2-III/11/97, und 2.) vom 11. Juni 1997, Zl. 308.039/2-III/11/97, jeweils betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Erstbeschwerdeführerin beantragte am 9. September 1994, die Zweitbeschwerdeführerin am 5. September 1995 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Der Antrag der Erstbeschwerdeführerin wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft S namens des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 16. Jänner 1997 gemäß § 1 Abs. 3 Z. 6 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) zurückgewiesen. Der Antrag der Zweitbeschwerdeführerin wurde mit Bescheid derselben Behörde vom 3. März 1997 aus dem gleichen Grunde zurückgewiesen.
Begründend wurde in diesen Bescheiden im wesentlichen gleichlautend ausgeführt, die Beschwerdeführerinnen seien am 13. Oktober 1995 unrechtmäßig nach Österreich eingereist. Die Erstbeschwerdeführerin habe am 16. Oktober 1995 einen Asylantrag gestellt. Dieser sei mit einem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. Jänner 1996 abgewiesen worden. Einer dagegen von der Erstbeschwerdeführerin erhobenen Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof sei mit Beschluß vom 16. August 1996 die aufschiebende Wirkung zuerkannt worden. Damit seien die Beschwerdeführerinnen weiterhin gemäß § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG vorläufig aufenthaltsberechtigt. Die Beschwerdeführerinnen erhoben Berufung.
Mit dem am 15. April 1997 zugestellten erstangefochtenen Bescheid vom 9. April 1997 wurde die Berufung der Erstbeschwerdeführerin, mit dem am 18. Juni 1997 zugestellten zweitangefochtenen Bescheid vom 11. Juni 1997 jene der Zweitbeschwerdeführerin jeweils gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde in den beiden angefochtenen Bescheiden im wesentlichen gleichlautend aus, gemäß § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG benötigten Fremde keine Bewilligung, wenn sie aufgrund des Asylgesetzes 1991 (AsylG 1991) zum Aufenthalt in Österreich berechtigt seien. Der Verwaltungsgerichtshof habe den Anträgen der Beschwerdeführerinnen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung stattgegeben. Diese seien daher nach dem AsylG 1991 zum Aufenthalt in Österreich berechtigt, weshalb die Erteilung einer Bewilligung gemäß § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG ausgeschlossen sei.
Aus dem hg. Akt zur Zl. 96/01/0681 ergibt sich, die Erstbeschwerdeführerin betreffend, überdies folgendes:
Die Abweisung des Asylantrages der Erstbeschwerdeführerin mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. Jänner 1996 erfolgte unter anderem mit der Begründung, die Erstbeschwerdeführerin habe in Ungarn Verfolgungssicherheit erlangt.
Der Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. August 1996 über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung in diesem, den letztinstanzlichen Asylbescheid betreffenden Beschwerdeverfahren lautete:
"Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag mit der Wirkung stattgegeben, daß der Antragstellerin die Rechtsstellung zukommt, die sie als Asylwerberin vor Erlassung des angefochtenen Bescheides hatte."
Die Zustellung dieses Beschlusses an den Bundesminister für Inneres erfolgte am 10. Oktober 1996, jene an die Erstbeschwerdeführerin am 11. Oktober 1996.
Mit Erkenntnis vom 19. März 1997 wies der Verwaltungsgerichtshof die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin als unbegründet ab. Er ging im Einklang mit dem Berufungsbescheid davon aus, daß die Erstbeschwerdeführerin in Ungarn Verfolgungssicherheit erlangt habe. Die Zustellung dieses Erkenntnisses an die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens erfolgte am 9. Mai 1997.
Außer dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren war oder ist ein sonstiges Beschwerdeverfahren der Zweitbeschwerdeführerin beim Verwaltungsgerichtshof nicht anhängig.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres sachlichen, persönlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbundenen Beschwerden erwogen:
§ 1 Abs. 3 Z. 6 AufG lautete:
"§ 1. ...
...
(3) Keine Bewilligung brauchen Fremde, wenn sie
...
6. auf Grund des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind."
§ 4, § 6 und § 7 AsylG 1991 lauteten auszugsweise:
"§ 4. Die Gewährung von Asyl ist auf Antrag auf die ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kinder und den Ehegatten auszudehnen, sofern sich diese Personen in Österreich aufhalten und die Ehe schon vor der Einreise nach Österreich bestanden hat. Solche Familienangehörigen haben im Verfahren über die Gewährung von Asyl dieselbe Rechtsstellung wie der Asylwerber.
§ 6. (1) Ein Asylwerber, der direkt aus dem Staat kommt (Art. 31 der Genfer Flüchtlingskonvention), in dem er behauptet, Verfolgung befürchten zu müssen, ist weder wegen rechtswidriger Einreise noch rechtswidriger Anwesenheit im Bundesgebiet zu bestrafen.
(2) Den in Abs. 1 genannten Asylwerbern sowie Asylwerbern, die gemäß § 37 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, nicht zurückgewiesen werden dürfen, ist die Einreise, wenn sie nicht schon nach dem 2. Teil des Fremdengesetzes gestattet werden kann, formlos zu gestatten. ...
§ 7. (1) Ein Asylwerber, der gemäß § 6 eingereist ist, ist ab dem Zeitpunkt, zu dem ein Asylantrag gestellt wurde, zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, wenn der Asylantrag innerhalb von einer Woche ab dem Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet oder innerhalb von einer Woche ab dem Zeitpunkt gestellt wurde, in dem er im Bundesgebiet von der Gefahr einer Verfolgung Kenntnis erlangt hat (vorläufige Aufenthaltsberechtigung). ...
...
(3) Die vorläufige Aufenthaltsberechtigung kommt einem Asylwerber ab dem Zeitpunkt nicht mehr zu, zu dem das Asylverfahren rechtskräftig abgeschlossen wird oder einem Rechtsmittel gegen die Entscheidung der Asylbehörden keine aufschiebende Wirkung zukommt."
§ 37 Abs. 1 und 2 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) lautete:
"§ 37. (1) Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.
(2) Die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolles über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974)."
Vorweg ist der belangten Behörde beizupflichten, wenn sie die Auffassung vertrat, daß eine Aufenthaltsbewilligung an gemäß § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG aufenthaltsberechtigte Personen nicht zu erteilen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. September 1997, Zl. 96/19/0280).
Weiters ist folgendes auszuführen:
1. Zum erstangefochtenen Bescheid:
Die belangte Behörde stützte ihre Annahme, die Erstbeschwerdeführerin sei - bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des erstangefochtenen Bescheides - aufgrund des AsylG 1991 zum Aufenthalt in Österreich berechtigt gewesen, ausschließlich auf den Umstand, daß der Verwaltungsgerichtshof der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin die aufschiebende Wirkung zuerkannte. Dabei verkannte die belangte Behörde, daß die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der von der Erstbeschwerdeführerin eingebrachten Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen den im Asylverfahren ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 23. Jänner 1996 dieser lediglich die Rechtsstellung verschaffte, die sie vor Erlassung dieses Bescheides innehatte.
Der Erstbeschwerdeführerin wäre daher im Zeitpunkt der noch vor Zustellung des verwaltungsgerichtlichen Erkenntnisses im hg. Verfahren zur Zl. 96/01/0681 erfolgten Erlassung des erstangefochtenen Bescheides nur dann eine Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 1991 zugekommen, wenn dies auch schon vor dieser Bescheiderlassung der Fall gewesen wäre. Sachverhaltsfeststellungen, aufgrund derer sich beurteilen ließe, ob diese Voraussetzung im Falle der Erstbeschwerdeführerin gegeben war, wurden jedoch von der belangten Behörde ausgehend von ihrer - wie oben dargelegt - unrichtigen Rechtsansicht, schon die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ihrer Beschwerde habe der Erstbeschwerdeführerin ein Aufenthaltsrecht nach dem AsylG 1991 verschafft, nicht getroffen. Angesichts der vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19. März 1997 nicht beanstandeten Ausführungen des Bundesministers für Inneres im Bescheid vom 23. Jänner 1996 erscheint das Vorliegen einer Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 1991 vor Erlassung dieses Bescheides zumindest zweifelhaft.
Aus diesen Erwägungen war der erstangefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
2. Zum zweitangefochtenen Bescheid:
Entgegen der Darstellung in diesem Bescheid hat die Zweitbeschwerdeführerin nicht gegen einen ihren Antrag abweisenden Asylbescheid Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof erhoben. Demgemäß wurde der Zweitbeschwerdeführerin auch nicht über ihren Antrag die aufschiebende Wirkung einer solchen Beschwerde zuerkannt.
Selbst wenn man davon ausginge (diesbezügliche Feststellungen enthält der zweitangefochtene Bescheid allerdings nicht), daß die Zweitbeschwerdeführerin einen Antrag nach § 4 AsylG 1991 gestellt hätte und ihr daher für die Dauer des Asylverfahrens die gleiche Rechtsstellung wie der Erstbeschwerdeführerin zugekommen wäre, wäre für die Rechtmäßigkeit des zweitangefochtenen Bescheides nichts gewonnen. Diesfalls hätten die zur Frage der Aufenthaltsberechtigung der Erstbeschwerdeführerin zuvor angestellten Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofes auch für die Zweitbeschwerdeführerin Geltung.
Überdies erfolgte die Zustellung des zweitangefochtenen Bescheides (anders als jene des erstangefochtenen Bescheides) erst nach der Zustellung des abweislichen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes im von der Erstbeschwerdeführerin angestrengten, zur hg. Zl. 96/01/0681 protokollierten Beschwerdeverfahren. Aus all diesen Gründen stand der Zweitbeschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erlassung des zweitangefochtenen Bescheides kein Aufenthaltsrecht im Sinne des § 1 Abs. 3 Z. 6 AufG zu.
Aus diesen Erwägungen war auch der zweitangefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidungen gründen sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Kosten aus dem Titel der Umsatzsteuer können neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand nicht zuerkannt werden (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 687, wiedergegebene Judikatur). Wien, am 9. Oktober 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997191367.X00Im RIS seit
02.05.2001