TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/12 W197 2222073-1

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Veröffentlicht am 12.08.2019
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Entscheidungsdatum

12.08.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W197 2222073-1/25E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Elmar SAMSINGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Indien, vertreten durch Migrantinnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.07.2019, Zahl 1157721310-190740472 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG i.V.m. § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG i.V.m. § 22a Abs. 3 BFA-VG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag, den Beschwerdeführer von der Eingabegebühr zu befreien, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang (Feststellungen):

1.1. Der Beschwerdeführer (BF) ist indischer Staatsangehöriger und reiste unbekannten Datums ins Bundesgebiet ein und stellte am 25.06.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Dieser wurde, ebenso wie der Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien mit Bescheid der Behörde vom 26.07.2017 abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde nicht erteilt, zugleich wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Indien zulässig ist. Dem BF wurde eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt. Diese Entscheidung ist in Rechtskraft I. Instanz erwachsen.

1.3. Der BF verließ am 26.07.2017 die Grundversorgungsstelle und tauchte unter. Ihm konnte der Asylbescheid der Behörde nur durch Hinterlegung im Akt zugestellt werden, da er an der Abgabestelle nicht mehr aufhältig war. Der BF entzog sich damit dem Verfahren und war für die Behörde nicht mehr greifbar.

1.4. Der BF ist in der Folge nicht freiwillig ausgereist und hielt sich seither illegal im Bundesgebiet auf.

1.5. Die Behörde leitete am 21.08.2017 ein Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates ein. Am 14.11.2018 wurde von der indischen Botschaft der Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugestimmt.

1.6. Der BF war nach einer Obdachlosenmeldnung seit 26.06.2017 an verschiedenen Adressen im Bundesgebiet gemeldet, wobei zwischen den Wohnsitzmeldungen eine Lücke klafft. Eine für den BF bestimmte Ladung für den 17.01.2019 konnte dem BF an seine letzte Meldeadresse nicht persönlich zugestellt werden, die Ladung wurde daher beim zuständigen Postamt am 14.12.2018 hinterlegt. Die Ladung wurde nicht behoben. Der BF kam der Ladung nicht nach und entzog sich so dem Verfahren zu seiner Außerlandesbringung. Am 07.02.2019 erließ die Behörde daher einen Festnahmeauftrag. In der Folge wurde am 13.03.2019 an der Meldeadresse des BF Nachschau gehalten. Der Festnahmeauftrag konnte jedoch nicht vollzogen werden, da der BF laut Auskunft der Nachbarn an dieser Adresse nicht mehr wohnte. In der Folge wurde die amtliche Abmeldung eingeleitet.

1.7. Auf Grund einer Zufallskontrolle konnte der BF am 21.07.2019 festgenommen und der Behörde vorgeführt werden. Auf Grund der Einvernahme und des Akteninhalts steht fest, dass sich der BF illegal im Bundesgebiet aufhält und nicht integriert ist. Er sucht seinen Unterhalt auf nicht legale Art sicherzustellen und ist mittellos. Der BF besitzt keine Wohnung, an der er sich der Behörde im Verfahren zu seiner Außerlandesbringung bereithält, er konnte an der letzten Zustelladresse nicht angetroffen werden und konnte ihm auch eine Ladung nicht zugestellt werden. Der BF will nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren.

1.8. Im Anschluss an seine Einvernahme wurde über den BF am 22.07.2019 die Schubhaft gem. § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG zur Sicherung der Abschiebung verhängt und der Schubhaftbescheid persönlich zugestellt. Die Behörde sah Fluchtgefahr im Sinne von § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9, Sicherungsbedarf und Verhältnismäßigkeit als vorliegend an. Der BF ist haftfähig.

1.9. Gegen den Mandatsbescheid, die Anordnung der Schubhaft und die fortdauernde Anhaltung erhob der Rechtsvertreter des BF Beschwerde mit der Begründung, dass keine Fluchtgefahr bestehe, der BF an seiner letzten Meldeadresse wohne und ein Einkommen durch Arbeit habe. Zudem sei nicht sichergestellt, dass eine Abschiebung nach Indien überhaupt möglich ist. Die Behörde hätte mit einem gelinderen Mittel das Auslangen finden können. Beantragt wurde den angefochtenen Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung der und die Anhaltung in Schubhaft rechtswidrig sei. Beantragt wurde weiters Kosten- und Aufwandersatz.

1.10. Am 09.08.2019 hat die Behörde neuerlich mit der indischen Botschaft Rücksprache gehalten, wann ein Heimreisezertifikat ausgestellt wird. Für diesen Fall wird die Abschiebung nach Indien unverzüglich erfolgen.

1.11. Die Behörde legte die Akten vor, erstattete eine Stellungnahme im Sinne des Akteninhalts und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde und den Ausspruch, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

1.12. Von der Anberaumung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung konnte wegen geklärten Sachverhalts aus dem vorliegenden Akteninhalt und der Beschwerde abgesehen werden.

II. Feststellungen

2.1. Die im Verfahrensgang als Feststellung gefassten Punkte werden der Entscheidung ebenfalls zu Grunde gelegt.

2.2. Festgestellt wird, dass sich der BF illegal im Bundesgebiet aufgehalten hat, untergetaucht ist, sich der Abschiebung entzogen und für die Behörde nicht greifbar war. Er ist mittellos, im Bundegebiet nicht integriert und geht keiner legalen Beschäftigung nach. Er besitzt keine Unterkunft, an der er sich der Behörde zu seiner Abschiebung bereithalten will. Der BF will nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren.

2.3. Der BF ist gänzlich vertrauensunwürdig. Es besteht akute Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf, mit einem gelinderen Mittel kann daher nicht das Auslangen gefunden werden, zumal sich der BF bereits einmal einer angeordneten und gesicherten Grundversorgungsunterkunft entzogen hat. Der BF ist haftfähig.

2.4. Es besteht ein hohes öffentliches Interesse, rechtsgrundlos in Österreich aufhältige Fremde außer Landes zu bringen.

III. Beweiswürdigung

3.1. Verfahrensgang, die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde, dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts und der erhobenen Beschwerde.

3.2. Aus seinem bisherigen Verhalten ist unzweifelhaft abzulesen, dass der BF gänzlich vertrauensunwürdig ist. Er will nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren und hat durch unkooperatives Verhalten seine Außerlandesbringung vereitelt. Im Falle seiner Freilassung ist davon auszugehen, dass der BF sofort untertauchen wird, um nicht nach Indien abgeschoben zu werden. Es besteht sohin akute Fluchtgefahr und notwendiger Sicherungsbedarf.

3.3. Die Behörde hat die Abschiebung des BF zügig organisiert, Indien hat der Ausstellung eines HRZ zugestimmt.

3.4. Der BF ist haftfähig, es sind keine relevanten Umstände hervorgekommen und wurden auch nicht vorgebracht, dass die Haft unverhältnismäßig wäre.

IV. Rechtliche Beurteilung

4.1. Zu Spruchpunkt A. I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

4.1.1. Gemäß § 76 Abs. 4 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

4.1.2. Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3).

4.1.3. Gemäß §76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn 1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendeten Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die ödffentliche Ordnung oder Sicherheit gem. § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist oder 2. diese zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder die Abschiebung notwendig ist, sofern Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 3. die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 und 2. Dublin-Verordnung vorliegen. Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.

4.1.4. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig. Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.

4.1.5. Die Behörde hat im Hinblick auf das bisherige Verhalten des BF und seiner unzureichenden Verankerung im Bundesgebiet zu Recht eine erhebliche und präsente Fluchtgefahr und akuten Sicherungsbedarf angenommen. Das Verhalten der BF in der Vergangenheit schließt auch die Anordnung gelinderer Mittel aus. Der BF ist in der Vergangenheit untergetaucht und hat sich der Abschiebung entzogen. Die Behörde ist bemüht, die Abschiebung raschestmöglich zu organisieren, die grundsätzlich auch möglich ist

4.2. Zu Spruchpunkt A. II. - Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft

Auf Grund der getroffenen Feststellung und ihrer rechtlichen Würdigung ergibt sich, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

4.3. Zu Spruchpunkt A. III. - Kostenbegehren

Da die Behörde vollständig obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen allein der Ersatz ihrer Aufwendungen zu.

4.4. Zu Spruchpunkt A. IV. - Kostenbegehren

Mangels gesetzlicher Bestimmungen war der Antrag des BF auf Befreiung der Entrichtung von Eingabegebühr bzw. dessen Refundierung zurückzuweisen. Dass die Eingabegebühr das Recht des Beschwerdeführers auf Zugang zu Gericht beschneidet, trifft im Hinblick auf die geringe Höher nicht zu. Dieser Gebührensatz kann keineswegs als prohibitiv hoch angesehen werden. Der BF hat die Eingabegebühr entrichtet und diesbezüglich keine Verfahrenshilfe beantragt.

4.5. Zu Spruchpunkt B - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen. Wie ausgeführt, sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in allen Spruchpunkten nicht zuzulassen.

Schlagworte

Eingabengebühr, Fluchtgefahr, Kostenersatz, Mittellosigkeit,
öffentliche Interessen, Rückkehrentscheidung, Schubhaft,
Sicherungsbedarf, Untertauchen, Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W197.2222073.1.00

Zuletzt aktualisiert am

25.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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