TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/13 G302 2189876-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.08.2019
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Entscheidungsdatum

13.08.2019

Norm

AsylG 2005 §2
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §33

Spruch

G302 2189880-3/8E

G302 2189882-3/6E

G302 2189876-3/6E

G302 2189869-3/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Manfred ENZI als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX, geb. XXXX; XXXX, geb. XXXX; XXXX, geb. XXXX und XXXX, geb. XXXX, alle StA. Irak, vertreten durch XXXX, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl - Regionaldirektion XXXX - vom 04.04.2019, Zl. XXXX zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) vom 04.04.2019, Zl. XXXX wurden die Anträge von XXXX, geb. XXXX (in weiterer Folge: BF 1), XXXX, geb. XXXX; (in weiterer Folge: BF 2), XXXX, geb. XXXX (in weiterer Folge: BF 3), XXXX, geb. XXXX (in weiterer Folge: BF 4) auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 16.03.2018 gemäß § 71 Abs. 1 AVG abgewiesen.

Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer durch ihre bevollmächtigte Vertreterin fristgerecht Beschwerde.

Die gegenständlichen Beschwerden wurden mit den maßgeblichen Verwaltungsakten am 20.05.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und der Gerichtsabteilung G302 zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Mit Bescheiden der belangten Behörde vom 17.11.2017, Zl. XXXX, wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz vom 28.10.2015 bzw. vom 20.12.2016 (betreffend BF 4) abgewiesen. Weiters wurden Rückkehrentscheidungen erlassen und ausgesprochen, dass die Abschiebungen in den Irak zulässig seien.

Diese Bescheide samt Verfahrensanordnungen gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG wurden nach einem Zustellversuch an der Adresse der damals unvertretenen Beschwerdeführer am 22.11.2017 beim Postamt hinterlegt (Beginn der Abholfrist: 23.11.2017). Die Verständigung über die Zustellung wurde im Briefkasten der Beschwerdeführer eingelegt.

Am 13.12.2017 wurden die angefochtenen Bescheide mit dem Vermerk "Nicht behoben" der belangten Behörde rückübermittelt.

Mit Schreiben vom 15.03.2018, eingelangt bei der belangten Behörde mittels Fax am 16.03.2018, erhoben die Beschwerdeführer Beschwerde und stellten in einem Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

Mit den Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.01.2019, GZ. XXXX wurde die ordnungsgemäße Zustellung der Bescheide vom 17.11.2017 festgestellt und wurden die Beschwerden als verspätet zurückgewiesen. Die unerledigt vorgelegten Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurden gemäß § 6 AVG an die belangte Behörde weitergeleitet.

Mit Bescheiden der belangten Behörde vom 11.01.2019 wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 AVG abgewiesen. Diese Bescheide wurden nicht ordnungsgemäß an die Vertreterin der Beschwerdeführer zugestellt.

Mit den Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.04.2019, GZ. XXXX wurden die dagegen erhobenen Beschwerden mangels Erlassung der bekämpften Bescheide als unzulässig zurückgewiesen.

Mit den nun angefochtenen Bescheiden der belangten Behörde vom 04.04.2019 wurden die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 16.03.2018 abgewiesen. Die nun angefochtenen Bescheide wurden ordnungsgemäß an die Vertreterin der Beschwerdeführer zugestellt.

1.2. Die BF 2 kontrollierte in Erwartung der Bescheide betreffend das Verfahren auf internationalen Schutz regelmäßig das Postfach der Beschwerdeführer. Am 22.11.2017 wurden die in einem von den Beschwerdeführern getrennten Verfahren erlassen Bescheide der Mutter und Schwester des BF 1 an deren Adresse zugestellt.

Die den Beschwerdeführern amtswegig zur Seite gestellte Rechtsberatungsorganisation XXXX(in weiterer Folge: XXXX) wurde am 17.11.2017 über die Zuteilung der Beschwerdeführer sowie der Mutter und Schwester des BF 1 im asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren informiert. Am 20.11.2017 erhielt der XXXX die entsprechenden Verfahrensanordnungen. Der XXXX übermittelte den Beschwerdeführern eine Einladung zu einem Gespräch betreffend ein allfälliges Beschwerdeverfahren.

Daraufhin wurden die Beschwerdeführer zusammen mit der Mutter und Schwester des BF 1 am 24.11.2017 beim XXXX vorstellig.

Zu diesem Zeitpunkt waren die Beschwerdeführer über die Erlassung ihrer Bescheide noch nicht in Kenntnis. Da dem XXXX jedoch bereits die Verfahrensanordnungen betreffend die Beschwerdeführer vorlagen, wurden diese vom XXXX darauf aufmerksam gemacht, dass sie sich direkt bei der belangten Behörde über die Zustellung ihrer Bescheide informieren könnten. Die Beschwerdeführer kamen diesem Ratschlag aber nicht nach, sondern gingen davon aus, dass die Bescheide betreffend ihre Anträge auf internationalen Schutz noch nicht zugestellt worden seien.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde sowie des nunmehr dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Gerichtsaktes samt der im Beschwerdeverfahren eingeholten Stellungnahmen der Beschwerdeführer vom 19.07.2019 und des XXXX vom 14.06.2019.

Die Feststellungen zur Unkenntnis der Beschwerdeführer über die Zustellung der Bescheide vom 17.11.2017 sowie der Umstand, dass BF 2 regelmäßig das Postfach kontrollierte, beruhen auf ihren Angaben im Wiedereinsetzungsantrag vom 15.03.2018, der gegenständlichen Beschwerde sowie der Stellungnahme vom 19.07.2019.

Dass die Beschwerdeführer den Ratschlag des XXXX, sich direkt bei der belangten Behörde über die Zustellung ihrer Bescheide zu informieren, nicht befolgten, ergibt sich aus der Stellungnahme des XXXX vom 14.06.2019. Diese Stellungnahme wurde den Beschwerdeführern im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt und wurden die dortigen Ausführungen von den Beschwerdeführern nicht bestritten.

Das BVwG erachtet das bisherige Ermittlungsverfahren als hinreichend, um den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen. Aus den angeführten Gründen konnte der dem BVwG vorliegende Akteninhalt dem gegenständlichen Erkenntnis im Rahmen der freien Beweiswürdigung zugrunde gelegt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu Spruchteil A):

3.2. Zustellung der Bescheide vom 17.11.2017:

Die ordnungsgemäße Zustellung der Bescheide vom 17.11.2017 wurde bereits mit den Beschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.01.2019, GZ. XXXX festgestellt. Dass den Beschwerdeführern die Verständigung von der Hinterlegung nicht zugekommen wäre, hat entsprechend den in diesen Beschlüssen ausgeführten Erwägungen auf die Wirksamkeit der Zustellung keinen Einfluss.

3.3. Zum Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand:

3.3.1. Der mit Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betitelte § 33 VwGVG lautet:

"(1) Wenn eine Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis - so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat - eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, so ist dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

(2) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Vorlageantrags ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil die anzufechtende Beschwerdevorentscheidung fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen hat oder die Beschwerdevorentscheidung keine Belehrung zur Stellung eines Vorlageantrags, keine Frist zur Stellung eines Vorlageantrags oder die Angabe enthält, dass kein Rechtsmittel zulässig sei.

(3) Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist in den Fällen des Abs. 1 bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses zu stellen. In den Fällen des Abs. 2 ist der Antrag binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung eines Bescheides oder einer gerichtlichen Entscheidung, der bzw. die das Rechtsmittel als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit der Stellung eines Antrags auf Vorlage Kenntnis erlangt hat,

bei der Behörde zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen.

(4) Bis zur Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag die Behörde mit Bescheid zu entscheiden. § 15 Abs. 3 ist sinngemäß anzuwenden. Ab Vorlage der Beschwerde hat über den Antrag das Verwaltungsgericht mit Beschluss zu entscheiden. Die Behörde oder das Verwaltungsgericht kann dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung zuerkennen.

(4a) Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Stellung eines Antrags auf Ausfertigung einer Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 ist auch dann zu bewilligen, wenn die Frist versäumt wurde, weil auf das Erfordernis eines solchen Antrags als Voraussetzung für die Erhebung einer Revision beim Verwaltungsgerichtshof und einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof nicht hingewiesen wurde oder dabei die zur Verfügung stehende Frist nicht angeführt war. Der Antrag ist binnen zwei Wochen

1. nach Zustellung einer Entscheidung, die einen Antrag auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4, eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof oder eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof als unzulässig zurückgewiesen hat, bzw.

2. nach dem Zeitpunkt, in dem die Partei von der Zulässigkeit eines Antrags auf Ausfertigung der Entscheidung gemäß § 29 Abs. 4 Kenntnis erlangt hat,

beim Verwaltungsgericht zu stellen. Die versäumte Handlung ist gleichzeitig nachzuholen. Über den Antrag entscheidet das Verwaltungsgericht.

(5) Durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor dem Eintritt der Versäumung befunden hat.

(6) Gegen die Versäumung der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags findet keine Wiedereinsetzung statt."

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei Versäumen der Beschwerdefrist für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand allein § 33 VwGVG die maßgebliche Bestimmung und nicht die §§ 71, 72 AVG, weil es sich um ein Verfahren über eine im VwGVG geregelte Beschwerde handelt (vgl. etwa VwGH 13.09.2017, Ra 2017/12/008). Der Verwaltungsgerichtshof hat allerdings in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass grundsätzlich die in der Rechtsprechung zu § 71 AVG entwickelten Grundsätze auf § 33 VwGVG übertragbar sind (vgl. etwa VwGH 30.05.2017, Ra 2017/19/0113).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist als Ereignis im Sinne des § 71 Abs. 1 Z 1 AVG jedes Geschehen ohne Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt anzusehen (VwGH 26.06.1985, 83/03/0134 u. a.). Ein Ereignis ist dann unabwendbar, wenn es durch einen Durchschnittsmenschen objektiv nicht verhindert werden konnte. Es ist als unvorhergesehen zu werten, wenn die Partei es tatsächlich nicht miteinberechnet hat und dessen Eintritt auch unter Bedachtnahme auf die zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte (VwGH 17.02.1994, 93/16/0020).

Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben, somit die im Verkehr mit Gerichten oder Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen haben (VwGH 14.07.1993, 93/03/0136 u.a.). Leichte Fahrlässigkeit liegt nur dann vor, wenn ein Fehler begangen wird, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch macht (VwGH 01.06.2006, 2005/07/0044).

Das Vorliegen von Wiedereinsetzungsgründen ist nur in jenem Rahmen zu untersuchen, der durch die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers gesteckt wird, sodass den Antragsteller die Obliegenheit trifft, im Antrag konkret jenes unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignis zu beschreiben, das ihn an der Einhaltung der Frist gehindert hat. Auf nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist geltend gemachte Wiedereinsetzungsgründe und neue, den Wiedereinsetzungsgrund untermauernde Argumente ist daher nicht einzugehen (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/12/0026).

3.3.2. In jenem Fall, in dem von der Hinterlegungsanzeige keine Kenntnis erlangt wird, steht grundsätzlich das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Verfügung. Ein unabwendbares oder unvorhergesehenes Ereignis kann nämlich darin liegen, dass die Partei vom Zustellvorgang nicht Kenntnis erlangt hat (VwGH 05.12.2018, Ra 2018/20/0441).

Die Unkenntnis von der Zustellung eines Bescheides kann einen Wiedereinsetzungsgrund bilden, sofern die Unkenntnis nicht auf einem Verschulden beruht, welches den Grad minderen Versehens überschreitet. Wenn ein Beschwerdeführer behauptet, im fraglichen Zeitraum keine Kenntnis von einer Hinterlegungsanzeige erlangt zu haben, wobei er vorbrachte, dass seine Ehegattin täglich den Briefkasten entleert, so wird damit der Sache nach eine solche Unkenntnis vom Zustellvorgang geltend gemacht. Es kommt dabei nicht darauf an, ob ein Beschwerdeführer behauptet, die Hinterlegungsanzeige sei durch dritte Personen entfernt worden; auf welche Weise eine solche Hinterlegungsanzeige verschwunden ist, wird demjenigen, der von einem Zustellvorgang gar keine Kenntnis erlangte, in der Regel nicht bekannt sein. Das Vorbringen eines Beschwerdeführers, er (bzw. seine Ehegattin) habe während des "gesamten Hinterlegungszeitraumes eine Hinterlegungsanzeige nicht vorgefunden", würde daher - würde man es für erwiesen halten und würde man ferner annehmen, dass die Entleerung des Hausbrieffaches täglich mit der entsprechenden Sorgfalt erfolgt ist - einen Wiedereinsetzungsgrund darstellen (VwGH 06.05.1997, 97/08/0022).

Zustellungmängel bilden zwar grundsätzlich keinen Wiedereinsetzungsgrund, weil bei mangelhafter Zustellung die (versäumte) Frist nicht zu laufen beginnt. Soweit aber der Zustellvorgang rechtmäßig erfolgt ist, eine Hinterlegung der Postsendung gemäß § 17 ZustG stattgefunden und der Empfänger dennoch keine Kenntnis vom Zustellvorgang erlangt hat, kann diese Unkenntnis von der ordnungsgemäßen Hinterlegung eines Schriftstückes - sofern sie nicht auf einem Verschulden beruht, welches den minderen Grad des Versehens übersteigt - geeignet sein, einen Wiedereinsetzungsgrund zu begründen (VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0302).

Aufgrund der oben zitierten Judikatur kann die Unkenntnis über die Zustellung eines Bescheides ein für einen Wiedereinsetzungsantrag relevantes Ereignis darstellen. Zu prüfen ist, ob das Ereignis unvorhersehbar oder unüberwindbar war und ob den Beschwerdeführern kein Verschulden vorzuwerfen war, welches den minderen Grad des Versehens überstieg.

Die Beschwerdeführer gaben in ihrer Stellungnahme vom 19.07.2019 an, dass ihnen Unregelmäßigkeiten in der Zustellung in ihrem Wohnhaus bekannt seien und die BF 2 deswegen regelmäßig die Post kontrolliere. Die Unvorhersehbarkeit der Unkenntnis über die Zustellung bzw. über das Verschwinden des Hinterlegungszettels ist bereits aus diesem Grund nicht gegeben.

Darüber hinaus war den Beschwerdeführern hinsichtlich der zu prüfenden Unabwendbarkeit des Ereignisses - trotz der regelmäßigen Kontrolle des Postfachs durch BF 2 - eine das mindere Grad des Versehens übersteigende Schuld anzulasten. So wurden die Beschwerdeführer im Rahmen des Gesprächs beim XXXX am 24.11.2017 ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass es ihnen möglich sei, sich bei der im gleichen Gebäude wie der XXXX situierten belangten Behörde über die Zustellung ihrer Bescheide zu informieren. Obwohl den Beschwerdeführern die Unregelmäßigkeiten der Postzustellung in ihrem Wohnhaus bekannt waren, folgten sie dem Ratschlag des XXXX nicht und verließen sich darauf, dass die Bescheide noch nicht erlassen wurden.

Wenn die Beschwerdeführer ausführen, dass der XXXX im Beratungsgespräch gemeint habe, dass es sich bei den ausgestellten Verfahrensanordnungen um einen Irrtum handeln könnte und die Bescheide wahrscheinlich noch nicht erlassen worden seien, so gab der XXXX in seiner Stellungnahme an, dass die Erlassung der Bescheide durch einen "Computercheck" des XXXX, so wie er von den Beschwerdeführern beschrieben wurde, gar nicht möglich sei. Diese Erklärung des XXXX, sowie der Umstand, dass der XXXX den Beschwerdeführern angeraten habe, sich direkt bei der belangten Behörde zu informieren, wurde von den Beschwerdeführern nicht bestritten.

Somit ließen die Beschwerdeführer die nach der oben zitierten Rechtsprechung erforderliche Sorgfalt außer Acht, als es ihnen jedenfalls zumutbar gewesen wäre, sich direkt bei der belangten Behörde über die Zustellung der Bescheide zu informieren. Das Verhalten der Beschwerdeführer war somit als auffallend sorglos zu werten.

Aus diesen Gründen fällt den Beschwerdeführern ein Verschulden an der Versäumung der Frist zur Beschwerdeerhebung zur Last, das einen minderen Grad des Versehens übersteigt, weshalb die belangte Behörde den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand zu Recht abgewiesen hat.

Die dagegen erhobenen Beschwerden waren somit abzuweisen.

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Der VfGH äußerte vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des EGMR (zur Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung) keine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 und stellte dazu klar: "Das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, steht im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde" (VfGH 14.03.2012, Zl. U 466/11).

In seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. 2014/20/0017, ging der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" nunmehr folgende Kriterien beachtlich sind: "Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen" (VwGH 28.05.2014, Zl. 2014/20/0017).

Was das Vorbringen in der Beschwerde betrifft, so findet sich in dieser kein relevantes neues bzw. kein ausreichend konkretes Tatsachenvorbringen. Auch traten die Beschwerdeführer in der Beschwerde den seitens des BFA getätigten beweiswürdigenden Ausführungen nicht in ausreichend konkreter und substantiierter Weise entgegen (vgl. dazu auch VwGH 25.03.2015, Zl. Ra 2014/18/0168). Somit ist diesbezüglich der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde als geklärt anzusehen. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte sohin gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben (vgl. dazu auch VwGH 13.09.2016, Ra 2016/01/0070).

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Fristablauf, Fristversäumung, Verfristung, Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G302.2189876.3.00

Zuletzt aktualisiert am

25.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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