TE Bvwg Beschluss 2019/8/22 W168 2213856-1

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Veröffentlicht am 22.08.2019
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Entscheidungsdatum

22.08.2019

Norm

AsylG 2005 §35 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W168 2213856-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter nach Beschwerdevorentscheidung der österreichischen Botschaft Damaskus vom 27.12.2018, Zl. Damaskus-OB/KONS/0316/2018, aufgrund des Vorlageantrages der XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 15.11.2018, beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF), eine Staatsangehörige Syriens, brachte am 13.02.2018 schriftlich und am 13.03.2018 persönlich bei der Österreichischen Botschaft Damaskus (im Folgenden: ÖB Damaskus) einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 ein.

Als Bezugsperson wurde der angebliche Ehemann der BF angegeben, der in Österreich Asyl erhalten habe und mit dem sie nunmehr in Österreich leben wolle.

Dem Antrag waren diverse Unterlagen (in Kopie) in deutscher und Originalsprache angeschlossen: U.a. der Reisepass der BF, ein Auszug aus dem Zivilregister der Republik Syrien mit Ausstellungsdatum 06.02.2018, eine Geburtsurkunde mit Ausstellungsdatum 07.02.2018, eine Heiratsurkunde mit Ausstellungsdatum 29.01.2018, wonach die am 01.09.2014 geschlossene Ehe zwischen der BF und der Bezugsperson am 25.01.2018 registriert worden sei, ein Auszug aus dem Justizregister mit Ausstellungsdatum 19.02.2018, Beschluss zur Bestätigung einer Eheschließung durch das Scharia-Gericht in XXXX (öffentliche Verkündung am 28.11.2017), Absolvierungszeugnis über den Abschluss eines Bachelors in Bauingenieurwesen vom 08.05.2016, Schreiben in englischer Sprache vom 05.03.2018 über die Absolvierung eines freiwilligen Engagements der BF im Rahmen eines Projekts, Bescheid vom 13.11.2015 über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an die Bezugsperson, Auszug aus dem Zentralen Melderegister, Reisepass der Bezugsperson, Mietvertrag der Bezugsperson vom 30.09.2017, Versicherungsdatenauszug der Bezugsperson, Beschäftigungsnachweis der Bezugsperson vom 30.01.2018, Verdienstabrechnung der Bezugsperson, Auszug aus dem Zivilregister vom 14.03.2018.

Mit E-Mails vom 17.09.2018 sowie vom 20.09.2018 und vom 24.09.2018 bat die bevollmächtigte Vertretung der BF um Fristerstreckung für die einzubringende Stellungnahme.

Mit E-Mail vom 25.09.2018 gewährte die ÖB Damaskus der BF eine Fristerstreckung bis zum 01.10.2018.

Mit Schreiben der ÖB Damaskus vom 11.09.2018, übernommen am 13.09.2018, wurde der BF die Möglichkeit zur Stellungnahme zur negativen Wahrscheinlichkeitsprognose eingeräumt. Die Angaben der BF zur Angehörigeneigenschaft gemäß § 35 AsylG 2005 würden in mehrfacher Hinsicht den von der Bezugsperson im Asylverfahren gemachten Angaben widersprechen. Eine ausführliche Begründung sei der beiliegenden Stellungnahme des BFA zu entnehmen. Daraus ergebe sich, dass der Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 Abs. 4 AsylG 2005 abzulehnen wäre. Der BF wurde Gelegenheit gegeben, innerhalb einer Frist von einer Woche ab Zustellung des Schreibens die angeführten Ablehnungsgründe durch unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen.

Aus einer Mitteilung des BFA vom 11.09.2018 geht hervor, dass die vom Antragsteller vorgelegten Unterlagen nicht genügen würden, um die Angehörigeneigenschaft nachzuweisen. In einer Stellungnahme des BFA vom selben Tag wird zudem ausgeführt, dass sich im vorliegenden derart gravierende Zweifel ergeben hätten, weil die Bezugsperson sowohl bei der Ersteinvernahme am 03.01.2015 als auch bei der Einvernahme am 10.11.2015 vor dem BFA behauptet habe, ledig und nicht verheiratet zu sein. Es habe daher ein tatsächliches Bestehen des behaupteten und relevanten Familienverhältnisses nicht erbracht werden können.

Mit Bescheid der ÖB Damaskus vom 15.11.2018, wurde der Einreiseantrag gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass das BFA nach Prüfung mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Eine ausführliche Begründung sei der bereits ausgehändigten Stellungnahme und Mitteilung des BFA zu entnehmen gewesen. Mit Schreiben der ÖB Damaskus vom 11.09.2018 (zugestellt am 13.09.2018) habe die BF die Gelegenheit erhalten, innerhalb einer Frist von einer Woche ab Zustellung des Schreibens die angeführten Ablehnungsgründe zu zerstreuen. Trotz einer gewährten Fristerstreckung, eingeräumt durch ihre Vertretung, habe die BF von dieser Gelegenheit keinen Gebrauch gemacht, daher habe keine weitere Prüfung ihres Anliegens gemäß § 35 AsylG 2005 durchgeführt werden können. Gemäß § 26 FPG in Verbindung mit § 35 Abs. 4 AsylG sei daher gemäß Aktenlage spruchgemäß zu entscheiden gewesen und ihr Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels abzuweisen gewesen. Es werde darauf hingewiesen, dass jederzeit eine Neuantragstellung gemäß § 35 AsylG 2005 möglich sei.

Gegen den Bescheid richtet sich die am 13.12.2018 eingebrachte Beschwerde, in der ausgeführt wird, dass sich die BF durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Erteilung eines Einreistitels gemäß § 26 FPG verletzt erachte. Der Bescheid werde wegen Rechtswidrigkeit sowie wegen fehlerhafter Tatsachenfeststellung und Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten. Gemäß § 35 Abs. 5 gelte jene Person als Familienangehöriger, welche Ehegatte eines Fremden sei, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt worden sei, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden habe. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall gegeben. Trotz Vorlage zahlreicher Dokumente sei das BFA davon ausgegangen, dass vor Einreise keine aufrechte Ehe zwischen der BF und der Bezugsperson bestanden habe. Dies habe die Behörde lediglich auf die Angaben der Bezugsperson gestützt, welche offenbar aus sich dem Verständnis der BF entziehenden Gründen angegeben habe, unverheiratet zu sein, was jedoch schlichtweg falsch sei. Die Ehe zwischen der BF und der Bezugsperson sei bereits am 01.09.2014 geschlossen worden, weshalb die Angehörigeneigenschaft des § 35 Abs. 5 AsylG jedenfalls gegeben sei und damit die Zuerkennung des Asylstatus wahrscheinlich sei. Dementsprechend sei ohne weiteres gemäß § 26 FPG zur Einreise ein viermonatiges Visum zu erteilen. Zum Beweis dafür werde neben der Heiratsurkunde ein Feststellungsurteil des Scharia-Gerichts XXXX vom 28.11.2017 vorgelegt, aus welchem sich eindeutig und rechtskräftig ergebe, dass es sich bei der BF seit 01.09.2014 um die Ehefrau der Bezugsperson handle. Diese Entscheidung sei von den österreichischen Behörden jedenfalls anzuerkennen. Der Beschwerde wurden die Heiratsurkunde der BF mit Ausstellungsdatum 29.01.2018 sowie der Beschluss zur Bestätigung einer Eheschließung (öffentliche Verkündung: 28.11.2017) angeschlossen.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom 27.12.2018 wies die ÖB Damaskus die Beschwerde mit der bisherigen Begründung gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH seien österreichische Vertretungsbehörden bezüglich der Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des BFA hinsichtlich der Prognose einer Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten bzw. Asylberechtigten gebunden. Danach unterliege die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung des BFA im Rahmen des § 27 VwGVG nur einer Überprüfung durch das BVwG, wenn gegen einen Bescheid nach § 35 AsylG 2005 Beschwerde erhoben werde. Sämtliche von der BF vorgelegten Dokumente seien lange Zeit nach dem angeblichen Eheschluss erstellt worden. Vor dem Hintergrund, dass Personenstandsurkunden unwahren Inhalts weit verbreitet seien, sei der Schluss des BFA, dass der Wahrheitsgehalt der vorgelegten Dokumente zu bezweifeln sei, zulässig. Mangels unbedenklicher Urkunden, die geeignet seien, den behaupteten Eheschluss und somit das rechtsgültige Bestehen der Ehe bereits vor der Einreise der Bezugsperson zweifelsfrei zu beweisen, könne die BF nicht als Ehegattin der angeblichen Bezugsperson betrachtet werden. Im gegenständlichen Verfahren sei die notwendige Eigenschaft der BF als Familienangehörige der angegebenen Bezugsperson nicht gegeben. Dass die notwendige Eigenschaft der BF als Familienangehörige der angegebenen Bezugsperson nicht gegeben sei, habe das BFA zutreffend auch auf die Angaben der Bezugsperson gestützt, die angegeben habe, nicht verheiratet zu sein. Dem werde in der Beschwerde nur (ohne Begründungswert) entgegengetreten, dass sich dies dem Verständnis der BF entziehe. Dies falle auch insoweit bei der Beweiswürdigung ins Gewicht, als der Wahrheitsgehalt der vorgelegten Dokumente zu bezweifeln sei.

Am 03.01.2019 brachte die BF einen Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG bei der ÖB Damaskus ein.

Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 25.01.2019, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 31.01.2019, wurde der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin stellte am 13.03.2018 persönlich bei der Österreichischen Botschaft Damaskus einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 Asylgesetz 2005.

Als Bezugsperson wurde XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, genannt, welcher der Ehemann der Beschwerdeführerin sei.

Dem angeblichen Ehemann der nunmehrigen Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.11.2015 zu Zahl 1049435509/150004084, der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Ausreichende Abklärungen zur angegebenen Ehe der BF mit der Bezugsperson nach muslimischen Recht wurden seitens der Behörde in casu nicht bzw. nicht ausreichend vorgenommen, als auch wurden keine Feststellungen betreffend der Rechtmäßigkeit der Nachregistrierung der nach muslimischen Recht geschlossenen Ehe vorgenommen.

Der dem Verfahren zu Grunde liegende Sachverhalt wurde somit in wesentlichen Teilen unvollständig ermittelt. Im Interesse der Raschheit sind diese Ermittlungen durch die belangte Behörde durchzuführen.

Ansonsten wird der oben unter I. dargestellte und sich vollständig aus dem vorliegenden Verwaltungsakt erschließliche Verfahrensgang festgestellt.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akt der Österreichischen Botschaft Damaskus und wurden von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

1. Rechtsgrundlagen:

§ 35 AsylG lautet:

§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der

Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen.

(2) Befindet sich der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, im Ausland, ist diesem über Antrag nach der ersten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung des Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde, die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 und Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9) und

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

§ 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet wie folgt:

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das

Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2. Anwendung der Rechtsgrundlagen auf den gegenständlichen Fall:

Im vorliegenden Fall wurde ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt und als Bezugsperson der in Österreich Asylberechtigte XXXX als Ehemann der Beschwerdeführerin genannt.

Der vorgelegten Heiratsurkunde zufolge sei die BF mit ihrem Mann noch vor seiner Flucht am 01.09.2014 eine islamische Ehe eingegangen und diese wurde jedoch erst über vier Jahre später in Abwesenheit der Bezugsperson registriert. Die Bezugsperson gab sowohl in der Erstbefragung als auch in der niederschriftlichen Einvernahme zu Protokoll, dass sie ledig sei und es wurde auch im Rahmen der Beschwerdeerhebung keine nachvollziehbare Erklärung für diese gleichlautenden Angaben der Bezugsperson hinsichtlich ihres Familienstandes vorgebracht.

Der Antrag auf internationalen Schutz der Bezugsperson erfolgte am 02.01.2015, also bereits über drei Jahre vor Ausstellung der Heiratsurkunde aus dem Zivilregister am 29.01.2018 und fast eineinhalb Jahre vor Verkündung des Beschlusses zur Bestätigung einer Eheschließung. Dem Ehemann der Beschwerdeführerin wurde am 13.11.2015 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt, erst am 25.01.2018 erfolgte ohne persönliche Anwesenheit der Bezugsperson eine nachträgliche Registrierung der Ehe.

Zum Nachweis der Eheschließung wurden im Rahmen der Antragstellung nachstehende Urkunden von der Beschwerdeführerin vorgelegt:

* -eine "Heiratsurkunde" mit Ausstellungsdatum 29.01.2018. Hier handelt es sich um eine Urkunde des Innenministeriums der arabischen Republik Syrien. Es wurde mit einer Stampiglie bestätigt, dass die Eheleute am 01.09.2014 in XXXX ihre Ehe geschlossen haben.

* --ein Beschluss vom 28.11.2017 zur Bestätigung einer Eheschließung am 01.09.2014

Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung in einem inhaltlich vergleichbaren Verfahren festgehalten, dass gem. §16 IPRG eine Bestimmung des fremden Rechtes nicht anzuwenden ist, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, die mit den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. An ihrer Stelle ist österreichisches Recht anzuwenden. Von dieser Ausnahme ist sparsamster Gebrauch zu machen. Ein Abweichen von zwingenden österreichischen Vorschriften ist nicht per se ein "ordre publik" Verstoß. Schutzobjekt sind primär die "Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung" (vgl. VwGH 6.9.2018, Ra 2018/18/0094,mwN). Der Verwaltungsgerichthof hat ausgesprochen, dass eine die Formvorschriften des Ortes der Eheschließung erfüllende Ehe grundsätzlich gültig ist. Der bloße Umstand der rückwirkenden Anerkennung einer traditionellen Eheschließung mit ihrer nachfolgenden staatlichen Registrierung bereits ab dem Zeitpunkt der traditionellen Eheschließung im ausländischen Recht verstößt nicht gegen die Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung (vgl. erneut VwGH 6.9.2018, Ra 2018/18/0094,mwN, sowie daran anschließend VwGH 04.10.2018, Ra 2018/ 18/0149, jeweils mwN).

Die hg. Rechtssprechung kann grundsätzlich auch auf den gegenständlichen Fall übertragen werden, womit auch eine in Abwesenheit der Bezugsperson erfolgte formale nachträgliche Registrierung der (im Beisein beider Ehegatten) traditionell geschlossenen Ehe- bei Fehlen inhaltlicher Vorbehalte gegen die Ehe - nicht den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung widerspricht.

Stellt die belangte Behörde, ohne nähere Abklärungen diesbezüglich vorzunehmen, bzw. ohne konkret auf das gegenständliche Verfahren bezogene Begründungen zu nennen, im gegenständlichen Verfahren fest, dass die vorgelegten Bescheinigungsmittel nicht ausreichen würden, um das Bestehen der Ehe nachzuweisen. Diesbezüglich wäre es in casu jedoch Aufgabe der belangten Behörde gewesen nähere Feststellungen zur diesbezüglichen syrischen Rechtslage zu treffen (vgl. erneut VwGH 6.9.2018, Ra 2018/18/0094,mwN), bzw. auch konkrete Begründungen anzuführen warum im gegenständlichen Verfahren nachvollziehbar davon auszugehen wäre, dass am Inhalt der vorgelegten Unterlagen zu zweifeln wäre.

Auch ist auf eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 05.Mai 2017 zu verweisen, wonach die traditionell geschlossene Ehe gemäß syrischen Recht durch ihre nachträgliche Registrierung rückwirkend (ex - tunc) ab dem Datum der traditionellen Eheschließung Gültigkeit erlange zu verweisen. Auch damit hätte sich die belangte Behörde im gegenständlichen Verfahren auseinandersetzen müssen.

Dem vorliegenden Verwaltungsakt können durch das BVwG im gegenständlichen Verfahren insbesondere keine ausreichenden, bzw. abschließenden Ermittlungen, bzw. Feststellungen betreffend das glaubwürdige Bestehen bzw. das Zustandekommen einer traditionellen Eheschließung der Beschwerdeführerin in Syrien mit der Bezugsperson entnommen werden. Dem vorliegenden Verwaltungsakt sind keine Feststellungen, bzw. Erörterungen bezogen auf die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 05.Mai 2017 entnehmbar, wonach eine traditionell geschlossene Ehe gemäß syrischen Recht durch ihre nachträgliche Registrierung rückwirkend (ex - tunc) ab dem Datum der traditionellen Eheschließung Gültigkeit erlange.

Alleine eine Vermutung, dass es sich bei den nunmehr vorgelegten Bescheinigungsmitteln um Fälschungen handeln könnte reicht nicht, um von der Ungültigkeit der vorgelegten auszugehen.

Im gegenständlichen Verfahren ist der belangten Behörde zuzustimmen, wenn diese ausführt, dass die angegebene Bezugsperson, der angegebene Ehemann, in seinem Verfahren vor dem BFA nachweislich angegeben hat, dass dieser nicht verheiratet wäre. Hierzu ist jedoch festzuhalten, dass trotz dieser Angaben der Bezugsperson im gegenständlichen Verfahren nicht alleine sich hierauf stützend von einer insgesamten Unglaubwürdigkeit der Angaben der Antragstellerin selbst in Bezug auf ihre Eheschließung geschlossen werden kann. Die belangte Behörde wäre gehalten gewesen diese Diskrepanz der Angaben entsprechend fundiert abzuklären. Im fortgesetzten Verfahren werden somit auch diese unterschiedlichen Angaben der BF als auch der Bezugsperson betreffend des Vorliegens einer Ehe umfassend auf- und abzuklären sein, bzw. wird der Bezugsperson umfassend Gelegenheit zur Erstattung einer nachvollziehbaren Aufklärung dieser wesentlichen Diskrepanz seiner Angaben zu den im gegenständlichen Verfahren nunmehr angeführten Angaben zur Eheschließung zu gewähren sein. Die durch die Bezugsperson in seinem Verfahren zu Protokoll gegebenen Angaben, insbesondere die verfahrensgegenständlich hinsichtlich seiner Identität und seines Familienstandes maßgeblichen Angaben, werden im Zusammenschau mit den weiteren vorgelegten Bescheinigungsmitteln im gegenständlichen Verfahren somit einer gesamtheitlichen Beurteilung und Überprüfung zu unterziehen sein.

Die belangte Behörde wird im fortgesetzten Verfahren daher insbesondere - ausgehend von der vorgelagerten umfassenden Beurteilung, ob bereits die vorgebrachte traditionelle Eheschließung als nachvollziehbar belegt zu befinden ist, bzw. ob die vorgelegten Heiratsbestätigungen als echt und valide zu qualifizieren sind - insbesondere auch konkrete Feststellungen dazu zu treffen haben, ob mit ihrer nachfolgenden staatlichen Registrierung die Ehe der Revisionswerberin bereits ab dem Zeitpunkt der traditionellen Eheschließung Wirksamkeit nach syrischen Recht entfaltet, bzw. diese somit durch ihre nachträgliche Registrierung rückwirkend (ex - tunc) ab dem Datum der traditionellen Eheschließung Gültigkeit erlangt hat.

Nur nach Vornahme der soeben angeführten Abklärungen und Ermittlungen können im gegenständlichen Verfahren valide Grundlagen im Sinne der Rechtsprechung des VwGH gewonnen werden, um auch im Beschwerdefall das erkennende Gericht in die Lage zu versetzen, beurteilen zu können, ob eine Ehe der BF mit der angegebenen Bezugsperson bereits vor dessen Ausreise bereits bestanden hat und der BF in casu eine Fortsetzung des Familienlebens in Österreich zu ermöglichen ist oder nicht.

Auf die verfahrensrechtlichen Einschränkungen (siehe § 11a FPG) des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens ist durch das BVwG hinzuweisen, weshalb die Durchführung der notwendigen Ermittlungen nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch dieses selbst durchgeführt werden können.

Daher war mit der ersatzlosen Behebung der gegenständlichen Beschwerdevorentscheidung vorzugehen (siehe VwGH, 20.05.2015, Ra 2015/09/0025, 17.12.2015, Ro 2015/08/0026).

Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieser Beschluss ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W168.2213856.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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