Entscheidungsdatum
27.08.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
G311 2180597-1/8E
G311 2181147-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerden 1.) des XXXX, geboren am XXXX, und 2.) der XXXX, geboren am XXXX, beide Staatsangehörigkeit: Serbien, beide vertreten durch Rechtsanwalt XXXX, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.11.2017, Zahlen: zu 1.) XXXX und zu 2.) XXXX, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 27.02.2019, zu Recht:
A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit Schreiben des Bundesamtes vom 13.08.2015 erging an den Erstbeschwerdeführer seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme und die Aufforderung, dort angeführte Fragen binnen einer Frist von 14 Tagen schriftlich zu beantworten.
Dazu nahm der Erstbeschwerdeführer mit Schriftsatz seines damaligen bevollmächtigten Rechtsvertreters vom 18.09.2015 Stellung. Es wurde ausgeführt, dass der er im Jahr 2008 aufgrund einer Beschäftigung bei einem Speditionsunternehmen erstmals in das Bundesgebiet eingereist sei und sich entschieden habe, in Österreich zu bleiben, um seinen Kindern eine bessere Zukunft und Ausbildung zu ermöglichen. Er lebe seit sieben Jahren in XXXX und sei erstmals mit einem ungarischen Sichtvermerk eingereist, da der Sitz der Spedition in Ungarn gewesen sei. Er habe in Serbien die Pflichtschule und anschließend eine Ausbildung zum Konditor absolviert. Darüber hinaus habe er als Bauhelfer gearbeitet. Aufgrund seines Aufenthaltsstatus sei er derzeit im Bundesgebiet nicht erwerbstätig, er könne bei Vorliegen der Voraussetzungen jedoch jederzeit eine Beschäftigung aufnehmen und sei dann auch entsprechend versichert. Sein Großvater unterstütze ihn mit einer monatlichen Zahlung von EUR 1.100,00. Aktuell sei er selbst kranken- und unfallversichert. In Serbien werde er weder strafrechtlich noch politisch verfolgt. Seine Kinder würden in Österreich die Schule besuchen. Er ersuche von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes abzusehen und ihm einen legalen Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen.
Die Zweitbeschwerdeführerin stellte am 12.11.2015 den verfahrensgegenständlichen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK "Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens" gemäß § 55 Abs. 2 AsylG.
Dem Antrag war ein Konvolut an Unterlagen beigelegt:
? Kopie des serbischen Reisepasses (AS 8 Zweitbeschwerdeführerin);
? Bestätigung der Meldung der Zweitbeschwerdeführerin vom 12.01.2010 (AS 9 Zweitbeschwerdeführerin);
? Kopie der serbischen Geburtsurkunde der Zweitbeschwerdeführerin (AS 10 Zweitbeschwerdeführerin);
Mit Schreiben des Bundesamtes vom 10.10.2017 erging an die Zweitbeschwerdeführerin eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme sowie ein Verbesserungsauftrag bezogen auf den oben angeführten Antrag.
Dazu nahm die Zweitbeschwerdeführerin mit einem undatierten Schreiben Stellung und reichte nachfolgende Unterlagen (sofern nicht bereits aktenkundig) nach:
? Konvolut von Passfotos;
? Kopie der eCard (AS 35 ff Zweitbeschwerdeführerin);
? notariell beglaubigtes serbisches Schreiben des Großvaters der Zweitbeschwerdeführerin vom 26.10.2017 samt deutscher Übersetzung, wonach diese für den Unterhalt der Zweitbeschwerdeführerin und deren beiden Kinder aufkomme und diesen Geld schicke (AS 37 ff Zweitbeschwerdeführerin);
? Kopie von Zahlungsanweisungen über jeweils EUR 450,25 der Zweitbeschwerdeführerin bezüglich der Wohnungsmiete (AS 40 Zweitbeschwerdeführerin);
? Kopie der einvernehmlichen Verlängerung des Mietvertrages vom 03.11.2014 (AS 32 Zweitbeschwerdeführerin);
? Kopie eines Auszuges aus dem serbischen Ehebuch vom 07.10.2017 (AS 45 ff Zweitbeschwerdeführerin);
? Auszug aus dem serbischen Strafregister samt beglaubigter Übersetzung (AS 47 ff Zweitbeschwerdeführerin);
? Schreiben der Deutschen Rentenversicherung über die Rentenanpassung vom 01.07.2017 für die Großeltern der Zweitbeschwerdeführerin, wonach diese eine monatliche Rente aus Deutschland in Höhe von einmal EUR 630,32 und einmal EUR 686,92 erhalten (AS 49 ff Zweitbeschwerdeführerin);
? Kopie des serbischen Reisepasses der Zweitbeschwerdeführerin samt Kopien von den Ein-/Ausreisestempeln (AS 51 ff Zweitbeschwerdeführerin).
Mit dem, den Erstbeschwerdeführer betreffenden, angefochtenen Bescheid des Bundesamtes ebenfalls vom 16.11.2017 wurde dem Erstbeschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Erstbeschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt II.) und dem Erstbeschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise innerhalb von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt III.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Erstbeschwerdeführer erstmals am 18.09.2008 einen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet habe und sich hier seither, unterbrochen durch verhältnismäßig kurze Zeiträume, ebenso im Bundesgebiet ohne Aufenthaltstitel aufgehalten. Ein entsprechender Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vom 25.11.2008 sei schließlich mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes XXXX vom 08.06.2015 abgewiesen worden. Die Zweitbeschwerdeführerin sei auf ungeklärte Weise in das Bundesgebiet eingereist sei und hier seit 12.01.2010 mit einem Hauptwohnsitz in XXXX gemeldet sei. Auch die beiden Kinder der Beschwerdeführer wären mit der Zweitbeschwerdeführerin 2010 in das Bundesgebiet eingereist und hätten, ebenso wie die Zweitbeschwerdeführerin, beide am 12.11.2015 einen Antrag gemäß § 55 AsylG gestellt. Die Beschwerdeführer und ihre Kinder würden im gemeinsamen Haushalt in Österreich leben und bestehe derzeit ein gemeinsames Familienleben. Ausgenommen von allenfalls vorliegenden Zeiten von rechtmäßigen Aufenthalten im Bundesgebiet aufgrund sichtvermerkfreier Zeiten hätten weder die Beschwerdeführer noch ihre beiden Kinder über einen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet verfügt. Auch der Erstbeschwerdeführer sei unrechtmäßig beschäftigt gewesen und habe deswegen sogar ein Aufenthaltsverbot erhalten. Es liege keine Selbsterhaltungsfähigkeit der Beschwerdeführer vor. Rückkehrhindernisse lägen keine vor. Während die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gegenständlich nicht vorlägen, lägen hingen die Voraussetzungen für eine Rückkehrentscheidung nach Serbien und die Zulässigkeit der Abschiebung vor.
Mit dem, die Zweitbeschwerdeführerin betreffenden, angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 16.11.2017 wurde der Erstantrag der Zweitbeschwerdeführerin vom 12.11.2017 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt III.) und der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise innerhalb von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt IV.).
Begründet wurde die Entscheidung im Wesentlichen gleichlautend wie jene des Erstbeschwerdeführers.
Ebenfalls mit Bescheiden des Bundesamtes vom jeweils 16.11.2017 wurden auch die Anträge der beiden Kinder der Beschwerdeführer vom 12.11.2015 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG abgewiesen und gegen diese ebenfalls eine Rückkehrentscheidung erlassen.
Gegen diese Bescheide erhoben sowohl der Erstbeschwerdeführer als auch die Zweitbeschwerdeführerin mit Schriftsätzen des bevollmächtigten Rechtsvertreters vom 15.12.2017 (Erstbeschwerdeführer) und vom 20.12.2017 (Zweitbeschwerdeführerin) jeweils fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Auch gegen die, die beiden Kinder betreffenden, Bescheide wurde Beschwerde erhoben.
Sowohl in der Beschwerde des Erstbeschwerdeführers als auch der Zweitbeschwerdeführerin wurde gleichlautend beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde stattgeben und die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit aufheben, aussprechen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist und ihnen einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG - "Aufenthaltsberechtigung plus", in eventu "Aufenthaltsberechtigung" erteilen.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Bundesamt habe eine unrichtige Interessenabwägung zwischen den persönlichen Interessen der Beschwerdeführer und den öffentlichen Interessen vorgenommen und diese unzureichend begründet. Richtigerweise hätte das Bundesamt aussprechen müssen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei bzw. dem Antrag der Erstbeschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG stattgeben und den Beschwerdeführern Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG erteilen müssen. Es sei festzuhalten, dass nicht nur die beiden Beschwerdeführer und ihre inzwischen volljährige Tochter im Bundesgebiet leben würden, sondern auch der noch minderjährige Sohn der Beschwerdeführer. Der minderjährige Sohn lebe nunmehr seit sieben Jahren in Österreich, spreche die deutsche Sprache auf muttersprachlichem Niveau und besuche derzeit die Handelsschule. Er habe und hatte gute Noten. Er sei bestens in die Gesellschaft integriert und könne sein Aufenthalt im Bundesgebiet als verfestigt angesehen werden. Die gegen die Beschwerdeführer verhängte Rückkehrentscheidung und damit einhergehende Trennung von ihrem Sohn stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privat- und Familienleben dar. Beide Beschwerdeführer seien strafgerichtlich unbescholten und sei ihnen die jeweils lange Verfahrensdauer nicht zuzurechnen.
Die gegenständlichen Beschwerden und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt vorgelegt und langten hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers am 22.12.2017 und der Zweitbeschwerdeführerin am 29.12.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Das Bundesverwaltungsgericht führte in den gegenständlichen Rechtssachen am 27.02.2019 eine gemeinsame öffentliche mündliche Verhandlung der Beschwerdeführer und ihrer beiden Kinder durch, an welcher der Erstbeschwerdeführer, die Zweitbeschwerdeführerin, ihre beiden inzwischen volljährigen Kinder, der Rechtsvertreter sowie ein Dolmetscher für Serbisch teilnahmen. Das Bundesamt hat auf die Teilnahme an der Verhandlung verzichtet.
Der Erstbeschwerdeführer gab auf Befragen zusammengefasst an, er sei in Deutschland geboren, aber mit seinen Eltern bereits im Alter von sieben oder acht Monaten nach Serbien zurückgekehrt. Er habe dort acht Jahre die Grundschule absolviert, dann eine Ausbildung zum Konditor und später eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer absolviert. Sein Vater sei inzwischen verstorben. Dieser sei Musiker gewesen, habe gut verdient und habe die ganze Familie von seinem Einkommen gelebt. Auch die Großeltern der Zweitbeschwerdeführerin hätten in Deutschland gelebt und würden diese sie auch finanziell unterstützen. Die Taxifirma des Erstbeschwerdeführers in Serbien sei in Konkurs gegangen. Der Großvater der Zweitbeschwerdeführerin lebe weiters in Serbien in einem Dorf ca. 20 km von XXXX entfernt. Er sei einerseits wegen der Kinder nach Österreich gekommen, um ihnen eine gute Ausbildung zu ermöglichen. Andererseits betrage der Monatslohn in Serbien EUR 120,00 und könne er damit nicht leben. Er habe seit 18.09.2008 in Österreich gelebt. Die Zeit des Aufenthaltsverbotes habe er in Serbien verbracht. In dieser Zeit sei die Zweitbeschwerdeführerin mit den beiden Kindern in Österreich geblieben. Zuerst seien sie finanziell vom Bruder des Erstbeschwerdeführers unterstützt worden. Dieser habe ihnen monatlich EUR 820,00 bezahlt. Nun würden sie vom Großvater der Zweitbeschwerdeführerin erhalten werden. Die Zweitbeschwerdeführerin sei die Mieterin der gemeinsamen Wohnung, die Miete betrage monatlich EUR 450,00. Er habe 2015 einen Herzinfarkt erlitten und nehme deswegen weiterhin Tabletten ein (Thrombo Ass sowie Beta-Blocker und ein Lebermedikament) und gehe alle drei Monate zur ärztlichen Kontrolle. Er habe viele Verwandte in Österreich, darunter einen Bruder und viele Cousins. In Serbien lebe nur seine Mutter. Das Unternehmen, dass dem Erstbeschwerdeführer die Einstellungszusage erteilt habe, suche dringend einen LKW-Fahrer mit internationaler Erfahrung sowie Kenntnissen im Bereich Mechanik.
Die Zweitbeschwerdeführerin gab auf Befragen zusammengefasst an, sie lebe seit achteinhalb Jahren in Österreich. 1992 habe sie vorübergehend mit einem Visum in Oberösterreich gelebt. Sie sei als Reinigungskraft vier Stunden pro Woche erwerbstätig. Ob eine arbeitsmarktbehördliche Bewilligung vorliege, sei nicht bekannt. Sie habe bereits in Serbien in der Schule vier Jahre lang Deutsch-Unterricht gehabt.
Im Rahmen der Verhandlung wurden zudem nachfolgende Unterlagen vorgelegt:
? Arbeitsvorvertrag für den Erstbeschwerdeführer vom 11.02.2019;
? Deutsch-Zertifikate A1 und A2 des Erstbeschwerdeführers;
? Patientenbriefe desXXXXvom 29.06.2015 sowie der XXXXvom 14.09.2016 des Erstbeschwerdeführers;
? zwei serbische Urkunden, davon eine vom 09.11.2006, woraus sich ergibt, dass der Erstbeschwerdeführer die Befähigung zum Berufskraftfahrer erworben hat, sowie ein entsprechendes Diplom;
? Schulbesuchsbestätigung des Sohnes der Beschwerdeführer;
? Bestätigung über die Unterhaltsleistung des Großvaters der Zweitbeschwerdeführerin vom 26.10.2017;
? Schulzeugnis der Zweitbeschwerdeführerin;
Seitens der erkennenden Richterin wurde der Bericht des Auswärtigen Amtes vom 09.11.2017 zur Lage im Herkunftsstaat Serbien in das Verfahren eingeführt und eine Ausfertigung dem Rechtsvertreter übergeben. Den Beschwerdeführern wurde zudem eine Frist bis 15.03.2019 zur schriftlichen Stellungnahme eingeräumt.
Nach Einvernahme der beiden Kinder wurde deren Beschwerden jeweils mit mündlich verkündetem Erkenntnis zu den Zahlen G311 2181149-1 sowie G311 2181148-1 stattgeben, jeweils festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 2 und Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist und ihnen jeweils gemäß § 55 Abs. 1 AsylG eine "Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
Begründend wurde vom erkennenden Gericht auf die jeweilige Aufenthaltsdauer von über acht Jahren, die positiven Schulabschlüsse, die Unbescholtenheit, den großen Freundeskreis und die guten Deutschkenntnisse, sowie darüber hinaus auf den Umstand verwiesen, dass den beiden Kindern, die erst kürzlich die Volljährigkeit erreicht hatten, ihr bis dato rechtswidriger Aufenthalt im Bundesgebiet nicht oder nur teilweise zugerechnet habe werden können, sie auch nicht mehr im anpassungsfähigen Alter wären und gerade diese Zeit im Bundesgebiet verbracht haben.
Hinsichtlich der beiden Beschwerdeführer wurde die Fortsetzung der mündlichen Verhandlung sowie die mündliche Verkündung des Erkenntnisses verzichtet.
Am 15.03.2019 langte die mit 15.03.2019 datierte schriftliche Stellungnahme der Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht ein. Darin wurde ausgeführt, dass die beiden volljährigen Kinder, denen nach der mündlichen Verhandlung am 27.02.2019 ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs. 1 AsylG "Aufenthaltsberechtigung plus" für 12 Monate erteilt worden sei, dennoch auf den Verbleib der Beschwerdeführer im Bundesgebiet angewiesen seien, da beide noch nicht selbsterhaltungsfähig wären und aufgrund der laufenden Ausbildung (der Sohn als Schüler der Handelsakademie) bzw. angestrebten Ausbildung (die Tochter wolle eine Ausbildung zur Kindergartenpädagogin absolvieren) einen Unterhaltsanspruch gegen die Beschwerdeführer hätten und somit durchaus noch als Kernfamilie angesehen werden könnten. Die Zweitbeschwerdeführerin sei alleinige Mieterin der Familienwohnung. Müsse diese das Bundesgebiet verlassen, würde der Vermieter einer Vertragsübernahme durch die Kinder mangels eigenen Einkommens nicht zustimmen. Die finanziellen Möglichkeiten des Großvaters würden nicht ausreichen, um zwei Wohnungen (eine in Österreich und eine in Serbien) zu finanzieren. Die Kinder würden weiters ihren Krankenversicherungsschutz verlieren, da diese mit der Zweitbeschwerdeführerin mitversichert seien. Die Familie verfüge über einen großen Verwandtschaftskreis in Österreich, wovon viele bereits österreichische Staatsangehörige wären. Bis auf den Großvater der Zweitbeschwerdeführerin würden in Serbien kaum noch Verwandte leben. Keiner der Beschwerdeführer sei Eigentümer eines eigenen Fahrzeugs, was in Österreich kein Problem darstelle, in Serbien jedoch ein riesengroßes Problem wegen des mangelhaften öffentlichen Verkehrsnetzes sei. Geld für ein Auto stünde nicht zur Verfügung. Die geringfügige Beschäftigung der Zweitbeschwerdeführerin sei essenziell für die ganze Familie, da damit der Krankenversicherungsschutz (wegen der vergünstigten Selbstversicherung in der Krankenversicherung für geringfügig Beschäftigte) leistbar geworden sei. Dieser Umstand habe dem Erstbeschwerdeführer bereits das Leben gerettet, da er seinen Herzinfarkt sowie ein Schädelgeschwür sonst nicht überlebt hätte. Die Dienstgeberin der Zweitbeschwerdeführerin habe in einem Telefongespräch lediglich auf die ordnungsgemäße Meldung zur Sozialversicherung sowie ein tadelloses Verhalten der Zweitbeschwerdeführerin im Dienst hingewiesen. Brauchbare Auskünfte zu einer allfälligen Beschäftigungsbewilligung seien jedoch nicht erteilt worden. Beide Beschwerdeführer seien in Österreich integriert und halte sich insbesondere der Erstbeschwerdeführer bereits über zehn Jahre im Bundesgebiet auf. Der Erstbeschwerdeführer sei wegen seines Gesundheitszustandes auch weiterhin auf medizinische Betreuung angewiesen. Die bei ihm in Österreich durchgeführten Operationen wären in Serbien nicht auf demselben Niveau durchgeführt worden. Im Länderbericht würden sich diese konkreten Operationen überhaupt nicht finden. Die Zweitbeschwerdeführerin leide zudem an Herz-Rhythmusstörungen. Es werde daher neuerlich beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den Beschwerden stattgeben, die angefochtenen Bescheide aufheben, feststellen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und den Beschwerdeführern jeweils einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG - "Aufenthaltsberechtigung plus", in eventu "Aufenthaltsberechtigung" erteilen, in eventu die Bescheide beheben und zur neuerlichen Entscheidung an das Bundesamt zurückverweisen.
Unter einem wurden die nachfolgenden Unterlagen vorgelegt:
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"HOLTER-Bericht" vom 15.09.20117 für die Zweitbeschwerdeführerin;
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Einladung vom März 2019 des Bezirksvorstehers des Wohnortbezirkes zur Veranstaltung "Weiterkommen im Beruf" für beide Beschwerdeführer;
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befristeter, auf die Zweitbeschwerdeführerin laufender, Mietvertrag für den Zeitraum 01.07.2018 bis 30.06.2021 bei einem Gesamt-Mietzins von EUR 450,00
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführer sind miteinander verheiratet, beide Staatsangehörige von Serbien und somit Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG (vgl aktenkundige Kopie der serbischen Heiratsurkunde, AS 45 Zweitbeschwerdeführerin; aktenkundige Kopie des jugoslawischen Reisepasses samt Visa des Erstbeschwerdeführers, AS 88 Erstbeschwerdeführer; Kopie der serbischen Geburtsurkunde des Erstbeschwerdeführers samt beglaubigter Übersetzung, AS 119 ff Erstbeschwerdeführer; Kopie des serbischen Reisepasses des Erstbeschwerdeführers, AS 163 Erstbeschwerdeführer; aktenkundige Kopie des serbischen Reisepasses der Zweitbeschwerdeführerin, AS 51 ff Zweitbeschwerdeführerin; Kopie serbische Geburtsurkunde der Zweitbeschwerdeführerin, AS 10 Zweitbeschwerdeführerin;).
Sie haben zwei gemeinsame Kinder, eine XXXX geborene Tochter sowie einen XXXX geborenen Sohn. Beide sind inzwischen bereits volljährig. Ihren jeweiligen Beschwerden gegen die Abweisung ihrer Erstanträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß § 55 AsylG vom 12.11.2015 wurde mit mündlich verkündeten Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.02.2019 stattgegeben, ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist und beiden ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs. 1 AsylG - "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt (vgl Verhandlungsprotokoll vom 27.02.2019, S 7 ff).
Zum Erstbeschwerdeführer:
Der Erstbeschwerdeführer reiste zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im Jahr 2008 im Zuge seiner damaligen Erwerbstätigkeit als Berufskraftfahrer für ein ungarisches Unternehmen mit einem bis 31.03.2010 gültigen ungarischen Aufenthaltstitel in das Bundesgebiet ein. In weiterer Folge beschloss der Erstbeschwerdeführer aus wirtschaftlichen Gründen und zum Wohl seiner Kinder, sich in Österreich niederzulassen (vgl Entscheidungsprotokoll Erstanträge, AS 79 Erstbeschwerdeführer; schriftliche Stellungnahme vom 18.09.2015, AS 306 Erstbeschwerdeführer; Angaben Erstbeschwerdeführer, Verhandlungsprotokoll vom 27.02.2019, S 3 ff).
Der Erstbeschwerdeführer meldete mit 18.09.2008 unter seinem früheren Namen erstmals einen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet (vgl Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 01.10.2009, AS 6 Erstbeschwerdeführer).
Am 25.11.2008 stellte der Erstbeschwerdeführer beim Landeshauptmann von XXXX einen Erstantrag auf die Erteilung einer "Niederlassungsbewilligung - Angehöriger" (vgl AS 83 ff Erstbeschwerdeführer).
Der Antrag wurde vom Landeshauptmann mit Bescheid vom 09.12.2008 zurückgewiesen, da der Erstbeschwerdeführer dem Verbesserungsauftrag nicht nachgekommen und auch nicht zur persönlichen Vorsprache erschienen sei. Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 06.02.2009 stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben, da die erstinstanzliche Behörde dem Erstbeschwerdeführer tatsächlich keine Gelegenheit zur Behebung des Verfahrensmangels eingeräumt habe. Daraufhin war der Antrag des Erstbeschwerdeführers vom 25.11.2008 wieder unerledigt. Der Erstbeschwerdeführer wurde sodann neuerlich zur Verbesserung (persönliche Antragstellung durch persönliches Erscheinen bei der österreichischen Botschaft in Belgrad) aufgefordert. Dieser Aufforderung kam der Erstbeschwerdeführer neuerlich nicht nach, sodass der Landeshauptmann seinen Antrag vom 25.11.2008 neuerlich mit Bescheid vom 16.06.2009 zurückwies. Die dagegen neuerlich erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27.08.2009 abgewiesen. Dagegen erhob der Erstbeschwerdeführer eine Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof. Mit Beschluss des VwGH vom 24.02.2010 wurde dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde nicht stattgegeben. Mit Erkenntnis des VwGH vom 13.09.2011, 2010/22/0025, wurde der Beschwerde jedoch stattgegeben und der angefochtene Bescheid des Bundesministers für Inneres wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben. Der ursprüngliche Antrag des Erstbeschwerdeführers vom 25.11.2008 war daher neuerlich unerledigt (vgl aktenkundiger Bescheid des Amtes der XXXX Landesregierung vom 09.12.2008, AS 103 ff Erstbeschwerdeführer; Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 06.02.2009, AS 111 ff Erstbeschwerdeführer; Bescheid des Amtes der XXXX Landesregierung vom 16.06.2009, AS 80 ff Erstbeschwerdeführer; Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 27.08.2009, AS 2 ff Erstbeschwerdeführer; Beschluss des VwGH vom 24.02.2010, AS 130 Erstbeschwerdeführer, Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes XXXX vom 08.06.2015, XXXX, AS 268 ff).
Der Erstbeschwerdeführer wurde am 02.07.2009 im Zuge von Erhebungen der Finanzpolizei nach dem AuslBG bei einer illegalen Beschäftigung auf einer Baustelle betreten. Gegen die Dienstgeberin wurde deswegen ein Strafantrag vom 12.10.2009 wegen Übertretung von § 3 Abs. 1 iVm § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a AuslBG erhoben (vgl aktenkundiger Strafantrag vom 12.10.2009 samt Erhebungskonvolut der Finanzpolizei, AS 15 ff Erstbeschwerdeführer; Bescheid des Amtes der XXXX Landesregierung vom 17.12.2014, AS 266 Erstbeschwerdeführer).
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion (BPD) Wien vom XXXX2010 wurde über den Erstbeschwerdeführer infolge der Betretung bei einer illegalen Beschäftigung und seines unrechtmäßigen Aufenthalts gegen ihn ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von fünf Jahren erlassen (vgl aktenkundiger Bescheid, AS 138 ff Erstbeschwerdeführer). Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates XXXX vom 29.02.2012 insofern stattgegeben, als dass die Dauer des Aufenthaltsverbotes auf 18 Monate herabgesetzt wurde (vgl Bescheid des UVS, AS 234 ff Erstbeschwerdeführer). Das Aufenthaltsverbot war bis 01.01.2013 gültig (vgl AS 239 Erstbeschwerdeführer).
Der Erstbeschwerdeführer reiste am 01.07.2011 aus dem Bundesgebiet nach Serbien aus und ließ dort seinen Familiennamen ändern. Er heiratete dort am XXXX2011 neuerlich die Zweitbeschwerdeführerin, von welcher er sich zuvor bereits im Jahr 2009 hat scheiden lassen und reiste in der Folge mit dem geänderten Familiennamen wieder in das Bundesgebiet ein (vgl begründete Stellungnahme gemäß § 44b Abs. 2 NAG der LPDXXXX vom 31.07.2013, AS 246 ff Erstbeschwerdeführer; aktenkundige serbische Heiratsurkunde, AS 45 Zweitbeschwerdeführerin).
Mit Bescheid des Amtes der XXXX Landesregierung vom 07.11.2013 wurde der Antrag des Erstbeschwerdeführers vom 25.11.2008 als unzulässig zurückgewiesen. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes XXXX vom 15.07.2014, XXXX, stattgegeben und der Bescheid vom 07.11.2013 behoben. Daraufhin wurde mit Bescheid des Amtes der XXXX Landesregierung vom 17.12.2014 der Antrag des Erstbeschwerdeführers vom 25.11.2008 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung" gemäß § 43 Abs. 3 NAG abgewiesen (vgl AS 265 ff Erstbeschwerdeführer). Die dagegen neuerlich erhobene Beschwerde wurde schließlich mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes XXXX vom 08.06.2015, XXXX, abgewiesen (vgl aktenkundiges Erkenntnis, AS 268 ff Erstbeschwerdeführer).
Der Erstbeschwerdeführer verfügte im Bundesgebiet bisher weder über eine Aufenthaltsberechtigung noch eine Beschäftigungsbewilligung. Die genauen Zeitpunkte seiner Ein- und Ausreisen aus dem Bundesgebiet können mangels entsprechender Einreisestempel im Reisepass nicht abschließend festgestellt werden.
Der Erstbeschwerdeführer weist in seinen Sozialversicherungsdaten eine Beschäftigung als Arbeiter im Zeitraum von 18.08.2016 bis 28.07.2017 auf (vgl Sozialversicherungsdatenauszug vom 15.11.2017, AS 318 Erstbeschwerdeführer; Sozialversicherungsdatenauszug vom 27.02.2019).
Der Erstbeschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten (vgl Strafregisterauszug vom 27.02.2019).
Der Erstbeschwerdeführer ist in Deutschland geboren und hat dort die ersten Lebensmonate mit seinen Eltern verbracht, bevor diese wieder nach Serbien zurückkehrten. Er hat in Serbien acht Jahre die Grundschule und dann eine Ausbildung zum Konditor absolviert. Ein vom Erstbeschwerdeführer in Serbien geführtes Taxiunternehmen ging in Konkurs. Weiters hat der Beschwerdeführer eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer gemacht, diese am 09.11.2006 abgeschlossen und war vor seiner erstmaligen Einreise in das Bundesgebiet 2008 für ein ungarisches Speditionsunternehmen tätig. Der Vater des Erstbeschwerdeführers war Musiker und konnte mit seinem Einkommen die gesamte Familie versorgen. Der Vater ist aber bereits verstorben. In Serbien lebt noch die Mutter des Erstbeschwerdeführers. In Österreich lebt seit vielen Jahren auch ein Stiefbruder des Beschwerdeführers, der bereits seit langem österreichischer Staatsangehöriger ist. Er hat darüber hinaus noch viele weitere Verwandte in Österreich, denen seinen Angaben nach die österreichische Staatsangehörigkeit zukommt (vgl Angaben Erstbeschwerdeführer, Verhandlungsprotokoll vom 27.02.2019, S 3 ff;
in der Verhandlung am 27.02.2019 vorgelegtes Diplom vom 09.11.2006;
schriftliche Stellungnahme vom 15.03.2019, S 3).
Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung konnte der Erstbeschwerdeführer einen mit 11.02.2019 datierten Arbeitsvorvertrag eines Kleintransportunternehmens für eine unbefristete Beschäftigung als Fahrer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden und einem Netto-Lohn in Höhe von EUR 1.200,00 (14 Mal jährlich) sowie ein Deutschzertifikat auf Niveau A1 vom 10.12.2014 und ein weiteres auf Niveau A2 vom 13.02.2015 vorlegen. Der Erstbeschwerdeführer konnte die an ihn in der mündlichen Verhandlung auf Deutsch gerichteten Fragen verstehen, jedoch nicht auf Deutsch beantworten. Dass der Erstbeschwerdeführer über maßgebliche Deutsch-Kenntnisse verfügt, konnte daher nicht festgestellt werden (vgl Verhandlungsprotokoll vom 27.02.2019, S 4).
Der Erstbeschwerdeführer musste sich in Serbien im Jahr 2001 einer Schädel-Operation nach einem Trauma unterziehen. Am 24.06.2015 erlitt er im Bundesbiet einen Herzinfarkt und befand sich deswegen von 24.06.2015 bis 29.06.2015 in stationärer Behandlung im Krankenhaus, wobei ihm wegen eines Gefäß-Verschlusses im Rahmen einer koronaren Herzerkrankung im Zuge einer Koronarangiographie ein Stent eingesetzt wurde (vgl Patientenbrief vom 29.06.2015 des XXXX-Spitals). Aktuell nimmt der Erstbeschwerdeführer deswegen nach wie vor das Medikament Thrombo Ass, Beta-Blocker sowie ein Lebermedikament ein und geht alle drei Monate zur ärztlichen Kontrolle (vgl Angaben Erstbeschwerdeführer, Verhandlungsprotokoll vom 27.02.2019, S 5). Am 08.09.2016 wurde der Erstbeschwerdeführer wegen eines rezidivierenden Cholesteatom des linken Ohres bis zum Schläfenlappen operiert und befand sich deswegen von 05.09.2016 bis 14.09.2016 in stationärer Behandlung in der HNO-Abteilung (vgl Patientenbrief vom 14.09.2016 der Krankenanstalt XXXX). Dabei handelt es sich um eine Einwucherung von mehrschichtig verhornendem Plattenepithel ins Mittelohr, was zu einer chronischen Mittelohrentzündung aufgrund einer chronischen Knocheneiterung führt. Es kommt häufig zu Rezidiven nach operativer Entfernung (vgl https://de.wikipedia.org/wiki/Cholesteatom, Zugriff am 17.07.2019). Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer sich deswegen aktuell in medizinischer Behandlung befindet. Es konnte weiters nicht festgestellt werden, dass der Erstbeschwerdeführer in seiner Arbeitsfähigkeit eingeschränkt wäre oder, dass er an einer lebensbedrohlichen Erkrankung im Endstadium leidet, die in Serbien nicht behandelbar wäre.
Zur Zweitbeschwerdeführerin:
Auch die Zweitbeschwerdeführerin reiste zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt mit den beiden gemeinsamen Kindern der Beschwerdeführer in das Bundesgebiet ein und hielt sich hier zumindest seit 01.01.2010 auf (vgl Verlängerung des am 01.01.2010 mit der Zweitbeschwerdeführerin abgeschlossenen Mietvertrages, AS 42 Zweitbeschwerdeführerin). In ihrem Reisepass finden sich mehrere Ein-/Ausreisestempel nach Rumänien oder Ungarn, jedoch keine bezüglich österreichischer Grenzübertritte (vgl aktenkundige Kopie des Reisepasses, AS 51 ff Zweitbeschwerdeführerin).
Die Zweitbeschwerdeführerin weist im Bundesgebiet seit 12.01.2010 durchgehend einen Hauptwohnsitz auf (vgl Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 12.01.2010). Sie verfügte jedoch bisher unstrittig über keinen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet und demnach auch über keine Beschäftigungsbewilligung. Sie reiste mit den Kindern immer nur in den Schulferien nach Serbien (vgl Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes XXXX vom 08.06.2015, S 8 des Erkenntnisses, AS 275).
Die Zweitbeschwerdeführerin geht seit 01.01.2014 bis jedenfalls 27.02.2019 einer geringfügigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung als Arbeiterin nach und hat sich weiters im Rahmen der Selbstversicherung gemäß § 19a ASVG im selben Zeitraum auch in der Krankenversicherung selbstversichert (vgl Sozialversicherungsdatenauszug vom 27.02.2019). Im Rahmen ihrer geringfügigen Beschäftigung ist die Zweitbeschwerdeführerin als Reinigungskraft tätig (vgl Angaben Zweitbeschwerdeführerin, Verhandlungsprotokoll vom 27.02.2019, S 5).
Die Zweitbeschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten (vgl Strafregisterauszug vom 27.02.2019).
Die Zweitbeschwerdeführerin hat in Serbien die Schule besucht und dort bereits vier Jahre Deutsch-Unterricht in der Schule gehabt. Sie konnte die im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung auf Deutsch an sie gerichteten Fragen verstehen und einfache Fragen auf Deutsch beantworten. Dass die Zweitbeschwerdeführerin über maßgebliche Deutschkenntnisse verfügt, konnte nicht festgestellt werden (vgl Verhandlungsprotokoll vom 27.02.2019, S 5). Weiters hat die Zweitbeschwerdeführerin in einer serbischen Erwachsenenbildungseinrichtung ein Diplom für den Beruf "selbstständige Händlerin" erworben (vgl vorgelegtes Diplom vom 04.06.2003).
Im September 2017 wurde bei der Zweitbeschwerdeführerin ein Langzeit-EKG durchgeführt, in dessen Rahmen leichte Herzrhythmusstörungen festgestellt wurden (vgl vorgelegter Holter-Befund vom 15.09.2017). Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Zweitbeschwerdeführerin deswegen aktuell in medizinischer Behandlung wäre oder ob ihre Leistungsfähigkeit in irgendeiner Weise beeinträchtig wird. Die Zweitbeschwerdeführerin ist jedenfalls eigenen Angaben nach arbeitsfähig. Es konnte zudem nicht festgestellt werden, dass sie an einer tödlichen Erkrankung im Endstadium leidet, die in Serbien nicht behandelbar wäre.
In Serbien lebten die Beschwerdeführer mit ihren Kindern im Haus des Großvaters der Zweitbeschwerdeführerin und können sie dieses Haus auch weiterhin nützen. Über ein eigenes Haus in Serbien verfügen die Beschwerdeführer nicht (vgl Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes XXXX vom 08.06.2015, S 9).
Der noch in Serbien lebende Großvater der Zweitbeschwerdeführerin sowie auch ihre Großmutter beziehen unter anderem jeweils eine Pension aus ihrem Aufenthalt in Deutschland (zum 01.07.2017 in Höhe von monatlich EUR 686,92 (Großvater) und EUR 630,32 (Großmutter). Er unterstützt die Beschwerdeführer und ihre Kinder mit einem Betrag von monatlich EUR 1.100,00 (vgl Erstantrag der Zweitbeschwerdeführerin auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG vom 12.11.2015, AS 3 Zweitbeschwerdeführerin; notariell beglaubigte Erklärung des Großvaters vom 26.10.2017, AS 37 ff Zweitbeschwerdeführerin; aktenkundige Schreiben der Deutschen Rentenversicherung, AS 49 ff Zweitbeschwerdeführerin). Auch der österreichische Stiefbruder des Erstbeschwerdeführers hat diesen zu Beginn seines Aufenthalts in Österreich mit monatlich EUR 800,00 unterstützt, tut dies seit mehreren Jahren jedoch nicht mehr (vgl Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes XXXX vom 08.06.2015, S 9).
Auch in Österreich leben die Beschwerdeführer seit mehreren Jahren im gemeinsamen Haushalt mit ihren Kindern, wobei die Zweitbeschwerdeführerin jeweils als Mieterin der gemeinsamen Wohnung auftritt. Es handelt sich aktuell um einen befristeten Mietvertrag von 01.07.2018 bis 30.06.2021 für eine Wohnung mit 39m². Zuletzt betrug die Monatsmiete EUR 450,00 (vorgelegter Mietvertrag vom 18.07.2018).
Maßgebliche Anhaltspunkte für eine berücksichtigungswürdige Integration der Beschwerdeführer in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht liegen nicht vor.
Zur Lage entscheidungsrelevanten Lage in Serbien:
Es wird festgestellt, dass die Republik Serbien seit 01.07.2009 aufgrund der Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009 idF BGBl. II Nr. 130/2018, als sicherer Herkunftsstaat gilt.
Aus den im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung in das Verfahren eingeführten Länderberichten des Auswärtigen Amtes vom 09.11.2017 ergibt sich:
"[...]
Zusammenfassung
Der bisherige Premierminister Aleksandar Vucic (Serbische Fortschrittspartei, SNS) wechselte nach gewonnener Präsidentschaftswahl (02.04.2017) Ende Mai 2017 in das laut Verfassung eher repräsentative Amt des Staatspräsidenten, ist aber weiter Serbiens starker Mann. Premierministerin der am 29.06.2017 neu gewählten Regierung ist die bisherige Ministerin für öffentliche Verwaltung, Ana Brnabic (parteilos), die den bisherigen pro-europäischen Kurs der Regierung fortsetzt. Sie ist die erste offen homosexuell lebende Regierungschefin auf dem Balkan.
Im März 2012 wurde Serbien offiziell der Status eines Beitrittskandidaten verliehen. Am 21.01.2014 nahmen EU und Serbien Beitrittsverhandlungen auf. Die ersten 10 Beitrittskapitel sind eröffnet. Serbien ist sicherer Herkunftsstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 3 GG, § 29a AsylG.
Serbien erkennt die Unabhängigkeit Kosovos nicht an; die am 08.11.2006 in Kraft getretene neue serbische Verfassung schreibt Kosovo als Teil des Landes fest. Mit dem Brüsseler Abkommen vom 19.4.2013 und dessen Umsetzung ist Serbien jedoch einen ersten Schritt in Richtung Normalisierung seiner Beziehungen zu Kosovo gegangen.
Seit den Parlamentswahlen vom 24.04.2016 sind neben pro-europäischen auch antieuropäische, prorussische Parteien im Parlament vertreten. Die Regierung strebt weiterhin ambitionierte Reformen (Wirtschaft, Justiz, Verwaltung) im Zuge des EUBeitrittsprozesses an und investiert in die Verbesserung regionaler Beziehungen. Eine aktive, gesellschaftspolitisch bestimmende Auseinandersetzung mit der autoritären Vergangenheit und der Rolle Serbiens in den Balkankriegen der 1990er Jahre findet jedoch nicht statt.
Zum 26.3.2009 trat ein allgemeines Antidiskriminierungsgesetz in Kraft. Faktisch kommt Diskriminierung jedoch weiter vor, u.a. von Angehörigen ethnischer Minderheiten, insbes. Roma, oder von Menschen mit Behinderung. Im Juni 2013 wurde eine Strategie zur Vermeidung von und Schutz vor Diskriminierung (2013-2018) verabschiedet.
Die wirtschaftliche Lage in Serbien ist schwierig. Zwar wächst die Wirtschaft langsam, aber Kaufkraft und Nettodurchschnittseinkommen (2016: 375 Euro) sind niedrig. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln ist jedoch uneingeschränkt gewährleistet. Eine medizinische Grundversorgung ist gegeben, doch entspricht sie nicht westeuropäischem Standard. Die Korruption im Gesundheitswesen stellt ein Problem dar.
I. Allgemeine politische Lage
1. Überblick
Nach der Unabhängigkeitserklärung Montenegros im Juni 2006 trat die bisherige Republik Serbien die Rechtsnachfolge der untergegangenen Staatenunion an. Am 30.09.2006 verabschiedete das Parlament der Republik Serbien eine neue Verfassung, die am 08.11.2006 in Kraft trat. Am 17.02.2008 erklärte sich die vormalige serbische Provinz Kosovo für unabhängig. Serbien erkennt die Unabhängigkeitserklärung Kosovos nicht an.
Am 22.12.2009 stellte Serbien einen EU-Beitrittsantrag. Im März 2012 wurde Serbien offiziell der Status eines Beitrittskandidaten verliehen. Am 21.01.2014 wurden EU-Beitrittsverhandlungen mit Serbien aufgenommen. Im Dezember 2015 wurden die EU-Verhandlungskapitel 35 (Kosovo) und 32 (Finanzkontrolle) eröffnet. Im Juli 2016 wurden die zwei Rechtstaatlichkeitskapitel 23 und 24 eröffnet. Seit dem 29.06.2017 ist die neue Regierung unter Premierministerin Brnabic im Amt. Diese bekennt sich weiterhin zum EU-Kurs des Landes, problematisch bleibt aber die Normalisierung des Verhältnisses zu Kosovo. Der Dialogprozess mit Kosovo wurde im Herbst 2012 unter Vermittlung der damaligen Hohen Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik, Lady Ashton, wieder aufgenommen. Am 19. April 2013 wurde ein erstes Abkommen zur Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo geschlossen. Die Umsetzung ist allerdings deutlich ins Stocken geraten und kommt kaum voran.
Unverändert ist der innenpolitische Umgang mit dem Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (IStGHJ) und seinen Entscheidungen nicht von der gebotenen Zurückhaltung und Respekt geprägt. So wurde die Verurteilung Radovan Karadzics von vielen Serben und der Boulevardpresse als Demütigung des serbischen Volkes interpretiert, während der Freispruch des rechtsradikalen Politikers Vojislav Seselj vielfach als "Freispruch für Serbien" begrüßt wurde. Im Juli 2013 hat der 2010 geschaffene Internationale Residualmechanismus für die Ad-hocStrafgerichtshöfe (Mechanism for International Criminal Tribunals, MICT), der im Wesentlichen die Tätigkeit des IStGHJ zum Abschluss bringen soll, seine Arbeit aufgenommen. Es ist derzeit noch zu früh, über die Zusammenarbeit Serbiens mit dem MICT eine belastbare Aussage zu treffen; der IStGHJ-Chefankläger Brammertz hatte noch 2016 die unzureichende Kooperation Serbiens mit dem Gerichtshof gerügt.
Traditionelle Machteliten aus der Zeit des Miloševic-Regimes üben erheblichen Einfluss aus. Die Transition zu einem System, in dem Institutionen, nicht Einzelpersonen, die Staatsgewalt obliegt, ist in Serbien noch nicht abgeschlossen.
Seit Sommer 2014 hat die serbische Regierung Wirtschaftsreformgesetze verabschiedet, darunter das Arbeits-, Insolvenz-, Privatisierungs- und Baugenehmigungsgesetz. Die Wirtschaftsreformen entsprechen den Empfehlungen des IWF, der jedoch v. a. bei strukturellen Reformen noch Nachholbedarf sieht. Die Privatisierung von Staatsunternehmen und die Schaffung neuer Arbeitsplätze kommen langsam voran. Die wirtschaftliche und soziale Lage eines Großteils der Bevölkerung ist nach wie vor schlecht, das Durchschnittseinkommen liegt deutlich unter dem der EU (Nettodurchschnittseinkommen 2016: 375 Euro). Die Arbeitslosenrate ist von 17,7% 2015 auf 15,3% 2016 gesunken, gerade die Arbeitslosenquote bei Jugendlichen mit rund 30% bleibt aber weiterhin hoch. Dies führt dazu, dass viele junge Leute auswandern. Viele Familien leben ausschließlich von Überweisungen aus dem Ausland. Das serbische Gesundheitswesen ist marode und für Korruption anfällig. Zugang zu notwendigen Behandlungen ist oftmals nur über persönliche Beziehungen oder nach Zahlung finanzieller Zuwendungen möglich. Wer es sich leisten kann, lässt sich im Ausland behandeln oder importiert Medikamente privat.
Die Verfassung Serbiens von 2006 garantiert Menschenrechte und Grundfreiheiten, die mit ca. einem Drittel der Bestimmungen breiten Raum einnehmen.
2. Freie Wahlen
Die Freiheit der Kandidatur wird respektiert, die Freiheit des Wahlkampfs nicht staatlich behindert. Wahlwerbung in den Medien ist für Regierungsparteien uneingeschränkt möglich, für Parteien und Kandidaten der Opposition hingegen - auch aus finanziellen Gründen - eingeschränkt. Im April 2017 fanden Präsidentschaftswahlen (Wahlbeteiligung 54,1 %) statt. Aus ihnen ging Aleksandar Vucic als Kandidat der Serbischen Fortschrittspartei (SNS,) bereits im ersten Wahlgang mit 57 % als Sieger hervor, gefolgt vom ebenfalls proeuropäischen ExOmbudsmann Sasa Jankovic (14,9%) und der satirischen Kunstfigur "Beli" ("der Weiße"; 9,0%). Die zersplitterte proeuropäische Opposition hatte es nicht vermocht, einen gemeinsamen Kandidaten aufzustellen. Die OSZE-Wahlbeobachter bescheinigten dem Wahltag am 02.04.2017 selbst einen weitgehend ordnungsgemäßen Verlauf; kritisierten jedoch die völlige Mediendominanz des damaligen Premier und Präsidentschaftskandidaten Vucic im Wahlkampf und mahnten Änderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen an. Dringend geboten ist die Aktualisierung der Wählerverzeichnisse, die völlig veraltet sind. Mitunter setzten Parteien Wähler unter Druck.
3. Politisches System
Serbien verfügt über ein Mehrparteiensystem, das neben der regierenden SNS weitere proeuropäische Parteien, aber auch nationalistische und prorussisch-antieuropäische Parteien, Minderheitenparteien und andere kleine Parteien umfasst. Nach dem Wechsel von Aleksandar Vucic vom Amt des Ministerpräsidenten ins Amt des Staatspräsidenten ist Letzteres de facto erstarkt.
4. Gewaltenteilung
Art. 4 der serbischen Verfassung postuliert in den Absätzen 2 und 3 ausdrücklich das Prinzip der Gewaltenteilung, in Absatz 4 die Unabhängigkeit der Justiz. Weitreichende Befugnisse hat der Hohe Justizrat - ihm gehören elf Mitglieder an, darunter ex officio der Justizminister, der Vorsitzende des zuständigen Parlamentsausschusses und der Präsident des Obersten Kassationsgerichts (die übrigen Mitglieder werden vom Parlament gewählt). Zu den Aufgaben des Justizrats gehören die Ernennung und Entlassung von Richtern; auch hat er das alleinige Vorschlagsrecht hinsichtlich der Ernennung aller Gerichtspräsidenten einschließlich des Obersten Kassationsgerichts (Wahl durch Parlament auf Vorschlag des Hohen Justizrates, Art. 147, 148, 154).
Die Unabhängigkeit der Gerichte ist nicht durchgängig gewährleistet. Dies liegt allerdings nicht nur an direktem oder mittelbarem Druck, sondern ebenso an dem schwach entwickelten gesellschaftlichen Bewusstsein für Rolle und Funktion einer unabhängigen Justiz. Hier konnte auch eine zum 01.01.2010 in Kraft getretene umfassende Justizreform keine Abhilfe schaffen.
Im Juli 2013 wurde daraufhin eine neue Justizreformstrategie verabschiedet, an deren Umsetzung schrittweise und eher langsam gearbeitet wird.
5. Rolle und Arbeitsweise der Sicherheitsbehörden und des Militärs
Die Bevölkerung hat die Möglichkeit, sich wegen rechtswidriger Akte der Sicherheitsdienste an den serbischen Ombudsmann oder den serbischen Datenschutzbeauftragten zu wenden. Über Verschleppungen oder Folter von Gefangenen durch den Staatssicherheitsdienst wurde seit dem Jahr 2000 nicht mehr berichtet.
Die Reformen im Bereich der Nachrichtendienste - des zivilen Nachrichtendienstes BIA und der beiden militärischen Dienste - gehen weiter. Der Verteidigungsminister kontrolliert die beiden militärischen Nachrichtendienste (Militärischer Abwehrdienst VBA und Militärischer Aufklärungsdienst VOA). Der Posten des Koordinators der Sicherheitsdienste ist noch vakant und wird derzeit von der Premierministerin Brnabic ausgeübt.
II. Asylrelevante Tatsachen
1. Staatliche Repressionen
Es liegen keine Anzeichen für staatliche Repressionen vor. Serbien ist als sicherer Herkunftsstaat im Sinne von Art. 16a Abs. 3 GG (BGBl 2014 Teil I Nr. 49 vom 5.11.2014) eingestuft.
1.1 Politische Opposition
Die politische Opposition kann sich frei betätigen. Sie erhält jedoch im Vergleich zur Regierungspartei SNS von Präsident Vucic deutlich weniger Möglichkeiten für öffentlichkeitswirksame Auftritte sowie Platz in den Medien.
1.2. Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Meinungs- und Pressefreiheit
Versammlungsfreiheit ist in Serbien gewährleistet. Unrühmliche Ausnahme stellte in der Vergangenheit das mehrfache Verbot (2009, 2011, 2012 und 2013) der LGBT-Demonstration "Pride Parade" durch den Nationalen Sicherheitsrat dar, mit der Begründung, die Regierung sei nicht in der Lage, die friedlichen Demonstranten vor Angriffen rechter Gruppen zu schützen. Seit 2014 fand die Parade jedoch jährlich - zwar unter z. T. massivem Aufgebot der Sicherheitskräfte und quasi Ausschluss der Öffentlichkeit, dafür aber ohne Beeinträchtigungen - statt.
Vereinigungsfreiheit ist verfassungsmäßig gewährleistet mit Einschränkungen für paramilitärische, verfassungsfeindliche oder menschen- und minderheitenrechtsfeindliche Vereinigungen. Veranstaltungen neo-nazistischer oder faschistischer Organisationen und die Verwendung solcher Symbole sind gesetzlich verboten. Seit 2010 existiert eine Regierungsstelle für die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft.
Die Medienfreiheit in Serbien weist deutliche Defizite auf. Entscheidungsträger beeinflussen durch undurchsichtige Eigentumsverhältnisse, Entscheidungsrecht über staatliche Medienfinanzierung sowie Kontrolle des Anzeigenmarktes nahezu alle Fernseh- und Radiosender und Tageszeitungen. Der Staat bzw. Staatsunternehmen bezuschussen bestimmte Medien, indem sie Anzeigen über wenige politiknahe PR-Pools schalten. Dies verzerrt den Medienmarkt und verstärkt Selbstzensur unter Journalisten. Daher existiert zwar ein gewisser Meinungspluralismus in Serbien, es gibt jedoch kaum wirklich unabhängige Medien und Journalisten. Journalisten werden schlecht bezahlt - journalistische Standards sind stark ausbaufähig. Daher sind wichtige Rahmenbedingungen für eine freie, kritische Berichterstattung sowie die Rolle der Medien als "Vierter Gewalt" nicht erfüllt.
Die Regierung und andere Politiker werten Kritik(er)/kritische Berichterstattung nicht immer als wichtiges Element eines demokratischen Staats, sondern als Angriff.
Die Medienlandschaft ist dennoch grundsätzlich pluralistisch. Journalisten und Redaktionen sehen sich dabei aber weiterhin Anschuldigungen von Politikern der jeweils anderen Seite ausgesetzt. Im Berichtszeitraum kam es zu verbalen Angriffen, inkl. Drohungen, auf Journalisten. Nur wenige Fälle verbaler Angriffe und Drohungen gegen Journalisten werden vor Gericht gebracht.
1.3. Minderheiten
Serbien hat das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten sowie die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarats ratifiziert. Die serbische Verfassung enthält ausführliche Bestimmungen zum Schutz nationaler Minderheiten. Die Minderheitengesetzgebung entspricht internationalem Standard. Die serbische Regierung hat Anfang März 2016 einen Aktionsplan für Minderheiten (als Teil des Aktionsplans zum EUVerhandlungskapitel) verabschiedet.
Ein am 26.03.2009 verabschiedetes allgemeines Antidiskriminierungsgesetz stärkt u.a. auch die Rechte nationaler Minderheiten. Probleme ergeben sich aber immer wieder bei der Implementierung. In der serbischen Öffentlichkeit sind Vorbehalte und Vorurteile gegen Angehörige bestimmter Minderheiten (Roma, Albaner, Bosniaken, LGBT) unverändert weit verbreitet. Allerdings sind in bestimmten Bereichen auch Fortschritte zu verzeichnen (z.B. höhere Einschulungsquote von Roma-Kindern, Einsatz pädagogischer Assistenten und Roma-Mediatorinnen oder Anerkennung von Schulbüchern in Minderheitensprachen).
In Serbien gibt es 20 nationale und ethnische Minderheiten mit mehr als 2000 Angehörigen. Aus der letzten Volkszählung 2011 ergibt sich, dass rund 1 Mio. (von 7,18 Mio.) einer Minderheit angehören, darunter 4.064 Angehörige der deutschen Minderheit. Laut OSZE bezeichnen die meisten Minderheitenvertreter ihre eigene Situation als grundsätzlich zufriedenstellend.
Zu den Aufgaben des Mitte 2007 erstmals gewählten Ombudsmannes (seit 20.07.2017 Zoran Pasalic) gehört ausdrücklich auch das Eintreten für Minderheitenrechte. Seit 2003 bestehen nationale Minderheitenräte, die die Interessen ihrer Volksgruppen vertreten.
1.3.1. Wojwodina
Die im Norden der Republik Serbien gelegene Provinz Wojwodina zeichnet sich durch eine eigenständige, durch jahrhundertealte Koexistenz der Serben mit verschiedenen nationalen Minderheiten (u.a. Ungarn, Rumänen, Ruthenen, Kroaten, Deutschen) geprägte Tradition aus. Die Verfassung von 2006 schreibt die Autonomie der Wojwodina fest. Das erstmals am 30.11.2009 verabschiedete Wojwodina-Statut wurde am 22.05.2014 in einer neuen Fassung verabschiedet.
Die Lage der Minderheiten hat sich unabhängig von der Autonomieproblematik weitgehend normalisiert. Berichte über vereinzelte verbale und auch physische Übergriffe auf Angehörige ethnischer Minderheiten liegen jedoch auch für die Wojwodina vor.
1.3.2. Südserbien
In der mehrheitlich von ethnischen Albanern bewohnten Grenzregion Südserbiens zu Kosovo (Gebiet der Gemeinden Bujanovac, Preševo, Medvedja) hat sich die Lage beruhigt. Trotz Bemühungen sind ethnische Albaner im Justizwesen, Polizei und öffentlichen Sektor in der Region weiterhin unterrepräsentiert. Im November 2013 wurden Gesetze verabschiedet, die die Sitze und örtlichen Zuständigkeiten von Gerichten und Staatsanwaltschaften neu regeln. Die albanische Minderheit kritisiert, die mehrheitlich albanisch besiedelten südserbischen Gemeinden würden durch die Neuregelung schlechter gestellt. Die albanische Minderheit ist seit den Parlamentswahlen vom 21.01.2007 im serbischen Parlament vertreten. In den albanischen Siedlungsgebieten ist eine multiethnische Polizeitruppe im Aufbau. Dank dieser Entwicklung konnten auch die vom UNHCR durchgeführten Rückkehrprogramme für Albaner, die aus Südserbien nach Kosovo geflohen waren, erfolgreich abgeschlossen werden.
Wie viele Albaner genau in Serbien leben, steht nicht fest, da die albanische Minderheit den Zensus 2011 boykottiert hat.
1.3.3. Sandžak
Die Lage der ethnischen Bosniaken (Muslime), die überwiegend in der südwestserbischen Region Sandžak leben, entwickelt sich im Hinblick auf Rechtslage und politische Repräsentanz positiv. Hinweise auf gezielte staatliche Repressionen gegen Bosniaken gibt es nicht.
1.3.4. Roma
Beim Zensus 2011 haben in Serbien knapp 150.000 Personen erklärt, sie seien Angehörige der Roma-Minderheit. Die tatsächliche Zahl dürfte laut Schätzungen der OSZE zwischen 300.000 und 500.000 liegen (Schätzungen von Roma-Verbänden gehen teilweise von 700.000 bis 800.000 aus). Die Roma sind die drittgrößte Minderheit in Serbien. Es gibt ca. 600 Roma-Siedlungen in Serbien. Problematisch ist, dass die Roma-Minderheit in sich zerstritten ist (z.B. Zwist zwischen Roma-Minderheitenrat und Vorsitz Roma-Dekade etc.). Diese Thematik hat dazu beigetragen, dass seit der Parlamentswahl vom 16.03.2014 kein Angehöriger der Roma-Minderheit mehr im Parlament vertreten ist (vorherige Legislaturperiode: ein Abgeordneter).
Es gibt keinerlei Anzeichen f