TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/30 W252 2157995-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.08.2019
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Entscheidungsdatum

30.08.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W252 2157995-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Elisabeth SCHMUT LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Äthiopien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.04.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der BF, ein männlicher Staatsangehöriger Äthiopiens, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 07.07.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Der BF wurde hierzu am 18.07.2015 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich erstbefragt. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er äthiopischer Staatsangehöriger sei, der Volksgruppe der Oromo angehöre und muslimischen Glaubens sei. Er habe am 05.05.2015 an einer friedlichen Demonstration gegen die Enteignung von Dörfern und landwirtschaftlichen Grundstücken durch die Regierung teilgenommen, da die Regierung die Grundstücke und Dörfer an Private verkauft habe. Die Dörfer befinden sich in der Provinz Oromo, die normalerweise von den Oromo verwaltet werden. Er sei daraufhin festgenommen und fünf Monate inhaftiert worden. Während der Inhaftierung sei der BF gefoltert worden. Am 05.11.2014 sei er freigelassen worden. Da es zuvor Wahlen gegeben habe, hätten sie wieder begonnen, ehemalige Gefangene einzusperren. Als sein Bruder davon gehört habe, hätten sie entschieden, das Land zu verlassen.

3. Am 21.11.2016 fand eine Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) statt. Zu seinen Fluchtgründen gab er im Wesentlichen an, dass es dort wo er gewohnt habe einen Stadterweiterungsplan gegeben habe. Er und die Oromo, denen er angehöre, hätten dagegen am 02.04.2014 friedlich demonstriert und sei der BF der Wortführer gewesen. Die Polizei habe Tränengas eingesetzt und versucht die Demonstration aufzulösen. Es sei der Polizei gelungen, die Demonstration aufzulösen und seien daraufhin viele Leute verhaftet worden. Der BF selbst habe sich versteckt, jedoch habe die Polizei nach ihm gesucht. Ca. ein Monat danach habe die Polizei ihn gefunden und verhaftet. Er sei sechs Monate eingesperrt gewesen.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Äthiopien (Spruchpunkt II.) ab und erteilte dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen. Gegen den BF wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Äthiopien zulässig sei (Spruchpunkt III.) Es wurde eine vierzehntägige Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt IV.).

5. Der BF erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 07.02.2019 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Amharisch und im Beisein des Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher der BF u.a. ausführlich zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat, seinen Fluchtgründen und seiner Integration in Österreich befragt wurde.

7. Mit Eingabe vom 18.02.2019 übermittelte der BF durch seine Rechtsberatung eine Stellungnahme zu den in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht eingebrachten Länderberichtsmaterial und zur gesundheitlichen Situation des BF.

8. Mit Email vom 22.08.2019 übermittelte der BF durch seine Rechtsberatung ein Unterstützungsschreiben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der BF führt den im Spruch genannten Namen und das im Spruch genannte Geburtsdatum. Er ist äthiopische Staatsangehörige, gehört der Ethnie der Oromo an, und bekennt sich zum muslimischen Glauben. Er spricht Amharisch und Oromo als Muttersprache (AS 3, 41-42; OZ 12, S. 6). Er ist in seinem Herkunftsland kein Mitglied einer politischen Partei oder einer anderen politischen Gruppierung (OZ 12, S. 7).

Der BF wurde in der Stadt XXXX geboren und lebte bis zu seiner Ausreise nach Europa dort. Er besuchte im Herkunftsstaat bis zur 12. Klasse eine Schule. Er verkaufte während der Schulzeit Gemüse im Geschäft seines Bruders und war auch Volkstänzer. Der Lebensunterhalt der Familie wurde durch den Bruder gesichert, der Lebensmittel verkauft (AS 41; OZ 12, S. 6).

Im Herkunftsland leben noch zwei Schwestern, drei Brüder sowie die Mutter des BF (AS 41; OZ 12, S. 6).

Der BF stellte gegenständlichen Asylantrag im Bundesgebiet am 07.07.2015 (AS 5).

Der BF hat im Bundesgebiet Deutschkurse besucht und das ÖSD Zertifikat der Niveaustufe A1 absolviert. Er kann die ihm gestellten Fragen in gutem Deutsch beantworten (AS 12, S. 7). Er lebt im Bundesgebiet von der Grundversorgung, engagiert sich bei der Caritas und verkauft gelegentliche Zeitungen. Der BF ist kein Mitglied in einem Verein, hat aber Kontakt zur österreichischen Bevölkerung im Dorf seines steirischen Grundversorgungsquartiers (AS 12, S. 7-8).

Der BF leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, er ist gesund und arbeitsfähig (OZ 12, S. 4, Entlassungsbrief KH Bamherzigen Brüder Graz vom 14.05.2019).

Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Das von dem BF ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

Der BF ist nicht aufgrund seines politischen Engagements, konkret der Teilnahme an Demonstrationen gegen die Enteignung der Grundstücke der Oromo, in Äthiopien inhaftiert und gefoltert worden.

Der BF hat Äthiopien nicht aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität, vor Inhaftierung oder unmenschlicher Behandlung oder aus Furcht wegen Lebensgefahr verlassen.

Dem BF droht bei einer Rückkehr nach Äthiopien nicht die Ausübung von psychischer und/oder physischer Gewalt durch Behörden, die Regierung, die Polizei oder durch andere Personen.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:

Bei einer Rückkehr nach Äthiopien und einer Ansiedelung in XXXX kann der BF seine grundlegenden und notwendigen Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und verfügt im Herkunftsland zudem über familiäre Beziehungen, zumal seine fünf Geschwister und sein Mutter in Äthiopien wohnhaft sind. Der BF könnte anfänglich bei seiner Familie wohnen und erneut im Lebensmittelgeschäft seines Bruders mitarbeiten.

Es ist dem BF möglich, nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt XXXX Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

1.4. Zur maßgeblichen Situation in Äthiopien:

Politische Lage:

Entsprechend der Verfassung ist Äthiopien ein föderaler und demokratischer Staat. Die Grenzen der Bundesstaaten orientieren sich an sprachlichen und ethnischen Grenzen sowie an Siedlungsgrenzen. Seit Mai 1991 regiert in Äthiopien die Ethiopian People's Revolutionary Democratic Front (EPRDF), die sich aus vier regionalen Parteien zusammensetzt: Tigray People's Liberation Front (TPLF), Amhara National Democratic Movement (ANDM), Oromo People's Democratic Organisation (OPDO) und Southern Ethiopian Peoples' Democratic Movement (SEPDM). Traditionellen Führungsanspruch in der EPRDF hat die TPLF, die zentrale Stellen des Machtapparates und der Wirtschaft unter ihre Kontrolle gebracht hat (AA 17.10.2018).

Auf allen administrativen Ebenen werden regelmäßig Wahlen durchgeführt, zu denen Oppositionsparteien zugelassen sind. Bei den Parlamentswahlen im Mai 2015 gewannen die regierende EPRDF und ihr nahestehende Parteien nach Mehrheitswahlrecht alle 547 Parlamentssitze. Auf allen administrativen Ebenen dominiert die EPRDF. Auch in den Regionalstaaten liegt das Übergewicht der Politikgestaltung weiter bei der Exekutive. Staat und Regierung bzw. Regierungspartei sind in der Praxis nicht eindeutig getrennt (AA 17.10.2018).

Äthiopien ist politisch sehr fragil (GIZ 9.2018). Zudem befindet sich das Land derzeit unter Premierminister Abiy Ahmed in einem politischen Wandel (GIZ 9.2018a). Abiy Ahmed kam im April 2018 nach dem Rücktritt von Hailemariam Desalegn an die Macht. Seitdem hat er den Ausnahmezustand des Landes beendet, politische Gefangene freigelassen, umstrittene Kabinettsmitglieder und Beamte entlassen, Verbote für Websites und sozialen Medien aufgehoben und ein Friedensabkommen mit dem benachbarten Eritrea geschlossen (RI 14.11.2018; vgl. EI 12.12.2018, JA 23.12.2018). Bereits seit Anfang des Jahres waren noch unter der Vorgängerregierung erste Schritte einer politischen Öffnung unternommen worden. In der ersten Jahreshälfte 2018 wurden ca. 25.000 teilweise aus politischen Gründen inhaftierte bzw. verdächtige Personen vorzeitig entlassen. Oppositionsparteien wurden eingeladen, aus dem Exil zurückzukehren, und wurden entkriminalisiert. Abiy Ahmed hat eine Kehrtwende weg von der repressiven Politik seiner Vorgänger vorgenommen. Er bemüht sich seit seinem Amtsantritt mit Erfolg für stärkeren zivilgesellschaftlichen Freiraum und hat die Praxis der Kriminalisierung von Oppositionellen und kritischen Medien de facto beendet. Im Mai 2018 gab es mehrere Dialogformate in Addis Abeba und der benachbarten Region Oromia, unter Beteiligung von Vertretern der Regierung, Opposition und Zivilgesellschaft. Abiy hat zudem angekündigt, dass die für 2020 angesetzten Wahlen frei und fair und ohne weitere Verzögerungen stattfinden sollen (AA 17.10.2018).

Unter der neuen Führung begann Äthiopien mit dem benachbarten Eritrea einen Friedensprozess hinsichtlich des seit 1998 andauernden Konfliktes (JA 23.12.2018). Im Juni 2018 kündigte die .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 5 von 38

äthiopische Regierung an, den Friedensvertrag mit Eritrea von 2002 vollständig zu akzeptieren (GIZ 9.2018a). Mithilfe der USA, Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate begann Abiy Ahmed Gespräche und begrüßte den eritreischen Präsidenten Isaias Afeworki im Juli 2018 in Addis Abeba (JA 23.12.2018). Nach gegenseitigen Staatsbesuchen sowie der Grenzöffnung erfolgte Mitte September 2018 die offizielle Unterzeichnung eines Freundschaftsvertrages zwischen den beiden Ländern (GIZ 9.2018a). Die Handels- und Flugverbindungen wurden wieder aufgenommen, und die UN-Sanktionen gegen Eritrea wurden aufgehoben (JA 23.12.2018).

Am 7.8.2018 unterzeichneten Vertreter der äthiopischen Regierung und der Oromo Liberation Front (OLF) in Asmara ein Versöhnungsabkommen und verkündeten am 12.8.2018 einen einseitigen Waffenstillstand (BAMF 13.8.2018). Am 15.9.2018 kehrten frühere Oromo-Rebellen aus dem Exil in die Hauptstadt Addis Abeba zurück. Die Führung der OLF kündigte an, nach der Aussöhnung mit der Regierung fortan einen friedlichen Kampf für Reformen führen zu wollen. Neben OLF-Chef Dawud Ibsa und anderen Funktionären kamen auch etwa 1.500 Kämpfer aus dem benachbarten Eritrea zurück. Obwohl die Feier von einer massiven Sicherheitspräsenz begleitet wurde, kam es zu Ausschreitungen (BAMF 17.9.2018). Nach offiziellen Angaben wurden nach den Ausschreitungen rund 1.200 Personen inhaftiert (BAMF 1.10.2018).

Abiy Ahmeds Entscheidung Frauen in Führungspositionen zu befördern, wurde weitgehend begrüßt. Die Hälfte der 20 Ministerposten der Regierung wurden an Frauen vergeben, darunter Schlüsselressorts wie das Ministerium für Handel und Industrie und das Verteidigungsministerium. Abiy hat u. a. die renommierte Menschenrechtsanwältin Meaza Ashenafi zur ranghöchsten Richterin des Landes ernannt, die ehemalige UNO-Beamtin Sahle-Work Zewde wurde einstimmig vom Parlament zur Präsidentin gewählt (BAMF 29.10.2018; vgl. BBC 18.11.2018, EZ 25.10.2018, GIZ 9.2018a). Die Präsidentin hat vor allem eine repräsentative Funktion, da die politische Macht beim Ministerpräsidenten liegt (BAMF 29.10.2018; vgl. BBC 18.11.2018). Aisha Mohammed ist nun Verteidigungsministerin, Muferiat Kamil Friedensministerin. Letzterer sind Polizei und Geheimdienste unterstellt. Die Ernennung der beiden Frauen ist auch deshalb historisch, weil es sich um Muslime aus ethnischen Minderheiten (Oromo) handelt, die noch nie zuvor so mächtige Ämter bekleideten. Ihre Anwesenheit im Kabinett hilft Abiy Ahmed nicht nur, Geschlechterparität zu erreichen, sondern auch, seine Unterstützungsbasis unter ethnischen Minderheiten und Muslimen zu erweitern, die sich manchmal über politische Ausgrenzung beklagen (BBC 18.11.2018).

Darüber hinaus ging die Regierung gegen Offizielle vor, die der Korruption und Rechtsverletzungen verdächtigt wurden. 60 Personen wurden verhaftet, darunter der ehemalige Leiter eines militärisch geführten Geschäftskonzerns und ehemalige stellvertretende Leiter des Geheimdienstes, Getachew Assefa. Dieser wurde wegen Korruption und Menschenrechtsverletzungen verhaftet (BBC 18.11.2018; vgl. EI 12.12.2018). Assefa war ein führendes Mitglied des Tigray-Flügels der regierenden EPRDF. Vertreter der EPRDF - darunter die Führung der TPLF - haben erklärt, dass es einen allgemeinen Konsens darüber gibt, dass Kriminelle vor Gericht gestellt werden sollten. Ältere Vertreter der TPLF fordern, dass derartige Verhaftungen nicht politisch motiviert und nur auf Tigray abzielen dürfen. Aktivisten von Tigray erachten die Verhaftungen allerdings als politisch motiviert - mit dem Ziel, die Tigray zu schwächen. Auf einen Protest in neun Großstädten in Tigray folgte am 8.12. und 9.12.2018 eine große Kundgebung in Mekele, bei der Zehntausende teilnahmen. Die Spannungen zwischen der Bundesregierung und der Region Tigray haben sich verschärft (EI 12.12.2018). Es bleibt abzuwarten, ob diese Säuberungen den Staat nicht zu destabilisieren drohen. Zudem sind die Gewaltkonflikte in den Regionen nach wie vor nicht unter Kontrolle, und Abiy weigert sich, Gewalt anzuwenden. Sein Ruf nach Ruhe und Einheit bleibt jedoch ungehört. Die Zahl der IDPs ist gestiegen, und die Gefahr einer Teilung des Landes bleibt nicht ausgeschlossen (JA 23.12.2018).

Seit seinem Amtsantritt im April 2018 als äthiopischer Premierminister, hat Abiy Ahmed tiefgreifende Reformen angeschoben. Trotzdem bleiben die Herausforderungen zahlreich. Die Restriktionen gegen Bürgerrechtsorganisationen sind noch nicht aufgehoben und das Antiterrorismusgesetz muss noch reformiert werden. Für seinen Umgang mit diesen fundamentalen Problemen steht der neue Premierminister in Kritik. Das Versprechen von freien Wahlen stößt auf die Realität eines Landes, das von einer Koalition von Rebellen kontrolliert wird - der EPRDF. Diese ist seit 1991 an der Macht und behält sämtliche Institutionen im Griff (SFH 5.12.2018).

Sicherheitslage:

Nach der Wahl eines neuen Premierministers hat sich die Sicherheitslage derzeit wieder beruhigt. Der im Februar 2018 ausgerufene Notstand wurde am 5.6.2018 vorzeitig beendet (AA 4.1.2019). Derzeit gibt es in keiner äthiopischen Region bürgerkriegsähnliche Zustände; die Konflikte zwischen Ethnien (z.B. Gambella, SNNPR, Oromo/Somali) haben keine derartige Intensität erreicht (AA 17.10.2018). Laut österreichischem Außenministerium gilt in Addis Abeba und den übrigen Landesteilen ein erhöhtes Sicherheitsrisiko (BMEIA 12.12.2018). Ein Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land (EDA 10.12.2018; vgl. BAMF 1.10.2018, BAMF 24.9.2018).

Im ganzen Land kann es bei Demonstrationen zu Ausschreitungen kommen und Gewaltanwendung nicht ausgeschlossen werden (BMEIA 12.12.2018). Die politischen und sozialen Spannungen können jederzeit zu gewalttätigen Demonstrationen, Plünderungen, Straßenblockaden und Streiks führen. Auch in Addis Abeba können gewalttätige Demonstrationen jederzeit vorkommen. Zum Beispiel haben Mitte September 2018 gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten verschiedener Lager sowie zwischen Demonstranten und Sicherheitskräfte zahlreiche Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 10.12.2018; vgl. BAMF 1.10.2018, BAMF 24.9.2018). Ende September 2018, sollen bei Protesten in Addis Abeba, 58 Menschen getötet worden sein, staatliche Stellen berichteten von 23 Toten. Die meisten Todesopfer habe es gegeben, als jugendliche Banden der Volksgruppe der Oromo am 16.9.2018 andere Ethnien angriffen. Zu weiteren Todesopfern kam es, als tausende Menschen gegen diese Gewaltwelle protestierten (BAMF 1.10.2018; vgl. BAMF 24.9.2018).

Zusammenstöße zwischen den Gemeinschaften in den Regionen Oromia, SNNPR, Somali, Benishangul Gumuz, Amhara und Tigray haben sich fortgesetzt. Dort werden immer mehr .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 8 von 38

Menschen durch Gewalt vertrieben. Aufgrund der Ende September 2018 in der Region Benishangul Gumuz einsetzenden Gewalt wurden schätzungsweise 240.000 Menschen vertrieben (FEWS 29.11.2018).

Spannungen zwischen verschiedenen Volksgruppen und der Kampf um Wasser und Weideland können in den Migrationsgebieten der nomadisierenden Viehbesitzer im Tiefland zu gewaltsamen Auseinandersetzungen führen, die oft erst durch den Einsatz der Sicherheitskräfte beendet werden (EDA 10.12.2018).

Folter und unmenschliche Behandlung:

Die Verfassung verbietet Folter (AA 17.10.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Allerdings wird das in Verfassung verankerte Verbot in der Praxis unterlaufen (AA 17.10.2018). Der Premierminister hat eingestanden, dass Folter angewendet wird (HRW 19.10.2018). Es gibt glaubwürdige Berichte über die Anwendung von Folter bzw. Misshandlung und extralegale Hinrichtungen (AA 17.10.2018; vgl. USDOS 20.4.2018) während der Untersuchungshaft, durch Polizei, Militär und andere Mitglieder der Sicherheitskräfte, insbesondere in Fällen, in denen der Verdacht oppositioneller Tätigkeit oder der Mitgliedschaft in bewaffneten Oppositionsgruppen und ein vermuteter Zusammenhang mit Terrorismus bestehen (AA 17.10.2018). Mehrere Quellen berichteten von allgemeiner Misshandlung von Gefangenen in offiziellen Haftanstalten, in inoffiziellen Haftanstalten, Polizeistationen und Bundesgefängnissen (USDOS 20.4.2018).

Eine Untersuchung derartiger Verbrechen findet in der Regel nicht statt (AA 17.10.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Mechanismen zur Untersuchung von Missbräuchen durch die Bundespolizei sind nicht bekannt und die Regierung gibt die Untersuchungsergebnisse nur selten öffentlich bekannt. Sie bemüht sich aber, Menschenrechtsschulungen für Polizei- und Militärschüler anzubieten (USDOS 20.4.2018). Eine adäquate und konsistente Reaktion der Behörden auf z. B. in Gerichtsverfahren geäußerte Folter- und Misshandlungsvorwürfe ist nicht zu erkennen. Es wird zudem berichtet, dass sich in Einzelfällen die Sicherheitsorgane oder andere Behörden über Gerichtsurteile hinweggesetzt haben sollen (z. B. im Somali Regional State/SRS) (AA 17.10.2018).

Ermittler des Menschenrechtsrates berichten, dass Gefängnisbeamte Häftlinge schlagen und foltern (USDOS 20.4.2018). Die zukünftige Praxis bleibt abzuwarten (AA 17.10.2018).

Todesstrafe:

Die Todesstrafe wurde in Äthiopien seit 1991 zweimal vollstreckt. Seit der letzten Hinrichtung im August 2007 herrscht ein de facto-Moratorium. Einige Gesetze, zum Beispiel das Strafgesetz und das Antiterrorgesetz, sehen nach wie vor die Todesstrafe vor (AA 4.2018a; vgl. AA 17.10.2018). Äthiopien gilt bezüglich der Todesstrafe als "abolitionist de facto" (CLS 20.12.2018). Ende Mai 2018 ist der zuletzt prominenteste Todeskandidat begnadigt worden, der als Führungsmitglied der damals als Terrorgruppe eingestuften Ginbot 7 verurteilte Andargachew Tsige (AA 17.10.2018).

Opposition:

Mit der Amtseinführung von Abiy Ahmed Ali als Premierminister wuchsen zunächst die Hoffnungen auf eine nationale Aussöhnung zwischen den ethnischen Gruppen. Abiy, selbst ethnischer Oromo, erteilte im Rahmen seiner Dialog- und Aussöhnungsstrategie einer OLF-zugehörigen Oppositionsgruppe Amnestie (GIZ 9.2018a). Oppositionsparteien wurden eingeladen, aus dem Exil zurückzukehren. Die Ogaden National Liberation Front (ONLF) und die Oromo Liberation Front (OLF) wurden entkriminalisiert (AA 17.10.2018). In der ersten Jahreshälfte 2018 wurden ca. 25.000 teilweise aus politischen Gründen inhaftierte bzw. verdächtige Personen vorzeitig entlassen (AA 17.10.2018; vgl. AA 4.2018a). Seit Anfang des Jahres sind über 7.000 größtenteils offensichtlich aus politischen Gründen Inhaftierte freigelassen worden, darunter der Oppositionsführer der Region Oromia, Merera Gudina, und sein Stellvertreter Bekele Gerba sowie andere, teilweise seit mehreren Jahren inhaftierte Regierungskritiker, die v.a. auf Grundlage der drakonischen Anti-Terror-Gesetzgebung verurteilt worden waren. Premierminister Abiy hat diese Politik fortgesetzt: Am 26.5.2018 ist der britische Staatsbürger Andargachew Tsige, Führungsmitglied der von Äthiopien als Terrorgruppe angesehenen Organisation "Ginbot 7", überraschend begnadigt worden. Am 30.5.2018 hat er sich, direkt nach seiner Freilassung, öffentlichkeitswirksam mit Premierminister Abiy getroffen. Gleichzeitig sind die bestehenden Anklagen gegen Ginbot 7-Chef Berhanu Nega sowie gegen den Leiter des aus Minnesota operierenden Oromia Media Network (OMN), Jawar Mohamed, fallengelassen worden. Alle drei Personen galten bislang als prominente Staatsfeinde. Schon eine öffentliche Sympathiebekundung für einen von ihnen hätte bis zum Amtsantritt von Abiy zu einer sofortigen Verhaftung geführt (AA 17.10.2018).

Am 7.8.2018 unterzeichneten Vertreter der äthiopischen Regierung und der OLF ein Versöhnungsabkommen. Die ONLF, die für eine Autonomie des in der Region Somali gelegenen Ogaden kämpft, verkündete am 12.8.2018 einen einseitigen Waffenstillstand (BAMF 13.8.2018).

Die Führung OLF kündigte an, nach der Aussöhnung mit der Regierung fortan einen friedlichen Kampf für Reformen führen zu wollen. Mehr als 20 Jahre hatte die OLF im Untergrund gewirkt und regelmäßig Anschläge begangen. Sie war deshalb auch als terroristische Vereinigung verboten. Am 15.9.2018 haben Zehntausende Menschen in der Hauptstadt Addis Abeba, die Rückkehr früherer Oromo-Rebellen aus dem Exil gefeiert. Neben Oromo-Chef Dawud Ibsa und anderen Funktionären kamen auch etwa 1.500 Kämpfer aus dem benachbarten Eritrea zurück. Obwohl die Feier von einer massiven Sicherheitspräsenz begleitet wurden, soll es vereinzelt zu Ausschreitungen zwischen der größten Volksgruppe in Äthiopien, den Oromo und Minderheiten gekommen sein (BAMF 17.9.2018; vgl. BAMF 1.10.2018); rund 1.200 Personen wurden verhaftet (BAMF 1.10.2018).

Die Neuaufteilung von ministeriellen Ressorts und die Neubesetzung seines Kabinetts, sowie seine Bereitschaft zum Dialog mit der Opposition, können als Zeichen politischer Veränderung gedeutet werden. Inwieweit Abiy Ahmed und die gesamte Regierung den massiven Herausforderungen tatsächlich gewachsen sind, bleibt aber abzuwarten. Nicht zu unterschätzen sind jedoch die Kräfte, die weiterhin gegen nationale Einigung und die Regierung arbeiten (GIZ 9.2018a).

Darüber hinaus, wurde es am 22.11.2018 ein starkes politisches Symbol an die Opposition übermittelt. Premierminister Abiy Ahmed kündigte die Ernennung von Birtukan Mideksa, zur Vorsitzenden der nationalen Wahlkommission [National Electoral Board of Ethiopia (NEBE)] an. Birtukan Mideksa kehrte Anfang November 2018 aus sieben Jahren Exil in den Vereinigten Staaten zurück (JA 22.11.2018).

Ethnische Minderheiten

Äthiopien ist ein Vielvölkerstaat mit einer großen Zahl von Ethnien und Sprachen. Die Anzahl ethnischer Gruppen wird mit mindestens 80, in einigen Quellen mit bis zu 120, angegeben. Die Sprachenvielfalt ist ebenso ausgeprägt. Diese sind entweder sehr klein, mit nur einigen tausend Menschen (z.B. Mursi) oder mit über 25 Millionen (z.B. Oromo) sehr groß (GIZ 9.2018c). Laut Volkszählung von 2007 sind Oromo mit 34,5% und Amharen mit 29,6% die zwei größten ethnischen Gruppen, gefolgt von Somali mit 6,2% und Tigray mit 6,1%. Die übrigen Ethnien machen zusammen gut 23% der Bevölkerung aus (GIZ 9.2018c; vgl. AA 4.2018, CIA 4.12.2018).

Auch wenn keine diskriminierende Gesetzgebung oder Verwaltungspraxis feststellbar ist, gibt es jedoch nicht verifizierbare Berichte, dass kleinere indigene Gruppen in der Praxis diskriminiert werden (AA 17.10.2018).

Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Ethnien werden teils gewaltsam ausgetragen, und weder die Zentralregierung noch lokale Behörden sind in allen Regionen in der Lage, Menschenrechte und demokratische Rechte permanent zu gewährleisten. Es kam z.B. bereits mehrfach zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen umgesiedelten Äthiopiern aus dem Hochland und der einheimischen Bevölkerung in Gambella (AA 17.10.2018). Im Sommer 2018 ist die Bilanz bezüglich ethnischer Versöhnung auch in anderen Teilen des Landes ernüchternd:

An der Grenze zwischen den Regionen Somali und Oromia kommt es immer wieder zu Gewaltexzessen, auch an der Grenze zwischen Oromia und der Southern Nations', Nationalities' and Peoples' Region (SNNPR) gibt es bewaffnete Auseinandersetzungen (GIZ 9.2018a).

Seit Juni 2018 sind bei Zusammenstößen zwischen Angehörigen unterschiedlicher Ethnien zahlreiche Personen getötet worden (EDA 10.12.2018). Es kam bereits in der Vergangenheit zu Zusammenstößen und zu Kämpfen z.B. zwischen den Gedeo und den Guji. Die Gedeo sind Landwirte, und die Guji sind traditionell Pastoralisten. Die Spannungen zwischen den beiden Gruppen konzentrierten sich auf Land, Grenzziehung und Rechte ethnischer Minderheiten (RI 11.2018), bzw. der Streit um Weideland und andere Ressourcen (WZ 16.12.2018).

In der Somali Region kam es auch zur Plünderung von Besitztümern ethnischer Minderheiten (DW 8.8.2018). Angriffe richteten sich gezielt gegen ethnische Nicht-Somalis und gegen orthodoxe .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 28 von 38

Kirchen (AA 17.10.2018). Am 12.11.2018 führte Gewalt zwischen den Gemeinschaften Gebra und Garre dazu, dass etwa 15.000 Menschen in der Stadt Moyale, einer Stadt, die sowohl zu Oromia als auch zu Somalia gehört, vertrieben wurden (UNOCHA 25.11.2018).

Mitte Dezember 2018, kam es erneut zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Volksgruppen der Somali- und Oromia Region (AA 4.1.2019; vgl. BAMF 17.12.2018; WZ 16.12.2018).

Die Polizei in Äthiopien berichtete, dass sie im Zuge von Untersuchungen angeblicher Gräueltaten des ehemaligen Regionalpräsidenten der Region Somali, Abdi Mohamed Omar, ein Massengrab mit 200 Leichen an der Grenze zwischen den Regionen Somali und Oromia gefunden hat (BBC 8.11.2018). Abdi Mohamed Omar wird beschuldigt, für Verhaftungen, Folter und Vergewaltigungen von Somali in der Region Somali verantwortlich gewesen zu sein. Zudem habe er den ethnischen Konflikt angeheizt, indem er Somali-Nomaden gegen Oromo-Bauern aufhetzte (BBC 8.11.2018; vgl. GfbV 9.11.2018).

Religionsfreiheit

Fast alle Äthiopier sind tief gläubige Menschen, für die ihr Glaube fester Bestandteil ihres Alltags ist. Die zwei größten Glaubensgemeinschaften sind die äthiopisch-orthodoxen Christen (ca. 43%) und überwiegend sunnitische Muslime (ca. 34%) (GIZ 9.2018c; vgl. AA 4.2018, CIA 4.12.2018). .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 25 von 38

Die übrigen 23% gehören überwiegend anderen christlichen Kirchen oder traditionellen Religionen an (GIZ 9.2018c). Die orthodoxe Kirche bildet in Äthiopien die größte einzelne Konfession im Land und herrscht besonders in den Regionen Tigray und Amhara sowie in einigen Teilen der Region Oromia vor. Die sunnitischen Muslime, die etwa ein Drittel der äthiopischen Bevölkerung ausmachen, sind in den Regionen Oromia, Somali und Afar vorherrschend. Evangelikale und pfingstkirchliche Christen stellen etwa 9% der Bevölkerung und leben hauptsächlich im Südwesten (ACN 2018).

Die Verfassung kodifiziert die Trennung von Religion und Staat, legt Religionsfreiheit fest, verbietet religiöse Diskriminierung und legt fest, dass die Regierung sich nicht in die Ausübung einer Religion einmischt und dass keine Religion in die Angelegenheiten des Staates eingreift (USDOS 29.5.2018; vgl. ACN 2018). Der Grundsatz der Trennung von Staat und Religion ist in Artikel 11 der äthiopischen Verfassung aus dem Jahr 1993 festgeschrieben. In Artikel 27 wird die Gewissens- und Religionsfreiheit aller äthiopischen Bürger anerkannt, einschließlich der Freiheit, die eigene Religion oder den eigenen Glauben, allein oder in Gemeinschaft, durch Gottesdienste, Einhaltung von Riten und Bräuchen und Lehre zu praktizieren und zu verbreiten. Die Verfassung untersagt die Erteilung von Religionsunterricht an Schulen, sowohl an öffentlichen als auch an privaten Schulen. In den meisten Kirchen und Moscheen ist der Religionsunterricht gestattet. Das Gesetz verbietet außerdem die Gründung politischer Parteien auf religiösen Grundlagen (ACN 2018).

Äthiopien ist für die friedliche Koexistenz der verschiedenen Glaubensgemeinschaften, vor allem für das friedliche Zusammenleben von Muslimen und Christen, bekannt (GIZ 9.2018c). Generell sind bislang keine nennenswerten interreligiösen Spannungen in Äthiopien zu verzeichnen (AA 4.2018a; vgl. ACN 2018). Im Allgemeinen können Glaubensgemeinschaften ihre Religion ohne größere Einschränkungen ausüben, obwohl einige Minderheiten über eine als diskriminierend empfundene Behandlung geklagt haben. Die Festnahme militanter Muslime und die Überwachung muslimischer Gemeinden durch den Staat scheinen ausschließlich auf den berechtigten Sicherheitsinteressen des Staates zu beruhen, nicht auf dem Wunsch, religiöse Aktivität zu unterbinden (ACN 2018).

Allerdings werden Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen religiösen Gruppen teils gewaltsam ausgetragen (AA 17.10.2018). In den Bundesstaaten Oromia und im Somali Regional State (SRS) schwelt ein international kaum wahrgenommener Konflikt (NZZ 16.8.2018). Die Gewalttätigkeiten sind religiös und ethnisch aufgeladen (AN 17.8.2018).

Am 4.8.2018 begannen interkommunale Auseinandersetzungen im SRS (UNOCHA 17.8.2018), als es in der somalischen Region Jijiga zu ethnischen Konflikten kam, bei denen rund 30 Menschen starben. Vor allem die äthiopisch-orthodoxe Kirche war von der Gewalt betroffen (Fides 8.8.2018). In der Region schwelt seit Jahrzehnten ein Konflikt um Landrechte und es kommt zu gewaltsamen, .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 26 von 38

ethnischen Spannungen, welche Hunderte Tote gefordert hat. Vonseiten der um Einfluss fürchtenden (muslimischen) Somali, gab es Angriffe auf christliche Einrichtungen. Die Oromo (größtenteils Christen) fielen wiederum durch gewaltsame Übergriffe auf Somali auf, beide Seiten vermeldeten zahlreiche Tote (NZZ 16.8.2018). Nach Angaben der lokalen Medien wurden mindestens sieben orthodoxe Kirchen angegriffen und in Brand gesteckt. Lokale Quellen sprachen von mindestens sechs ermordeten Priestern und mehreren getöteten Gläubigen (Fides 8.8.2918). Alleine in der Regionalhauptstadt Jijiga suchten rund 35.000 Personen Schutz in und um Kirchen. Andere flüchteten in Nachbarregionen, es kam zu einem Exodus von Bewohnern des SRS, die nicht ethnische Somali sind (UNOCHA 17.8.2018).

Am 23.1.2018 kamen eine Reihe von Menschen ums Leben, als es bei einer orthodoxen Zeremonie in der Stadt Woldiya etwa 500 km nördlich der Hauptstadt Addis Abeba zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Gottesdienstteilnehmern kam. Berichten zufolge begann während einer Prozession eine große Zahl junger Menschen, Parolen gegen die Regierung auszurufen. Laut offizieller Berichterstattung eröffneten Soldaten das Feuer, woraufhin Gewalt ausbrach und sieben Menschen starben. Andere Quellen geben die Zahl der Toten viel höher an - mit bis zu 35. Quellen vor Ort deuteten jedoch an, dass der Vorfall nicht im Zusammenhang mit Religion stand (ACN 2018).

Grundversorgung/Wirtschaft

Äthiopien ist bei etwa 92,7 Millionen Einwohnern mit einem jährlichen Brutto-National-Einkommen von etwa 927,4 US-Dollar pro Kopf eines der ärmsten Länder der Welt (AA 3.2018; vgl. GIZ 9.2018), auch wenn das Wirtschaftswachstum in den letzten zehn Jahren wesentlich über dem regionalen und internationalen Durchschnitt lag. Ein signifikanter Teil der Bevölkerung lebt unter der absoluten Armutsgrenze, das rasche Bevölkerungswachstum trägt zum Verharren in Armut bei (AA 3.2018). Äthiopien ist strukturell von Nahrungsmittelknappheit betroffen, ebenso wie von häufigen Überschwemmungen (GIZ 9.2018; vgl. RI 14.11.2018) und die Regierung steht noch vor enormen humanitären Herausforderungen. Das Land leidet immer noch unter den Auswirkungen der Dürre 2015-16, welche durch unterdurchschnittliche Niederschläge im Jahr 2017 verstärkt .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 33 von 38

wurden. Hunderttausende waren zur Flucht aus ihren Häusern gezwungen - vor allem im Süden und Südosten des Landes. Derzeit leiden fast 8 Millionen Menschen an einer unsicheren Nahrungsmittelversorgung und benötigen humanitäre Hilfe (RI 14.11.2018).

Viele Menschen können nicht lesen oder schreiben, sind nicht in die moderne Ökonomie eingebunden und haben nur unzureichenden Zugang zu medizinischer Versorgung (GIZ 9.2018).

Staatliche soziale Sicherungssysteme sind auf die Agenda der Regierung getreten: Mit der Arbeit an einer National Social Protection Policy hat die Arbeit an Themen wie Kindergeld, Alters- und Berufsunfähigkeitsrenten begonnen (GIZ 9.2018c).

Äthiopien ist traditionell ein Land der Landwirtschaft und Viehzucht, wandelt sich durch massive Anstrengungen in den letzten Jahrzehnten aber immer mehr zu einem Land mit aufstrebenden Dienstleistungs- und Industriesektoren. Die weitreichenden Reformen unter Premierminister Abiy Ahmed beinhalten auch Pläne, staatliche Unternehmen wie Ethiopian Airlines, den bisher einzigen Telekommunikationsanbieter Ethio Telecom sowie weitere staatliche Unternehmen teilweise oder vollständig zu privatisieren. Im Index of Economic Freedom von 2017 steht Äthiopien an Stelle 142 von 169 in der Welt. Beim Ibrahim Index of African Governance, der sich u.a. mit nachhaltigen Wirtschaftschancen befasst, liegt Äthiopien aktuell auf Platz 36 von 54. Die äthiopische Wirtschaftslage entwickelt sich insgesamt gut. Im Jahr 2016 war ein Wirtschaftswachstum von etwa 8-10% (je nach Quelle) zu verzeichnen. Die Wirtschaft des Landes zählt damit zu den am schnellsten wachsenden der Welt (GIZ 9.2018b).

Die meisten Menschen in Äthiopien (ca. 80%) leben auf dem Land als sesshafte Bauern, Viehhirten oder (Halb-) Nomaden. Neben der Millionenstadt Addis Abeba gibt es 16 Großstädte mit mehr als 120.000 Einwohnern. Das Bevölkerungswachstum in den Städten ist mit fast 5% deutlich höher als das ländliche. Dieses Wachstum geht einher mit der Überforderung von Stadtverwaltungen, dem schlechten Umgang mit den kommunalen Finanzen sowie einer schwachen städtischen Infrastruktur. Hinzu kommt eine hohe Arbeitslosigkeit, die durch die Schwäche des modernen Wirtschaftssektors und die anhaltend hohe Zuwanderung aus dem ländlichen Raum verstärkt wird (GIZ 9.2018).

Der wichtigste Erwerbszweig bleibt die Landwirtschaft mit 81% der Erwerbstätigen, die 2016 rund 40% des Bruttoinlandsprodukts erzeugten (GIZ 9.2018). Die saisonalen Niederschläge von Oktober bis Dezember 2018 waren unterdurchschnittlich und unregelmäßig, es ist zu langen Trockenperioden gekommen. Die Entwicklung nicht-saisonaler Niederschläge, insbesondere in Teilen von Tigray, Amhara, SNNPR sowie im westlichen und zentralen Oromia, hat die Ernte- und Lageraktivitäten behindert und die Ernteerträge in den betroffenen Gebieten beeinträchtigt (FEWS 31.12.2018). Von der Leistungsfähigkeit der landwirtschaftlichen Produktion hängt die Sicherheit der Lebensmittelversorgung ab. Viele Kleinbauern können sich und ihre Familien mit ihrer Ernte .BFA Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl Seite 34 von 38

nicht ganzjährig ernähren. Jährlich erhalten daher rund 3 Millionen Äthiopier Nahrungsmittelhilfe zur Überbrückung ihrer Engpässe, weitere ca. 8 Millionen werden über das staatliche Productive Saftey Net Programme (PSNP, Landwirtschafts- und Sozialprogramm) 6 Monate im Jahr durch Cash-for-Work oder auch direkte Nahrungsmittelhilfe unterstützt (GIZ 9.2018). Zudem besteht ein hoher Bedarf an humanitärer Versorgung im Rahmen der Dürrehilfe mit einem Volumen von 948 Mio. USD. Darüber hinaus sind 7,9 Mio. Menschen auf ein staatliches Sozialprogramm zur Ernährungssicherung angewiesen. Sozialleistungen wie Arbeitslosengeld, Sozialhilfe, Kindergeld o. ä. werden von der äthiopischen Regierung nicht erbracht (AA 17.10.2018).

Teile der Regionalstaaten Somali, Oromia und Harar befinden sich in IPC-Phase 3 (IPC = Integrated Phase Classification der Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln; Stufe 1 - Minimal, Stufe

2 - Stressed, Stufe 3 Crisis, Stufe 4 - Emergency, Stufe 5 -

Hungersnot). Daran wird sich auch im ersten Halbjahr 2019 nichts ändern (FEWS 31.12.2018).

Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung ist in Addis Abeba nur beschränkt gewährleistet (EDA 10.12.2018) und vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch hoch problematisch (AA 12.12.2018). Die Gesundheitsversorgung ist trotz erheblicher Anstrengungen und bereits erzielter Fortschritte noch mangelhaft (GIZ 9.2018c). Medizinische Versorgungsmöglichkeiten sind begrenzt, die Qualität ist unvorhersehbar, eine staatliche notfallmedizinische Versorgung auf europäischem Niveau ist landesweit nicht vorhanden (BMEIA 12.12.2018; vgl. AA 12.12.2018) Vor allem im medizinischen Bereich stellt die Abwanderung qualifizierter Fachkräfte (brain drain) ein Problem dar (BMEIA 12.12.2018).

Generell ist die medizinische Versorgung auf dem Land wegen fehlender Infrastruktur erheblich schlechter als in den städtischen Ballungszentren (AA 17.10.2018). Ernsthafte Krankheiten und Verletzungen werden im Ausland behandelt (EDA 10.12.2018).

Es gibt in Äthiopien weder eine kostenlose medizinische Grundversorgung noch beitragsabhängige Leistungen (AA 17.10.2018). Krankenhäuser verlangen eine finanzielle Garantie, bevor sie Patienten behandeln (Vorschusszahlung) (EDA 10.12.2018). Die medizinische Behandlung erfolgt entweder in staatlichen Gesundheitszentren bzw. Krankenhäusern oder in privaten Kliniken. Die Behandlung akuter Erkrankungen oder Verletzungen ist durch eine medizinische Basisversorgung gewährleistet. Komplizierte Behandlungen können wegen fehlender Ausstattung mit hochtechnologischen Geräten nicht durchgeführt werden (AA 17.10.2018).

Viele Menschen sind von häufigen Durchfällen betroffen. Diese stellen bei Kindern die häufigste Todesursache dar (GIZ 9.2018c). Chronische Krankheiten, die auch in Äthiopien weit verbreitet sind, wie Diabetes, Schwäche des Immunsystems etc. können mit der Einschränkung behandelt werden, dass bestimmte Medikamente ggf. nicht verfügbar sind (AA 17.10.2018). Andere Herausforderungen bleiben Malaria, Hepatitis, Meningitis, Bilharziose sowie HIV/AIDS. HIV/AIDS ist in Äthiopien stark verbreitet. Äthiopiens Regierung unternimmt in Zusammenarbeit mit internationalen Gebern große Anstrengungen im Kampf gegen HIV/AIDS (GIZ 9.2018c). Durch die Entwicklung der Devisenreserven in Äthiopien sind Einfuhren von im Ausland hergestellten Medikamenten von Devisenzuteilungen durch die Nationalbank zur Bezahlung von Handelspartnern im Ausland abhängig. Deswegen kommt es bei bestimmten Medikamenten immer wieder einmal zu Versorgungsengpässen (AA 17.10.2018). Der Zugang zu den wesentlichen Medikamenten ist nur einem Teil der Bevölkerung möglich. Fast die Hälfte der Bevölkerung muss mehr als 15 Kilometer zurücklegen, um zum nächstgelegenen Gesundheitsposten zu gelangen (GIZ 9.2018c).

Behandlung nach Rückkehr

Die bloße Asylantragstellung im Ausland bleibt - soweit bekannt - ohne Konsequenzen. U.a. sind Fälle von Zwangsrückführungen aus Norwegen, Dänemark und den Niederlanden bekannt. Es sind keine Fälle bekannt, in denen zurückgekehrte Äthiopier Benachteiligungen ausgesetzt waren oder diese gar festgenommen oder misshandelt worden wären. Im direkten persönlichen Umfeld wird eine Rückkehr jedoch häufig als Scheitern gewertet. Daher suchen einige der zwangsweise nach Äthiopien zurückgeführten Personen erneut den Weg nach Europa. Rückkehrer können nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen. Für schutzbedürftige Rückkehrer, insbesondere für unbegleitete Minderjährige, gibt es Erstaufnahmeeinrichtungen, die von IOM betrieben werden (AA 17.10.2018). Die Regierung arbeitet mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen zusammen, um die Bereitstellung von Schutz und Hilfe für IDPs, Flüchtlinge, rückkehrende Flüchtlinge, Asylbewerber, Staatenlose und andere betroffene Personen zu gewährleisten (USDOS 20.4.2018).

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, durch Einvernahme des BF in der mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die zum Akt genommenen Urkunden und durch Einsichtnahme in das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Äthiopien vom 08.01.2019.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des BF:

Die Feststellungen zur Identität des BF ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des BF gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des BF im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des BF, seiner ethnischen Zugehörigkeit und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache und seinem Lebenslauf (sein Aufwachsen sowie seine familiäre Situation in Äthiopien, seine Schulbildung und Berufserfahrung) gründen sich auf seine diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des BF zu zweifeln.

Die Feststellungen zum Leben des BF in Österreich (insbesondere zur Aufenthaltsdauer, seinen Deutschkenntnissen, der fehlenden familiären oder engen sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich und seiner bisherigen Integration in Österreich) stützen sich auf die Aktenlage, auf die Angaben des BF in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf die von ihr im Zuge der Verhandlung vorgelegten Unterlagen. Die Angaben zur seiner aktuellen Unterkunftnahme, sowie zum Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung beruhen auf einem aktuellen Auszug aus dem GVS.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF gründen sich insbesondere auf die vorgelegten ärztlichen Befunden, aus denen hervorgeht, dass der BF an Cluster-Kopfschmerzen, einer PTBS und an einem Vitamin D Mangel leidet und auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist. Eine schwerwiegende oder gar lebensbedrohliche Krankheit ergibt sich weder auf dem Vorbringen des BF, noch aus den vorgelegten ärztlichen Attesten.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des BF:

Zunächst ist festzuhalten, dass das Gericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund des persönlichen Eindrucks des BF davon auszugehen hat, dass ihm hinsichtlich seines Fluchtvorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt. Insbesondere das gravierend abweichende Vorbringen vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht lassen darauf schließen, dass der BF die vorgebrachte Fluchtgeschichte lediglich erfunden hat.

2.2.1. Soweit der BF vorbrachte, ihm drohe im Falle seiner Rückkehr Lebensgefahr durch die äthiopischen Behörden und das Militär bzw. die Polizei, weil er 2014 an Demonstrationen gegen die Enteignung der Grundstücke der Oromo teilgenommen und sich für deren Rechte eingesetzt habe, kommt seinem Vorbringen aus nachfolgenden Gründen keine Glaubhaftigkeit zu:

Der BF schilderte sein Fluchtvorbringen zwar im Kern im Laufe des Verfahrens gleich, doch divergierten seine Angaben insbesondere bei der Rahmengeschichte und den Detailangaben im Zuge seiner Erzählungen vor dem Bundesamt und vor dem Bundesverwaltungsgericht mitunter stark.

Der BF gab vor dem Bundesamt an, dass die Polizei die besagte Demonstration an der er teilgenommen habe, aufgelöst und Leute verhaftet habe. Er selbst sei zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht inhaftiert worden, sondern habe sich in Ginde Gebere versteckt. Nach einen Monat hätten sie ihn gefunden und inhaftiert (AS 43). Hingegen führte er vor dem Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung nichts von einem Versteck und seinem Aufenthalt in Ginde Gebere aus.

Die Unglaubwürdigkeit des Vorbringens erschließt sich zudem daraus, dass der BF von sich aus weder vor dem Bundesamt (AS 43), noch vor dem Bundesverwaltungsgericht (OZ 12, S. 12) detaillierte Angaben zu seiner Inhaftierung, zu seinen Peinigern, und zu seiner vermeintlichen Folter tätigte. Selbst auf konkrete Nachfrage, vermochte der BF keine detaillierten, lebensnahen Ausführungen zu tätigen, sondern antwortete kurz und informationslos:

"BFV: Können Sie uns die Haft näher schildern, waren Sie alleine, können Sie uns die Situation näher schildern.

BF: Ich war alleine im Zimmer. Sie haben mich gefoltert (BF beginnt zu weinen)

BFV: Wie viele Leute waren in diesem Raum, konnten sie Sie sehen oder waren die Augen verbunden?

BF: Sie haben Masken gehabt, ich habe es nicht erkannt, wer das war, ich habe gesehen, dass es drei Leute waren.

BFV: Waren Sie in Zivilkleidung oder in Uniform?

BF: Sie hatten keine Ziviluniform und keine richtige Uniform, sie waren anders gekleidet.

BFV: Haben Sie andere Personen wahrgenommen, dass andere auch in Haft sind und gefoltert werden?

BF: Wenn man gefoltert wird, hört man nichts anderes, ich weiß auch nicht, was in anderen Bereichen passiert ist." (OZ 12, S. 12)

Es ist äußerst realitätsfremd, dass man im Falle des tatsächlichen Erlebens einer Festnahme, Inhaftierung respektive einer Folterung keine nachvollziehbaren, detaillierten und stringenten Angaben zu den konkreten Umständen und Abläufen machen kann, weshalb die seitens des BF vorgebrachte Fluchtgeschichte als nicht wahr zu werten ist.

Während der BF bezüglich seiner Freilassung vor dem Bundesamt ausführte, er habe ein Schreiben unterzeichnen müssen, wonach sie ihn umbringen werden, wenn er nochmals gegen die Staatsgewalt demonstriere, und sodann auf ein Fußballfeld gebracht worden und dort liegen lassen worden sei (AS 43-44), so führte er vor dem Bundesverwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung nichts von einem derartigen Schreiben aus. Er gab in der mündlichen Verhandlung zu seiner Freilassung hingegen an, dass er irgendwann bewusstlos gewesen sei, und seine Peiniger geglaubt hätten er sei schon gestorben, weshalb sie ihn auf ein Fußballfeld geschmissen hätten (OZ 12, S. 10). Vor dem Bundesamt gab er diesbezüglich noch an, dass nicht die Entführer gedacht hätten der BF sei bereits tot, sondern die Leute die ihn gefunden hätten (AS 44).

Im Zuge der Verhandlung vor dem Bundesveraltungsgericht erzählt der BF sodann erstmals im Verfahren, dass es 2015 eine Wahl gegeben habe, und die Regierung Briefe verschickt habe, dass eine Versammlung einberufen werden, an der die Bevölkerung teilnehmen solle. Der BF habe sich im Zuge der Versammlung erneut um die Rechte der Oromo eingesetzt und Fragen zu den enteigneten Grundstücken und den inhaftierten Personen gestellt. Auch habe er sich entkleidet, um seinen Folternarben zu zeigen, woraufhin die Versammlung unterbrochen worden sei. Die Leute seien erbost gewesen und hätten Wahlplakate zerstört. Dann habe ihn die Polizei erneut verfolgt und zum BF gesagt, es gäbe immer noch Leute die hinter ihm her seien. Aus Angst sein Leben zu verlieren habe er das Land verlassen (OZ 12, S. 11). Auch in diesem Fall ist es nicht nachvollziehbar, wieso der BF dieses Vorbringen nicht schon vor dem Bundesamt wiedergegeben hat, sondern erst im Zuge der mündlichen Verhandlung vorbrachte. Hätte er tatsächlich Äthiopien aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen, so hätte der BF jegliche sich ihm bietende Möglichkeit genützt, um von seinen Bedrohungsszenarien detailgetreu, gleichbleibend und widerspruchsfrei zu berichten.

Es ist äußerst realitätsfern, dass man derart wichtige Details seines Vorbringens vergisst respektive bei der erneuten Wiedergabe des Fluchtvorbringens vor dem Bundesverwaltungsgericht "unter den Tisch fallen" lässt. Vielmehr ist anzunehmen, dass man im Falle des tatsächlichen Erlebens dieses Fluchtvorbringens die wichtigsten Informationen der Rahmengeschichte in jeder Verfahrenslage - und auch nach Ablauf einiger Jahre - korrekt und gleichlautend wiedergeben kann. Dies insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der BF in der mündlichen Verhandlung diese erstmals vorgebrachte Geschichte als fluchtauslösendes Ereignis anführt, und nicht bis im bisherigen Verfahren die vermeintliche Inhaftierung und Folterung nach der Teilnahme an der Demonstration.

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die Furcht des BF, im Falle einer Rückkehr erneut inhaftiert respektive gefoltert zu werden rein spekulativ, und vor allem vor dem zwischenzeitlich eingetretenen politischen Wandeln in Äthiopien nicht nachvollziehbar ist:

So ergibt sich aus dem aktuellen Länderinformationsblatt kein Hinweis darauf, dass er im Falle einer Rückkehr wegen frühere Demonstrationen, eine Bedrohung zu gewärtigen hätte. Vielmehr zeugt die aktuelle Situation laut Länderinformation, dass es in Äthiopien zu einer Öffnung hinsichtlich der regierungskritischen Opposition gekommen ist. So wurden ca. 25000 teilweise aus politischen Gründen inhaftierte bzw. verdächtige Personen vorzeitig entlassen, Oppositionsparteien wurden eingeladen, aus dem Exil zurückzukehren und wurden entkriminalisiert. Der seit 2018 neu amtierende Premierminister bemüht sich seit seinem Amtsantritt mit Erfolg für stärkeren zivilgesellschaftlichen Freiraum und hat die Praxis der Kriminalisierung von Oppositionellen und kritischen Medien de facto beendet.

Der BF wäre bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat somit jedenfalls keiner asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt.

2.2.2. Sofern der BF vorbrachte, seine Familie sei aufgrund des Umstandes, dass ihnen ebenfalls Briefe zur Teilnahme an einer Versammlung zugekommen seien, ebenfalls einer Verfolgung ausgesetzt, kommt ihm aufgrund der bereits in seinem gesamten Vorbringen festgestellten Widersprüche und nicht stringenten Angaben auch diesbezüglich keine Glaubwürdigkeit zu.

2.2.3. Es konnte daher nicht festgestellt werden, dass dem BF bei einer Rückkehr nach Äthiopien die Ausübung von psychischer und/oder physischer Gewalt durch Behörden, die Regierung, die Polizei oder durch andere Personen droht.

2.3. Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des BF nach Äthiopien ergeben sich aus den o.a. Länderberichten (Punkt II.1.4.). Daraus geht unter anderem hervor, dass der neue Premierminister Abiy Ahmed den Ausnahmezustand seit seiner Machtübernahme im April 2018 beendet und politische Gefangene freigelassen hat. In der ersten Jahreshälfte 2018 wurden ca. 25.000 teilweise aus politischen Gründen inhaftierte bzw. verdächtige Personen vorzeitig entlassen. Oppositionsparteien wurden eingeladen, aus dem Exil zurückzukehren, und wurden entkriminalisiert. Abiy Ahmed hat eine Kehrtwende weg von der repressiven Politik seiner Vorgänger vorgenommen. Er bemüht sich seit seinem Amtsantritt mit Erfolg für stärkeren zivilgesellschaftlichen Freiraum und hat die Praxis der Kriminalisierung von Oppositionellen und kritischen Medien de facto beendet. Im Mai 2018 gab es mehrere Dialogformate in Addis Abeba und der benachbarten Region Oromia, unter Beteiligung von Vertretern der Regierung, Opposition und Zivilgesellschaft. Abiy hat zudem angekündigt, dass die für 2020 angesetzten Wahlen frei und fair und ohne weitere Verzögerungen stattfinden sollen.

Der BF ist ein junger und im Großen und Ganzen gesunder Mann im erwerbsfähigen Alter. Er wurde in Äthiopien sozialisiert und hat dort den überwiegenden Teil seines Lebens verbracht. Der BF spricht die Amtssprache Äthiopiens als Zweitsprache und verfügt in Äthiopien noch über familiäre Verbindungen. Es sind daher keine Gründe ersichtlich, weswegen der BF als junger, gesunder, erwerbsfähiger Mann nicht selbst für sein Auskommen in Äthiopien sorgen können soll.

2.4. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die den Länderfeststellungen (vgl. Punkt II.1.4.) zu Grunde liegenden Berichte wurden dem BF mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung übermittelt bzw. in der mündlichen Verhandlung ins Verfahren eingebracht. Der BF und sein Vertreter sind den Länderberichten nicht substantiiert entgegengetreten.

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1 Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides - Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in ein

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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