Entscheidungsdatum
03.09.2019Norm
B-VG Art. 133 Abs4Spruch
W261 2219594-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , bevollmächtigt vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 08.05.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, bevollmächtigt vertreten durch Herrn XXXX, brachte am 30.06.2017 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) in Form von Ersatz des Verdienstentganges ein. Dabei wurde angegeben, das Verbrechen habe sich zwischen 1968 und 1980 in den Kinderheimen XXXX und dem Zentralkinderheim ereignet. Der Beschwerdeführer habe bereits 15.000 Euro Entschädigungsleistung erhalten. Hinsichtlich des Tatherganges und der erlittenen Gesundheitsschädigung verwies der Beschwerdeführer auf die Nachreichung von Unterlagen.
Die belangte Behörde ersuchte den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 18.07.2017 um Übermittlung von Unterlagen und näheren Angaben zu den Heimaufenthalten, am 23.10.2017 folgte eine Urgenz der belangten Behörde.
Der Vertreter des Beschwerdeführers gab in einer E-Mail Nachricht an die belangte Behörde und diverse weitere Einrichtungen vom 10.12.2017 an, dass sämtliche Unterlagen des Beschwerdeführers von dessen Ex-Frau vernichtet worden seien, weshalb Duplikate benötigt würden.
Mit E-Mail Nachrichten vom 10.12.2017 und 27.12.2017 an die belangte Behörde und weitere Behörden, stellte der Vertreter des Beschwerdeführers einen "Antrag", Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft unter anderem wegen Folter zu tätigen.
Am 19.01.2018 übermittelte die belangte Behörde ein weiteres Urgenzschreiben an den Beschwerdeführer und wies darauf hin, dass der Antrag auf Ersatz des Verdienstentganges abgewiesen werde, sollten die geforderten Angaben und Unterlagen nicht spätestens bis 28.02.2018 einlangen.
Mit E-Mail Nachricht vom 29.01.2018 teilte der Vertreter des Beschwerdeführers mit, dass sich der Beschwerdeführer seit 23.01.2018 aufgrund eines Herzinfarktes in stationärer Spitalspflege befinde.
Nach Ersuchen der belangten Behörde übermittelte der Weisse Ring am 24.05.2018 den Clearingbericht des Beschwerdeführers und teilte mit, dass dieser von den ihm insgesamt 60 zugesprochenen Therapiestunden bisher 12 Einheiten in Anspruch genommen zu haben.
Aus dem Clearingbericht ergibt sich, dass der Beschwerdeführer XXXX als viertes von fünf Kindern zur Welt gekommen sei. Die Mutter sei alleinerziehend und scheinbar überfordert gewesen. Warum die Familie von der Fürsorge zerrissen worden sei, und die Kinder in verschiedenen Heimen untergebracht worden seien, sei dem Beschwerdeführer bis heute nicht klar. Im Jahr 1968 sei der Beschwerdeführer im Heim in XXXX untergebracht gewesen, an diesen Aufenthalt könne er sich nicht mehr erinnern. Von 1968 bis 1971 sei er in das Zentralkinderheim XXXX gekommen. Der Beschwerdeführer sei von seinen Geschwistern getrennt und alleine in einer großen Gruppe mit ca. 20 anderen Kindern untergebracht worden. Er sei eines der jüngsten Kinder gewesen und sei von den größeren Kindern schikaniert und geschlagen worden. Wenn der Beschwerdeführer in der Nacht auf die Toilette musste, sei er von einem Jungen mit einem Rohrstock geprügelt worden. Einmal sei er dabei so heftig auf die Nieren geschlagen worden, dass er für mehrere Tage Blut im Urin gehabt habe. Das Essen im Heim sei zum Teil verdorben gewesen. Der Beschwerdeführer habe davon oft Durchfall bekommen und sich aus Angst vor Schlägen kaum getraut, auf die Toilette zu gehen, weshalb er in der Nacht meist in den Wald geflüchtet sei, um dort seine Notdurft zu verrichten. Obwohl seine Mutter als Reinigungskraft in einem anderen Trakt des Zentralkinderheims gearbeitet habe, habe der Beschwerdeführer keine Besuche von ihr bekommen. Nachts sei der Beschwerdeführer von älteren Jugendlichen aus dem Bett geholt worden und habe mit ausgestreckten Händen in der Hocke stehen müssen. Wenn seine Hände zu Boden gesunken seien, sei er mit einem Stab auf die Finger geschlagen worden, bis diese geblutet hätten. Der Beschwerdeführer habe nachts oft Alpträume gehabt und sei schreiend aufgewacht. Dabei habe er die anderen Kinder geweckt, die dann wiederum vor Wut auf ihn eingeschlagen hätten. Der Beschwerdeführer habe daher Angst vorm Einschlafen gehabt, da das Aufwachen meist mit neuerlichen Schlägen verbunden gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei von einem der Jugendlichen dazu gezwungen worden, ihn sexuell zu befriedigen. Die Erzieherinnen hätten von den Misshandlungen gewusst, diese aber nicht unterbunden. Der Beschwerdeführer sei zwar hauptsächlich von den anderen Kindern geschlagen und getreten worden, doch die Erzieher hätten ihn zusätzlich bestraft, indem er zum Beispiel immer wieder für mehrere Stunden auf einem der kleinen Balkone ausgesperrt worden sei. Wenn die anderen Kinder in der Sandkiste gespielt hätten, habe der Beschwerdeführer stundenlang in der prallen Sonne danebenstehen und zusehen müssen, dabei habe er sich nicht bewegen dürfen und nichts zu trinken bekommen. Der Beschwerdeführer habe eine massive Essstörung und ein enormes Gewaltpotential entwickelt und sei nach dem Heimaufenthalt immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt gekommen, da er sich "nichts mehr gefallen" lassen habe. Es sei zu etlichen Raufhandeln mit Körperverletzungen und oftmals wechselnden Arbeitsverhältnissen gekommen. Beziehungen seien für den Beschwerdeführer bis heute nur schwer möglich. Auf Autoritäten und Konfrontationen reagiere er meist angespannt und nur schwer beherrscht. Er erwache aus den allnächtlichen Alpträumen schreiend und schweißgebadet. Er erachte sein Leben als wertlos und leide an Depressionen und Alkoholproblemen. Im Clearingbericht werde eine unbehandelte posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert, aufgrund derer sich der Beschwerdeführer zu einem impulsiven Typ entwickelt habe. Zusätzlich hätten sich nichtorganische Schlafstörungen und verschiedene Zwangsstörungen in Bezug auf Reinlichkeit und Ordnung gezeigt. Der Beschwerdeführer leide unter spezifischen (isolierten) Phobien, mittelgradig depressiven Episoden und einem Mangel oder Verlust von sexuellem Verlangen.
Mit Urgenzschreiben vom 02.07.2018 forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer erneut zur Übermittlung von Unterlagen und weiterer Angaben auf.
Nach Ersuchen der belangten Behörde übermittelte die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt mit Schreiben vom 11.07.2018 den dortigen Bescheid vom 09.03.2016, in welchem der vom Beschwerdeführer am 04.09.2015 erlittene Arbeitsunfall ("Schnittwunde am rechten Daumen mit Durchtrennung der Strecksehne") festgestellt und aufgrund der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20% eine Versehrtenrente ab 09.11.2015 bis 01.03.2016 zugesprochen worden sei. Ebenso wurde das diesem Bescheid zugrundeliegende Gutachten vom 18.12.2015 übermittelt, in welchem als vom Unfall unabhängige Erkrankungen die Nebenbefunde "Schilddrüsenüberfunktion, Herzinfarkt mit Stentimplantation, Bluthochdruck, Schulterblatt und Schlüsselbeinbruch bds., Stichverletzung Bauch, Motorradunfall 1994 mit Brüchen am Ellbogen rechts und Oberschenkelbruch links" festgestellt worden seien.
Am 17.08.2018 legte der Vertreter des Beschwerdeführers persönlich bei der belangten Behörde Unterlagen aus dem Pflegschaftsakt des Beschwerdeführers vor.
Da es sich bei den vorgelegten Unterlagen hauptsächlich um den Regressakt des Pflegschaftsaktes und um ein paar vereinzelte Seiten aus dem Überstellungsakt gehandelt habe, ersuchte die belangte Behörde den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 05.11.2018 um Vorlage des vollständigen Pflegschaftsaktes und Bekanntgabe weiterer Angaben.
Am 23.11.2018 legte der Vertreter des Beschwerdeführers erneut persönlich bei der belangten Behörde Unterlagen aus dem Pflegschaftsakt des Beschwerdeführers vor, welche bereits mit dem Konvolut am 17.08.2018 vorgelegt worden waren.
Nach Ersuchen der belangten Behörde übermittelte die Wiener Kinder- und Jugendhilfe des Magistrats der XXXX mit Schreiben vom 19.12.2018 Kopien des Pflegschaftsaktes des Beschwerdeführers.
Mit Schreiben vom 13.02.2019 brachte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme ein. Dabei wurde unter anderem auch auf die Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers hingewiesen und ausgeführt, dass aufgrund der mangelnden Angaben des Beschwerdeführers zu den Taten, Tätern oder etwaigen Zeugen weitere Erhebungen der Behörde nicht möglich und nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht verpflichtend seien. Es spreche nicht erheblich mehr für das Vorliegen eines Verbrechens als dagegen.
Mit Schreiben vom 03.03.2019 gab der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter eine Stellungnahme ab, in welcher er die Verweigerung der Akteneinsicht, die Verweigerung des Parteiengehörs und die Verweigerung der Strafanzeige wegen Folter bzw. unmenschlicher Behandlungen beanstandete. Weiters wurde unter dem Punkt "Nichtigkeitserklärung gegen Bescheid" ausgeführt, dass die Schlussfolgerung der belangten Behörde nicht zulässig sei, wonach die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens des Verbrechens verneint werde, da keine anderen Überlebenden des Zentralkinderheims Aussagen über die unmenschlichen und erniedrigenden Behandlungen getätigt hätten. Dazu sei anzumerken, dass eine von 1979 bis 1990 im selben Kinderheim untergebrachte, namentlich genannte Frau die gleichen Behandlungen geschildert habe und deswegen heute noch in Therapie sei. Man könnte die Akten dieser Frau durchsehen. Obwohl die beiden zu unterschiedlichen Zeiten in diesem Heim untergebracht gewesen seien, sei das System der genehmigten staatlichen Folter gleichgeblieben. Der Beschwerdeführer kämpfe mit der Aufarbeitung der Misshandlungen und dem Missbrauch, dazu komme noch ein Herzinfarkt und eine radioaktive Verstrahlung durch eine Fehltherapie, sowie weitere körperliche Defizite. Dass der Beschwerdeführer aufgrund dieser vielen Beeinträchtigungen nicht in der Lage sei, Aussagen über seine Zeit im Heim zu tätigen, sei logisch und werde hoffentlich nicht als Verletzung der Mitwirkungspflicht angesehen.
Mit angefochtenem Bescheid vom 08.05.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 30.06.2017 auf Ersatz des Verdienstentganges gemäß § 1 Abs. 1 und 3, § 3 und § 10 Abs. 1 VOG ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass hinsichtlich der vorgebrachten Misshandlungen durch die anderen Zöglinge keine objektivierbaren Unterlagen, welche die Schilderungen des Beschwerdeführers unterstreichen würden, vorgelegt worden seien. Es seien auch keine solche Schilderungen von anderen Zöglingen dieses Heimes bekannt. Ebenso verhalte es sich mit dem Vorbringen, der Beschwerdeführer sei von den Erziehern auf einen Balkon gesperrt worden und der Beschwerdeführer hätte in der prallen Sonne stehen müssen. Zu der seitens des Beschwerdeführers in der Stellungnahme zum Parteiengehör genannten Frau, welche von 1979 bis 1990 im selben Kinderheim untergebracht gewesen sei, sei auszuführen, dass sich die von ihr geschilderten Erlebnisse entscheidend von jenen vom Beschwerdeführer vorgebrachten Misshandlungen unterschieden hätten. Darüber hinaus sei der Beschwerdeführer 1971 aus dem Zentralkinderheim entlassen worden, die andere Antragswerberin sei erst im November 1979 dort aufgenommen worden. Der Beschwerdeführer habe trotz mehrmaliger Aufforderungen auch keine Täter oder Zeugen der erlittenen Misshandlungen namhaft machen können. Insofern der Beschwerdeführer angermerkt habe, dass er eine Entschädigungsleistung vom Weissen Ring zuerkannt bekommen habe, so sei dazu darzulegen, dass die Beurteilung des vorgebrachten Sachvershalts im Zuge der Zuerkennung von Entschädigungsleistungen nach anderen Kriterien und Maßstäben erfolgt, als in einem Verfahren nach dem Verbrechensopfergesetz. Das Zentralkinderheim XXXX sei seit dem Jahr 2000 geschlossen, weshalb es nicht mehr möglich sei, dort Erhebungen anzustellen. Die XXXX sei mittels Erhebungsschreiben in das Ermittlungsverfahren involviert worden, im Pflegschaftsakt würden sich aber keine Anhaltspunkte finden, die auf Misshandlungen schließen lassen. Aufgrund der mangelnden Mitwirkung des Beschwerdeführers seien weitere Erhebungen durch die belangte Behörde nicht möglich und nach der zitierten Rechtsprechung auch nicht verpflichtend gewesen. Betreffend die in der Stellungnahme zum Parteiengehör hingewiesene Anzeigepflicht der belangten Behörde werde darauf hingewiesen, dass aufgrund einer allenfalls bereits eingetretenen Verjährung von der Erstattung einer Anzeige Abstand genommen worden sei. Der Vorwurf, die Akteneinsicht sei verweigert worden und ein unvollständiger Akt per Post übermittelt worden, entbehre jeglicher Grundlage. Es sei im Verfahren nach dem VOG kein Ersuchen um Akteneinsicht ergangen. Der Beschwerdeführer habe auch ein Verfahren nach dem Heimopferrentengesetz (HOG) angestrengt, in welchem die belangte Behörde dem Antrag auf Akteneinsicht nachgekommen und der gesamte Akt eingeschrieben per Post übermittelt worden sei. Das Vorbringen in der Stellungnahme vom 03.03.2019, wonach die belangte Behörde das Parteiengehör verweigert habe, zeige sich ebenso völlig haltlos, erfolgte diese doch im Rahmen des seitens der belangten Behörde eingeräumten Parteiengehörs. Insofern mit der Gewährung von Parteiengehör die Einholung eines Sachverständigengutachtens gemeint sei, so sei dazu auszuführen, dass Grundvoraussetzung für Hilfeleistungsansprüche nach dem VOG das Vorliegen eines Verbrechens sei. Da entsprechend den Wahrscheinlichkeitskriterien kein Verbrechen angenommen werden habe können, habe der Ärztliche Dienst nicht mit der Erstellung eines Gutachtens zu etwaigen verbrechenskausalen Körperverletzungen und Gesundheitsschädigungen beauftragt werden müssen. Es kann daher nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die physischen bzw. psychischen Gesundheitsschädigungen des Beschwerdeführers auf Verbrechen zurückzuführen seien. Das Vorliegen eines verbrechenskausalen Verdienstentganges im fiktiven schadensfreien Verlauf könne daher ebenso nicht mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.
Mit zwei E-Mail Nachrichten vom 23.05.2019 erhob der durch XXXX bevollmächtigt vertretene Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG). Darin führte er im Wesentlichen aus, die Geschäftsführung des Sozialministeriumservice habe ein Betretungsverbot gegen den Vertreter des Beschwerdeführers ausgesprochen, bzw. dürfe er die belangte Behörde nur nach Voranmeldung betreten. Aus diesem Grund habe er am 14.01.2019 ein E-Mail Nachricht bezüglich Akteneinsicht geschickt, ein diesbezüglicher Antrag sei daher entgegen der Ausführungen im angefochtenen Bescheid definitiv erfolgt. Es stelle sich außerdem betreffend die Erklärung zur Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens die Frage, wer in der belangten Behörde entscheide, ob ein Verbrechen stattgefunden habe, obwohl ein Gutachten der PVA, ein Clearingbericht des Weissen Ring und ein Gutachten einer gerichtlich beeideten Sachverständigen vorliege. In anderen ähnlichen Verfahren seien Sachverständigengutachten eingeholt worden, wenn auch von Gutachtern, die nicht ausreichende Kenntnisse zu Trauma hätten und so oft begutachtet hätten, bis das Gutachten zu Gunsten der belangten Behörde ausgefallen sei.
Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht am 27.05.2019 zur Entscheidung vor, wo dieser am 31.05.2019 einlangte.
Mit E-Mail Nachrichten vom 05.06.2019, 14.06.2019 und 23.06.2019 übermittelte der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter erneut die Beschwerde.
Mit E-Mail Nachricht vom 02.07.2019 stellte der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter einen Devolutionsantrag bezüglich seines am 15.12.2018 bei der belangten Behörde gestellten Antrages zur Heimopferrente nach dem HOG, welchen er unter anderem dem BVwG zur Kenntnis brachte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger.
Er wurde am XXXX als viertes von fünf Kindern in Wien geboren. Aufgrund einer psychiatrischen Krankheit des Vaters und dem Ersuchen um Hilfe der Mutter nach einer tätlichen Auseinandersetzung wurden die Kinder wegen Gefährdung in Pflege und Erziehung der Gemeinde XXXX übernommen. Der Beschwerdeführer war von XXXX bis XXXX im Kinderheim XXXX und von XXXX bis zu seiner Entlassung zur Mutter am XXXX im Zentralkinderheim XXXX untergebracht. Damit die Mutter weiterhin Kontakt mit dem Beschwerdeführer und seiner jüngeren Schwester haben konnte, nahm sie eine Beschäftigung als Reinigungskraft im Zentralkinderheim auf und verbrachte auch einen Teil ihrer Freizeit mit ihren Kindern.
Es kann nicht mit Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer durch Erlebnisse im Kinderheim XXXX und/oder im Zentralkinderheim eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten hat, die zu einem verbrechenskausalen Verdienstentgang geführt haben.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen über die Staatsbürgerschaft und das Geburtsdatum des Beschwerdeführers basieren auf den im Rahmen der gegenständlichen Antragstellung vorgelegten Kopien des seines Reisepasses und Staatsbürgerschaftsnachweises.
Die Feststellungen zur familiären Situation des Beschwerdeführers vor der Heimunterbringung, zum Überstellungsgrund sowie zum Beginn und Ende der Heimaufenthalte gründen sich auf die im Verwaltungsakt einliegenden Kopien des Pflegschaftsaktes, welche sich im Wesentlichen auch mit den Angaben des Beschwerdeführers und dem klinisch-psychologischen Kurzbericht (Clearingbericht) decken.
Im Kinderheim XXXX befand sich der Beschwerdeführer im Alter von 2,5 Jahren für etwa ein halbes Jahr. Er gibt im Clearingbericht selbst an, an diesen Aufenthalt keine Erinnerungen zu haben.
Die Angaben des Beschwerdeführers, wonach er im Zentralkinderheim XXXX psychische und physische Misshandlungen sowie sexuellen Missbrauch erlitten habe, konnten nicht mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Der Beschwerdeführer ließ die mehrfachen Aufforderungen seitens der belangten Behörde an den Beschwerdeführer, nähere Angaben dazu zu machen, ungenützt. Er nannte keine Namen von Tätern oder Zeugen und wurden keine Unterlagen von anderen, im gleichen Zeitraum im Zentralkinderheim untergebrachten Kindern vorgelegt, welche die Schilderungen des Beschwerdeführers bestätigen könnten. Auch im Rahmen der Beschwerde machte der Beschwerdeführer keine näheren Angaben zu seinen Erlebnissen im Heim. Im Pflegschaftsakt finden sich keine Hinweise auf Misshandlungen des Beschwerdeführers bzw. Auffälligkeiten in seinem Verhalten, welche auf solche schließen könnten. Das betreffende Kinderheim ist seit dem Jahr 2000 geschlossen.
An dieser Stelle ist auf die Rechtsprechung des VwGH hinzuweisen, wonach mit der amtswegigen Pflicht zur Sachverhaltsfeststellung die Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhaltes mitzuwirken, korrespondiert. Die Offizialmaxime entbindet daher die Parteien nicht davon, durch substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhaltes beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf. Dort, wo es der Behörde nicht möglich ist, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ohne Mitwirkung der Partei festzustellen, ist von einer Mitwirkungspflicht der Partei auszugehen, was insbesondere bei jenen personenbezogenen Umständen der Fall sein wird, deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann. Es bedarf aber mehr als einer bloß pauschalen und unsubstantiierten Behauptung, also eines gewissen Mindestmaßes an Konkretisierung des Vorbringens, um die Pflicht der Behörde zum weiteren Tätigwerden auszulösen (vgl. VwGH 06.03.2008, 2007/09/0233).
Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass eine Mitwirkungspflicht des Beschwerdeführers vorlag, genauere Angaben zu den vorgebrachten Verbrechen zu machen, bzw. etwaige Zeugen oder Täter zu benennen. Die einzigen im Akt befindlichen Angaben des Beschwerdeführers stammen vom Clearingbericht des Weissen Ring. Der Beschwerdeführer führte auch nicht aus, welche Körperverletzungen und Gesundheitsschädigungen konkret auf die geschilderten Taten zurückzuführen seien, und inwiefern der Beschwerdeführer aufgrund einer solchen an einem kontinuierlichen Berufsverlauf bzw. einer besseren Ausbildung gehindert worden sei. Auch in der Beschwerde konkretisierte er sein Vorbringen nicht in einer Weise, sodass sich das Bundesverwaltungsgericht zu weiteren Ermittlungen veranlasst gesehen hätte.
Insoweit in der Stellungnahme vom 03.03.2019 auf die Angaben einer namentlich genannten Frau verwiesen wird, die von 1979 bis 1990 im selben Kinderheim untergebracht war und sich wegen ihren dortigen Erlebnissen noch heute in Therapie befinde, schließt sich der erkennende Senat den diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid an. Demnach liegen zwischen dem Aufenthalt des Beschwerdeführers und der genannten Antragswerberin acht Jahre und sind die Angaben schon aus diesem Grund nicht vergleichbar. Weiters führte die belangte Behörde schlüssig aus, dass sich die Angaben der genannten Antragswerberin sowohl betreffend die erlebten Misshandlungen als auch die handelnden Personen entscheidend von den seitens des Beschwerdeführers geschilderten Erlebnissen unterschieden.
Da nicht mit der für das Verbrechensopfergesetz notwendigen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten, rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung im Zentralkinderheim XXXX eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten hat, kann auch kein verbrechenskausaler Verdienstentgang mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Die gegenständlich maßgebliche Bestimmung des Verbrechensopfergesetzes (VOG), lauten:
Kreis der Anspruchsberechtigten
§ 1. (1) Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie
1. durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben, oder
2. ...
3. ...
und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind, oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist.
Hilfeleistungen
§ 2 Als Hilfeleistungen sind vorgesehen:
1. Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges;
2. Heilfürsorge
a) ärztliche Hilfe,
b) Heilmittel,
c) Heilbehelfe,
d) Anstaltspflege,
e) Zahnbehandlung,
f) Maßnahmen zur Festigung der Gesundheit (§ 155 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955);
2a. Kostenübernahme bei Krisenintervention durch klinische Psychologen und Gesundheitspsychologen sowie Psychotherapeuten;
3. orthopädische Versorgung
a) Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, deren Wiederherstellung und Erneuerung,
b) Kostenersatz für Änderungen an Gebrauchsgegenständen sowie für die Installation behinderungsgerechter Sanitärausstattung,
c) Zuschüsse zu den Kosten für die behinderungsgerechte Ausstattung von mehrspurigen Kraftfahrzeugen,
d) Beihilfen zur Anschaffung von mehrspurigen Kraftfahrzeugen,
e) notwendige Reise- und Transportkosten;
4. medizinische Rehabilitation
a) Unterbringung in Krankenanstalten, die vorwiegend der Rehabilitation dienen,
b) ärztliche Hilfe, Heilmittel und Heilbehelfe, wenn diese Leistungen unmittelbar im Anschluß oder im Zusammenhang mit der unter lit. a angeführten Maßnahme erforderlich sind,
c) notwendige Reise- und Transportkosten;
5. berufliche Rehabilitation
a) berufliche Ausbildung zur Wiedergewinnung oder Erhöhung der Erwerbsfähigkeit,
b) Ausbildung für einen neuen Beruf,
c) Zuschüsse oder Darlehen (§ 198 Abs. 3 ASVG 1955);
6. soziale Rehabilitation
a) Zuschuß zu den Kosten für die Erlangung der Lenkerberechtigung, wenn auf Grund der Behinderung die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels nicht zumutbar ist,
b) Übergangsgeld (§ 306 ASVG 1955);
7. Pflegezulagen, Blindenzulagen;
8. Ersatz der Bestattungskosten;
9. einkommensabhängige Zusatzleistung;
10. Pauschalentschädigung für Schmerzengeld.
Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges
§ 3. (1) Hilfe nach § 2 Z 1 ist monatlich jeweils in Höhe des Betrages zu erbringen, der dem Opfer durch die erlittene Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 3) als Verdienst oder den Hinterbliebenen durch den Tod des Unterhaltspflichtigen als Unterhalt entgangen ist oder künftighin entgeht. Sie darf jedoch zusammen mit dem Einkommen nach Abs. 2 den Betrag von monatlich 2 068,78 Euro nicht überschreiten. Diese Grenze erhöht sich auf 2 963,23 Euro, sofern der Anspruchsberechtigte seinen Ehegatten überwiegend erhält. Die Grenze erhöht sich weiters um 217,07 Euro für jedes Kind (§ 1 Abs. 5). Für Witwen (Witwer) bildet der Betrag von 2 068,78 Euro die Einkommensgrenze. Die Grenze beträgt für Waisen bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres 772,37 Euro, falls beide Elternteile verstorben sind 1 160,51 Euro und nach Vollendung des 24. Lebensjahres 1 372,14 Euro, falls beide Elternteile verstorben sind 2 068,78 Euro. Diese Beträge sind ab 1. Jänner 2002 und in der Folge mit Wirkung vom 1. Jänner eines jeden Jahres mit dem für den Bereich des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes festgesetzten Anpassungsfaktor zu vervielfachen. Die vervielfachten Beträge sind auf Beträge von vollen 10 Cent zu runden; hiebei sind Beträge unter 5 Cent zu vernachlässigen und Beträge von 5 Cent an auf 10 Cent zu ergänzen. Übersteigt die Hilfe nach § 2 Z 1 zusammen mit dem Einkommen nach Abs. 2 die Einkommensgrenze, so ist der Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges um den die Einkommensgrenze übersteigenden Betrag zu kürzen.
(2) Als Einkommen gelten alle tatsächlich erzielten und erzielbaren Einkünfte in Geld oder Güterform einschließlich allfälliger Erträgnisse vom Vermögen, soweit sie ohne Schmälerung der Substanz erzielt werden können, sowie allfälliger Unterhaltsleistungen, soweit sie auf einer Verpflichtung beruhen. Außer Betracht bleiben bei der Feststellung des Einkommens Familienbeihilfen nach dem Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376, Leistungen der Sozialhilfe und der freien Wohlfahrtspflege sowie Einkünfte, die wegen des besonderen körperlichen Zustandes gewährt werden (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindenzulage und gleichartige Leistungen). Auf einer Verpflichtung beruhende Unterhaltsleistungen sind nicht anzurechnen, soweit sie nur wegen der Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 gewährt werden.
Der Beschwerdeführer, ein österreichischer Staatsbürger, begehrte im gegenständlichen Verfahren Hilfeleistungen nach dem VOG in Form von einem Ersatz des Verdienstentganges.
Voraussetzung für Hilfeleistungen nach dem VOG ist, dass zum Entscheidungszeitpunkt eine mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung iSd § 1 Abs. 1 Z 1 VOG mit Wahrscheinlichkeit vorliegt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Auslegung des Begriffes "wahrscheinlich" der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend. Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlichen-wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.03.2014, Zl. 2013/09/0181).
Wie bereits in der Beweiswürdigung umfassend dargelegt, kann auf Grund der Ermittlungsergebnisse im gegenständlichen Fall nicht mit der nach dem Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit - wonach mehr für als gegen das Vorliegen einer Vorsatztat sprechen muss - vom Vorliegen von Straftaten ausgegangen werden.
Wie ebenfalls bereits im Rahmen der Beweiswürdigung festgehalten wurde, hat der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht keine Beweismittel vorgelegt oder Angaben getätigt, denen mit Wahrscheinlichkeit das Vorliegen einer Vorsatztat entnommen werden könnte.
Aus den dargelegten Gründen sind die Voraussetzungen für die Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form des Ersatzes des Verdienstentganges nicht gegeben.
Sohin war spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat die Beschwerdeführerin die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Im vorliegenden Fall wird eine Verhandlung vom Bundesverwaltungsgericht für nicht erforderlich erachtet, zumal für die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde der maßgebliche Sachverhalt durch Aktenstudium des vorgelegten Fremdaktes, insbesondere auch der Beschwerde, zu klären war. Alle aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes notwendigen Unterlagen befanden sich im verwaltungsbehördlichen Fremdakt. Ansonsten waren im gegenständlichen Fall rechtliche Fragen zu klären.
Damit liegt ein besonderer Grund vor, welcher auch im Lichte der Rechtsprechung des EGMR eine Einschränkung des Grundrechts auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zulässt. Im Fall Faugel (EGMR 20.11.2003, 58647/00 und 58649/00) wurde ein solch besonderer Grund, der von der Pflicht zur Durchführung einer Verhandlung entbindet, etwa dann angenommen, wenn in einem Verfahren ausschließlich rechtliche oder höchst technische Fragen zur Diskussion stehen. Dem Bundesverwaltungsgericht liegt auch kein Beschwerdevorbringen vor, welches mit der beschwerdeführenden Partei mündlich zu erörtern gewesen wäre und konnte daher die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.
Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Diesbezüglich wird auf die angeführte Judikatur unter A) verwiesen.
Schlagworte
Straftat, Verdienstentgang, vorsätzliche Begehung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W261.2219594.1.00Zuletzt aktualisiert am
19.03.2020