TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/4 W215 2161575-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.09.2019
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Entscheidungsdatum

04.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W215 2161575-1/41E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Bundesrepublik Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.05.2017, Zahl 1066140309-150421275, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG, § 57 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 70/2015, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017,

§ 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG), in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, und § 55 FPG, in der Fassung BGBl. I Nr. 68/2013, als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, dessen Identität nicht festgestellt werden kann, reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 25.04.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der Beschwerdeführer wurde am 25.05.2015 Erstbefragt und gab zusammengefasst an, sein Bruder sei von der Miliz erschossen und sein Vater verletzt worden. Der Beschwerdeführer sei am 10.01.2014 wegen der allgemeinen Lage von seinen Eltern weggeschickt worden bzw. ausgereist.

Am 21.02.2017 wurde der Beschwerdeführer im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein weiteres Mal niederschriftlich befragt. Dabei führte er zu seinem Fluchtgrund zusammengefasst aus, sein Vater sei von al-Schabaab entführt worden, sein Bruder habe sich daraufhin rächen wollen, deshalb der Armee angeschlossen und sei erschossen worden. Als

al-Schabaab den Beschwerdeführer rekrutieren hätte wollen, sei er im Jahr 2012 aus der Bundesrepublik Somalia geflüchtet.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , XXXX , wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach

§§ 142 Abs. 1, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten verurteilt, wovon sechs Monate für eine Probezeit von drei Jahre bedingt nachgesehen wurden.

Mit Stellungnahme vom 08.03.2017 brachte der Beschwerdeführer unter Zitierung zahlreicher Berichte zur Sicherheitslage in der Bundesrepublik Somalia im Wesentlichen vor, dass er aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie und seiner politischen und religiösen Gesinnung Verfolgungshandlungen der al-Schabaab fürchte.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.05.2017, Zahl 1066140309-150421275, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 25.04.2015 gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm

§ 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bundesrepublik Somalia (Spruchpunkt II.) abgewiesen, gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in die Bundesrepublik Somalia gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Die Frist für seine freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , XXXX , wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a zweiter Fall sowie nach § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall SMG zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen á EUR 05.- (insgesamt EUR 1.000.-), im Uneinbringlichkeitsfall zu 100 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.05.2017, Zahl 1066140309-150421275, zugestellt am 12.05.2017, erhob der Beschwerdeführer am 09.06.2017 fristgerecht die gegenständliche Beschwerde. Darin wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass dem Beschwerdeführer Verfolgungshandlungen vonseiten al-Schabaab drohen und eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht bestehe, da sich die Verfolgung auf das gesamte Staatsgebiet beziehe. Bei einer Rückkehr nach Somalia sei der minderjährige Beschwerdeführer aufgrund seiner Minderheitenclanzugehörigkeit und der prekären Sicherheitssituation in Somalia und XXXX einer aktuellen und maßgeblichen Gefahr ausgesetzt, Opfer dieser Sicherheitslage sowie radikaler Gruppierungen zu werden oder in eine existentielle Notlage zu geraten.

2. Die Beschwerdevorlage vom 13.06.2017 langte am 16.06.2017 im Bundesverwaltungsgericht ein.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , wegen der Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, wegen Hausfriedensbruches nach § 109 Abs. 1 sowie Abs. 3 Z 1 und 2 StGB sowie wegen Körperverletzung nach § 83 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.

Im Akt liegen mehrere Anzeigen der Landespolizeidirektion XXXX vom 24.08.2015, 22.08.2016, 06.09.2016, 16.09.2016, 13.08.2017 und 06.08.2017 ein, die gegen den Beschwerdeführer u.a. wegen Lärmerregung nach § XXXX Anstandsverletzung nach § XXXX und Übertretung nach

§ XXXX erstattet wurden.

Für den Beschwerdeführer scheint weiters eine Verurteilung des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX , XXXX , wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 auf, wobei unter Bedachtnahme auf die zuvor erfolgte Verurteilung des Landesgerichtes XXXX vom XXXX keine Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB verhängt wurde.

Zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde für den 05.02.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt. Es erschienen der Beschwerdeführer und sein Rechtsberater. Das ordnungsgemäß geladene Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte sich mit E-Mail vom 05.10.2017 für die Verhandlung entschuldigt und die Übermittlung der Verhandlungsschrift beantragt. In der Verhandlung wurden die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan. Der Beschwerdeführer verzichtete auf Einsichtnahme und Ausfolgung. Das Bundesverwaltungsgericht räumte den Verfahrensparteien vor Schluss der Verhandlung eine zweiwöchige Frist zur Abgabe von Stellungnahmen ein.

Am 12.02.2018 langte zu den beigezogenen Länderberichten über die Lage im Herkunftsstaat eine schriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Schreiben vom 05.07.2018 räumte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer Parteiengehör zu seiner aktuellen Situation in Österreich ein, woraufhin am 23.07.2018 und 31.07.2018 schriftliche Stellungnahmen einlangten.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX , XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB sowie wegen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter und achter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , wurde der Beschwerdeführer unter Bedachtnahme auf § 28 Abs. 1 StGB nach § 27 Abs. 1 SMG und hierfür unter Bedachtnahme des § 28 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwölf Monaten verurteilt und gemäß § 34 SMG das sichergestellte Suchtgift eingezogen.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX , XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB verurteilt, aber gemäß §§ 31 und 40 StGB keine Zusatzstrafe unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX verhängt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1. Die Identität des Beschwerdeführers kann nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Somalia, gehört dem moslemischem (sunnitischen) Glauben an.

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und wurde, während er nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt war, aufgegriffen und angehalten. Erst danach stellte erst am 25.04.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Bruder von Milizen erschossen und der Vater schwer verletzt wurde, ebenso wenig, dass der Vater des Beschwerdeführers von al-Schabaab entführt wurde und sich der Bruder aus Rache dafür der Armee angeschlossen hat und getötet wurde. Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Somalia einer versuchten Zwangsrekrutierung oder physischer oder psychischer Gewalt durch die al-Schabaab ausgesetzt war oder sein wird. Es kann weiters nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer dem Clan der Madhiban angehört oder, dass der Beschwerdeführer aus Gründen seiner Clanzugehörigkeit Übergriffen ausgesetzt war oder sein wird.

3. Der Beschwerdeführer stammt aus XXXX , wo er bis zu seiner Ausreise aus der Bundesrepublik Somalia, gemeinsam mit seinen Eltern, im Elternhaus lebte, das im Eigentum der Familie steht; ebenso wie ein benachbartes Grundstück. Der Beschwerdeführer hat zwei Schwestern und zwei Brüder. Der Beschwerdeführer besuchte einige Jahre die Schule und wurde immer von seinen Eltern versorgt. Es sprach bereits vor seiner Ausreise, neben seiner Muttersprache Somali, Englisch und Arabisch. Die wirtschaftliche Lage der Familie war so gut, dass der Beschwerdeführer nach der Schule nicht arbeiten musste. Der Vater des Beschwerdeführers arbeitet als XXXX , die Mutter XXXX . Es kann nicht festgestellt werden, dass dem gesunden Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Somalia ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit droht oder er Gefahr läuft, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation gerät. Der Beschwerdeführer kann mit der familiären Unterstützung durch seine in XXXX lebende Familie rechnen und wieder bei ihr wohnen.

Der Beschwerdeführer litt an einer Tuberkulose-Erkrankung, die mittlerweile ausgeheilt ist, und hatte diesbezüglich regelmäßig Kontrolltermine. Derzeit bedarf er keiner medizinischen Behandlung und nimmt keine Medikamente.

4. In Österreich leben keine Verwandten des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer besuchte von XXXX Schule und nahm in der Zeit von

XXXX an der Basisbildungsmaßnahme " XXXX " teil. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht konnte sich der Beschwerdeführer verständlich in Deutsch ausdrücken, verstand aber nicht alles.

Der Beschwerdeführer wurde während seines Aufenthaltes im Bundesgebiet mehrfach strafrechtlich verurteilt:

Erstmals wurde er mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , XXXX , wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten verurteilt, wobei sechs Monate für eine Probezeit von drei Jahre bedingt nachgesehen wurden.

Nur wenige Monate später wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , XXXX , wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a zweiter Fall sowie nach § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall SMG zu einer Geldstrafe von 200 Tagessätzen á EUR 05.- (insgesamt EUR 1.000.-), im Uneinbringlichkeitsfall zu 100 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.

In der Folge wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , XXXX , wegen der Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, wegen Hausfriedensbruches nach § 109 Abs. 1 sowie Abs. 3 Z 1 und 2 StGB sowie wegen Körperverletzung nach § 83 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt.

Für den Beschwerdeführer scheint weiters eine Verurteilung des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX , XXXX , wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 auf, wobei unter Bedachtnahme auf die zuvor erfolgte Verurteilung des XXXX vom XXXX keine Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB verhängt wurde.

Danach wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des XXXX vom XXXX , XXXX , wegen der Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB sowie wegen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 zweiter und achter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt.

Weiters wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , unter Bedachtnahme auf § 28 Abs. 1 StGB nach § 27 Abs. 1 SMG und hierfür unter Bedachtnahme des § 28 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwölf Monaten verurteilt und gemäß § 34 SMG das sichergestellte Suchtgift eingezogen.

Zuletzt wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Bezirksgerichtes XXXX vom XXXX , XXXX , wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB verurteilt, aber gemäß §§ 31 und 40 StGB keine Zusatzstrafe unter Bedachtnahme auf das Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX verhängt.

Der Beschwerdeführer ist verbüßt aktuell (wieder) eine Haftstrafe. Er bezog mit Ausnahme jener Zeiträume, die er in Haft zubrachte und die zur Abmeldung aus der Grundversorgung führten, staatliche Unterstützung bzw. war außerhalb der Haftzeiten durchgehend bis XXXX in Grundversorgung; so wurde er von XXXX sowie von XXXX versorgt und von XXXX bis XXXX . Der Beschwerdeführer lebte außerhalb der Haftzeiten zunächst in Einrichtungen der Grundversorgung und von XXXX bei somalischen Bekannten; seit XXXX ist er wieder in Haft. Besondere Abhängigkeitsverhältnisse zu Personen in Österreich liegen nicht vor und sind allfällige freundschaftlichen Beziehungen zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem sich der Beschwerdeführer seiner unsicheren aufenthaltsrechtlichen Stellung bewusst sein musste. Der Beschwerdeführer ist weder in einem Verein bzw. einer Organisation tätig und geht keiner Erwerbstätigkeit nach.

5. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wird festgestellt:

Allgemein

In der Bundesrepublik Somalia leben schätzungsweise 15,45 Millionen Menschen (2019, World Population Review [AA Überblick Stand 05.03.2019, abgefragt am 08.08.2019]).

Im Hinblick auf beinahe alle zu beleuchtenden Tatsachen ist Somalia faktisch zweigeteilt:

a) In den Gliedstaaten Süd- und Zentralsomalia, wo auch die Hauptstadt Mogadischu liegt, herrscht in vielen Gebieten Bürgerkrieg. Die somalischen Sicherheitskräfte kämpfen mit Unterstützung der vom VN-Sicherheitsrat mandatierten Friedensmission der Afrikanischen Union AMISOM (African Union Mission in Somalia) gegen die radikalislamistische, al-Qaida-affiliierte al-Schabaab-Miliz. Die Gebiete sind nur teilweise unter der Kontrolle der Regierung, wobei zwischen der im Wesentlichen auf Mogadischu beschränkten Kontrolle der somalischen Bundesregierung und der Kontrolle anderer urbaner und ländlicher Gebiete durch die Regierungen der föderalen Gliedstaaten Somalias, die der Bundesregierung de facto nur formal unterstehen, unterschieden werden muss. Weite Gebiete stehen aber auch unter der Kontrolle der al-Schabaab-Miliz oder anderer Milizen. Diese anderen Milizen sind entweder entlang von Clan-Linien organisiert oder, im Falle der Ahlu Sunna Wal Jama'a, auf Grundlage einer bestimmten religiösen Ausrichtung. Zumindest den al-Schabaab-Kräften kommen als de facto-Regime Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung in den von ihnen kontrollierten Gebieten gemäß des 2. Zusatzprotokolls zu den Genfer Konventionen zu. Der Gliedstaat Puntland State of Somalia, der das Horn von Afrika im engeren Sinne umfasst, hat sich 1998 mit internationaler Unterstützung konstituiert. Er strebt keine Unabhängigkeit von Somalia an und ist einer der fünf offiziellen föderalen Gliedstaaten Somalias, wenngleich mit größerer Autonomie. Es konnten einigermaßen stabile staatliche Strukturen etabliert werden. Al-Schabaab kontrolliert hier keine Gebiete mehr, sondern ist nur noch in wenigen schwer zugänglichen Bergregionen mit Lagern vertreten, ebenso wie der somalische Ableger des sog. "Islamischen Staats". Stammesmilizen spielen im Vergleich zum Süden eine untergeordnete Rolle. Allerdings ist die Grenzziehung im Süden sowie im Nordwesten nicht eindeutig, was immer wieder zu kleineren Scharmützeln, im Süden auch zu schwereren gewaltsamen Auseinandersetzungen führt.

b) Das Gebiet der früheren Kolonie Britisch-Somaliland im Nordwesten Somalias hat sich 1991 für unabhängig erklärt, wird aber bisher von keinem Staat anerkannt. Allerdings bemühen sich die Nachbarn in der Region sowie zunehmend weitere Staaten in Anerkennung der bisherigen Stabilisierungs- und Entwicklungsfortschritte um pragmatische Zusammenarbeit. Das Vertrauen der internationalen Gemeinschaft wurde durch die mehrfache Verschiebung der Parlamentswahlen und schwerwiegende Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit dem Abkommen zum Betrieb des Hafens von Berbera auf die Probe gestellt. Al-Schabaab kontrolliert in Somaliland keine Gebiete. Die Grenze zu Puntland ist allerdings umstritten, hier kam es im Berichtszeitraum zu zum Teil heftigen militärischen Auseinandersetzungen zwischen "somaliländischen" und somalischen (puntländischen) Truppen.

Grundsätzlich gilt, dass die vorhanden staatlichen Strukturen sehr schwach sind und wesentliche Staatsfunktionen von ihnen nicht ausgeübt werden können. Von einer flächendeckenden effektiven Staatsgewalt kann nicht gesprochen werden (AA 04.03.2019).

Seit 2012 gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 01.08.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. Während 2012 135 Clanälteste die Zusammensetzung bestimmten, waren es 2016 über 14.000 Wahlleute. Allgemeine freie Wahlen bleiben das Ziel für 2020/21. Im Februar 2017 wählte das neue Zweikammerparlament Mohamed Abdullahi Mohamed , genannt "Farmajo", zum Präsidenten, und im März bestätigte es Hassan Ali Khaire als Premierminister und das neue Kabinett. Die Regierung von Präsident Farmajo verfolgt eine intensive Reformagenda in den Bereichen Politik, Wirtschaft und Sicherheit. Allerdings stehen mächtige Teile der Clan-Eliten der Regierung und ihrem Reformkurs kritisch gegenüber. Hinzu kommen immer wieder Spannungen in den Beziehungen Mogadischus zu den föderalen Gliedstaaten, die den politischen und wirtschaftlichen Fortschritt des Landes lähmen (AA Innenpolitik Stand 05.03.2019, abgefragt am 08.08.2019).

Die Wahl des relativ unerfahrenen Farmajo als Präsident markiert den vorläufigen Endpunkt eines somalischen Experimentes, das im Oktober 2016 mit der Wahl von erstmalig zwei Parlaments-Kammern begann. Eine allgemeine und freie Wahl ist in dem von Anarchie geprägten Land nach wie vor nicht möglich. Doch die Zahl von 14.024 Wahlmännern ist ein erheblicher Fortschritt gegenüber früheren Wahlen, als der Sieger unter gerade einmal 135 Clanchefs ausgekungelt wurde. Auch die Gründung föderaler Verwaltungsregionen ist ein wichtiger Schritt. Schließlich konnten die Medien zur Wahl relativ frei agieren und Korruption und Wahlverschiebung anprangern - auch das ein gutes Zeichen (DW 09.02.2017).

Mehr als jeder andere Präsident in Somalias unruhiger Geschichte, trifft Mohamed Abdullahi Mohamed beim Amtsantritt auf eine Welle von Unterstützung, Goodwill und Optimismus. Tausende von jubelnden Menschen gingen am Mittwoch spät auf die Straßen von Mogadischu, nachdem Mohamed, besser bekannt unter dem Spitznamen Farmajo, vom Parlament Somalias in einer Art Erdrutschsieg gewählt wurde. Es kam zu Straßensperren und Freudenschüssen, Unterstützer skandierten Farmajos Namen und Autohupen hießen ihn als neuen Präsidenten willkommen. Ähnliche Feiern brachen in Städten in ganz Somalia aus, sowie in den Städten Garissa und Eastleigh in Kenia; in beiden findet sich eine somalische Mehrheitsbevölkerung. Trotz aller Anzeichen waren die Feierlichkeiten ein Spiegelbild der aufrichtigen öffentlichen Unterstützung für Farmajo. Er ist 55 Jahre alt, besitzt die Somalisch-U.S. amerikanische Doppelstaatsbürgerschaft und war zuvor in der Jahren 2010 und 2011 acht Monate lang Premierminister Somalias (VOA 09.02.2017).

Der Sicherheitsrat begrüßt den Abschluss des Wahlprozesses in Somalia und die Wahl von Präsident Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmajo". Der Sicherheitsrat würdigt die Dienste des ehemaligen Präsidenten Hassan Sheikh Mohamud und lobt den raschen und gütlichen Machtübergang in Somalia. Der Sicherheitsrat begrüßt die seit 2012 in Somalia erzielten politischen und sicherheitsbezogenen Fortschritte und unterstreicht, dass die Dynamik in Richtung auf eine demokratische Regierungsführung in Somalia aufrechterhalten werden muss. Der Sicherheitsrat würdigt die stärkere Teilhabe und Vertretung der Bevölkerung Somalias in dem Wahlprozess (UN Sicherheitsrat 10.02.2017).

Präsident Farmajo war während Sheikh Sharifs Präsidentschaft Premierminister (von Okt 2010 bis Juni 2011) und trat aufgrund politischer Differenzen mit dem Präsidenten und dem Sprecher zurück. Präsident Farmajo hat die somalische sowie die US-Staatsbürgerschaft. Präsident Farmajo ist der erste somalische Präsident des Darood-Clans (Marehan Sub-Clan) seit 2008; hingegen gehören beide Sheikh Sharif und Hassan Sheikh zu den Hawiye (Abgaal Sub-Clan). Präsident Farmajo hat angeblich auch gute Beziehungen zum Militär was einige Kommentatoren als ein viel versprechendes Zeichen für Stabilität sehen (Europäische Kommission Februar 2017).

Seit dem Ende der Übergangsperiode und dem Beginn des New Deal Prozesses 2013 wurde wiederholt der politische Wille zur umfassenden Reform des Staatswesens (Etablierung von Rechtsstaatlichkeit, Schutz von Menschenrechten, Demokratisierung, Föderalisierung) bekundet. 2016 und 2017 konnten mit der Gründung der Gliedstaaten und einem relativ demokratisch erfolgten Machtwechsel wichtige Weichen in Richtung Demokratisierung, legitimer Staatsgewalt und Föderalismus erreicht werden. In den anderen Bereichen ist die Situation nach wie vor mangelhaft. Insbesondere das Verhalten der Sicherheitskräfte, Aufbau, Funktionsweise und Effizienz des Justizsystems und die Lage im Justizvollzug entsprechen nicht den völkerrechtlichen Verpflichtungen des Landes (AA 04.03.2019).

UN-Generalsekretär Antonio Guterres ernannte am 12.09.2018 mit Wirkung vom 01.10.2018 den Südafrikaner Nicholas "Fink" Haysom zum Sondergesandten für Somalia und Nachfolger von Michael Keating. Haysom ist derzeit Sondergesandter für Sudan und Südsudan. Unter Nelson Mandela diente er als Chefberater für Rechts- und Verfassungsfragen (BAMF 24.09.2018).

Der UN Security Council verlängerte am 27.03.2019 das Mandat der UN-Hilfsmission in Somalia (UNSOM) bis zum 31.03.2020 (BAMF 01.04.2019).

ad a) Somalia

Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen, insbesondere Clan-Strukturen, vergeben. Traditionell benachteiligte Gruppen wie Frauen, Jugendliche, ethnische Minderheiten, LGBTI, Behinderte usw. sehen sich somit nicht oder nicht hinreichend vertreten Im November und Dezember 2016 wurde von über 14.000 Wahlmännern und -frauen ein 275-köpfiges Parlament gewählt. Dieser Prozess ist ein bemerkenswerter demokratischer Fortschritt, da noch bei der letzten "Wahl" die Mitglieder des Parlaments unmittelbar durch einzelne Clanälteste bestimmt worden waren. Die Präsidentschaftswahl fand am. 8. Februar 2017 statt, als Gewinner ging der frühere Premierminister Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmajo" hervor, am 29. März wurde die neue Regierung unter Premierminister Hassan Ali Khayre bestätigt und vereidigt (AA 04.03.2019).

(AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Innenpolitik, Stand 05.03.2019, abgefragt am 08.08.2019,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/-/203162

UN Sicherheitsrat, Erklärung des Präsidenten des Sicherheitsrats zur Situation in Somalia, 10.02.2017, http://www.un.org/depts/german/sr/sr_17/sp17-03.pdf

DW, Deutsche Welle, Kommentar, Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? 09.02.2017, http://www.dw.com/de/kommentar-farmajo-der-neue-pr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267

VOA, Voice of America, Somalis Optimistic about New President, 09.02.2017,

http://www.voanews.com/a/hopes-high-somalia-s-new-president-will-improve-security/3716301.html

AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2019, 04.03.2019

Europäische Kommission, Somalia 2016-2017; limited election process; EU election expert mission; final report; Framework Contract Beneficiaries, LOT 7 Specific Contract N° 2016/377703/1; 13 September 2016 - 16 February 2017, Februar 2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1408355/1226_1505130012_eu-eem-somalia-final-report.pdf

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 24.09.2018,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1445536/1226_1539002669_deutschland-bundesamt-fuer-migration-und-fluechtlinge-briefing-notes-24-09-2018-deutsch.pdf

BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Briefing Note, 01.04.2019,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2006127/Deutschland___Bundesamt_f%C3%BCr_Migration_und_Fl%C3%BCchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_01.04.2019_%28deutsch%29.pdf

AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Überblick, Stand 05.03.2019, abgefragt am 08.08.2019,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/somalia/203130)

Parteiensystem

ad a) Somalia

Es gibt keine Parteien im westlichen Sinn. Die politischen Loyalitäten bestimmen sich in erster Linie durch die Clan-Zugehörigkeit oder religiöse Bindung an informelle Gruppierungen. Im September 2016 verabschiedete der Präsident ein Parteiengesetz, das die Grundlage für eine Parteienbildung werden soll. Trotz vorgesehener Mechanismen, die eine breite geografische Repräsentanz in den Parteien sicherstellen sollen, ist nicht ausgeschlossen, dass die Parteienbildung im Wesentlichen anhand von Clan-Zugehörigkeit stattfindet und somit zu einer weiteren Manifestierung des Clan-Systems führt (AA 04.03.2019).

Eine Besonderheit der Politik und Geschichte Somalias liegt in der Bedeutung der Clans. Clans sind auf gemeinsame Herkunft zurückgehende Großfamilienverbände mit einer bis zu siebenstelligen Zahl von Angehörigen. Die Kenntnis der Clanstrukturen und ihrer Bedeutung für die somalische Gesellschaft ist ein wichtiger Schlüssel zum Verständnis der politischen und historischen Entwicklungen in Somalia. Die übergeordneten Clans in Somalia sind die Hawiye, Darod, Issaq, Dir und der Clanverbund der Digil-Mirifle bzw. Rahanweyn. Aufgrund des jahrzehntelangen Bürgerkriegs ist es nicht möglich, die genauen Zahlenverhältnisse der einzelnen Clans anzugeben. Hawiye, Darod, Issaq und Digil-Mirifle stellen wohl je 20 bis 25 Prozent der Gesamtbevölkerung, die Dir deutlich weniger. Über 95 Prozent aller Somalier fühlen sich einem Sub-Clan zugehörig, der genealogisch zu einem der Clans gehört. Auch diese Sub-Clans teilen sich wiederum in Untereinheiten auf. Die Zugehörigkeit zu einem Clan bzw. Sub-Clan ist ein wichtiges Identifikationsmerkmal und bestimmt, welche Position eine Person oder Gruppe im politischen Diskurs oder auch in bewaffneten Auseinandersetzungen einnimmt (AA Innenpolitik Stand 05.03.2019, abgefragt am 08.08.2019).

(AA, Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia, Stand Januar 2019, 04.03.2019

AA, Auswärtiges Amt, Somalia, Innenpolitik, Stand 05.03.2019, abgefragt am 08.08.2019,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/somalia-node/-/203162)

Abstammungslinie

Die in der somalischen Gesellschaft übliche Art, seine Abstammungslinie aufzuzählen, heißt Abtirsiimo (auch Abtirsiin). Dies bedeutet wörtlich übersetzt "das Zählen der Väter". Ein Somali beginnt diese Aufzählung bei sich bzw. seinem eigenen Vater, nennt dann den Großvater, den Urgroßvater etc. Die Linie setzt sich theoretisch fort bis zu den somalischen Gründervätern Samaale und Saab bzw. von diesen aus weiter über den Propheten Mohammed bis hin zum ersten Menschen, Adam. Im Rahmen dieser Aufzählung wird - beginnend auf der tiefsten Stufe - auch die Zugehörigkeit zu den verschiedenen Clan-Stufen erwähnt. Dabei gibt es aber einen entscheidenden Unterschied zwischen der top-down-Aufzählung der Clanzugehörigkeit und der bottom-up-Aufzählung der Abstammungslinie. In der Abstammungslinie werden alle männlichen Vorfahren genannt, einschließlich jener, die einem Clan ihren Namen gegeben haben. Bei der Clanzugehörigkeit hingegen sind es nur eben jene, die einem Clan, Sub-Clan etc. ihren Namen gegeben haben. Nun ist aber der Stammvater des Sub-Clans meist nicht der Sohn des Clanvaters. In der Regel liegen zwischen ihnen mehrere Generationen. Diese werden bei der top-down-Aufzählung meist ausgelassen. Deshalb umfasst die bottom-up-Aufzählung (Abtirsiimo) deutlich mehr Positionen als die top-down-Aufzählung der Clanzugehörigkeit. Kinder beginnen üblicherweise ab dem Alter von etwa fünf bis acht Jahren, ihren Abtirsiimo zu lernen. Sie beherrschen diesen ab dem Alter von acht bis elf Jahren. Das Wissen wird ihnen von den Eltern oder Großeltern vermittelt. Abtirsiimo wird beispielsweise dann angewandt, wenn man das genaue Verwandtschaftsverhältnis zu einer anderen Person herausfinden möchte, wenn starke Clans ihre Dominanz gegenüber Minderheiten zeigen möchten, um berühmte Personen eines Clans zu preisen, und in Erbschaftsfragen. Er ist auch nützlich, um die Eltern oder Verwandten von unbegleiteten Kindern herauszufinden. Auch die berufsständischen Gruppen und teils die ethnischen Minderheiten haben einen Abtirsiimo. Der Unterschied zu den "noblen" Clans besteht darin, dass er nur bis zum Gründervater der Gruppe zurückreicht, nicht zu Samaale oder Saab; dies sind meist ungefähr 25 Generationen (SEM 31.05.2017).

(SEM, Staatssekretariat für Migration, EJPD, Schweizerische Eidgenossenschaft, Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, Focus Somalia, Clans und Minderheiten, 31.05.2017, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf)

Madhiban/Madhibaan

Verschiedenen Quellen zufolge leben Madhiban über Somalia verstreut. Sie leben im Norden und in Zentralsomalia, so auch in Hiraan, Mogadischu und Kismayo. Laut Informationen der Asylforschungsberatung (ARC) aus dem Jahr 2017 lebten Madhiban auch über Südsomalia verstreut. Die Madhiban stammen ursprünglich aus den Distrikten Mudug und Nugal, wo sie traditionell mit verschiedenen Hawiye-Clans, darunter Gurgate, in Verbindung standen (EASO 29.01.2019).

Für die berufsständischen Gruppen gibt es zahlreiche somalische Bezeichnungen, bei denen regionale Unterschiede bestehen. Häufig genannt werden Waable, Sab, Madhiban (Madhibaan) und Boon. Die landesweit geläufige Bezeichnung Midgaan ist negativ konnotiert (er bedeutet "unberührbar" oder "ausgestoßen") und wird von den Berufsgruppen-Angehörigen als Beleidigung empfunden; sie bevorzugen Begriffe wie Madhiban/Madhibaan oder Gabooye. Der Ausdruck Gabooye wird besonders im Norden des somalischen Kulturraums (Somaliland, äthiopischer Regionalstaat Somali) als Dachbegriff benutzt. Nach Angaben der meisten Gesprächspartner der Fact-Finding Mission umfasst er nicht alle Berufsgruppen, aber zumindest vier untereinander nicht verwandte Clans berufsständischer Gruppen, darunter die Madhiban. Aufgrund der regionalen Unterschiede in der Bezeichnung der verschiedenen Berufsgruppen ist es schwierig, eine zuverlässige Unterteilung vorzunehmen. Als wichtigste Gruppen werden auch die Madhiban genannt. Diese sind ursprünglich Jäger, heute aber als Färber, Gerber, Schuhmacher und in anderen Berufen tätig. Sie leben im ganzen somalischen Kulturraum. Für außenstehende Somalis reicht es in der Regel zu wissen, dass jemand z.B. ein Gabooye ist. Heute hat sich die Situation für die Gabooye im Vergleich zur Zeit um die Jahrtausendwende, als sie nicht einmal normal die Schule besuchen konnten, gebessert. Weder das traditionelle Recht Xeer noch Polizei und Justiz benachteiligen gemäß Erkenntnissen der Fact Finding Mission die Minderheiten systematisch. Xeer-Verträge wurden - gemäß Informationen aus dem Jahr 2009 - nur zwischen Mehrheitsclans geschlossen, Minderheiten waren meist ausgeschlossen. Sie können dem Xeer-System aber indirekt beitreten durch ein vertraglich festgelegtes Klientelverhältnis mit einem Mehrheitsclan. Das Brauchtumsrecht Xeer sieht Allianzen zwischen Gruppen vor, die Gaashaanbuur genannt werden. Dabei gibt es verschiedene Arten von Allianzen: Nachbarschaft, Angeschlossene, Anhänger und Vortäuschende (bzw. "Adoption"). Die letztere heißt Sheegad. Diesen Status haben normalerweise anzahlmäßig schwache Clans wie z.B. berufsständische Gruppen, da er ihnen erlaubt, gegen außen die Clan- bzw. Abstammungslinie und damit auch den Schutz des alliierten Mehrheitsclans zu übernehmen. Shegaad kann aber auch von Angehörigen eines Mehrheitsclans in Anspruch genommen werden. Während Gabooye auf unterer Ebene noch über Repräsentanten verfügen, sind sie bei Entscheidungen auf höheren Ebenen auf Allianzen mit relevanten Clans angewiesen, um repräsentiert zu werden. Quellen der Fact-Finding Mission zeichneten ein teils neues Bild. So hat beispielsweise in Somaliland die Anerkennung von Gabooye-Suldaans zu einer Aufwertung der berufsständischen Gruppen geführt. Damit geht auch soziale Sicherheit einher. Die Gabooye haben im Xeer ihre Rechte. Zusätzlich sind Verfahren im Xeer meist nicht korrumpierbar und fairer. Der gesellschaftliche Umgang mit den Angehörigen von Minderheiten hat sich in den letzten Jahren verbessert. Insbesondere unter jungen Leuten ist die Einstellung zu ihnen gemäß Erkenntnissen der Fact-Finding Mission positiver geworden. Obwohl ein gewisses Stigma weiterhin besteht, ist es mittlerweile für viele Angehörige der Mehrheitsclans üblich, auch mit Angehörigen berufsständischer Gruppen zu sprechen, zu essen, zu arbeiten und Freundschaften zu unterhalten, wie mehrere befragte Quellen übereinstimmend aussagten. Dabei handelt es nicht nur um einen oberflächlichen Wandel, sondern um einen "change of mind-set" - selbst bei älteren Generationen. Früher kam es vor, dass Angehörige der Mehrheitsclans Minderheiten-Angehörige aufgrund von Vorurteilen beschimpften. Die soziale Interaktion mit Angehörigen berufsständischer Gruppen wie z. B. das Grüßen oder gemeinsame Mahlzeiten war eingeschränkt. Nach Einschätzung einer westlichen Botschaft kommt es im Allgemeinen zu keinen gezielten Angriffen oder Misshandlungen der Gabooye (SEM 31.05.2017).

Zu den Gabooye/Midgan gehört unter anderem die Gruppe Madhiban. Eine örtliche NGO habe laut Bericht des DIS vom Jänner 2013 in Mogadischu angegeben, marginalisierte Gruppen wie etwa die Midgan würden größere Ängste als Angehörige der größeren Clans haben. Dies sei darauf zurückzuführen, dass die Polizei und die Sicherheitskräfte bislang "schwache Einrichtungen" seien (Accord 23.02.2013).

Die MRG (Minority Rights Group International) berichtet im Juni 2012, dass Minderheitengruppen, wie etwa die Gaboye und Madhiban, zu Tausenden in Binnenvertriebenenlager in Somaliland, Puntland und Kenia ziehen würden, wo sie erneut von Diskriminierung betroffen seien. Minderheitengruppen würden außerhalb der traditionellen somalischen Clanstruktur stehen und deshalb über kein Schutzsystem verfügen. Aufgrund sozialer Segregation, Existenznot und politischer Manipulation seien Minderheitengruppen in größerem Ausmaß von Vergewaltigung, Angriffen, Entführung, Beschlagnahmung von Eigentum und den Konsequenzen von Dürre bedroht. Das US-Außenministerium (US Department of State, USDOS) schreibt in seinem Jahresbericht zur Menschenrechtslage vom Februar 2014 (Berichtszeitraum: 2013), dass unter anderem die Madhiban und Gabooye zu den Minderheitengruppen zählen würden. Viele Minderheiten würden in großer Armut leben und von zahlreichen Formen von Diskriminierung und Ausgrenzung betroffen sein (Accord 12.06.2015).

Wie allgemein bekannt gelten die Madhiban - wie auch andere Angehörige berufsbezogener Kasten (Waable) - als ärmste und marginalisierteste Gruppe in Somalia. Dies wird von mehreren Quellen unzweifelhaft bestätigt. Kasten bzw. Waable bzw. Midgan bzw. Madhiban sind generell arm und leben in großer Not. Nur wenige konnten jemals die Mittel aufbringen, ins Ausland zu fliehen; so sind diese Menschen auch von Geldflüssen aus der Diaspora weitgehend ausgeschlossen. Gleichzeitig verfügen Angehörige berufsständischer Kasten nur über eine durch ihr geringes Einkommen verursachte schwache Kaufkraft. Dadurch und gleichzeitig auch durch den Ausschluss aus traditionellen Netzwerken bleibt ihnen auch der Zugang zu lukrativen wirtschaftlichen Möglichkeiten verwehrt. Ständische Berufskasten haben traditionell weder das Recht auf Eigentum an Land und Vieh noch das Recht, sich an lokalen Geschäften, Marktwirtschaft oder Politik zu beteiligen. Wenn Kinder überhaupt eingeschult werden, werden diese auch bald wieder von der Schule genommen, um sie als Arbeitskraft einzusetzen. Minderheitenvertreter beklagen, dass ihnen das Recht auf Bildung versagt bleibt. Hinsichtlich des Restaurantbetriebs ist festzuhalten, dass es zwischen "noblen" somalischen Clans und Angehörigen von Kasten einige gesellschaftliche Tabus gibt. Diese beschränken sich z.B. ein gemeinsames Essen oder engere Kontakte. Die britische Anthropologin Dr. Virginia Luling erläutert in einem Bericht aus dem Jahr 2004, dass die Midgan generell sehr arme Leute sind. Die Midgan werden als Ausgestoßene in Somalia diskriminiert. Keinem Somali-Clan ist es erlaubt, mit den Midgan-Madhiban oder anderen niedrigen Kasten zu essen, oder enge Kontakte zu pflegen [closely associate]. Die Waable [= berufsständische Kasten; also auch Madhiban] besaßen weiterhin keine politische Macht. Sie waren auf lokaler Ebene nicht vertreten und wurden weiterhin von Waranle und Wadaad beeinflusst. Selbst in den Städten, wo sie größere Bewegungsfreiheit hatten, lebten sie in getrennten Gebieten, in Vorstadtghettos. Insgesamt bedeutete der Ausbruch des Bürgerkrieges eine Verschlechterung der Situation der Waable. Nicht nur, dass sie an den drastischen Folgen der Kämpfe zu leiden hatten, traf sie insbesondere auch der Rückschritt der Somali-Gesellschaft als Ganzes. Je weiter entfernt die Erinnerung an staatliche Strukturen zurücklag, desto mehr verfiel vor allem Süd- und Zentralsomalia in eine Zeitreise zum traditionellen Urzustand zurück, zu den historisch verankerten Reglements der Gesellschaft. Dieser Rückschritt traf die Minderheiten aus mehreren Richtungen: erstens verloren sie den staatlichen Schutz. Sie wurden vom rasch entstehenden System der Geldflüsse aus der Diaspora größtenteils ausgeschlossen, da nur wenige von ihnen die Mittel aufbringen konnten, ins Ausland zu fliehen. Selbst bei der Hilfe durch humanitäre Organisationen wurden die Minderheiten diskriminiert. Eine weitere Separation der Waable betrifft deren Wohnstätten. In der nomadischen Tradition ist es üblich, die Lager der Berufskasten abseits anderer Clans zu errichten. Konventionelle Wege sozialen Aufstiegs sind ihnen oftmals verwehrt. Zum Beispiel sind üblicherweise keine Stellen im öffentlichen Dienst für sie verfügbar. Zudem bleibt ihnen der Erhalt durch agrarische Subsistenzwirtschaft verwehrt. Gleichzeitig verfügen die Waable nur über eine durch ihr geringes Einkommen verursachte schwache Kaufkraft. Dadurch und gleichzeitig auch durch den Ausschluss aus traditionellen Netzwerken bleibt ihnen auch der Zugang zu lukrativen wirtschaftlichen Möglichkeiten verwehrt. Professor Markus Höhne zitiert die in Somaliland tätige Minderheiten-NGO VOSOMWO. Nach deren Aussagen, würden Minderheiten - und hier speziell Frauen - Grundrechte verweigert, so zum Beispiel das Recht auf Bildung. Schon Anfang der 2000er, als einige europäische Regierungen davon ausgingen, dass in Somalia die schlimmste Zeit überstanden sei, war die Angabe der Zugehörigkeit zu einer Minderheitengruppe in Somalia ein relativ sicheres Mittel, um in Europa Asyl zu bekommen. Klarerweise haben auch Angehörige von "noblen" Clans von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, und sich als Minderheitenangehörige (z.B. Midgan oder Ashraf) ausgegeben (BFA Anfragebeantwortung 23.01.2017).

XXXX (U.K. Jänner 2019).

(U.K. Home Office, Country Policy and Information Note Somalia, Majority clans and minority groups in south and central Somalia, Version 3.0 Jänner 2019,

https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/773526/Somalia_-_Clans_-_CPIN_V3.0e.pdf

SEM, EJPD, Schweizerische Eidgenossenschaft, Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement, bzw. nunmehr SEM, Staatssekretariat für Migration, Focus Somalia, Clans und Minderheiten, 31.05.2017, https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/som/SOM-clans-d.pdf

Accord, Anfragebeantwortung zu Somalia, Informationen zur Lage der Gaboye/Midgan, Zahl a-9202-2 (9229), 12.06.2015, http://www.ecoi.net/local_link/309154/448404_de.html

Accord Anfragebeantwortung zu Somalia, Aktuelle Lage von Angehörigen der Madhiban/Midgan, Zahl a-8293, 23.02.2013

Staatendoku, Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Somalia, Madhiban in Kismayo, 23.01.2017

EASO, Anfragebeantwortung zur somalischen Kaste der Madhiban, 29.01.2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2002652/SOM_Q3.pdf)

Sicherheitslage

Der Alltag der Menschen vor allem im Süden und in der Mitte Somalias bleibt von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der Regierung und den sie unterstützenden internationalen Kräften (AMISOM) einerseits und der radikalislamistischen Terrorgruppe

al-Schabaab andererseits geprägt. Mit Waffengewalt ausgetragene Streitigkeiten zwischen rivalisieren Clans oder Sub-Clans kommen hinzu. In den Regionen Puntland und "Somaliland" ist die Lage insgesamt stabiler. In den zwischen Puntland und "Somaliland" umstrittenen Grenzregionen (Regionen Sool und Sanaag sowie im östlichen Teil der Region Togdheer) kam es in jüngerer Zeit wieder verstärkt zu bewaffneten Auseinandersetzungen, insbesondere um den umstrittenen Ort Tukaraq. Spannungen und gelegentliche bewaffnete Zusammenstöße gibt es auch in der Stadt Galkayo an der Südgrenze Puntlands mit Galmudug, die Lage hat sich aber seit der Durchführung gemeinsamer Polizeipatrouillen stark verbessert (AA Innenpolitik Stand 05.03.2019, abgefragt am 08.08.2019).

Wer sich in Somalia aufhält, muss sich der Gefährdung durch Terroranschläge, Kampfhandlungen, Piraterie sowie kriminell motivierte Gewaltakte bewusst sein. Im Fall einer Notlage (gesundheitlich, kriminalitäts- oder kriegsbedingt) fehlen weitgehend funktionierende staatliche Stellen, die Hilfe leisten könnten. Hinweisen zufolge laufen insbesondere ausländische Fachkräfte und Reisende Gefahr, Opfer von Attentaten, Überfällen, Entführungen und anderen terroristisch motivierten Gewaltverbrechen zu werden. Milizen und andere Sicherheitskräfte, die nicht der somalischen Bundesregierung unterstehen, folgen oft nicht vorhersehbaren Loyalitäten und können für ausländische Reisende in der Regel keine Sicherheit garantieren. Übernachtungen sollten landesweit nur in von der Sicherheitsabteilung der Vereinten Nationen freigegebenen Unterkünften erfolgen (BMEIA Stand 18.03.2019 abgefragt 08.08.2019).

Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat. Gleichwohl gibt es keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach. Die Autorität der Zentralregierung wird vom nach Unabhängigkeit strebenden "Somaliland" (Regionen Awdaal, Wooqoi Galbeed, Toghdeer, Sool, Sanaag) im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al-Schabaab-Miliz in Frage gestellt (AA 04.03.2019).

In den Regionen Lower und Middle Juba, Lower und Middle Shabelle, Gedo, Bay, Bakool, Banaadir und Hiraan kommt es regelmäßig zur Explosion von improvisierten Sprengsätzen. Seit September 2018 wurden mindestens 54 durch Explosionen getötete Zivilisten verzeichnet. Opfer wurden auch bei Zusammenstößen zwischen Soldaten und der al-Schabaab rund um Mogadischu, in der Region Hiraan, in der Region Gedo und in anderen Regionen verzeichnet. Die Taktik der al-Schabaab scheint Recherchen zufolge in Richtung weniger Angriffe auf Regierungsstützpunkte und mehr Angriffe auf Regierungsbüros und Geschäfte, die sich weigern, der al-Schabaab gegenüber Steuern abzuführen, zu gehen. Zudem verwendet die al-Schabaab scheinbar Bombenangriffe als Hauptmethode, um die somalische Regierung und ihrer Verbündeten ins Visier zu nehmen (Accord Sicherheitslage 14.05.2019).

Berichtete Konfliktvorfälle nach Provinzen im dritten Quartal 2018:

XXXX (Accord drittes Quartal 2018, 20.12.2018).

Die Sicherheitslage in Somalia blieb zwischen 23. August und 13. Dezember 2018 volatil. Die al-Schabaab war weiterhin die Hauptbedrohung der Sicherheit im Land. Es gab zudem einen Anstieg der berichteten Aktivitäten von Elementen, die der Gruppe Islamic State of Iraq and the Levant (ISIL) zugerechnet werden, in Mogadischu. In der umstrittenen Region Sool, gab es weiterhin Spannungen in der Stadt Turkaraq und angrenzenden Gebieten, mit sporadischen bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften Somalilands und Puntlands. Die höchste Anzahl der terroristischen Zwischenfälle des Jahres 2018 wurden im November berichtet, wobei die meisten Fälle in Mogadischu und in den Regionen Lower Shabelle und Hiraan berichtet wurden. Die al-Schabaab behielt trotz andauernder und intensivierter landesweiter Boden- und Luftangriffe weiterhin operative Stärke und Fähigkeiten. Pro-ISIL-Elemente verstärkten ihre Aktivitäten in und um Mogadischu, obwohl ihre Aktivitäten auf gezielte Tötungen beschränkt blieben. In Puntland waren al-Schabaab und Pro-ISIL-Elemente weiterhin aktiv (Accord Sicherheitslage 14.05.2019).

ad a) Somalia

In vielen Gebieten der Gliedstaaten Somalias und der Bundeshauptstadt Mogadischu herrscht Bürgerkrieg. In den von al-Schabaab befreiten Gebieten kommt es weiterhin zu Terroranschlägen durch diese islamistische Miliz. Am 14. Oktober 2017 kam es zu einem der verheerendsten Anschläge der Geschichte Somalias mit über 500 Todesopfern und zahlreichen Verletzten. Ein LKW brachte eine Sprengladung in einer belebten Kreuzung in Mogadischu zur Detonation. Die Al-Schabaab Miliz wird hinter dem Anschlag vermutet, hat sich jedoch nicht offiziell dazu bekannt Seitdem hat es wiederholt Anschläge im Stadtgebiet von Mogadischu mit bis zu 40 Todesopfern gegeben (AA 04.03.2019).

Laut Militär der USA sollen 62 Kämpfer der al-Schabaab bei sechs Luftangriffen getötet worden sein (BBC 17.12.2018).

Bei einer Operation US-gestützter somalischer Spezialeinheiten am 13.01.2019 in mehreren Ortschaften außerhalb der Stadt Janaale (Region Lower Shabelle) wurden 85 al-Schabaab-Kämpfer getötet, unter ihnen fünf ausländische Staatsangehörige, so ein somalischer Radiosender. Die ausländischen Kämpfer stammten aus Tansania, Ägypten, Mauretanien, Jemen und Syrien. Al-Schabaab tötete am 18.01.2019 nach eigenen Angaben 57 Soldaten bei einem Angriff auf einen äthiopischen Militärkonvoi nahe der Stadt Burhakaba (Region Bay). Die äthiopische Militärführung machte keine Angaben zur Anzahl der Opfer. Die US-Streitkräfte gaben bekannt, dass bei einem Luftangriff gegen al-Schabaab am 19.01.2019 nahe Jilib (Region Middle Juba) 52 Extremisten ums Leben gekommen seien. Die Operation soll nach Angriffen der al-Schabaab auf zwei Stützpunkte der somalischen Armee erfolgt sein, bei denen laut al-Schabaab mindestens 41 somalische Soldaten das Leben verloren (BAMF 21.01.2019).

Mutmaßliche al-Schabaab-Kämpfer ermordeten am 30.01.2019 einen Gemeindeältesten in Afgoye (Region Lower Shabelle). Das Opfer hatte an der Auswahl der Delegierten für die Parlamentswahl 2016/2017 teilgenommen. Mutmaßliche al-Schabaab-Kämpfer feuerten am 28.01.2019 Granaten auf einen Kontrollpunkt der Sicherheitskräfte in Jowhar (Region Middle Shabelle). Die Anzahl der Opfer ist nicht bekannt. AFRICOM tötete bei einem Luftangriff am 30.01.2019 in der Nähe der Ortschaft Shebeeley bei Beled Weyne (Region Hiraan) 24 Extremisten (BAMF 04.02.2019).

Ein al-Schabaab-Extremist ermordete in Boosaaso am 04.02.2019 einen italienischen Staatsangehörigen, der für die emiratische Gesellschaft DP World in der Verwaltung des Hafens von Boosaaso arbeitete. DP World hatte im Jahr 2017 einen Vertrag über 30 Jahre für die Verwaltung und Entwicklung des Hafens von Boosaaso erhalten. Dagegen hatten damals zahlreiche Einwohner der Stadt protestiert. Al-Schabaab-Angehörige ermordeten nahe der Ortschaft Dhanaane (Region Lower Shabelle) am 05.02.2019 zwei hochrangige Offiziere der somalischen Armee mit einer Sprengfalle. Am 04.02.2019 sollen bei einer Operation der somalischen Armee nahe dem Dorf Farsooley (Region Lower Shabelle) 40 al-Schabaab-Kämpfer getötet worden sein. Sechs Soldaten starben am 06.02.2019 bei einem Angriff der al-Schabaab auf einen Stützpunkt von somalischem Militär und Sicherheitskräften Jubalands in der Region Lower Juba. Bei einer US-gestützen Boden- und Luftoffensive des somalischen Militärs gegen al-Schabaab nahe Barire (Region Lower Shabelle) sollen am 07.02.2019 zehn Extremisten getötet worden sein. United States Africa Command (AFRICOM) unternahm mehrere Luftangriffe. Für einen Angriff am 05.02.2019 nahe Leego (Region Bay) wurden keine Opferzahlen bekanntgegeben. Bei Angriffen am 06.02.2019 nahe Gendershe (Region Lower Shabelle) und 07.02.2019 nahe Barire (Region Lower Shabelle) wurden elf bzw. vier Extremisten getötet. Ein weiterer Luftangriff am 08.02.2019 nahe Kismayo (Region Lower Juba) tötete acht al-Schabaab-Kämpfer (BAMF 11.02.2019).

Bei zwei Luftangriffen des United States Africa Command (AFRICOM) nahe der Stadt Janaale (Region Lower Shabelle) am 11.02.2019 wurden nach Angaben von U.S.-Angaben elf bzw. vier Extremisten getötet. Zivilisten sollen entgegen anderslautender Behauptungen der al-Schabaab nicht zu Schaden gekommen sein. Einheiten des somalischen Militärs und Sicherheitskräfte des Bundesstaates Jubaland griffen am 12.02.2019 Stützpunkte der al-Schabaab nahe der Stadt Jamame (Region Lower Juba) an. Flugzeuge unbekannter Herkunft unternahmen am 14.02.2019 nahe der Stadt El Adde (Region Gedo) einen Luftangriff, bei dem mindestens 13 al-Schabaab-Angehörige ums Leben gekommen sein sollen. Bei einem Angriff der al-Schabaab auf die Baledogle Airbase nahe Wanlaweyne (Region Lower Shabelle) kamen nach Angaben der Extremisten drei U.S.-Soldaten ums Leben. AFRICOM bestritt dies. Puntländische Sicherheitskräfte nahmen im Rahmen einer Operation gegen den IS nordöstlich der Stadt Boosaaso am 11.02.2019 mehrere Personen fest, die sich dem IS anschließen wollten (BAMF 18.02.2019).

Eine Explosion von zwei Sprengfallen der al-Schabaab am 20.02.2019 zerstörte in Bardheere (Region Gedo) den gepanzerten Mannschaftswagen einer äthiopischen AMISOM-Patrouille. Die Anzahl der Opfer ist unbekannt. Al-Schabaab behauptete, am 21.02.2019 am Stadtrand von Afgoye (Region Lower Shabelle) somalische und amerikanische Soldaten eines Konvois mit einer Autobombe getötet zu haben. Der Angriff wurde nicht bestätigt. Am 21.02.2019 griffen al-Schabaab-Kämpfer nahe Balad (Region Middle Shabelle) einen Stützpunkt der somalischen Armee an. Es kam zu Verlusten auf beiden Seiten. Die Extremisten behaupteten, große Teile der Stadt erobert zu haben. Nach Berichten örtlicher Medien soll dies nicht zutreffen. Am 21.02.2019 kehrten 200 burundische AMISOM-Soldaten in ihre Heimat zurück. Forderungen der Afrikanischen Union (AU), Burundi solle 1.000 Soldaten seines etwa 5.400 Mann starken Kontingents bis Ende Februar aus Somalia abziehen, will die burundische Regierung nicht nachkommen. Sie droht mit einem Abzug all ihrer Soldaten, falls die AU auf der Forderung bestehe. Burundi stellt ca. ein Viertel der AMISOM-Soldaten und damit nach Uganda das zweitgrößte Kontingent. Im bisherigen Verlauf des Einsatzes verloren 800 bis 1.000 burundische Soldaten ihr Leben. Präsident Pierre Nkurunziza und Somalias Präsident Mohamed Abdullahi Farmajo forderten nach einem Treffen eine Dringlichkeitssitzung der AU zur Frage des Truppenabzugs. Die Beteiligung an AMISOM bedeutet eine Einkommensquelle in harter Währung für Burundi. Die AU bezahlt für das Kontingent rund 18 Mio. USD pro Quartal (BAMF 25.02.2019).

Am 25.02.2019 wurden neun Straßenreiniger am Stadtrand von Afgoye (Region Lower Shabelle) erschossen. Dieser Vorfall wird der al-Schabaab ebenso zugerechnet wie die Ermordung von zwei Zivilisten am 27.02.2019 in einem Internetcafé im Bezirk Bondhere von Mogadischu. Das Afrikakommando der USA (U.S. AFRICOM) unternahm am 23.02.2019 Luftangriffe auf Stützpunkte der al-Schabaab in der Ortschaft Qunyow Barrow (Region Middle Juba) nahe der Stadt Awdheegle (Region Lower Shabelle) sowie in der Stadt Janaale (Region Lower Shabelle). Zwei Extremisten sollen bei diesen Angriffen ums Leben gekommen sein. Bei weiteren Luftschlägen von AFRICOM auf Stellungen und Ausbildungslager der al-Schabaab wurden am 24.02.2019 nahe Beledweyne (Region Hiraan) 35 Extremisten, am 25.02.2019 nahe der Ortschaft Shebeeley (Region Hiraan) 20 sowie am 28.02.2019 ebenfalls in der Region Hiraan 26 Extremisten getötet. Al-Schabaab-Kämpfer überfielen am 27.02.2019 einen Stützpunkt der AMISOM nahe der Stadt Qoryoley (Region Lower Shabelle). Bei dem sich anschließenden Gefecht wurden mindestens drei somalische Soldaten verletzt (BAMF 04.03.2019).

Al-Schabaab behauptet, mehrere Gebiete in der Nähe der Stadt Bal'ad in der Region Middle Shabelle, nördlich von Mogadischu, erobert zu haben, nachdem sich die Somalische Nationalarmee (SNA) aus den Gebieten zurückgezogen hatte. Berichten zufolge haben die SNA-Kräfte ihre Positionen aus Streit um Lohnzahlungen aufgegeben (BAMF 0

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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