TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/4 W103 2216079-1

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Veröffentlicht am 04.09.2019
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Entscheidungsdatum

04.09.2019

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §92 Abs1

Spruch

W103 2216079-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.02.2019, Zl. 732330904-181223185, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und - unstrittiger - Sachverhalt:

1. Mit Bescheid des UBAS vom 10.11.2007, Zl. 246.137/0/9E-VIII/40/04 wurde dem BF der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

Am 21.01.2017 wurde dem BF vom BFA der Konventionsreisepass mit der Nr. K 1279889, mit der Gültigkeit bis 20.01.2022 ausgestellt.

Am 11.07.2018 wurde der BF von der LPD Burgenland wegen des Verdachtes der Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung (§ 114 Abs. 4 FPG) an die STA Eisenstadt angezeigt.

Am 20.12.2018 legte der BF bei der belangten Behörde eine Verlustanzeige der Stadt Graz vom 07.12.2018 Zl. Präs-VL-2018/04737 vor und beantragte die neuerliche Ausstellung eines Konventionsreisepasses.

Im Zuge der Antragstellung wurde dem BF zur Kenntnis gebracht, dass das in Verlust geratene Dokument ungültig sei - und dieses im Falle der Auffindung - der Behörde vorzulegen sei.

Eine Anfrage bei der STA Eisenstadt ergab, dass das dort geführte Ermittlungsverfahren zu Zl 3 St 77/17h noch nicht abgeschlossen sei.

2. Mit Bescheid vom 11.02.2019 wurde das Verfahren hinsichtlich des Antrages gem. § 94 Abs. 1 FPG gemäß § 38 AVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung des LG Eisenstadt zum anhängigen Schleppereiverfahren zur Zl 3 St 77/17h ausgesetzt.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung wie folgt:

"Gemäß § 92 Abs. 1 FPG ist die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Fremdenpasses zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass

1. der Fremde das Dokument benützen will, um sich einer wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung im Inland eingeleiteten Strafverfolgung oder Strafvollstreckung zu entziehen;

2. der Fremde das Dokument benützen will, um Zollvorschriften zu übertreten;

3. der Fremde das Dokument benützen will, um gegen Bestimmungen des Suchtmittelgesetzes zu verstoßen;

4. der Fremde das Dokument benützen will, um Schlepperei zu begehen oder an ihr mitzuwirken;

5. durch den Aufenthalt des Fremden im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.

Die Versagungsgründe des § 14 Abs. 1 Z 3 lit d, e und Z 5 Passgesetz 1992 gelten gem. § 92 Abs. 1 a FPG sinngemäß mit der Maßgabe, dass anstelle des Reisepasses der Fremdenpass tritt.

Gem. § 94 Abs. 5 FPG gelten §§ 88 Abs. 4 bis 93 FPG sinngemäß mit der Maßgabe, dass anstelle eines Fremdenpasses der Konventionsreisepass tritt.

Gemäß § 38 AVG ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Vewaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnene eigenen Anschauungen zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtkskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. bei zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

Im Gegenstandsfalle wird aufgrund des beim Landesgericht Eisenstadt anhängigen Verfahrens hinsichtlich des Verdachtes der Begehung des Deliktes nach § 114 Abs. 4 FPG (Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung) zu klären sein, ob ein Passversagungsgrund nach § 92 Abs. 1 i.Vm. § 94 Abs. 5 FPG vorliegt.

Da diese Entscheidung eine wesentliche Entscheidungsgrundlage im gegenständlichen Verfahren ist, wird daher dieses Verfahren - Antrag auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses - bis zur rechtskräftigen Entscheidung im anhängigen Gerichtsverfahren gem. § 38 AVG ausgesetzt.

Somit war spruchgemäß zu entscheiden."

3. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Dies wurde wie folgt begründet.

Zur Begründung führt die belangte Behörde an, mit der Anzeige der LPD Burgenland wegen Verdacht der Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gemäß § 114 Abs 4 FPG könne geklärt werden, ob ein Passversagungsgrund nach § 92 Abs. 1 ivm § 94 Abs. 5 FPG vorliege.

Diese Rechtsansicht sei unrichtig, da es sich bei der genannten Zahl um die Zahl der Staatsanwaltschaft handle. Auch eine Anklageerhebung sei noch kein Passversagungsgrund, erst im gerichtlichen Verfahren, sofern ein solches eingeleitet werde, könne geklärt werden ob der BF strafbare Handlungen begonnen habe. Eine Aussetzung hätte daher keinen Sinn.

4. Am 15.03.2019 wurde dem Bundesverwaltungsgericht die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die in Sachverhalt zu Pt. 1-4 angegebenen Umstände gelten aufgrund der im Akt einliegenden Beweismittel als festgestellt.

2. Beweiswürdigung:

Zu A) Zur Aussetzung des Verfahrens

§ 38 AVG ist gemäß § 17 VwGVG auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anwendbar und hat folgenden Wortlaut:

"Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird."

Für die Beurteilung, ob im gegenständlichen Beschwerdeverfahren die Ausstellung eines Konventionsreisepasses gerechtfertigt ist, ist der Ausgang des bei einem inländischen Straflandesgericht anhängigen Verfahren relevant, weshalb gegenständliches Beschwerdeverfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung dieses Strafverfahrens auszusetzen ist.

Der Argumentation des BF in seiner Beschwerde

"Zur Begründung führt die belangte Behörde an, mit der Anzeige der LPD Burgenland wegen Verdacht der Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gemäß § 114 Abs. 4 FPG könne geklärt werden, ob ein Passversagungsgrund nach § 92 Abs. 1 ivm § 94 Abs. 5 FPG vorliege.

Diese Rechtsansicht sei unrichtig, da es sich bei der genannten Zahl um die Zahl der Staatsanwaltschaft handle. Auch eine Anklageerhebung sei noch kein Passversagungsgrund, erst im gerichtlichen Verfahren, sofern ein solches eingeleitet werde, könne geklärt werden ob der BF strafbare Handlungen begonnen habe. Eine Aussetzung hätte daher keinen Sinn."

kann nicht gefolgt werden.

Zwar hätte die belangte Behörde nur aufgrund der Anzeige der LPD Burgenland wegen Verdacht der Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gemäß § 114 Abs. 4 FPG schon einen Passversagungsgrund feststellen können, sie hat sich aber zu Recht dafür entschieden das Verfahren auszusetzten und die gerichtliche Entscheidung abzuwarten, da dies vom BF sicherlich als vorweggenommene Beweiswürdigung gewertet worden wäre. Das Abwarten der rechtskräftigen Entscheidung im angeführten strafgerichtlichen Verfahren erscheint daher zweckmäßiger als eine Beurteilung der Vorfrage nach § 38 erster Satz AVG durch die belangte Behörde selbst.

Gegen den BF ist ein Ermittlungsverfahren beim LG Eisenstadt wegen Verdacht der Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gemäß § 114 Abs. 4 FPG anhängig. Eine formelle Anklageerhebung ist dazu nicht notwendig. Diese Vorfrage ist jedenfalls präjudizielle und muss beim LG Eisenstadt geklärt werden. Das im Falle einer Verurteilung das Vorhandensein von Passversagungsgründen zu prüfen sein wird braucht nicht extra begründet zu werden (siehe dazu Thienel/Verwaltungsverfahrensrecht 4. Auflage, S 150, Pt. 2 Aussetzung des Ermittlungsverfahrens wegen Vorfragen).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht u.a. über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Z. 1) sowie über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG (Z. 3).

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes ? BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz ? VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 3 BFA-Einrichtungsgesetz - BFA-G, BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, obliegt dem Bundesamt die Vollziehung des BFA-VG (Z. 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z. 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr.100 (Z. 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr.100 (Z. 4).

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z. 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs.1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z. 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z. 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. §?66 Abs.?4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

3.6. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht

§ 21 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG; BGBl. I Nr. 68/2013 besagt:

Zu Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht ist das Bundesamt zu laden; diesem kommt das Recht zu, Anträge und Fragen zu stellen.

Gemäß Abs. 7 leg. cit. kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

§ 21 Abs. 7 stellt klar, dass eine mündliche Verhandlung auch dann unterbleiben kann, wenn sich aus den bisherigen Ermittlungsergebnissen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht den Tatsachen entspricht. Neben dieser Bestimmung ist § 24 VwGVG anzuwenden.

§ 21 Abs. 7 BFA-VG entspricht inhaltlich dem früheren § 41 Abs. 7 AsylG, wonach der Asylgerichtshof § 67d AVG mit der Maßgabe anzuwenden hatte, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

§ 24 Abs. 1 VwGVG besagt:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß Abs. 2 leg. cit hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.

Abs. 4 leg. cit. besagt: Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Art. 47 GRC lautet:

Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht

(1) Jede Person, deren durch das Recht der Union garantierte Rechte oder Freiheiten verletzt worden sind, hat das Recht, nach Maßgabe der in diesem Artikel vorgesehenen Bedingungen bei einem Gericht einen wirksamen Rechtsbehelf einzulegen.

(2) Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Jede Person kann sich beraten, verteidigen und vertreten lassen.

Aus den Erläuterungen der Grundrechtecharta geht hervor, dass die Charta im Unterschied zu Art. 6 EMRK eben nicht nur auf zivilrechtliche Ansprüche abzielt, weshalb hier eine Erweiterung auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit gemeint sein könnte.

Nach Art. 47 Abs. 2 der Grundrechtecharta der Europäischen Union (GRC) hat zwar jede Person ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unparteiischen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren öffentlich und innerhalb an-gemessener Frist verhandelt wird. Die in § 21 Abs. 7 BFA-VG vorgesehene Einschränkung der Verhandlungspflicht i.S.d. Art. 52 Abs. 1 GRC ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes zulässig, weil sie eben - wie in der GRC normiert - gesetzlich vorgesehen ist und den Wesensgehalt des in Art. 47 Abs. 2 GRC verbürgten Rechts achtet. Die möglichst rasche Entscheidung über Asylanträge ist ein Ziel der Union, dem ein hoher Stellenwert zukommt (vgl. etwa Erwägungsgrund 11 der Präambel der Richtlinie 2005/85/EG des Rates vom 1. Dezember 2005 [Asyl-VerfahrensRL]). Das Unterbleiben der Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt festgestellt werden kann, ohne dass der Entfall der mündlichen Erörterung zu einer Verminderung der Qualität der zu treffenden Entscheidung führt, trägt zur Erreichung dieses Zieles bei. Damit erfüllt die in § 21 Abs. 7 BFA-VG und in § 24 Abs.4 VwGVG vorgesehene Einschränkung auch die im letzten Satz des Art. 52 Abs. 1 GRC normierte Voraussetzung.

Zufolge der Rechtsprechung des VfGH (U 466/11 vom 14.03.2012) steht das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art 47 Abs. 2 GRC, wenn - wie im vorliegenden Fall - zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde.

Gegen eine Verhandlungspflicht spricht überdies, dass in Asylverfahren zwar direkt innerstaatliches Recht Anwendung findet, jedoch auch Unionsrecht (z.B. Statusrichtlinie, Verfahrensrichtlinie) angewendet wird. Aus Art. 12 Abs. 2 der Verfahrensrichtlinie geht jedoch eindeutig hervor, dass auf eine persönliche Anhörung des Asylwerbers unter bestimmten Umständen verzichtet werden kann.

Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass Art. 47 der Grundrechtecharta den Gerichten tatsächlich eine Verhandlungspflicht auferlegen wollte ? dies würde Art. 12 der Verfahrensrichtlinie widersprechen. Da der Art. 47 der Charta der Grundrechte allgemein das Recht auf ein unparteiisches (...) Gericht gewährleistet, die Verfahrensrichtlinie jedoch speziell die Mindestnormen für Asylverfahren regelt, ist die Statusrichtlinie in dieser Hinsicht lex specialis zur Charta der Grundrechte und daher vorrangig anzuwenden. (AsylGH vom 16.12.2011, GZ C2 420722-1/2011)

Daher ist auch aus europarechtlicher Sicht eine Verhandlung im Asylverfahren nicht zwingend vorgesehen.

Der Verwaltungsgerichtshof sprach in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und -0018, aus, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Wie in der Beweiswürdigung dargelegt, sind die genannten Kriterien im vorliegenden Fall erfüllt, da der Sachverhalt durch die belangte Behörde vollständig erhoben wurde und nach wie vor die gebotene Aktualität aufweist (der angefochtene Bescheid wurde Jänner 2019 erlassen, wobei sich aus dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes keine Hinweise auf eine Änderung der entscheidungsmaßgeblichen Situation ergeben). Die Beweiswürdigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestätigt, wobei das Anführen weiterer ? das Gesamtbild lediglich abrundender, für die Beurteilung jedoch nicht ausschlaggebender ? Argumente in diesem Zusammenhang nicht schadet (vgl. VwGH 18.?6.?2014, 2014/20/0002-7). Im Übrigen findet sich in der Beschwerdeschrift ein lediglich unsubstantiiertes Vorbringen, welches im konkreten Fall nicht dazu geeignet ist, die erstinstanzliche Entscheidung in Frage zu stellen.

Im gegenständlichen Verfahren konnte somit die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht unterbleiben, da die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, entgegenstehen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. die in Pkt. II.5. zitierte Rechtsprechung), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

individuelle Verhältnisse, Konventionsreisepass, Parteiengehör,
Versagungsgrund, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W103.2216079.1.00

Zuletzt aktualisiert am

25.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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