TE Vwgh Erkenntnis 1998/10/14 98/01/0350

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Veröffentlicht am 14.10.1998
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §32 Abs1;
B-VG Art140 Abs1;
B-VG Art140 Abs7;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über die Beschwerde des R in Graz, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 19. Juni 1998, Zl. 203.409/0-III/07/98, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 19. Juni 1998 hat der unabhängige Bundesasylsenat die Berufung des Beschwerdeführers, eines jugoslawischen Staatsangehörigen, der am 4. Mai 1998 in das Bundesgebiet eingereist ist und am folgenden Tag einen Asylantrag gestellt hat, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 11. Mai 1998, mit welchem der Asylantrag gemäß § 4 Abs. 1 AsylG 1997, BGBl. I Nr. 76 - AsylG, als unzulässig zurückgewiesen worden war, als verspätet zurückgewiesen.

Der Bescheid des Bundesasylamtes sei dem Beschwerdeführer am 22. Mai 1998 - aus dem Akt ersichtlich, durch Hinterlegung - zugestellt worden. Gemäß § 32 Abs. 1 erster Satz AsylG betrage die Berufungsfrist zwei Tage. Die Frist für die Einbringung der Berufung habe am Montag, dem 25. Mai 1998, geendet. Die erst am 26. Mai 1998 eingebrachte Berufung sei daher verspätet.

Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, daß § 32 Abs. 1 erster Satz AsylG verfassungswidrig sei und mittlerweile vom Verfassungsgerichtshof aufgehoben worden sei. Die Behörde habe ihren Bescheid somit auf eine Bestimmung gestützt, "welche im Nachhinein nicht den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten entsprochen hat".

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 32 Abs. 1 erster Satz AsylG hatte folgenden Wortlaut:

"Gegen Bescheide, mit denen Aslyanträge als offensichtlich unbegründet abgewiesen oder aus den Gründen der §§ 4 und 5 wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen worden sind, kann nur binnen zwei Tagen nach Zustellung Berufung erhoben werden."

Mit Erkenntnis vom 24. Juni 1998, G 31/98 u.a. Zlen., hat der Verfassungsgerichtshof die Wendung "§ 4 und" als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten.

Betreffend die Rechtsfolgen der Aufhebung eines Gesetzes durch den Verfassungsgerichtshof normiert Art. 140 Abs. 7 B-VG folgendes:

"(7) Ist ein Gesetz wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben worden oder hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Abs. 4 ausgesprochen, daß ein Gesetz verfassungswidrig war, so sind alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden. Auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles ist jedoch das Gesetz weiterhin anzuwenden, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht in seinem aufhebenden Erkenntnis anderes ausspricht. Hat der Verfassungsgerichtshof in seinem aufhebenden Erkenntnis eine Frist gemäß Abs. 5 gesetzt, so ist das Gesetz auf alle bis zum Ablauf dieser Frist verwirklichten Tatbestände mit Ausnahme des Anlaßfalles anzuwenden."

Der angefochtene Bescheid wurde nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers am 22. Juni 1998 zugestellt, somit vor Kundmachung des zitierten Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes durch BGBl. I Nr. 106/1998, ausgegeben am 29. Juli 1998, erlassen. Daß es sich vorliegend um einen der Anlaßfälle handelt, die diesem Erkenntnis zugrundelagen, wird vom Beschwerdeführer nicht behauptet.

Vom Verwaltungsgerichtshof, der den angefochtenen Bescheid auf Grundlage der im Zeitpunkt der Bescheiderlassung bestehenden Rechtslage zu prüfen hat (vgl. etwa Oberndorfer, Die österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 142; Walter/Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts8, Rz 1020), müßte die inzwischen aufgehobene Wortfolge im vorliegenden Fall nur dann nicht angewendet werden, wenn der Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 7 B-VG ausgesprochen hätte, daß die verfassungswidrige Bestimmung auch auf vor Kundmachung des Erkenntnisses verwirktlichte Fälle nicht mehr anzuwenden sei (Oberndorfer, a.a.O.). Einen derartigen Ausspruch enthält das mehrfach erwähnte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes jedoch nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat somit die Rechtslage vor Aufhebung der Wendung "§ 4 und" in § 32 Abs. 1 erster Satz AsylG anzuwenden.

Es sei hinzugefügt, daß einem (neuerlichen) Gesetzesprüfungsantrag hinsichtlich dieser Wendung das Prozeßhindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache (§ 19 Abs. 3 Z. 2 lit. d VfGG) entgegenstünde.

Nach der für den Verwaltungsgerichtshof maßgeblichen Rechtslage begegnet die Ansicht der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer auf Grundlage des unbestrittenen Sachverhaltes die Berufungsfrist versäumt habe, keinen Bedenken (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 23. September 1998, Zlen. 98/01/0331 und 98/01/0407).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 14. Oktober 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998010350.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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