TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/11 W216 2220581-1

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Veröffentlicht am 11.09.2019
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Entscheidungsdatum

11.09.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W216 2220581-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marion STEINER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Benedikta TAURER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 07.05.2019, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin hat am 29.10.2018 beim Sozialministeriumservice (in der Folge: belangte Behörde) unter Vorlage medizinischer Befunde erneut einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gestellt.

Zur Überprüfung des Antrages wurde von der belangten Behörde ein medizinisches Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 13.02.2019, mit dem Ergebnis eingeholt, dass der Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH bewertet wurde.

Im Rahmen des von der belangten Behörde gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs wurden von der Beschwerdeführerin Einwendungen erhoben.

Zur Überprüfung der Einwendungen wurde von der belangten Behörde eine Stellungnahme des Arztes für Allgemeinmedizin vom 01.04.2019, basierend auf der Aktenlage, eingeholt, worin die erhobenen Einwendungen entsprechend entkräftet wurden.

Auch gegen dieses Ermittlungsergebnis erhob die Beschwerdeführerin im Rahmen des ihr von der belangten Behörde gemäß § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs Einwendungen.

Zur Überprüfung der erneuten Einwendungen ersuchte die belangte Behörde den Arzt für Allgemeinmedizin nochmals um eine schriftliche Stellungnahme. In dieser kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass die nachgereichten Einwendungen keine befundbelegten neuen Erkenntnisse hinsichtlich noch nicht adäquat erfasster, behinderungsrelevanter Funktionseinschränkungen beinhalten würden und daher nicht geeignet seien, eine Änderung des vorhandenen Begutachtungsergebnisses zu bewirken. Zudem wurde auf die bereits abgegebene Stellungnahme vom 01.04.2019 verwiesen.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom 29.10.2018 auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40, § 41 und § 45 BBG abgewiesen und einen Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH festgestellt.

Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass das durchgeführte medizinische Beweisverfahren ergeben habe, dass ein Grad der Behinderung von 40 vH vorliegen würde. Die dagegen erhobenen Einwendungen seien abermaligen Überprüfungen durch einen ärztlichen Sachverständigen unterzogen worden. Dieser sei bei neuerlicher Prüfung des Antrages zu keinem abweichenden Ergebnis gekommen. Die Einwendungen seien somit letztlich nicht geeignet gewesen, eine Änderung der ursprünglichen Einschätzung zu bewirken.

In der rechtlichen Beurteilung zitierte die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des BBG.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde. Darin wurde moniert, dass nicht alle Leiden ausreichend berücksichtigt worden seien und die Einschätzung über den Gesamtgrad der Behinderung zu gering sei. Ihrer Meinung nach wäre ein Gesamtgrad der Behinderung von zumindest 50% angemessen. Die einzelnen Leiden seien zu gering eingeschätzt worden und auch der Gesamtgrad der Behinderung sei zu gering ausgefallen. Die einzelnen Leiden würden die Beschwerdeführerin im Alltag sehr einschränken und zu einer erheblichen Beeinträchtigung im Alltag führen. Insbesondere ihr Ernährungszustand sei falsch beurteilt und ihre psychische Leiden sowie die durch Diabetes verursachte small-fiber Neuropathie seien nicht berücksichtigt worden. Die Nutzung eines Rollators sei für sie notwendig, da sie bereits nach nicht einmal 250 Metern eine Pause benötige. Durch ihre gesundheitlichen Beschwerden sei ihr ein sicherer durchgehender Gang ohne Schmerzen nicht möglich. In öffentlichen Verkehrsmitteln könne sie den Rollator nicht nutzen, da die Stufen zu hoch seien und ein sicheres Ein- und Aussteigen nicht möglich sei. Zudem bekomme sie oft Panik und Stress in vollen öffentlichen Verkehrsmitteln.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht am 27.06.2019 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:

Die Beschwerdeführerin leidet unter folgenden Funktionseinschränkungen:

1.) Chronisch obstruktive Lungenerkrankung - moderate Form - COPD II, overlapping allergisches Asthma bronchiale; unterer Rahmensatz, da zwar ein Stadium Gold II dokumentiert ist, jedoch nur ein intermittierendes Therapieerfordernis ohne signifikante Klinik und ohne dokumentierte Oxygenierungsstörung besteht

2.) Somatoforme Schmerzstörung; eine Stufe unter dem oberen Rahmensatz bei progredienter Schmerzsymptomatik und Erhöhung der medikamentösen Therapie; inkludiert Fibromyalgie und migränoide Kopfschmerzen

3.) degenerative Veränderung der Wirbelsäule, Osteoporose; oberer Rahmensatz, da nachvollziehbare Symptomatik ohne Erfordernis einer analgetischen Dauertherapie und geringe Funktionseinschränkung

4.) nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus; mittlerer Rahmensatz, da mit milder oraler Medikation befriedigende Stoffwechsellage erzielt werden kann

5.) Zustand nach Schrittmacherimplantation bei hypertrophischobstruktiver Kardiomyopathie; fixer Rahmensatz, Wahl dieser Position, da keine relevante Linksventrikelfunktionsstörung dokumentiert

6.) geringgradige Funktionsstörung beider Schultergelenke; fixer Rahmensatz

7.) geringgradige Funktionsstörung des linken Ellbogengelenkes nach stattgehabter Luxation und gedeckter Reposition 07/2017; fixer Rahmensatz

8.) Zustand nach konventioneller Gallenblasenentfernung; unterer Rahmensatz, da klinisch unauffälliger Befund und guter Ernährungszustand

9.) obstruktives Schlafapnoesyndrom; fixer Rahmensatz, Wahl dieser Position, da keine nächtliche Druckbeatmung erforderlich

10.) Hammerzehe II beidseits; fixer Rahmensatz

Der bei der Beschwerdeführerin vorliegende Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 vH.

Lediglich das Leiden 2 wird aufgrund der maßgeblichen Beeinträchtigung im Alltag um eine Stufe erhöht. Die anderen Leiden erhöhen wegen ihre Geringfügigkeit nicht weiter.

Es liegt ein Dauerzustand vor.

Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen hinsichtlich der Funktionseinschränkungen und des Gesamtgrades der Behinderung der Beschwerdeführerin gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Das im Beschwerdeverfahren eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin, ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen klinischen Befund, entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Die Einwendungen der Beschwerdeführerin im Rahmen des ihr gewährten Parteiengehörs waren nicht geeignet, eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Diese wurden vom Sachverständigen in seinen beiden Stellungnahmen vom 01.04.2019 sowie vom 06.05.2019 gehörig gewürdigt und mittels einer ebenso schlüssigen wie ausführlichen Begründung in fachlicher Hinsicht entkräftet. Der befasste Sachverständige nahm zu den Einwendungen im Einzelnen Stellung und erläuterte nachvollziehbar, warum eine höhere Einschätzung der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Funktionseinschränkungen nicht gerechtfertigt ist.

So wurde u.a. aufgezeigt, dass - entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin in ihrer Stellungnahme vom 10.03.2019 - das Restless Leg Syndrom, die Verdauungsprobleme, der Reizdarm und die Beschwerden nach der Gallenblasenentfernung bei den im Gutachten angeführten Leiden sehr wohl berücksichtigt worden seien. Das von der Beschwerdeführerin weiters angedeutete Herzleiden habe bei der Untersuchung nicht objektiviert werden können. Die von ihr ebenfalls angesprochene Lungenerkrankung bewirke keine erhebliche Mobilitätseinschränkung. Soweit die Beschwerdeführerin noch auf den Umstand verwies, wegen ihrer Bewegungseinschränkung auf einen Rollator angewiesen zu sein, wurde dem entgegnet, dass die Benützung eines solchen klinisch nicht nachvollziehbar sei.

Hinsichtlich jener in der zweiten Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 22.04.2019 aufgezeigten Kritik, die im Wesentlichen mit jener aus der Beschwerde übereinstimmt, wurde ausgeführt, dass die erhobenen Einwendungen nicht geeignet seien, eine geänderte Beurteilung zu begründen.

Zusammengefasst konnten die Angaben der Beschwerdeführerin nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden. Die Krankengeschichte der Beschwerdeführerin wurde umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander berücksichtigt. Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises; es wird kein aktuell höheres Funktionsdefizit beschrieben als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind. Das Beschwerdevorbringen war somit nicht geeignet, die gutachterliche Beurteilung, wonach ein Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH vorliegt, zu entkräften.

Das im Beschwerdeverfahren eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit des befassten Sachverständigen oder dessen Beurteilung beziehungsweise Feststellungen substantiiert in Zweifel zu ziehen. Die durch die nachgereichten Beweismittel dokumentierten Funktionseinschränkungen wurden ausreichend berücksichtigt.

Die Beschwerdeführerin ist dem - nicht als unschlüssig zu erkennenden - Sachverständigengutachten auch nicht entgegengetreten.

Das im Beschwerdeverfahren eingeholte Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) ist die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei der Bundesberufungskommission für Sozialentschädigungs- und Behindertenangelegenheiten anhängigen Verfahren auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 des Bundesgesetzes vom 17. Mai 1990 über die Beratung, Betreuung und besondere Hilfe für behinderte Menschen (Bundesbehindertengesetz - BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF, hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"BEHINDERTENPASS

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist."

"§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

(...)"

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(...)"

"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

(...)"

§§ 2 und 3 der Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012, sehen Folgendes vor:

"Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen."

"Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine."

Zunächst ist festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war. Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen hat nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 3 Einschätzungsverordnung sowie die auf diese Rechtslage übertragbare Rechtsprechung, VwGH 17.07.2009, 2007/11/0088; 22.01.2013, 2011/11/0209 mwN). Bei ihrer Beurteilung hat sich die Behörde eines oder mehrerer Sachverständiger zu bedienen, wobei es dem Antragsteller frei steht, zu versuchen, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 30.04.2014, 2011/11/0098; 21.08.2014, Ro 2014/11/0023; 20.05.2015, 2013/11/0200).

Gegenständlich wurden mit Blick auf das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten vom 26.02.2019 zwecks Beurteilung des Vorbringens der Beschwerdeführerin in ihren Stellungnahmen zwei ergänzenden Stellungnahmen des bereits befassten Arztes für Allgemeinmedizin eingeholt. Das auf Basis einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin erstatteten Gutachten entspricht den von der Judikatur (sowie von der Einschätzungsverordnung) aufgestellten Anforderungen.

Wie oben eingehend ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das schlüssige Sachverständigengutachten vom 26.02.2019 inkl. der zwei dazugehörigen Stellungnahmen zugrunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin 40 v.H. beträgt. Wie ebenfalls bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die Einwendungen in der Beschwerde nicht geeignet, den Sachverständigenbeweis zu entkräften.

Es ist daher davon auszugehen, dass der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin zum Entscheidungszeitpunkt 40 v.H. beträgt.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, nicht erfüllt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Im gegenständlichen Fall sind maßgebend für die Entscheidung die Art und das Ausmaß der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen und der daraus resultierende Gesamtgrad der Behinderung.

Zur Klärung des Sachverhaltes wurde daher im verwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit sich zu äußern bzw. Beweismittel vorzulegen. Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumente und vorgelegten Beweismittel wurden im eingeholten Sachverständigengutachten bzw. Stellungnahmen des Sachverständigen berücksichtigt, soweit diese einschätzungsrelevante Aspekte enthalten bzw. noch aktuell sind. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W216.2220581.1.00

Zuletzt aktualisiert am

25.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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