TE Bvwg Beschluss 2019/9/11 W218 2218633-1

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Veröffentlicht am 11.09.2019
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Entscheidungsdatum

11.09.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W218 2218633-1/ 5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Benedikta TAURER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Marion STEINER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde der XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle NÖ vom 23.04.2019, XXXX beschlossen:

A)

Das Beschwerdeverfahren wird wegen Zurückziehung der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1,

§ 31 Abs. 1 VwGVG eingestellt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Ehemann der Beschwerdeführerin brachte im Zusammenhang mit ihrem beabsichtigten Umzug von Deutschland nach Österreich am 18.03.2019 beim Sozialministeriumservice, Landestelle Niederösterreich, Außenstelle Wien (im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet), einen Schriftsatz betreffend "Anfragen/Anträge Behindertenpässe/Umschreibungen" ein, der von der Behörde als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gewertet wurde.

2. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wurde der Antrag der Beschwerdeführerin mit Bescheid der belangten Behörde vom 23.04.2019 mit der Begründung abgewiesen, dass sie über keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich im Sinne des § 40 Abs. 1 Bundesbehindertengesetz (BBG) verfüge.

3. Am 29.04.2019 langte bei der Behörde eine Eingabe vom 27.04.2019 ein, in welcher der Ehemann der Beschwerdeführerin zusammengefasst ausführte, dass es ihm bisher aus wirtschaftlichen Gründen und wegen anhängiger Gerichtsverfahren noch nicht gelungen sei, einen Wohnsitz in Österreich zu begründen. Aus diesem Grund würde er um "Aufschub" ersuchen.

4. Diese Eingabe wurde von der belangten Behörde als Beschwerde gegen den o.g. Bescheid gewertet und dem Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss der Verwaltungsakten am 09.05.2019 zur Entscheidung vorgelegt. Zeitgleich langte bei der Gerichtsabteilung W238 zu der GZ 2218634-1 das Beschwerdeverfahren des Ehemannes ein.

5. Mit am 28.06.2019 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangtem Schreiben erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie die "angebliche Beschwerde" vom 27.04.2019 zurückziehe.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Eingabe vom 28.06.2019 zog die Beschwerdeführerin die Beschwerde gegen den Bescheid vom 23.04.2019 zurück.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ist unstrittig.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin ihre Beschwerde zurückgezogen hat, ergibt sich aus dem unmissverständlichen Inhalt der schriftlichen Eingabe vom 28.06.2019.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4

BBG.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A) Einstellung des Verfahrens:

3.2. Gemäß § 7 Abs. 2 VwGVG ist eine Beschwerde nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat. Eine Zurückziehung der Beschwerde durch den Beschwerdeführer ist in jeder Lage des Verfahrens ab Einbringung der Beschwerde bis zur Erlassung der Entscheidung möglich (Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 7 VwGVG, K 6).

Dasselbe folgt sinngemäß aus § 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 7 AVG.

Die Annahme, eine Partei ziehe die von ihr erhobene Berufung zurück, ist nur dann zulässig, wenn die entsprechende Erklärung keinen Zweifel daran offenlässt. Maßgebend ist daher das Vorliegen einer in dieser Richtung eindeutigen Erklärung (vgl. z.B. VwGH 22.11.2005, 2005/05/0320, zur insofern auf die Rechtslage nach dem VwGVG übertragbaren Judikatur zum AVG).

Eine solche eindeutige Erklärung lag im gegenständlichen Fall vor, da die Beschwerdeführerin die Zurückziehung schriftlich eindeutig zum Ausdruck gebracht hat.

3.3. In welchen Fällen "das Verfahren einzustellen" ist (§ 28 Abs. 1 VwGVG), regelt das VwGVG nicht ausdrücklich. Die Einstellung steht nach allgemeinem Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht, worunter auch der Fall der Zurückziehung der Beschwerde zu subsumieren ist (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] § 28 VwGVG, Anm. 5).

Der angefochtene Bescheid ist aufgrund der von der Beschwerdeführerin erklärten Zurückziehung der Beschwerde rechtskräftig geworden. Damit ist einer Sachentscheidung insoweit die Grundlage entzogen, weshalb mit Beschluss die Einstellung des Beschwerdeverfahrens auszusprechen war.

3.4. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Einstellung des Beschwerdeverfahrens wegen Zurückziehung der Beschwerde ist ihrem Wesen nach mit einer Zurückweisung vergleichbar. Für eine Zurückweisung sieht § 24 Abs. 1 Z 1 VwGVG ausdrücklich die Möglichkeit des Entfalls der mündlichen Verhandlung vor.

Die mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG aber auch deshalb unterbleiben, weil der Sachverhalt aus dem Verwaltungsakt in Verbindung mit der Beschwerde und der Eingabe vom 19.10.2018 hinreichend geklärt ist. Art. 6 Abs. 1 EMRK steht dem Entfall der mündlichen Verhandlung nicht entgegen. Die Verfahrensgarantie des "fair hearing" iSd Art. 6 Abs. 1 EMRK kommt nicht zur Anwendung, wenn einer Entscheidung in der Sache Prozesshindernisse entgegenstehen (vgl. hiezu die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 17.063/2003 und 19.175/2010 sowie des Verwaltungsgerichtshofes VwGH 21.11.2012, 2008/07/0161 und VwGH 23.06.2014, 2013/12/0224, je mwH). Diese Judikatur ist aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes auch auf Fälle übertragbar, in denen ein Erledigungsanspruch (erst) nach Beschwerdeeinbringung verloren geht.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Verfahrenseinstellung, Zurückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W218.2218633.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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