Entscheidungsdatum
11.09.2019Norm
BBG §40Spruch
W218 2215820-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Benedikta TAURER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Marion STEINER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , bevollmächtigt vertreten durch Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, NÖ und Bgld., gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom 09.01.2019, betreffend Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid vom 09.01.2019 stellte das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung: Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) fest, dass mit einem Grad der Behinderung von 40 vH die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben seien.
2. Gegen diesen Bescheid wurde vom bevollmächtigten Vertreter fristgerecht Beschwerde erhoben. Ohne Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass das unter laufender Nummer 2 angeführte Leiden "degenerative Veränderungen der Wirbelsäule" das führende Leiden "Knick-Sek-Fuß beidseits" ungünstig wechselseitig beeinflussen würden. Darüber hinaus würden die bestehende koronare Herzerkrankung, die arterielle Verschlusskrankheit und die Varikositas in Verbindung mit dem Ulcus den Gesamtgrad der Behinderung erhöhen.
3. Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten langten am 12.03.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 vH.
Der Beschwerdeführer leidet an folgenden Funktionseinschränkungen:
1. Knicksenkfuß beidseits, Pos.Nr.: 02.05.36, Grad der Behinderung 30 %
2. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Pos.Nr.: 02.01.02, Grad der Behinderung
30 %
3. Koronare Herzkrankheit, Zustand nach Stent- Implantation (2011), Bluthockdruck, Pos.Nr.: 05.05.02, Grad der Behinderung 30 %
4. Knietotalendoprothese rechts, beginnenden Abnützungserscheinungen linkes Kniegelenk, Pos.Nr.: 02.05.19, Grad der Behinderung 20 %
5. Arterielle Verschlusskrankheit, Zustand nach Stent- Implantation Nierenarterie, Pos.Nr.: 05.03.02, Grad der Behinderung 20 %
6. Varikositas, Zustand nach Beinvenenthrombose links, Pos.Nr.:
05.08.01, Grad der Behinderung 20 %
Da der Beschwerdeführer keinen Gesamtgrad der Behinderung von 50% (fünfzig v.H.) erreicht, sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt.
2. Beweiswürdigung:
Das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers erhobenen klinischen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.
Im medizinischen Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, am 22.10.2018, sowie in der Stellungnahme vom 04.01.2019 wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Die orthopädische Sachverständige nahm die Einschätzung des führenden Leidens 1 "Knickfuß beidseits" nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung schlüssig und nachvollziehbar unter der Positionsnummer 02.05.36 mit einem Grad der Behinderung von 30 vH vor. Im Rahmen der persönlichen Untersuchung wurden auch die Füße des Beschwerdeführers von der orthopädischen Sachverständigen in Augenschein genommen und stellte diese fest, dass der Knicksenkfuß links mehr besteht als rechts. Die Fachärztin für Orthopädie nahm auch das Gangbild des Beschwerdeführers ausreichend in Augenschein und wurde auch das Ulcus im Bereich des linken Mittelfußes bei der Wahl des Rahmensatzes mitberücksichtigt. Wenn der Beschwerdeführer vermeint, die Feststellungen im Rahmen der klinischen Untersuchung würden nicht der Richtigkeit entsprechen, so ist er darauf zu verweisen, dass eine orthopädische Sachverständige in der Lage ist, die Beweglichkeit und das Gangbild des Beschwerdeführers richtig einzuschätzen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass die orthopädische Sachverständige die Untersuchungsergebnisse falsch im Gutachten dokumentiert hat, sondern ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der persönlichen Untersuchung sowohl frei Stehen konnte, als auch den Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten sowie den Einbeinstand und die tiefe Hocke durchführen konnte. Da die nicht kompensierbare Fußfehlstellung nunmehr objektivierbar ist, wurde das führende Leiden 1 neu in die Beurteilung aufgenommen.
Das unter laufender Nummer 2 angeführte Leiden "degenerative Veränderungen der Wirbelsäule" hat die orthopädische Sachverständige nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 02.01.02 mit einem Grad der Behinderung von 30 vH schlüssig und nachvollziehbar eingestuft. Der Beschwerdeführer wurde von der fachärztlichen Sachverständigen umfassend an der Wirbelsäule untersucht und kam diese zum Schluss, dass die Beweglichkeit an der Halswirbelsäule in allen Ebenen endlagig eingeschränkt ist, die Beweglichkeit an der Brustwirbelsäule und der Lendenwirbelsäule ist in allen Ebenen frei. Der Finger-Boden-Abstand betrug 25 cm und sind die Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar. Die orthopädische Sachverständige ist in der Lage, die Beweglichkeit der Wirbelsäule ausreichend und abschließend zu beurteilen. Unter Berücksichtigung der Beweglichkeit der Wirbelsäule mit bestehendem Klopfschmerz über der unteren Lendenwirbelsäule und dem Nichtvorliegen eines neurologischen Defizites, jedoch Vorliegens eines regelmäßigen Therapiebedarfs kam die orthopädische Sachverständige nachvollziehbar zum Schluss, dass die Funktionseinschränkung mit einem Grad der Behinderung von 30 vH einzuschätzen ist. Zu berücksichtigen ist, dass unter dieser Funktionseinschränkung der Zustand nach Steißbeinfraktur bereits miterfasst ist. Eine einschätzungsrelevante Verschlechterung im Vergleich zum Sachverständigengutachten aus dem Jahr 2017 geht aus den vorliegenden Befunden nicht hervor. Insbesondere aus dem Befundbericht des MRT der LWS vom 21.03.2018 geht hervor, dass keine signifikanten Änderungen im Vergleich zur Voruntersuchung vom 08.02.2017 aufgetreten sind. Daher ist der orthopädischen Sachverständigen nicht entgegenzutreten, wenn sie unter Berücksichtigung der festgestellten Beweglichkeit der Wirbelsäule und des Gangbildes sowie der vorliegenden Befunde zum Ergebnis gelangt, dass ein Grad der Behinderung von 30 vH nach wie vor vorliegend ist.
Die medizinische Sachverständige nahm die Einschätzung der unter laufender Nummer 3 angeführten Funktionseinschränkung "Koronare Herzkrankheit, Zustand nach Stent - Implantation (2011), Bluthochdruck" schlüssig und nachvollziehbar unter der Positionsnummer 05.05.02 mit einem Grad der Behinderung von 30 vH vor, da die Linksventrikelfunktion des Beschwerdeführers gut erhalten ist. Die erfolgte Stent- Implantation aus dem Jahr 2011 ist nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung bereits bei einem Grad der Behinderung von 30 vH ausreichend berücksichtigt.
Die unter laufende Nummer 4 angeführte Funktionseinschränkung "Knietotalendoprothese rechts, beginnende Abnützungserscheinungen linkes Kniegelenk" wurde von der orthopädischen Sachverständigen schlüssig und nachvollziehbar nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 02.05.19 mit einem Grad der Behinderung von 20 vH eingeschätzt. Nach umfangreicher Untersuchung des Beschwerdeführers, insbesondere der aktiven Beweglichkeit seiner Kniegelenke, welche rechts 0/0/125 und links 0/0/130 betrug, sowie der umfangreichen Überprüfung seines Gangbildes, kam die orthopädische Sachverständige zum Ergebnis, dass die Beweglichkeit des Beschwerdeführers geringgradig funktionell eingeschränkt ist, es liegen endlagige Beugeschmerzen vor. Beim Beschwerdeführer liegt zwar eine Knietotalendoprothese vor, doch konnte die Fachärztin keinen Erguss feststellen, die Knietotalendoprothese ist stabil. Das Leiden 4 wurde neu in die Liste der Funktionseinschränkungen aufgenommen, da der Beschwerdeführer die Knietotalendoprothese am 04.05.2018 operativ eingesetzt bekommen hat und die Funktionseinschränkung somit objektivierbar ist. Aus dem Patientenbrief vom 11.05.2018 geht hervor, dass beim Beschwerdeführer ein postoperativer unkomplizierter stationärer Verlauf vorliegend war und er mit einem regulären Prothesensitz entlassen werden konnte.
Die medizinische Sachverständige schätzte das unter laufender Nummer 5 angeführte Leiden "Arterielle Verschlusskrankheit, Zustand nach Stent- Implantation Nierenarterie (2007)" nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung schlüssig und nachvollziehbar unter der Positionsnummer 05.03.02 mit einem Grad der Behinderung von 20 vH ein. Aufgrund des Vorliegens eines guten Operationsergebnisses und weil aus den vorliegenden Befunden keine Verschlechterung der Funktionseinschränkung hervorgeht, konnte die Einstufung unverändert aus dem Vorgutachten aus dem Jahr 2017 übernommen werden.
Die unter laufender Nummer 6 angeführte Funktionseinschränkung "Varikositas, Zustand nach Beinvenethrombose links" wurde von der medizinischen Sachverständigen schlüssig und nachvollziehbar nach den Kriterien der Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 05.08.01 mit einem Grad der Behinderung von 20 vH eingeschätzt. Nach einer umfangreichen Untersuchung der Beine des Beschwerdeführers kam die Sachverständige zum Ergebnis, dass beim Beschwerdeführer keine Durchblutungsstörung vorliegt, es liegen nur geringgradige Ödeme und Varizen vor und ist die Sensibilität ungestört.
Die orthopädische Sachverständige führte nachvollziehbar aus, dass der Grad der Behinderung des führenden Leidens unter laufender Nummer 1 "Knicksenkfuß beidseits" durch das unter laufender Nummer 2 angeführte Leiden "degenerative Veränderung der Wirbelsäule" um eine Stufe erhöht wird, da eine maßgebliche ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt. Das unter laufender Nummer 3 angeführte Leiden "Koronare Herzkrankheit, Zustand nach Stent-Implantation (2011), Bluthockdruck" erhöht den Gesamtgrad der Behinderung nicht weiter, da keine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung mit dem führenden Leiden 1 vorliegt. Die unter laufender Nummer 4 "Knietotalendoprothese rechts, beginnende Abnützungserscheinungen linkes Kniegelenk", 5 "Arterielle Verschlusskrankheit, Zustand nach Stent- Implantation Nierenarterie (2007)" und 6 "Varikositas, Zustand nach Beinvenenthrombose links" erhöhen den Gesamtgrad der Behinderung nicht weiter, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken mit dem führenden Leiden vorliegt. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde daher von der orthopädischen Sachverständigen schlüssig und nachvollziehbar mit 40 vH eingestuft.
Die orthopädische Sachverständige begründete die Änderungen im Vergleich zum Sachverständigengutachten aus dem Jahr 2017 mit den neu eingestuften Leiden unter laufender Nummer 1 und 4, da diese nunmehr objektivierbar sind. Die restlichen festgestellten Funktionseinschränkungen wurden unverändert eingestuft, da keine maßgebliche Verschlechterung objektivierbar ist.
Die Behörde (bzw. das Gericht) hat ein Gutachten auf seine Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu überprüfen. Weitere Gutachten hat die Behörde nur dann einzuholen, wenn sich die vorliegenden Gutachten als nicht vollständig oder nicht schlüssig und damit als nicht ausreichend erweisen; will eine Partei außer dem vorliegenden schlüssigen und vollständigen Gutachten noch ein weiteres in das Verfahren einbezogen wissen, steht es ihr frei, selbst ein Gutachten eines privaten Sachverständigen zu beschaffen und vorzulegen. Der Beschwerdeführer ist den getroffenen Feststellungen nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, weshalb das Gericht die im Gutachten getroffenen Feststellungen ohne weitere Ermittlungen dem Sachverhalt zugrunde gelegt hat.
Der Beschwerdeführer konnte weder eine Unschlüssigkeit oder Unvollständigkeit des Gutachtens aufzeigen noch ist er ihm auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Auch sind an der Person der Sachverständigen keine Bedenken aufgetreten.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtet das eingeholte Sachverständigengutachten daher als schlüssig, vollständig und nachvollziehbar. In einer Zusammenschau der vorliegenden Befunde, des Gutachtens und dem Umstand, dass der Beschwerdeführer dem Gutachten nicht auf gleicher Ebene entgegentreten ist, geht der erkennende Senat davon aus, dass das Sachverständigengutachten bzw. der darin festgelegte Grad der Behinderung von 40 v.H. der Entscheidung zugrunde zu legen ist.
Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Zu A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. (§ 1 Abs. 2 BBG)
Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderten-einstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Auszug aus der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) idgF:
"Grad der Behinderung
§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.
Gesamtgrad der Behinderung
§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
-
sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
-
zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Grundlage der Einschätzung
§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten."
Da ein Grad der Behinderung von 40 (vierzig) vH festgestellt wurde und somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. In diesem Sinne ist eine Verhandlung als erforderlich anzusehen, wenn es nach Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 Abs. 2 GRC geboten ist, wobei gemäß Rechtsprechung des VfGH der Umfang der Garantien und des Schutzes der Bestimmungen ident sind.
Der Rechtsprechung des EGMR kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.4.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.6.1993).
Im Erkenntnis vom 18.01.2005, GZ. 2002/05/1519, nimmt auch der Verwaltungsgerichtshof auf die diesbezügliche Rechtsprechung des EGMR (Hinweis Hofbauer v. Österreich, EGMR 2.9.2004) Bezug, wonach ein mündliches Verfahren verzichtbar erscheint, wenn ein Sachverhalt in erster Linie durch seine technische Natur gekennzeichnet ist. Darüber hinaus erkennt er bei Vorliegen eines ausreichend geklärten Sachverhalts das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise an, welches das Absehen von einer mündlichen Verhandlung gestatte (vgl. VwGH vom 4.3.2008, 2005/05/0304).
Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde auf gutachterlicher Basis ermittelt. Zudem wurde vom Beschwerdeführer in der Beschwerde kein Vorbringen erstattet, welches eine weitere Erörterung notwendig erschienen ließ.
Im Hinblick auf obige Überlegungen sah der erkennende Senat daher unter Beachtung der Wahrung der Verfahrensökonomie und -effizienz von einer mündlichen Verhandlung ab, zumal auch eine weitere Klärung der Rechtssache hierdurch nicht erwartbar war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Vielmehr hängt die Entscheidung von Tatsachenfragen ab. Maßgebend sind die Art des Leidens und das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W218.2215820.1.00Zuletzt aktualisiert am
24.10.2019