TE Bvwg Beschluss 2019/9/12 W207 2213039-1

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Veröffentlicht am 12.09.2019
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Entscheidungsdatum

12.09.2019

Norm

BEinstG §8
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs4

Spruch

W207 2213039-1/9E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Vorsitzender und die fachkundigen Laienrichter Mag. Pia-Maria ROSNER-SCHEIBENGRAF, Mag. Harald STELZER, Mag. Stefan KORNFELD und Mag. Michael SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Herbert HOLZINGER, gegen den Bescheid des Behindertenausschusses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 09.11.2018, wegen § 8 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG), betreffend Nicht-Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Kündigung der begünstigten behinderten Dienstnehmerin XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Daniel STANONIK LLM, beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 4 VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Behindertenausschuss beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

Die Dienstnehmerin XXXX (im gegenständlichen Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht mitbeteiligte Partei, in der Folge als Dienstnehmerin oder Mitbeteiligte bezeichnet) ist seit 26.07.1995 als Speditionsangestellte bei der Dienstgeberin XXXX GmbH (in der Folge als Dienstgeberin oder Beschwerdeführerin bezeichnet) im Ausmaß von 40 Wochenstunden beschäftigt.

Mit Bescheid des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland, vom 14.01.1988 wurde auf Grundlage eines diesbezüglichen Antrages der Dienstnehmerin festgestellt, dass die Dienstnehmerin ab 01.05.1987 dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört, dies mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H. Auf Antrag der Dienstnehmerin wurde der Grad der Behinderung mit Bescheid des Bundessozialamtes Wien, Niederösterreich und Burgenland, vom 18.06.2001 ab 09.02.2001 mit 60 v.H. neu festgesetzt. Auf Grundlage einer weiteren Antragstellung seitens der Dienstnehmerin wurde der Grad der Behinderung letztmalig mit Bescheid des Bundessozialamtes vom 06.09.2004 ab 25.05.2004 mit 80 v.H. neu festgesetzt. Dies erfolgte auf Grundlage eines medizinischen Sachverständigengutachtens vom 29.07.2004. In diesem medizinischen Sachverständigengutachten wurde die Funktionseinschränkung "Multiple Sklerose, schwere Form", Positionsnummer IV/u/568 der Richtsatzverordnung, bewertet mit einem (Einzel)Grad der Behinderung von 80 v.H., festgestellt. Der Gesamtgrad der Behinderung - ebenfalls 80 v.H. - bestehe als Dauerzustand.

Mit Anwaltsschriftsatz vom 25.04.2017 beantragte die Dienstgeberin beim beim Sozialministeriumservice eingerichteten Behindertenausschuss (in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) gemäß § 8 Abs. 2 BEinstG die Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Kündigung der begünstigten behinderten Dienstnehmerin und begründete dies mit Arbeitsunfähigkeit und Dienstpflichtverletzungen. Konkret wurde ausgeführt, die Dienstgeberin beschäftige derzeit 54 Mitarbeiter, hiervon 17 Angestellte. Abgesehen von den leitenden und den mit dem Verkauf vorwiegend im Außendienst befassten Angestellten handle es sich dabei um Sachbearbeiter. Diese würden Dispositionstätigkeiten durchführen, stünden im laufenden Kundenkontakt, führten den Schriftverkehr und hätten komplexe EDV-Programme zu bedienen. Diese Tätigkeiten würden kaufmännisches Agieren, Kommunikationsfähigkeit, Reaktionsfähigkeit und Problemlösungskompetenz erfordern. Ein Einsatz der Dienstnehmerin in diesem Bereich sei im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand ausgeschlossen.

Im Hinblick auf die gesundheitliche Beeinträchtigung der Dienstnehmerin habe die Dienstgeberin ihr Arbeiten einfachster Natur zugewiesen. Insbesondere sei die Dienstnehmerin damit beschäftigt, sogenannte Borderos (Konvolute von Unterlagen wie Aufträge, CMR-Frachtbriefe etc.) einzuscannen bzw. diverse Unterlagen zu kopieren. Prinzipiell sei es zweckmäßig, wenn jeweils die mit den jeweiligen Agenden beschäftigten Sachbearbeiter auch die eigenen Borderos bzw. die sie betreffenden Schriftstücke selbst einscannen und kopieren würden. Dies würde auch die Abwechslung im Arbeitsalltag dieser Mitarbeiter steigern. Da die Dienstnehmerin jedoch aufgrund ihrer Behinderungen für andere Arbeiten nicht tauglich gewesen sei, hätte die Dienstgeberin, um überhaupt irgendeine für die Dienstnehmerin geeignete Arbeit zu finden, die gesamte Tätigkeit des Einscannens und Kopierens der Dienstnehmerin übertragen.

Wegen der Verschlechterung ihres gesundheitlichen Zustandes sei die Dienstnehmerin jedoch nunmehr auch mit dieser Tätigkeit restlos überfordert. Wie die Dienstgeberin aufgrund der Beschwerden anderer Mitarbeiter wisse, würden von der Dienstnehmerin die Borderos zum Gutteil fehlerhaft eingescannt. Die Dienstgeberin habe im Dezember 2016 und am 11.01.2017 und 10.02.2017 Überprüfungen vorgenommen. Dabei seien bei der Dezember-Stichprobe von insgesamt 95 Borderos 56, am 11.01.2017 von insgesamt 95 Borderos 24 und am 10.02.2017 von insgesamt 120 Borderos 44 fehlerhaft eingescannt worden.

In allen anderen Konzernfirmen würden die Borderos nach dem Einscannen entsorgt. Zweck Einscannen sei ja, dass jeder Mitarbeiter per EDV auf diese Einscannen zugreifen könne und das mühselige Einsortieren und wieder Heraussuchen aus einem schriftlichen Archiv entfallen könne. Dies sei jedoch bei der Dienstgeberin aufgrund der zahlreichen Fehler der Dienstnehmerin nicht möglich. Die Dienstgeberin müsse die schriftlichen Unterlagen nach wie vor archivieren und regelmäßig in das Archiv Einsicht nehmen, zumal sich die von der Dienstnehmerin vorgenommenen Scans regelmäßig als fehlerhaft erweisen würden.

Weiters schlafe die Dienstnehmerin während der Tageszeit regelmäßig, zum Teil mehr als zehnmal pro Arbeitstag, ein, ihre Produktivität habe massiv abgenommen. Das Arbeitsvolumen, welches ein anderer Mitarbeiter innerhalb einer Stunde bewältige, werde von der Dienstnehmerin innerhalb eines Tages abgearbeitet. Da das Vertrauen der Kollegenschaft in die Arbeit der Dienstnehmerin wegen ihrer enormen Fehlerquote massiv gesunken bei sei, würden sich die Mitarbeiter zum Teil weigern, Borderos von der Dienstnehmerin einscannen zu lassen und würden diese selbst einscannen.

Aufgrund der körperlichen Leidenszustände der Dienstnehmerin komme es wiederholt vor, dass diese in den Büroräumlichkeiten zu Sturz komme. Im Hinblick darauf müsse die Dienstgeberin befürchten, dass sich die Dienstnehmerin - sollte sie einmal unglücklich stürzen - beträchtliche Verletzungen zuziehe. Dieses Risiko könne von der Dienstgeberin nicht länger in Kauf genommen werden. In der Zeit ab 01.01.2014 seien bei der Dienstnehmerin 47 Krankenstandstage zu verzeichnen gewesen. Darüber hinaus gebe es zahlreiche Fehlstunden infolge von Arztbesuchen im Zuge von Therapien. Seit 01.01.2014 seien 258 Arztbesuche zu verzeichnen, durch welche 613,25 Arbeitsstunden entfallen seien.

Die Dienstnehmerin sei daher unfähig, die im Dienstvertag vereinbarte Arbeit zu leisten. Die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit sei aufgrund der Natur ihrer Erkrankung nicht zu erwarten. Es gebe bei der Dienstgeberin keinen anderen, für die Dienstnehmerin geeigneten Arbeitsplatz, an dem sie weiter beschäftigt werden könne. Die Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses sei der Dienstgeberin aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar.

Dem Antrag auf Zustimmung zu einer künftig auszusprechenden Kündigung ist ein Konvolut an Unterlagen beigefügt, dieses unter anderem beinhaltend Auflistungen über nach Angaben der Dienstgeberin falsch gescannte Borderos sowie Aufzeichnungen über das Einnicken der der Dienstnehmerin im Zeitraum vom 21.01.2017 bis 23.02.2017.

Die belangte Behörde führte am 28.06.2017 eine mündliche Verhandlung durch. Im Rahmen dieses Verhandlungstermins wurde seitens der Dienstnehmerin im Wesentlichen ausgeführt, sie habe nach ihrem Maturaabschluss immer Bürotätigkeiten gemacht. Sie sei seit 26.07.1995 im Ausmaß von 40 Wochenstunden bei einem Bruttogehalt in der Höhe von 2.920,00 Euro bei der Dienstgeberin beschäftigt. Sie arbeite zurzeit. Ihre konkrete Tätigkeit sei das Einscannen von sogenannten "Borderos". Sie sei betreffend die ihr nunmehr vorgeworfenen Fehler nicht von ihrem Vorgesetzten angesprochen worden. Sie sei deswegen auf die Fehler aufmerksam geworden, weil sie von zwei oder drei Kollegen angesprochen worden sei. Sie schlafe deshalb kurz am Arbeitsplatz ein, weil sie eine hohe Dosis eines Medikaments einnehmen müsse. Sie habe aber die Dosis bereits reduziert. Außerdem vermute sie, weil sie auch im Privatbereich diesbezüglich schon öfters darauf angesprochen worden sei, sehe es nur so aus, als schlafe sie, weil sie den Kopf runter halte und dadurch ihre Haare ihr Gesicht verdeckten. Bezüglich des Einnickens sei sie nicht verwarnt worden und es habe auch niemand mit ihr gesprochen. Sie habe, außer beim Heben von schweren Kartons, sonst keine Probleme bei der Verrichtung der Tätigkeit. Die seitens der Dienstgeberin vorgelegten Krankenstandstage seien richtig. Sie glaube, sie sei im Jahr 2003 vom Februar bis Dezember vom Dienst freigestellt gewesen. Anschließend habe sie vom Jahr 2004 bis 2011 Telefonmarketing von zu Hause ausgeübt. Zu dieser Zeit sei sie jedes Jahr auf Reha gewesen. Sie sei auch vom 19.02.2015 bis 12.03.2015 wieder auf Reha gewesen. Sie habe eine Arbeitsfahrt von ihrem Wohnort zur Arbeitsstätte hin und zurück, welche von der PVA bewilligt worden sei. Aus ihrer Sicht könne sie sich auch eine andere Tätigkeit vorstellen und sie habe an der Weiterbeschäftigung ein Interesse. Bei dem Medikament, welches sie einnehme, handle es sich um "Lioresal". Sie nehme in der Früh ein halbes und zu Mittag ein halbes und vor dem Schlafengehen ein ganzes. Die Reduktion des Medikaments wirke sich nicht negativ auf die Erkrankung aus. Es sei muskelentspannend und sie könne es selbst reduzieren. Sie entscheide selbst, ob sie ein ganzes oder ein halbes Lioresal nehme. Sie habe das mit ihrer MS-Ärztin in der MS-Ambulanz besprochen. Sie beziehe keine Witwenpension. Bezüglich des falschen Einscannens seien, so glaube sie, 3 Kollegen, aber nicht an einem Tag, sondern vielleicht alle 14 Tage zu ihr gekommen und hätten sie darauf aufmerksam gemacht. In der letzten Zeit sei das aber nicht mehr vorgekommen. Sie könne aber betreffend einer anderen Tätigkeit nichts sagen, da sie nicht wisse, was anfalle. Sie sei mit ihrer Arbeit ja nicht unzufrieden. Sie habe aufgrund ihrer langjährigen Arbeit von Zuhause aus keinen Einblick auf andere Tätigkeiten, da sich viel geändert habe. Nach ihrer Rückkehr aus dem Home-Office-Bereich sei sie im Großraumbüro von einem Kollegen zum anderen gegangen und habe gefragt, ob sie was helfen könne und dann sei sie schließlich beim Einscannen hängen geblieben. Dies sei im Jahr 2011 gewesen. Im Großraumbüro seien 20 Mitarbeiter tätig. In diesen sechs Jahren habe sie keinen konkreten Einblick gewinnen können, welche Tätigkeiten die anderen Mitarbeiter machen. Beim Gehen stürze sie nicht, sondern sie falle einfach um. Sie könne sich die Fehler beim Einscannen nicht erklären. Es liege nicht an ihr. Sie könne den Zeitraum nicht sagen, wann sie die Kollegen auf die Fehler aufmerksam gemacht hätten. Im Jänner 2017 sei der Betriebsrat dagewesen, und der habe gemeint, das Einnicken sei vom Lioresal (Medikament). Auch der Geschäftsführer der Dienstgeberin habe sie in diesem Zeitraum angesprochen. Der Betriebsrat habe ihr gesagt, dass sie die Dosis reduzieren solle und das funktioniere auch. Die vorgelegten Krankenstände hätten nichts mit der MS-Erkrankung zu tun. Sie sei nie wegen der MS im Krankenstand gewesen. Mitte April 2017 sei sie fünf Wochen im Krankenstand gewesen, weil sie gestürzt sei, da eine Katze zwischen ihre Beine gelaufen sei. Sie sei der Meinung, dass ein gesunder Mensch sich gefangen hätte. Sie könne die Aussagen sowohl der Geschäftsführung als auch der Abteilungsleitung nicht nachvollziehen. Gescannt werde das, was auf dem Akt oben stehe. Auch wenn sie mehrere Akte einscanne, sei ja auf dem Dokument der Barcode und es beginne ein neuer Auftrag. Es gebe es nicht, dass etwas falsch eingescannt sei. Bei großen Akten mache sie es einzeln. Bei kleineren Akten lasse sie es durchlaufen und am Ende vergleiche sie es. Seit Anfang Juni oder seit etwa drei Wochen mache sie es nicht mehr. Sie scanne jetzt einzelne Seiten ein. Sie habe lediglich von einer näher genannten Kollegin einen Auftrag erhalten, die Akten einzeln einzuscannen, aber diese Kollegin habe sowieso nur dicke einzelne Akte. Die Kollegin, die sie darauf angesprochen habe, sei deswegen zu ihr gekommen, da es mit der Zuordnung der Dokumente Probleme gegeben habe. Es sei mit ihr nie das Problem besprochen worden, dass etwas unter einer falschen Auftragsnummer eingespeichert worden sei. Sie brauche für ihre Tätigkeit für eine Kiste zirka vier Stunden. Die Kollegin, die das auch früher gemacht hat, habe ungefähr dieselbe Zeit gebraucht wie sie.

In der mündlichen Verhandlung vom 28.06.2017 brachte der Geschäftsführer der Dienstgeberin im Wesentlichen vor, er sei mit der Arbeitsleistung der Dienstnehmerin seit 2001 nicht zufrieden gewesen. Es sei primär das Thema "Fehler" gewesen. Es habe Gespräche im Jahr 2012 und 2013 gegeben und auch einen regelmäßigen Schriftverkehr bis hin zur Abmahnung. Aus menschlichen Gründen hätten sie dann irgendwann mit den Abmahnungen aufgehört. Der Hintergrund des Scannens sei es, dass Geschäftsdokumente elektronisch aufbewahrt würden, um die Aufbewahrungspflicht zu erfüllen und gleichzeitig ein Dokument, welches im Nachhinein gebraucht werde, auf elektronischem Weg rasch wieder zu finden. Nach dem Scannen werde normalerweise der Geschäftsfall entsorgt. Aufgrund der Fehlerhäufigkeit der Dienstnehmerin müssten sie diese Geschäftsfälle aber zusätzlich im Archiv im Keller aufbewahren. Das Scannen sei ein sehr kleiner Teil der Tätigkeit eines Sachbearbeiters. Sie hätten das Scannen von allen Mitarbeitern als Tätigkeit herausgelöst, um überhaupt eine Tätigkeit für die Dienstnehmerin zu haben. In anderen Bereichen würden sich die Mitarbeiter selber scannen und dann die Dokumente entsorgen. Das von der Dienstnehmerin durchgeführte Scannen habe keinen Wert, da es sich um eine sehr einfache Tätigkeit handle und es trotzdem eine derart hohe Fehlerquote aufwerfe. Die Krankenstände seien höher als bei anderen Mitarbeitern, aber dies sei der Dienstgeberin aufgrund des Krankheitsbildes der Dienstnehmerin bewusst gewesen. Der unmittelbare Vorgesetzte der Dienstnehmerin sei Herr S. Aus seiner Sicht aus könne er sich keine andere Tätigkeit für die Dienstnehmerin vorstellen. Ein Telefonmarketing gebe es aufgrund des Telekommunikationsgesetzes bei der Dienstgeberin grundsätzlich nicht mehr. Nach der Rückkehr der Dienstnehmerin aus der Home-Office-Tätigkeit sei die Dienstgeberseite bereits darauf gekommen, dass die Fehlerquote sehr hoch sei. Grundsätzlich habe das Einscannen so um die Jahre 2005 und 2006 begonnen. Damals hätten es sich die Sachbearbeiter selbst gemacht. Man habe deswegen diese Tätigkeit den Sachbearbeitern weggenommen, um die Dienstnehmerin zu beschäftigen. Der Geschäftsführer habe aufgrund der Behinderung keine andere Tätigkeit für die Dienstnehmerin gesehen. Die Arbeitsqualität der Dienstnehmerin habe in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Dies sei der Grund dafür, dass das schriftliche Archiv aufrechterhalten werden müsse. Es sei natürlich für den Prozess wichtig und auch einfacher, wenn der Sachbearbeiter den Geschäftsfall selber scanne und es sei sehr wichtig, dass er ihn auch elektronisch aufrufen könne. Diese Unzuverlässigkeit der Dienstnehmerin führe bei den Mitarbeitern dazu, dass diese wieder beginnen würden, selbst einzuscannen. Er persönlich sei selten bezüglich dieses fehlerhaften Einscannens angesprochen worden. Aber es gebe, die Dienstnehmerin habe es ja selbst angesprochen, durchaus emotionale Auseinandersetzungen mit Sachbearbeitern. In den anderen Konzernbetrieben würden die Dokumente der Geschäftsfälle gescannt und anschließend entsorgt. Ein physisches Archiv bestehe dort nicht mehr. Er kenne zwar nicht den Zeitraum, aber es seien natürlich diese Borderos vor 2011 eingescannt und vernichtet worden. Es könne durchaus sein, dass das Scannen, er könne den Zeitraum nicht genau sagen, von zwei Mitarbeitern durchgeführt worden sei. Dies sei ein Vertretungsthema in Bezug auf die Dienstnehmerin von Reha-Aufenthalten und Krankenständen gewesen. Die Beilage "B", die die Aufzeichnungen über das Einnicken der Dienstnehmerin beinhalte, sei durch Beobachtung zustande gekommen. Am Block, wo auch die Dienstnehmerin sitze, würden auch noch sieben Kollegen und einer davon sei Herr S. als Abteilungsleiter und unmittelbarer Vorgesetzter. Die Dienstnehmerin sei darauf aufmerksam gemacht worden, dass es nicht gehe, dass sie immer wieder minutenlang einschlafe. Sie habe das aber immer abgestritten und deswegen hätten sie begonnen, dies zu dokumentieren.

In der mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2017 brachte der Abteilungsleiter, Herr S., im Wesentlichen vor, bei falsch eingescannten Dokumenten müsse der Sachbearbeiter den Akt aus dem Papierarchiv holen. Das Papierarchiv werde nur tageweise in Kartons abgelegt. Der Sachbearbeiter müsse sich diesen Akt aus dem Archiv holen und wisse nicht genau, wann die Dienstnehmerin den Akt genau bearbeitet hat. So sei es vorgekommen, dass mehrere Tage durchgesucht werden hätten müssen und dabei handle es sich um zirka 250 bis 300 Fälle. Dieser Suchvorgang dauere von einer halben Stunde bis zu einem Tag, bis das entsprechende Bordero gefunden werde. Die Unterscheidung zwischen "Einnicken" und "Einschlafen" sei Folgende:

Beim "Einnicken" gehe es um zirka 40-45 Sekunden, dann läute ein Telefon und die Dienstnehmerin werde kurz wach und nicke dann wieder ein oder wenn ein Kollege vorbei gehe, dann schaue sie kurz auf. Beim "Einschlafen" hingegen dauere es mehrere Minuten. Bezüglich des Einnickens sei ihm aufgrund einer Medikamentenreduktion keine Änderung aufgefallen. Wenn ein Einscannfehler auftrete, indem er von einem Sachbearbeiter darauf aufmerksam gemacht worden sei, sei er zu der Dienstnehmerin gegangen und habe das gleich an ihrem Arbeitsplatz abgeklärt, ob der Akt noch bei ihr liege. Er habe die Dienstnehmerin aber nicht auf den Fehler beim Einscannen aufmerksam gemacht, da es eigentlich zu keinem Fehler kommen könne. Man nehme einen Zettel und lege ihn in den Scanner und drücke auf "Start" und schon sei das Dokument im System. Aus seiner Sicht seien alle Mitarbeiter sehr hilfsbereit gegenüber der Dienstnehmerin. Sie brächten ihr die Akten auf den Tisch und holten auch die eingescannten Schachteln wieder ab. Da er gegenüber der Dienstnehmerin sitze, bekomme er mit, dass es aufgrund der Einscannfehler zu Auseinandersetzungen zwischen den Mitarbeitern und der Dienstnehmerin komme. Diese seien verärgert, weil sie einerseits einen Mehraufwand hätten und auch anderseits aufgrund des Zeitdrucks. Seinerseits seien keine schriftlichen Verwarnungen an die Dienstnehmerin ergangen. Diesbezüglich trage der Geschäftsführer die Verantwortung. Aus seiner Sicht gebe es keine andere Tätigkeit für die Dienstnehmerin, da es sich um die einfachste Tätigkeit in seiner Abteilung handle. In Beilage "A" habe er den Karton vom 11. Jänner 2017 genommen und die Papierakten durchgeschaut und überprüft, was im EDV-System nicht drinnen sei. Dabei habe er festgestellt, dass teilweise die Akten gar nicht drinnen seien. Er vermute, dass es so passiert sei, dass die Dienstnehmerin eingenickt sei und als sie wach geworden sei, habe sie gedacht, dass sie dies bereits gescannt habe. Er könne sich dies sonst nicht erklären. Unter "falscher Logonummer" verstehe man, dass der Geschäftsfall unter einer anderen Auftragsnummer gescannt worden sei. Um den richtigen Auftrag zu finden, müsse der Sachbearbeiter die Auftragsnummer eingeben. Und wenn der Auftrag unter einer falschen Auftragsnummer eingescannt worden sei, dann erscheine entweder das Dokument oder eben nicht. Das Einscannen eines Dokuments erfolge aufgrund eines auf dem Dokument vorhandenen Barcodes. Mehrere Akte würden auf einmal eingescannt und dann müsse eine einzelne Zuordnung stattfinden. Jeder Akt bestehe aus einer Anzahl von unterschiedlichen Dokumenten. Und wenn dann alle Akte unter einer Nummer gescannt werden, dann sei nur einer richtig und die restlichen seien falsch. Die Dienstnehmerin mache Folgendes falsch:

Sie gehe her und gebe nicht einen Akt einzeln ein, sondern gebe mehrere Akte auf einmal ein. Bei der Beilage "B" handle es sich um eine Zusammenfassung von Kollegen, die in Summe um die Dienstnehmerin sitzen würden. Er habe den Auftrag gegeben, sie sollten dies tun. Es habe auch Mitarbeiterbeschwerden über das mangelhafte Einscannen gegeben und das sei der Grund für seine Recherche. Es habe massive Beschwerden vieler Mitarbeiter gegeben. Es führe auch zu Kundenproblemen, wenn man einen Geschäftsfall im System nicht finde. Ein Beispiel hierfür sei: Im Zuge der Warenübernahme werde die Ware auf Fehlmenge und Beschaffenheit überprüft und es werde eine ordnungsgemäße Übernahme bestätigt. Dies werde vom Kunden verlangt. Wenn ein Kunde anrufe, und sage, es fehlten ihm Stücke, dann bräuchten sie das Dokument als Beweis. Beim Warenausgang sei es noch dramatischer, weil sie noch zusätzlich auf dem Dokument Unterschriften von Fahrern oder vom Lagerpersonal hätten, um die ordnungsgemäße Übergabe zu bestätigen. Denn wenn man das Dokument nicht habe, könne der Kunde sagen, dass er die Ware nie erhalten habe. Die Kunden bräuchten die Dokumente sofort, weil es sonst ein Problem gebe, und sie hätten kein Verständnis dafür, wenn man erst Akte suchen müsse. Ziel sei es, das physische Aktenarchiv komplett aufzulassen. Die Dienstnehmerin öffne alle Geschäftsfälle und schicke alle Dokumente auf einmal durch. Der Scanner erkenne zwar den Barcode, da aber nicht alle Dokumente mit einem Barcode versehen sind, müsse man es anschließend noch im System händisch zuordnen. Der Arbeitsanfall würde es zulassen, dass die Dienstnehmerin jeden Akt einzeln einscanne. Er habe mitbekommen, dass die Dienstnehmerin auch von den anderen Mitarbeitern dazu aufgefordert worden sei, die Akte einzeln einzuscannen und sie habe darauf geantwortet, dass sie wisse wie die Scannung funktioniere. Es gebe mehrere Mitarbeiter, die zu der Dienstnehmerin gekommen seien und ihr gesagt hätten, dass sie die Akten einzeln einscannen solle. Im Vergleich zu einem anderen Mitarbeiter bräuchten die Sachbearbeiter für einen ganzen Tag zirka eineinhalb Stunden und die Dienstnehmerin schaffe es nicht einmal an einem Tag. Für eine Kiste brauche eine Sachbearbeiterin maximal eine Stunde. Momentan würden die Mitarbeiter die Rückstände der Dienstnehmerin aufarbeiten, weil bereits ein Großteil der Sachen von den Mitarbeitern selbst eingescannt werde. Es komme vor, dass die Dienstnehmerin stürze. Aus seiner Sicht sei es ein Problem, da sie sich Sorgen machen würden, weil sie regelmäßig stürze und dass deswegen auch die Gefahr einer Verletzung bestehe. Die Mitarbeiter seien hier auch sehr hilfsbereit und würden ihr helfen. Diese Hilfe werde aber seitens der Dienstnehmerin zurückgewiesen.

In dieser mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2017 brachte die Dienstnehmervertretung, im Wesentlichen vor, die Dienstnehmerin habe mitgeteilt, dass sie erst durch die Übermittlung des Kündigungsantrages von den Fehlern Kenntnis erlangt habe. Die Dienstnehmerin nehme zwei Medikamente ein. Das Lioresal mache müde und sei als Nebenwirkung für das Einnicken verantwortlich. Das zweite werde aufgrund der Erkrankung eingenommen.

Mit Schriftsatz der belangten Behörde vom 28.06.2017 wurde der Ärztliche Dienst des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, mit der Erstellung eines arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachtens beauftragt.

Mit als "Bekanntgabe" bezeichnetem Anwaltsschreiben vom 10.11.2017 teilte die Dienstgeberin der belangten Behörde mit, dass sich die Dienstnehmerin infolge eines neuerlichen MS-Schubes seit 22.08.2017 im Krankenstand befinde. Am 24.10.2017 habe sie mitgeteilt, dass der Krankenstand noch zumindest einen weiteren Monat andauern werde. Im Hinblick darauf habe die Dienstgeberin endgültig eine Organisationsänderung vornehmen müssen. Die jeweiligen Sachbearbeiter würden nunmehr daher alle sie betreffenden Borderos und Schriftstücke selbst einscannen, im Anschluss daran würden die schriftlichen Unterlagen entsorgt. Der Arbeitsplatz der Dienstnehmerin sei daher endgültig weggefallen. Einen anderen geeigneten Arbeitsplatz, an dem die Dienstnehmerin weiterbeschäftigt werden könne, sei nicht vorhanden. Die Dienstnehmerin sei jedenfalls unfähig geworden, die im Dienstvertag vereinbarten Arbeiten zu leisten, in absehbarer Zeit sei eine Wiederherstellung ihrer Arbeitsfähigkeit nicht zu erwarten. Es werde daher beantragt, den Geschäftsführer der Dienstnehmerin zu obigem Beweisthema einzuvernehmen.

Mit als "Bekanntgabe" bezeichnetem Anwaltsschreiben vom 28.11.2017 wurde seitens der Dienstgeberin mitgeteilt, dass die Dienstnehmerin bekanntgegeben habe, dass sie aufgrund ihrer Krankheit gestürzt sei und sich den Fuß gebrochen habe. Sie habe angekündigt, dass sich der Krankenstand bis zumindest Weihnachten 2017 verlängern werde.

Mit als "Bekanntgabe" bezeichnetem Anwaltsschreiben vom 02.02.2018 teilte die Dienstgeberin der belangten Behörde u.a. mit, dass die Dienstnehmerin im Kalenderjahr 2017 an insgesamt 112 Arbeitstagen im Krankenstand gewesen sei. Betreffend das Jahr 2018 habe sich die Dienstnehmerin vom 01.01.2018 bis 23.01.2018 im Krankenstand befunden, im Anschluss daran habe sie Urlaub im Ausmaß von 69,5 Tagen in Anspruch genommen, der ihr auch gewährt worden sei. Weiters wurde in diesem Schreiben vom 02.02.2018 darauf hingewiesen, dass bereits mit Antrag vom 10.11.2017 bekannt gegeben worden sei, dass die Dienstgeberin eine Organisationsänderung vorgenommen habe. Die jeweiligen Sachbearbeiter würden nunmehr alle sie betreffenden Borderos und Schriftstücke selbst einscannen, im Anschluss daran würden die schriftlichen Unterlagen entsorgt, so wie dies bei allen Konzernbetrieben der Dienstgeberin bereits seit Jahren erfolge. Diese Organisationsänderung habe durchgeführt werden müssen, weil sich die übrigen Mitarbeiter geweigert hätten, das Einscannen der Schriftstücke im Hinblick auf die hohe Fehlerquote von der Dienstnehmerin vornehmen zu lassen. Zum Beweis dafür sei die Einvernahme des Geschäftsführers der Dienstgeberin beantragt worden. Um einen Verfahrensmangel zu vermeiden, werde daher dessen ergänzende Einvernahme vorzunehmen sein. Das Einscannen von Unterlagen, mit dem die Dienstgeberin die Dienstnehmerin zuletzt beschäftigt habe, stelle bereits den "anderen geeigneten Arbeitsplatz" im Sinne des § 8 Abs. 4 lit. a BEinstG dar, den die Dienstgeberin der Dienstnehmerin nach Auftreten ihrer Erkrankung zugewiesen habe, weil sie für die früher von ihr verrichtete Tätigkeit nicht mehr geeignet gewesen sei. Wie das Beweisverfahren ergeben habe, sei die Dienstnehmerin jedoch zur Vornahme auch dieser Arbeiten infolge der hohen Fehlerquote nicht mehr geeignet. Da sich die übrigen Mitarbeiter deshalb auch weigern würden, die Unterlagen von der Dienstnehmerin einscannen zu lassen und diese selbst einscannen würden, um sich mehr Arbeit zu ersparen, sei auch eine Organisationsänderung vorgenommen worden, wodurch der Arbeitsplatz der Dienstnehmerin weggefallen sei. Die Dienstgeberinnen habe 18 Angestellte und 37 Arbeiter. Die Arbeitertätigkeiten seien sämtliche mit körperlicher Belastung (Lagerarbeiter) verbunden. Hierzu sei die Dienstnehmerin natürlich von vornherein ungeeignet. Sie sei aber auch nicht geeignet, eine Position als Sachbearbeiterin im Angestelltenbereich einzunehmen, weil es sich hier um eine Tätigkeit handle, die wesentlich mehr geistige Beweglichkeit verlange als es der Dienstnehmerin möglich sei.

Anlässlich der Beauftragung durch die belangte Behörde am 28.06.2017 erging am 04.12.2017 ein arbeitsmedizinisches Sachverständigengutachten. Aus diesem von der belangten Behörde eingeholten arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachten vom 04.12.2017 ergibt sich zusammengefasst, dass die Dienstnehmerin für die von ihr zuletzt ausgeübte Tätigkeit "elektronisches Archivieren von Geschäftsakten" behinderungsbedingt geeignet sei, behinderungsbedingte Arbeitseinschränkungen bestünden nicht.

Die Dienstgeberin beantragte in der Folge u.a. eine Ergänzung dieses arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachtens u.a. zur Beantwortung der Fragen, ob die eklatante Fehlerhäufigkeit beim Einscannen von Dokumenten auf die körperliche/seelische Behinderung der Dienstnehmerin oder auf eine bewusste Sorglosigkeit der Dienstnehmerin bei ihrer Dienstverrichtung zurückzuführen sei, sowie, ob das häufige Einschlafen/Einnicken der Dienstnehmerin auf ihre Behinderung zurückzuführen sei.

Die belangte Behörde holte in der Folge ein klinisch-psychologisches Sachverständigengutachten auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Dienstnehmerin am 29.05.2018 vom 09.07.2018 ein, dessen Ergebnis in ein weiteres ergänzend eingeholtes arbeitsmedizinisches Sachverständigengutachten vom 07.09.2018 einfloss.

Aus diesem ergänzend eingeholten arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachten vom 07.09.2018 ergibt sich, dass die erhöhte Fehlerhäufigkeit beim Einscannen nicht auf die festgestellte Behinderung zurückzuführen sei, da keine Einschränkungen der kognitiven Leistungsfähigkeit, Merkfähigkeit und des Konzentrationsvermögens bestünden. Es bestünden keine Hinweise auf eine Herabsetzung der psychischen Belastbarkeit oder Anstrengungsbereitschaft oder auf bewusste "Sorglosigkeit", es bestehe eine durchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit, die kognitiven Funktionen seien bei der Dienstnehmerin überdurchschnittlich gut ausgeprägt, Hinweise auf eine krankheitsbedingte psychische Beeinträchtigung bestünden nicht. Die Fehlerhäufigkeit gründe sich vielmehr auf die psychisch belastende Situation, in der sich die Dienstnehmerin am Arbeitsplatz spätestens seit der Bekanntgabe der Kündigungsabsicht seitens der Dienstgeberin befinde.

Das häufige Einschlafen der Dienstnehmerin sei nicht auf das eingenommene Medikament Lioresal zurückzuführen, da die Dosis von der Dienstnehmerin selbst gesteuert werden könne und da eine gute Konzentrationsfähigkeit bei Belastung bestehe. Bei etwaiger Unterforderung oder fehlenden Arbeitsaufträgen könne auch bei gesunden Personen Tagesschläfrigkeit auftreten. Das angegebene häufige Einschlafen/Einnicken sei nicht auf die festgestellte Behinderung zurückzuführen, sondern auf eine etwaige Unterforderung in Kombination mit der psychisch belastenden Situation, in der sich die Dienstnehmerin befindet und der Neigung der Dienstnehmerin auf gerechtfertigte Ansprüche zu verzichten, als zu deren Durchsetzung etwaige Konflikte in Kauf zu nehmen.

Die Dienstnehmerin habe im Rahmen des Kündigungsverfahrens eine erhöhte Sturzgefahr auf Grund ihrer körperlichen Behinderung angegeben. Die Beschwerden der Dienstgeberin (über die Dienstnehmerin) würden sich jedoch nicht auf die körperliche Behinderung beziehen. Da bei der Dienstnehmerin eine gut durchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit, ohne Hinweis auf krankheits- oder stressbedingtem Abbau der kognitiven Funktionen bestehe und da die kognitiven Funktionen wie verbale Merkfähigkeit und Konzentration unter Belastung überdurchschnittlich ausgeprägt seien, sei von keiner längeren Bearbeitungszeit auf Grund einer kognitiven Beeinträchtigung auszugehen. Fehlleistungen seien auf die psychisch belastende Situation, unter der die Dienstnehmerin stehe, zurückzuführen.

Mit Bescheid des Behindertenausschusses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 09.11.2018, der keine Geschäftszahl aufweist, wurde dem Antrag der Dienstgeberin auf Zustimmung zur Kündigung der begünstigten behinderten Dienstnehmerin nicht stattgegeben und daher einer noch auszusprechenden künftigen Kündigung die Zustimmung nicht erteilt.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die vorliegenden Sachverständigengutachten vom 04.12.2017 und vom 07.09.2018 würden in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt. Die Dienstnehmerin sei laut diesen arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachten für die von ihr zuletzt ausgeübte Tätigkeit "elektronisches Archivieren von Geschäftsakten" geeignet, da keine behinderungsbedingten Arbeitseinschränkungen bestünden und auch mit keinen erhöhten Krankenstandzeiten zu rechnen sei. Zudem bestehe bei der Dienstnehmerin eine gut durchschnittliche intellektuelle Leistungsfähigkeit, ohne Hinweis auf kognitive Einschränkungen aufgrund ihrer Behinderung.

Dienstpflichtverletzungen im Verhalten der Dienstnehmerin hätten nicht festgestellt werden können. Einer Dienstgeberin stünden zur Aufrechterhaltung der Ordnung in ihrem Betrieb verschiedene Sanktionen wie zum Beispiel Verwarnungen der Dienstnehmerin zur Verfügung. Eine Verwarnung müsse im Falle von Pflichtverletzungen unbedingt zeitnah, also unverzüglich und noch am selben Tag erfolgen. Seitens der Dienstgeberin habe keine schriftliche Verwarnung vorgelegt werden können. Somit sei eine Kündigung gemäß § 8 Abs 4 lit b und lit c BEinstG sachlich nicht gerechtfertigt. Allfällig auftretende Einschränkungen bei der Erbringung der Arbeitsleistung können zudem durch Fördermöglichkeiten des Sozialministeriumservice gemäß § 6 BEinstG kompensiert werden. Von der Vernehmung des Geschäftsführers als Zeuge zum Beweis der vorgenommenen Organisationsänderung konnte abgesehen werden, da dies bereits in der mündlichen Verhandlung am 28.06.2017 seitens des Geschäftsführers vorgebracht worden sei.

Gegen diesen Bescheid vom 09.11.2018 erhob die Beschwerdeführerin mit Anwaltsschriftsatz vom 21.12.2018 fristgerecht die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. In inhaltlicher Hinsicht wurde u.a. Folgendes - hier in den für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Teilen auszugsweise und in anonymisierter Form wiedergegeben - ausgeführt:

"....

Weil es keinerlei Tätigkeiten im Unternehmen mehr gab, die die Dienstnehmerin noch ausüben hätte können, nahm die Dienstgeberin - ohne dazu verpflichtet zu sein - im Bemühen doch noch irgendeine Tätigkeit für die Dienstnehmerin zu finden, eine Umstrukturierung der Archivierungstätigkeiten vor. Sie konzentrierte einfache administrative Scan- und Archiviertätigkeiten, die bis dahin - so wie in allen Konzernbetrieben - von jedem Mitarbeiter selbst nebenbei für die eigenen Geschäftsfälle durchgeführt werden, bei der Dienstnehmerin.

Diese Tätigkeit übt die Dienstnehmerin seit 2011 aus.

Die Klägerin sollte sogenannte Borderos, das sind Konvolute von Geschäftsunterlagen wie Aufträge, CMR-Frachtbriefe, Rechnungen etc. scannen und jeweils dem richtigen Geschäftsfall zugeordnet archivieren. Zweck dieser elektronischen Erfassung ist es, dass die Papierunterlagen dann vernichtet werden können und die Mitarbeiter, wenn es erforderlich ist, auf die elektronisch archivierten Unterlagen zugreifen können.

In den letzten Jahren kam es aber zu massiven Verschlechterungen der Arbeitsleistung der Dienstnehmerin. Regelmäßig beschwerten sich Mitarbeiter, deren Geschäftsfälle die Dienstnehmerin einscannen und archivieren sollte, dass diese elektronisch tatsächlich nicht auffindbar waren. Schließlich sprachen Mitarbeiter die Dienstnehmerin auch direkt auf die Fehlerhäufigkeit an und beschwerten sich bei Vorgesetzten. Die Geschäftsführung beschloss aus diesem Grund auch die Papierunterlagen nicht zu vernichten, um bei Nichtauffindbarkeit der Unterlagen im Archivsystem noch auf die Originale zugreifen zu können.

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In den letzten Jahren haben darüber hinaus die Krankenstände der Klägerin Ausmaße angenommen, die die durchschnittliche Anzahl von Krankenständen anderer Mitarbeiter bei weitem übersteigen. So war sie im Jahr 2014, 2015 und 2016 insgesamt 47 Tage, somit knapp 10 Wochen, in Krankenstand. Zu diesen Krankenständen hinzu kamen in diesem Zeitraum 258 Arzt- bzw Physiotherapiebesuche, wodurch sie 613,25 Arbeitsstunden fehlte. Dies entspricht 15 Arbeitswochen. In Summe fehlte die Dienstnehmerin daher krankheitsbedingt 25 Wochen in drei Jahren.

Ab Sommer 2017 war die Dienstnehmerin nach einem weiteren Krankheitsschub ab 22.8.2017 bis zum Jahresende 2017, somit über vier Monate durchgehend (!) in Krankenstand. Insgesamt war sie allein im Jahr 2017 112 Arbeitstage, das sind rund 25 Wochen, in Krankenstand und zusätzlich an 47 Arbeitstagen wegen Arztbesuchen uä abwesend. Im Jahr 2017 kam die Dienstnehmerin daher auf krankheitsbedingte Abwesenheiten in Summe von 34 Wochen, das ist weit mehr als die Hälfte des gesamten Arbeitsjahres.

Auch im Jahr 2018 war sie gleich mit Jahresanfang drei Wochen in Krankenstand und konsumierte dann auf eigenen Wunsch Urlaub im Ausmaß von 69,5 Tagen.

Eine Wiederherstellung bzw. Verbesserung der Arbeitsfähigkeit der Dienstnehmerin ist nicht zu erwarten, trat doch in den vergangenen Jahren stets nur eine Verschlechterung, nie aber eine Verbesserung ein. Eine Verbesserung wurde auch von keinem Arzt in Aussicht gestellt.

Nach dem monatelangen Krankenstand der Dienstnehmerin musste die Dienstgeberin eine langfristige, funktionierende und einheitliche Lösung für die bisher von der Dienstnehmerin ausgeübten Archivierungstätigkeiten finden. Der Status Quo, wonach Mitarbeiter teilweise ihre Geschäftsfälle selbst archivieren, teilweise die Archivierung durch die Dienstnehmerin stattfindet, dies aber mit einer Fehlerquote, die eine Vernichtung der Papierakten unmöglich macht, konnte nicht mehr aufrecht gehalten werden. Auch die monatelange Abwesenheit der Dienstnehmerin machte es notwendig eine nachhaltige praktikable und nicht von ihrer Anwesenheit abhängige Lösung zu finden. Im gesamten Konzern begann man zudem im Jahr 2017 in Umsetzung der DSGVO strengere Maßstäbe für Datensicherung, Datenverwaltung und die Datenvernichtung einzuführen.

X. beschloss daher in Angleichung an die Konzernstandards die Archivierungstätigkeit an die einzelnen Sachbearbeiter für ihre eigenen Geschäftsfälle zu übertragen, wobei Papierunterlagen nach dem Scanvorgang sofort entsorgt werden. Die Fehlerhäufigkeit bei der Archivierung von Geschäftsfällen hat sich seitdem drastisch reduziert. Seit der Neuaufstellung des Archivierungssystems werden Geschäftsfälle auch wesentlich rascher und zeitnaher an den Abschluss eines Geschäftsfalles archiviert. Rückstände bei der Archivierung, wie sie zuvor an der Tagesordnung waren, gibt es nahezu gar nicht mehr. Das System der Archivierung ist wesentlich effizienter geworden.

Den bisher von der Dienstnehmerin ausgeübten Tätigkeitsbereich gibt es daher nicht mehr. X. hat die Dienstnehmerin daher ab dem Ende ihres Urlaubes mangels noch denkbarer Arbeitsplätze freigestellt.

Den bei Einstellung ursprünglich vereinbarten Tätigkeitsbereich als Customer Service Mitarbeiterin kann die Dienstnehmerin bereits seit Jahrzehnten nicht mehr ausüben, weil diese Tätigkeit eine hohe Stressresistenz, Belastbarkeit und die Fähigkeit unter großem Zeitdruck zu arbeiten, erfordert.

X. beschäftigt derzeit rund 54 Mitarbeiter, wovon 17 Angestellte sind. Die Tätigkeit der Arbeiter bei der Beschwerdeführerin besteht in körperlich anstrengenden Lagertätigkeiten. Die Angestellten sind, soweit sie nicht leitend tätig sind oder im Außendienst, allesamt im Customer Service beschäftigt. Arbeiten im Lager und außerhalb des Großraumbüros sind ihr aufgrund ihrer körperlichen Beeinträchtigung unmöglich. Alternative, einfache administrative Arbeiten gibt es bei der Dienstgeberin nicht.

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2.1 Materielle Rechtswidrigkeit

Die Behörde hat bei ihrer Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Zustimmung zur Kündigung vorliegen, die Interessen von Dienstnehmer und Dienstgeber abzuwägen. Dabei hat sie insbesondere auch (aber nicht ausschließlich) die Kriterien des § 8 Abs 4 lit a bis c BEinstG zu beachten.

Die Behörde hat die Voraussetzungen, unter denen dem Dienstgeber die Fortsetzung des Dienstverhältnisses insbesondere nicht zugemutet werden kann, teilweise gar nicht geprüft (lit a, siehe dazu Punkt 2.2) und teilweise unrichtig angewendet bzw den ihr eingeräumten Ermessensspielraum, ob die Interessen des Dienstnehmers oder die des Dienstgebers überwiegen, überschritten. Der Bescheid ist daher materiell rechtswidrig.

......

2.2. Mangelhafte Sachverhaltsfeststellung

Die von der belangten Behörde getroffenen Sachverhaltsfeststellungen sind ergänzungsbedürftig.

§ 8 Abs 4 BEstG enthält demonstrative Kriterien, die die Behörde in ihre Entscheidung einzubeziehen hat. Die in § 8 Abs 4 BEstG genannten Kündigungsgründe sind aber von den Behörden zwingend in die vorgeschriebene Interessensabwägung einzubeziehen. Dies hat die Behörde aber nicht gemacht. § 8 Abs 4 lit a sieht vor, dass die Fortsetzung des Dienstverhältnisses dem Dienstgeber insbesondere dann nicht zugemutet werden können, wenn der Tätigkeitsbereich des begünstigten Behinderten entfällt und der Dienstgeber nachweist, dass der begünstigte Behinderte an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann.

Die Dienstgeberin hat im Verfahren mehrfach vorgebracht, dass der Tätigkeitsbereich der Dienstnehmerin nach einer Umstrukturierung der Scan- und Archivierungstätigkeiten weggefallen ist und ein anderer geeigneter Arbeitsplatz für die Diensinehmerin nicht besteht. Dies, weil sie weder die körperlich anstrengenden Tätigkeiten der Lagerarbeiter noch die stressige und hohe Agilität erfordernde Tätigkeit der Customer Service Mitarbeiter erbringen kann.

Weder zum Wegfall des Tätigkeitsbereiches der Dienstnehmerin noch zum Fehlen eines geeigneten anderen Arbeitsplatzes hat die Behörde aber Feststellungen getroffen. Die Behörde behandelt die Frage, ob § 8 Abs 4 lit a erfüllt ist, in ihrem Bescheid einfach gar nicht.

Hätte die Behörde entsprechende Feststellungen getroffen, dann hätte sie rechtlich folgern müssen, dass einer Kündigung zuzustimmen ist. Ein Entfall des Tätigkeitsbereiches eines Dienstnehmers iSd § 8 Abs 4 lit a BEstG liegt auch bei Reorganisationsmaßnahmen und Umstrukturierungen vor (Widy in BEStG § 8 Erl 101). Im Konzern gibt es im Übrigen keine Verpflichtung einen Tätigkeitsbereich in einer anderen Konzerngesellschaft zu finden; den Dienstgeber trifft keine "konzernweite soziale Gestaltungspflicht" (Widy in BEStG § 8 Erl 108). In Verbindung mit dem Umstand, dass ein Dienstnehmer auf einem anderen Arbeitsplatz nicht beschäftigt werden kann, da derzeit ein geeigneter Ersatzarbeitsplatz im Unternehmen nicht besteht, würde die Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses der Dienstgeberin einen erheblichen Schaden zufügen, da sie Lohnzahlungen vornehmen müsste, ohne dass in Gegenleistung eine Arbeitsleistung erbracht würde (ArbSIg 9418).

In einem solchen Fall ist die Fortsetzung des Dienstverhältnisses dem Dienstgeber nicht zumutbar (VwGFI 2011/11/0146). Der Kündigungsgrund braucht nicht in der Person des Gekündigten liegen, also auch nicht auf dessen Verschulden beruhen; es genügen rein sachliche im Betrieb selbst gelegene Gründe (VwGH 3402/53).

Hätte die Behörde das Vorbringen, dass der Tätigkeitsbereich der Dienstnehmerin weggefallen ist und ein alternativer Arbeitsplatz nicht besteht, gewürdigt und entsprechende Feststellungen getroffen, dann hätte sie daher zum Ergebnis kommen müssen, dass die Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht zumutbar ist.

......

4. Anträge

Die Beschwerdeführerin stellt die

Anträge,

das Bundesverwaltungsgericht möge

1. gemäß § 24 Abs 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung durchführen;

2. den Bescheid aufheben, in der Sache selbst entscheiden und die Zustimmung zur zukünftigen Kündigung der Dienstnehmerin U. erteilen

3. in eventu den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen."

Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt am 15.01.2019 zur Entscheidung vor.

Das Bundesverwaltungsgericht teilte der Mitbeteiligten die Beschwerde gemäß § 10 VwGVG mit Schreiben vom 15.01.2019 mit und räumte der Mitbeteiligten Gelegenheit ein, sich innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens zum Inhalt der Beschwerde zu äußern.

Die mitbeteiligte Dienstnehmerin gab keine Stellungnahme ab.

Mit Schreiben vom 10.07.2019 ersuchte die Beschwerdeführerin das Bundesverwaltungsgericht um Entscheidung.

Mit verfahrenseinleitender Anordnung des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.08.2019, Fr 2019/11/0012-2, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 29.08.2019, übermittelte der Verwaltungsgerichtshof dem Bundesverwaltungsgericht zuständigkeitshalber einen mit 16.08.2019 datierten Fristsetzungsantrag der Beschwerdeführerin.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung:

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Gemäß § 28 Abs. 4 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann, wenn die Behörde bei ihrer Entscheidung Ermessen zu üben hat, wenn es nicht gemäß Abs. 2 in der Sache selbst zu entscheiden hat und wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückzuverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Bei der Entscheidung des Behindertenausschusses des Sozialministeriumservice gemäß § 8 BEinstG handelt es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes um eine Ermessenentscheidung. Es ist im Beschwerdefall auch nicht strittig, dass die belangte Behörde bei ihrer bekämpften Entscheidung Ermessen geübt hat.

Es ist nach der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes demnach Aufgabe des Verwaltungsgerichtes zu überprüfen, ob sich die Zustimmung zur Kündigung durch die belangte Behörde als Ermessensübung im Sinne des Gesetzes erweist, und zwar - mangels Indizien für eine Abweichung von Fällen mit "gebundener" Entscheidung - vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehenden Sach- und Rechtslage (vgl. das Erkenntnis des VwGH vom 16.08.2017, Zl. Ra 2017/11/0212 mwN).

Eine solche Prüfung setzt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes voraus, dass alle für diese Entscheidung wesentlichen tatsächlichen Umstände unter Einhaltung der maßgeblichen Verfahrensvorschriften ermittelt und berücksichtigt wurden.

Im vorliegenden Beschwerdefall erweist sich jedoch der angefochtene Bescheid in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt in wesentlichen Punkten aus folgenden Gründen als gravierend mangelhaft und ist es dem Bundesverwaltungsgericht somit nicht möglich, zu überprüfen, ob sich die Zustimmung zur Kündigung durch die belangte Behörde als Ermessensübung im Sinne des Gesetzes erweist:

Die im Beschwerdefall relevante Bestimmung des § 8 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) lautet:

Kündigung

§ 8. (1) Das Dienstverhältnis eines begünstigten Behinderten darf vom Dienstgeber, sofern keine längere Kündigungsfrist einzuhalten ist, nur unter Einhaltung einer Frist von vier Wochen gekündigt werden. Ein auf Probe vereinbartes Dienstverhältnis kann während des ersten Monates von beiden Teilen jederzeit gelöst werden.

(2) Die Kündigung eines begünstigten Behinderten (§ 2) darf von einem Dienstgeber erst dann ausgesprochen werden, wenn der Behindertenausschuss (§ 12) nach Anhörung des Betriebsrates, der Behindertenvertrauensperson (Stellvertreter) oder der Personalvertretung im Sinne des Bundes-Personalvertretungsgesetzes bzw. der entsprechenden landesgesetzlichen Vorschriften zugestimmt hat; dem Dienstnehmer kommt in diesem Verfahren Parteistellung zu. Eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses ist rechtsunwirksam, wenn nicht in Ausnahmefällen nachträglich die Zustimmung erteilt wird. Diese Zustimmung ist nicht zu erteilen, wenn die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten die Folge eines Arbeitsunfalles gemäß § 175f des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955 ist. Ein Ausnahmefall, der die Zustimmung zu einer bereits ausgesprochenen Kündigung rechtfertigt, ist dann gegeben, wenn dem Dienstgeber zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung nicht bekannt war und auch nicht bekannt sein musste, dass der Dienstnehmer dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des § 2 angehört. Abs. 4 und 4a sind anzuwenden.

(3) Der Behindertenausschuß hat bei seiner Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten die besondere Schutzbedürftigkeit des Dienstnehmers zu berücksichtigen und unter Beachtung des § 6 zu prüfen, ob dem Dienstnehmer der Verlust seines Arbeitsplatzes zugemutet werden kann.

(4) Die Fortsetzung des Dienstverhältnisses wird dem Dienstgeber insbesondere dann nicht zugemutet werden können, wenn

a) der Tätigkeitsbereich des begünstigten Behinderten entfällt und der Dienstgeber nachweist, daß der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann;

b) der begünstigte Behinderte unfähig wird, die im Dienstvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten, sofern in absehbarer Zeit eine Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit nicht zu erwarten ist und der Dienstgeber nachweist, daß der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann;

c) der begünstigte Behinderte die ihm auf Grund des Dienstverhältnisses obliegenden Pflichten beharrlich verletzt und der Weiterbeschäftigung Gründe der Arbeitsdisziplin entgegenstehen.

(4a) Bei der Entscheidung über die Zustimmung zur Kündigung eines begünstigten Behinderten ist auch das Diskriminierungsverbot des § 7b Abs. 1 zu berücksichtigen.

(5) Gesetzliche Bestimmungen, die die Beendigung des Dienstverhältnisses an zusätzliche Voraussetzungen knüpfen, bleiben unberührt. Finden auf die Kündigung eines begünstigten Behinderten die Abs. 2 bis 4 Anwendung, gelten die Bestimmungen des § 105 Abs. 2 bis 6 des Arbeitsverfassungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1974, bzw. die in Ausführung der Bestimmungen des § 210 Abs. 3 bis 6 des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287, erlassenen landesrechtlichen Vorschriften nicht.

(6) Abs. 2 bis 4 finden auf das Dienstverhältnis keine Anwendung,

a) wenn dem Behinderten als Mitglied des Betriebsrates (Jugendvertrauensrates) bzw. als Personalvertreter der besondere Kündigungsschutz auf Grund der §§ 120 und 121 des Arbeitsverfassungsgesetzes bzw. der in Ausführung der §§ 223 und 224 des Landarbeitsgesetzes 1984 erlassenen landesrechtlichen Vorschriften oder des § 27 Abs. 2 des Bundes-Personalvertretungsgesetzes und ähnlicher landesrechtlicher Vorschriften zusteht;

b) wenn das Dienstverhältnis zum Zeitpunkt des Ausspruches der Kündigung noch nicht länger als vier Jahre bestanden hat, es sei denn die Feststellung der Begünstigteneigenschaft erfolgt innerhalb dieses Zeitraumes, wobei während der ersten sechs Monate nur die Feststellung der Begünstigteneigenschaft infolge eines Arbeitsunfalles diese Rechtsfolge auslöst, oder es erfolgt ein Arbeitsplatzwechsel innerhalb eines Konzerns.

Die Mitbeteiligte gehört unbestritten dem Personenkreis der begünstigten Behinderten an.

Die belangte Behörde stützt sich im angefochtenen Bescheid erkennbar ausschließlich auf die Bestimmungen des § 8 Abs. 4 lit. b und c BEinstG und gelangt - auf Grundlage der von ihr eingeholten arbeitsmedizinischen Sachverständigengutachten - zusammengefasst zu dem Schluss, dass die Dienstnehmerin für die von ihr zuletzt (seit dem Jahr 2011) ausgeübte Tätigkeit "elektronisches Archivieren von Geschäftsakten" geeignet sei, dass behinderungsbedingte Arbeitseinschränkungen nicht bestünden und dass die begünstigte behinderte Dienstnehmerin daher nicht unfähig geworden sei, die im Dienstvertrag vereinbarte Arbeit zu leisten. Zudem seien keine beharrlichen Pflichtverletzungen der Dienstnehmerin erweislich bzw. habe es keine vorherigen in ausreichendem zeitlichen Zusammenhang stehende Ermahnungen durch die Dienstgeberin gegeben.

Die belangte Behörde lässt aber im angefochtenen Bescheid völlig außer Acht, dass die Beschwerdeführerin ihren verfahrenseinleitenden Antrag vom 25.04.2017 sowohl mit Bekanntgabe vom 10.11.2017 - im Rahmen derer sie mitteilte, dass sie aufgrund des monatelangen Krankenstandes der Dienstnehmerin endgültig eine Organisationsänderung vornehmen habe müssen, die jeweiligen Sachbearbeiter würden nunmehr daher alle sie betreffenden Borderos und Schriftstücke selbst einscannen, im Anschluss daran würden die schriftlichen Unterlagen entsorgt, der Arbeitsplatz der Dienstnehmerin sei daher endgültig weggefallen - als auch mit Bekanntgabe vom 02.02.2018 - im Rahmen derer sie darauf hinwies, dass bereits mit Antrag vom 10.11.2017 bekannt gegeben worden sei, dass die Dienstgeberin eine Organisationsänderung vorgenommen habe, die jeweiligen Sachbearbeiter würden nunmehr alle sie betreffenden Borderos und Schriftstücke selbst einscannen, im Anschluss daran würden die schriftlichen Unterlagen entsorgt, so wie dies bei allen Konzernbetrieben der Dienstgeberin bereits seit Jahren erfolge, diese Organisationsänderung habe durchgeführt werden müssen, weil sich die übrigen Mitarbeiter geweigert hätten, das Einscannen der Schriftstücke im Hinblick auf die hohe Fehlerquote von der Dienstnehmerin vornehmen zu lassen, zum Beweis dafür sei die Einvernahme des Geschäftsführers der Dienstgeberin beantragt worden, um einen Verfahrensmangel zu vermeiden, werde daher dessen ergänzende Einvernahme vorzunehmen sein - abgeändert bzw. ergänzt hat und damit einen Sachverhalt vorgebracht hat, der bei Zutreffen unter den Tatbestand des § 8 Abs. 4 lit. a BEinstG ("Die Fortsetzung des Dienstverhältnisses wird dem Dienstgeber insbesondere dann nicht zugemutet werden können, wenn der Tätigkeitsbereich des begünstigten Behinderten entfällt und der Dienstgeber nachweist, dass der begünstigte Behinderte trotz seiner Zustimmung an einem anderen geeigneten Arbeitsplatz ohne erheblichen Schaden nicht weiterbeschäftigt werden kann") zu subsumieren wäre. Auf dieses Unterlassen der belangten Behörde wird auch in der Beschwerde zutreffend ausdrücklich hingewiesen.

Die Beschwerdeführerin beantragte im Verfahren vor der belangten Behörde in diesem Zusammenhang - wie in der Beschwerde ebenfalls zutreffend ausgeführt wird - auch mehrfach die Einvernahme des näher genannten Geschäftsführers zum Beweis dieses Vorbringens, auch dies blieb von der belangten Behörde unberücksichtigt; vielmehr führte sie im angefochtenen Bescheid diesbezüglich aus, von der Vernehmung des Geschäftsführers als Zeuge zum Beweis der vorgenommenen Organisationsänderung habe abgesehen werden können, da dies bereits in der mündlichen Verhandlung am 28.06.2017 seitens des Geschäftsführers vorgebracht worden sei; weshalb allerdings eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Vorbringen der Beschwerdeführerin unterbleiben habe können, erschließt sich nicht.

Sollte sich erweisen, dass, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, der bisherige, im Jahr 2011 eigens für die mitbeteiligte Dienstnehmerin geschaffene Tätigkeitsbereich (was im Übrigen eine einvernehmliche Abänderung des ursprünglichen Dienstvertrages und damit eine einvernehmliche Abänderung der im Dienstvertrag vereinbarten Arbeit bedeutete) der mitbeteiligten Dienstnehmerin, nämlich die von dieser seit dem Jahr 2011 ausgeübte Tätigkeit "elektronisches Archivieren von Geschäftsakten", entfallen ist (und sollte diese unternehmerische Entscheidung nicht ausschließlich zum Zweck der Benachteiligung der begünstigten Behinderten getroffen worden sein), käme in der Folge aber dem von der belangten Behörde als entscheidungsrelevant erkannten Umstand, dass die Beschwerdeführerin

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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