Entscheidungsdatum
19.09.2019Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W124 1230188-2/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Felseisen als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geboren am XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahl XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 6, 8 und 57 Asylgesetz 2005, § 18 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
1. Verfahrensgang:
1.1. Vorverfahren:
1.1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein indischer Staatsangehöriger wurde am XXXX von Beamten der Grenzpolizei festgenommen, da er ohne gültigen Sichtvermerk in das Bundesgebiet Österreich eingereist war.
Er wurde am selben Tag von der Bezirkshauptmannschaft unter Beteiligung eines Dolmetschers für die Sprache Punjabi einvernommen und stellte unter dem Namen XXXX , geboren XXXX, einen (ersten) Asylantrag.
1.1.2. Am XXXX stellte der BF beim Bundesasylamt unter dem Namen XXXX den (zweiten) Asylantrag.
Dem Beschwerdeführer wurde im weiteren Verlauf des ersten Verfahrens unter der Adresse, an der er polizeilich gemeldet war, eine Ladung des Bundesasylamtes zur Einvernahme geschickt, die hinterlegt und nicht behoben wurde. Das Asylverfahren wurde daraufhin am XXXX eingestellt.
Im Zuge des Verfahrens um den zweiten Asylantrag wurde am XXXX festgestellt, dass der Beschwerdeführer bereits am XXXX von der Grenzpolizei unter dem Namen XXXX , geb. XXXX , erkennungsdienstlich behandelt worden war.
1.1.3. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt unter Beteiligung eines Dolmetschers in der Sprache Punjabi niederschriftlich einvernommen und mit dem ersten Asylantrag konfrontiert. Der Beschwerdeführer gab zu, diesen unter dem falschen Namen XXXX gestellt zu haben und zog den ersten Asylantrag zurück. Am selbigen Tag erließ das Bundesasylamt den Bescheid XXXX , mit dem der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Indien gem. § 8 leg. Cit. Für zulässig erklärt wurde.
Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass es sich bei der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Bedrohung um eine solche durch eine Privatperson im Rahmen eines Grundstückstreites handle, die jedenfalls nicht asylrelevant sein würde. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei auch nicht zu entnehmen gewesen, dass die staatlichen Behörden seines Heimatlands nicht in der Lage oder nicht gewillt sein würden, ihm bei einer solchen Bedrohung Schutz zu gewähren. Schließlich hätte auch nicht davon gesprochen werden können, dass in Indien eine nicht sanktionierte ständige Praxis grober, offenkundiger und massenhafter Menschenrechtsverletzungen herrsche.
Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom XXXX wurde die Beschwerde gegen diesen Bescheid als unbegründet abgewiesen.
1.1.4. Mit Urteil des Landesgerichtes Wien vom XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teil versuchten Mordes als Beitragstäter (aus religiösem Fanatismus) - gemeinsam mit Mitangeklagten- nach §§ 12, 15 und 75 Strafgesetzbuch (StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 18 Jahren verurteilt.
1.2. Gegenständliches Verfahren
1.2.1 Am XXXX stellte der Beschwerdeführer den (zweiten, gegenständlichen) Antrag auf internationalen Schutz.
1.2.2 Der Beschwerdeführer wurde am XXXX durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am XXXX bzw. XXXX vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) jeweils im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Punjabi, niederschriftlich einvernommen.
Zum Fluchtgrund befragt gab der Beschwerdeführer an, dass die männliche Person, die von seiner Gruppe (Name unbekannt) getötet worden sei, der "Ravidas Gruppe" angehört habe. Die Mitglieder der "Ravidas Gruppe" würden deshalb nur noch warten, bis der Beschwerdeführer nach Indien komme, damit diese Rache ausüben können. Er befürchte den Tod, sollte er nach Indien zurückgehen müssen. Dies sei sein Grund der neuerlichen Asylantragstellung. Zusätzlich stehe er in Verdacht gegen seinen Herkunftsstaat Indien zu agieren. Die indische Regierung würde dem Beschwerdeführer vorwerfen für einen eigenständigen Staat zu kämpfen und daher sei er in Indien auch politisch unerwünscht.
1.2.3. In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer am XXXX vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, jeweils im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Punjabi, niederschriftlich einvernommen.
Bei seinen Einvernahmen vor dem BFA wurde der Beschwerdeführer ausführlich zu seiner Person, zu seinen Lebensumständen in Indien sowie zu seinem angegebenen Fluchtgrund befragt.
Im Zuge dessen wurde ein Konvolut an Zeitungsberichten unterschiedlicher Zeitungen vorgelegt.
Außerdem wurde mit Schreiben vom XXXX von Seiten des Sikh Council (UK) das BFA um ernsthafte Prüfung des Asylantrages ersucht, da das Klima in Indien für diese Personen, wenn sie jemals zurückgeschickt werden würden, extrem unsicher sei. Gleichzeitig wurde ein Schreiben vom XXXX , welches von einem indischen Rechtsanwalt stamme vorgelegt, wonach es gewünscht wäre, dass die neben dem Beschwerdeführer genannten Personen nach Indien zurückkehren würden, um von Seiten der Kultanhänger Rache zu nehmen. Indien habe zahlreiche UN Protokolle und Übereinkommen nicht unterzeichnet bzw. ratifiziert.
1.2.4. Im Hinblick der vorgelegten Schriftstücke aus Indien stellte das BFA mehrere Anfragen an die Staatendokumentation bezüglich der Gefahren für den BF im Falle seiner Rückkehr nach Indien.
1.2.5. Mit Bescheid vom XXXX wies das BFA diesen (dritten) - gegenständlichen - Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom XXXX gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG und § 6 Abs. 1 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zu (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde in Spruchpunkt IV. gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 und 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.
In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Auf Grund seiner strafgerichtlichen Verurteilung liege ein Asylausschlussgrund gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG vor. Die vom Beschwerdeführer gesetzte Tat wurde als besonders schweres Verbrechen gewertet, weshalb eine Prüfung der vom Beschwerdeführer nach § 3 AsylG nicht geprüft werde. Dem Beschwerdeführer drohe keine Doppelbestrafung in Indien und Mitgliedern der Religion der Sikh drohe keine systematische Verfolgung durch die Behörden in Indien. Dem Beschwerdeführer drohe keine Verfolgung durch Mitglieder der Ravidassia.
Ebenso würde er bei einer Rückkehr nicht in eine existenzdedrohende Notlage gedrängt werden oder den Verlust seiner Lebensgrundlage erleiden.
Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid stütze das BFA auf § 18 Abs. 1 Z 2 und 6 BFA-VG.
Beweiswürdigend führte das BFA zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaats und zur Situation im Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers- nach ausführlicher Zusammenfassung der Inhalte der vorgelegten und von Amts wegen eingeholten Beweismittel- aus (Auszug aus der Bescheidbegründung, Schreibfehler korrigiert):
"Zu den von Ihnen vorgelegten Medienberichten ist vorweg anzuführen, dass diese Sikh nahen Quellen entstammen und einen geringeren Beweiswert als etwa offizielle Berichte aufweisen. Diesbezüglich ist auch auf Entscheidungen österreichischer Gerichte zu verweisen, welche, in diesen Entscheidungen ausführen, dass Lageberichten von UNHCR, Österreichischem Außenamt oder Berichten österreichischer Berufungsvertretungsbehörden im Ausland mehr Bedeutung beigemessen wird, als im Verfahren vorgelegten Medienberichten.
...Hinsichtlich der Bedeutung von Berichten österreichischer Berufungsvertretungsbehörden ist anzuführen, dass diese von, zur wahrheitsgemäßen Berichterstattung verpflichteten, besonders ausgebildeten Beamten erstellt werden, womit deren erhöhte Beweiskraft gegenüber einfachen Medienberichten jedenfalls begründet ist. (UBAS GZ 201.283/0-V/13/98, 17.05.1999).
...Überdies darf erwähnt werden, daß gemäß der Ansicht der erkennenden Behörde generell einem offiziellen Bericht einer österreichischen Behörde - und dies aufgrund der Verpflichtung aller österreichischer Behördenorgane zur wahrheitsgemäßen Erfüllung ihrer Tätigkeit bzw. objektiven Berichterstattung - grundsätzlich größere Beweiskraft gegenüber Lage- bzw. Situationsberichten von Seiten Privater (Printmacher etc.) bzw. sogar non-governmental organisations beizumessen ist....(Erkenntnis VwGH GZ 98/20/0567 v. 22.04.1999)
Bezüglich der von Ihnen vorgelegten Beweismittel (vor allem Medienberichte) wird auf die o.a. Judikate, die weitere Beweiswürdigung und die, Ihnen nachweislich übermittelten, Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation verwiesen. Den Ergebnissen der Anfragebeantwortung wird letztendlich in der Beurteilung mehr Beweiskraft zukommen, als den von Ihnen, aus Sikh nahen Quellen stammenden, vorgelegten Medienberichten.
Zusammengefasst kann also von Seiten der Behörde festgehalten werden, dass Sie angeben bei Ihrer Rückkehr nach Indien einerseits von Seiten der indischen Behörden bzgl. einer erneuten Strafverfolgung wegen des (wie von Ihnen bezeichnet) "Vorfalls in Wien am XXXX " und der damit verbundenen Todesstrafe, und im Besonderen schon alleine wegen Ihrer Religionszugehörigkeit bedroht zu sein. Andererseits fürchten Sie im Falle Ihrer Rückkehr nach Indien eine private Verfolgung durch Mitglieder der Ravidassia.
Am 06.09.2018 stellte die Behörde eine Anfrage an die Staatendokumentation, welche mit 25.09.2018 von der Staatendokumentation beantwortet wurde. Am 02.10.2018 wurde die aktuelle Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, sowie eine Anfrage zur Einholung einer Rechtsansicht bzgl. Doppelbestrafung in Indien, eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Indien - Bedrohung der Attentäter und eine Anfragebeantwortung zur Lage der Sikhs in Indien an Ihren gewillkürten Vertreter XXXX , mit der Bitte um Stellungnahme bis zum 09.10.2018, übermittelt. Am 03.10.2018 langte ein Schreiben von XXXX , erneut mit den im Anhang befindlichen, bereits weiter oben angeführten, Beweismitteln bei der Behörde ein.
Die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 25.09.2018 enthält Informationen, dass die Identitäten der Attentäter vom XXXX im Sikh-Tempel in Wien in mehreren Quellen im Internet gefunden werden konnten. Die Berichte enthalten die genannten Ereignisse bzw. die dazugehörigen Gerichtsurteile, sowie Namen und auch andere persönliche Details der involvierten Personen. In einem Fall wird auch der Name des Vaters eines der Täter genannt. Die Quellen werden schließlich genauer angeführt, u.a. ein Bericht des " The Indian Express" vom 06.06.2009, eine Eintrag in der Wikepedia Online-Enzykolopädie, ein Diskussionsforum auf der Webseite des SikhNet und die Webseite Panthic.org, welche am 28.10.2010 über das Gerichtsverfahren in Folge des Attentates in der Gebetsstätte der Sikh in Wien, 2009, berichtet und dazu ein Foto von fünf Männern in einem österreichischen Gerichtssaal (ohne Bilderklärung) veröffentlicht. Weiter werden die Namen der sechs Verurteilten und deren Alter genannt. Zur Frage ob Angehörige der Attentäter des Sikh-Tempels in Indien Angriffen von Seiten der Bevölkerung ausgesetzt sind, wird angeführt, dass dazu keine Informationen gefunden wurden, gesucht wurde auf google.com und ecoi.net.
Dem aktuellen Länderinformationsblatt vom 09.01.2017, welches Ihnen ebenfalls zur Stellungnahme übermittelt wurde, ist unter anderem zu entnehmen, dass in Indien viele Grundrechte und -freiheiten verfassungsmäßig verbrieft sind und die verfassungsmäßig garantierte unabhängige indische Justiz bleibe ein wichtiger Rechtsgarant.... ....Eine generell diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen.....Das Gerichtswesen ist von der Exekutive getrennt...
Zur Sicherheitslage in Indien wird ausgeführt, dass der Terrorismus im Punjab mit Ende der 1990 Jahre nahezu zum Erliegen gekommen ist.....
Es werden vereinzelte, von Sikhs durchgeführte Anschläge im Punjab im Jahr 2015 angeführt. Zur Menschenrechtslage im Punjab wird angeführt, dass die staatliche Menschenrechtskommission im Punjab in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte (Folter, Folter mit Todesfolge, extra-legale Tötungen etc.) interveniert hat. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhalte täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen und wäre in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür. Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkür. Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjab, stellten im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen.
....
... In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert....Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa
International müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen......
Die Anfragebeantwortung zur Lage der Sikhs in Indien vom 16.12.2015 enthält durchwegs heterogene Berichte zu Vorfällen mit Sikhs in Indien in den letzten Jahren. Zusammengefasst kann dieser Anfragebeantwortung entnommen werden, dass es in Bundesstaaten mit großen Minderheitenanteilen immer wieder zu Fällen kommunaler Gewalt komme. Von einer systematischen, gegen Sikhs gerichteten Verfolgung ist den Quellen zufolge nicht auszugehen, wenngleich es zu Diskriminierungen kommen kann. Allerdings können Sikhs, die sich für einen eigenen Sikh-Staat oder Khalistan einsetzen oder einen solchen unterstützen, in Indien weiterhin mit Menschenrechtsverletzungen konfrontiert sein. Auch Sikhs, die die Zuständigkeit der Regierung Ihres Bundesstaates in religiösen Angelegenheiten in Frage stellen würden, sowie Aktivisten gegen Deras sowie Sikhs, die verdächtigt sind, militante Unterstützer oder Sympatisanten von Khalistan zu sein, können ebenfalls mit Problemen konfrontiert sein. Sikhs können der Polizei sowie dem Militär beitreten.
Eine aktuellere Anfragebeantwortung zur Lage der Sikhs in Indien vom 25.09.2018 verweist einerseits auf die o.a. Anfragebeantwortung vom 16.12.2015 zur Lage der Sikhs in Indien. Zusammengefasst wird ausgeführt, dass Sikhs in Indien frei reisen können, ihre Religion frei ausüben und ihre religiösen Symbole zeigen können. Dieses Recht ist auch im Gesetz verankert. Sikhs sind von gewalttätigen Übergriffen weniger oft betroffen als andere religiöse Minderheiten. Die Zugehörigkeit zur Sikh-Gemeinschaft ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte. Eine Quelle gibt an, dass sich die Lage religiöser Minderheiten allgemein aufgrund von Aktivitäten hindu-nationalistischer Gruppen verschlechtert habe.
In dem schriftlich eingeholten Rechtsgutachten bezüglich Doppelbestrafung in Indien vom 27.02.2010, wird unter anderem auf die Frage - ob es nach dem indischen Recht generell möglich ist, dass Personen welche im Ausland eine Straftat begehen und dort mit einem Gerichtsverfahren zu rechnen haben, auch in Indien mit einem Gerichtsverfahren zu rechnen haben - eingegangen. Neben der Beantwortung weiterer Fragen, wird festgehalten dass gem. indischer Verfassung (§ 20 (1) Schutz hinsichtlich einer Verurteilung wegen Straftaten) niemand wegen einer Straftat, außer der Verletzung eines zum Zeitpunkt der Begehung der als Verbrechen berechneten Tat geltenden Gesetzes verurteilt, noch einer Bestrafung unterworfen werden darf, die schwerer ist als jene, die zum Zeitpunkt der Begehung der Tat verhängt worden sein könnte. Gem. § 20 (2) der indischen Verfassung ist festgehalten, dass niemand für das gleiche Verbrechen mehr als einmal verfolgt und bestraft werden darf. Jedoch gilt § 20 (2) der indischen Verfassung nur unter bestimmten in der Verfassung verkörperten Bedingungen/Grundlagen, welche folgende sind:
ein früheres Verfahren vor einem ordentlichen Gericht oder einem Gerichtshof mit zuständiger Rechtsprechung,
eine Verfolgung der Person in diesem früheren Verfahren,
eine gültige Verurteilung zum Zeitpunkt des zweiten Verfahrens,
die Straftat, die Gegenstand des zweiten Verfahrens ist, muss die gleiche sein, wie jene des ersten Verfahrens, für welche er bereits verurteilt und bestraft wurde,
bei der Straftat muss es sich um eine gem. Art. 3 (38) des General Clauses Act, definierte Straftat handeln.
Zur Frage, dass es in Indien nicht möglich wäre, wegen ein und demselben Verbrechen zweimal bestraft zu werden, und dass Sie ja bereits in Österreich verurteilt worden wären, und nicht davon auszugehen wäre, dass Sie in Indien erneut verurteilt werden würden, gaben Sie an, dass dies zwar stimme, es jedoch Jahre dauern würde, bis dies ein Gericht entscheiden würde. In der Zwischenzeit wäre man jedoch genauso in Haft.
Und zu dem Sachverhalt, dass laut Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, die Sikhs in Indien keiner systematischen Verfolgung unterliegen würden und dass keine Bedrohung der Familienangehörigen der Attentäter in Indien, im Zuge der Recherche festgestellt werden konnte, gaben Sie an, dass Sie nur sagen möchten, dass Sie zu 100% wissen würden, dass wenn Sie zurück nach Indien geschickt würden, dass Sie ins Gefängnis kommen und nicht mehr lebendig aus dem Gefängnis herauskommen würden.
Am 17.01.2019 wurde erneut eine Anfrage an die Staatendokumentation gestellt. Inhalt dieser Anfrage waren erneut, Fragen zur Möglichkeit der Doppelbestrafung in Indien; Fragen, wie die indischen Behörden Kenntnis von Verbrechen, welche indische Staatsbürger im Ausland begangen haben, erlangen; Fragen zu Straftaten welche in Indien mit der Todesstrafe bedroht sind und ob die Todesstrafe in Indien noch immer verhängt und auch vollstreckt würde. Am 08. Mai 2019 langte bei der Behörde eine umfassende Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu diesen Fragen ein, welche am 21.05.2019 an Ihre zustellbevollmächtigte Vertretung (Kanzlei XXXX ), zugestellt wurde. Es wurde eine Frist zur Stellungnahme von 10 Tagen ab Erhalt der Unterlagen gewährt.
Zu der Anfragebeantwortung vom 08.05.2019 ist zusammengefasst festzuhalten, dass Auslandsaktivitäten bestimmter Gruppen (Sikhs, Kaschmiris) von indischer Seite beobachtet und registriert werden. Aktivisten, welche im Ausland eine in Indien verbotene terroristische Vereinigung unterstützen, werden nach ihrer Rückkehr strafrechtlich verfolgt und Menschenrechtsorganisationen berichten über Schikanen der Polizei gegenüber Personen, die wegen terroristischer Aktivitäten verurteilt wurden, selbst wenn diese Strafe bereits verbüßt wurde.....Jede von einem indischen Staatsbürger im Ausland begangene Straftat wird über die Botschaft an die indischen Behörden weitergemeldet. Darüber hinaus werden Auslandsaktivitäten bestimmter, von der indischen Regierung als radikal eingestufter Gruppen von der Regierung durch den Geheimdienst beobachtet...
...Grundsätzlich besteht in der indischen Rechtsprechung das Prinzip " ne bis in idem", also der Grundsatz, dass nicht zweimal in derselben Sache Recht gesprochen werden darf. Dieser Grundsatz ist in der indischen Rechtsprechung verankert. Dieses Prinzip schließt aber nur wiederholte Strafverfolgung durch eine einzige Gerichtsbarkeit aus und findet nur dann Anwendung, wenn die Rechtsprechung durch ein "zuständiges Gericht" erfolgt ist... ...Abschnitt 300 der indischen Strafprozessordnung befasst sich mit dem Verbot der Doppelbestrafung, demnach darf eine Person, die einmal von einem zuständigen Gericht für eine Straftat angeklagt und wegen einer solchen Straftat verurteilt oder freigesprochen wurde, solange diese Verurteilung oder die Freisprechung in Kraft bleibt, nicht wegen derselben Straftat erneut angeklagt werden... ....Eine Person, die wegen einer Straftat freigesprochen wurde, kann ungeachtet eines solchen Urteils wegen einer anderen Straftat angeklagt und verurteilt werden, wenn das Gericht, bei welchem die Person verurteilt wurde, nicht befugt war, die Rechtssache zu verhandeln. Eine nach § 258 entlassene Person darf wegen derselben Straftat nur mit Zustimmung des Gerichts, durch das sie entlassen wurde, oder eines anderen Gerichts, dem das erstgenannte Gericht
untersteht, erneut verurteilt werden......
Weiter ist angeführt, dass die IBA, eine internationale Vereinigung von Rechtsanwälten, Rechtsanwaltskammern und Rechtsanwaltskanzleien mit Sitz in London, in einer im Jahr 2009 veröffentlichten Studie - in welcher auch Indien angeführt wird - zu nationalen Gesetzen und gerichtlichen Entscheidungen berichtet, dass das Prinzip "ne bis in idem" in den rechtlichen Regelungen gegen die Doppelbestrafung vieler Staaten festgeschrieben ist. Dieses Prinzip schließe eine wiederholte Strafverfolgung jedoch nur in einer einzigen Gerichtsbarkeit aus. Eine zweite Strafverfolgung wäre demnach wahrscheinlich, wenn die Gerichte im Rahmen des erstmaligen Verfahrens nicht unabhängig oder unparteiisch agiert hätten oder wenn die Verfahren so ausgelegt würden, um Angeklagte vor internationaler strafrechtlicher Verantwortung zu schützen. Bei einer zweiten strafrechtlichen Verfolgung durch ein Gericht, würden Haftstrafen, welche bereits in einem ausländischen Gefängnis verbüßt worden wären, angerechnet. Dem Bericht des österreichischen Vertrauensanwalts in Indien vom 30.04.2019 wäre zu entnehmen, dass wegen der Klärung einer allfälligen Zuständigkeit in einem Strafverfahren gegen einen Angeklagten zunächst der Ort der Straftat zu ermitteln wäre, um das materielle Recht für eine Rechtsprechung zu finden. Das Strafrecht in den meisten Ländern wäre territorialer Natur, in welchen von den Gerichten zur Kenntnis genommen werde, dass eine Straftat innerhalb der Territorialgrenzen des Landes begangen worden wäre. Das materielle Recht in Indien, das Bestrafung von Straftaten in Indien regelt und definiert, wird durch das indische Strafgesetzbuch, 1860 (Indian Penal Code IPC) hauptsächlich auf das Territorium von Indien angewendet. Nach dem Abschnitt 300 der indischen Strafprozessordnung kann eine Person, die einmal von einem "zuständigen Gericht" verurteilt wurde, nicht wegen derselben Straftat oder aufgrund einer separaten Anklage, die sich aus demselben Sachverhalt ergibt, erneut verurteilt werden.
Zu dem von Ihnen am XXXX vorgelegten Bericht, wonach, zwei der in Pakistan verurteilten und bestraften Entführer eines Flugzeugs der Air India im Jahr 1981, nach der Entlassung aus der Haft, und Asylgesuchen in den USA und Kanada, nach Indien abgeschoben worden wären, ist festzuhalten, dass dem von Ihnen vorgelegten Bericht der Sikh Siyasat News weiter zu entnehmen ist, dass diese beiden Sikh-Aktivisten sich im Jahr 2017 in Indien erneut vor einem Gericht, wegen anderer Delikte als derer, wegen welcher diese bereits früher verurteilt worden waren, zu verantworten hätten. Weiter wird in diesem Bericht ausgeführt, dass dies ein Verstoß gegen das Prinzip der Doppelbestrafung und gegen die Genfer Konvention wäre.
So ist dazu festzuhalten, dass lt. dem von Ihnen vorgelegten Bericht, die beiden nach Indien abgeschobenen Flugzeugentführer, dort erneut einer Strafverfolgung ausgesetzt waren. Die Entscheidung des Gerichts, dass keine neuerliche Strafverfolgung stattfinden würde, da die beiden ihre Strafe bereits in Pakistan verbüßt hätten, wird in dem von Ihnen vorgelegten Artikel nicht erwähnt. Zusammengefasst ist dieser Sachverhalt jedoch ein Beispiel dafür, dass es in Indien eine funktionierende Gerichtsbarkeit mit einer den Gesetzen entsprechenden Rechtsprechung gibt und das Prinzip des Verbots der Doppelbestrafung auch auf im Ausland verhängte Urteile und verbüßte Strafen zu Verbrechen, welche dort von indischen Staatsbürgern begangen wurden, angewandt wird.
Zusammengefasst gaben Sie in diesem Verfahren an, bei Ihrer Rückkehr nach Indien eine erneute Strafverfolgung und Verurteilung von Seiten der indischen Regierung zu befürchten oder aber, wie im Parteiengehör vom 06.06.2019 angeführt, drohe Ihnen bei Ihrer Rückkehr nach Indien, für den Fall, dass Sie nicht von der Regierung in U-Haft genommen würden, eine Gefahr von nicht staatlichen Organisationen oder privaten Personen, nämlich, wie Sie selbst angaben, würde die Gefahr bestehen, dass Sie von einem Auftragskiller umgebracht werden würden.
Wie schon oben ausgeführt, kann eine Verfolgung durch die indischen Behörden auf Grund der vorliegenden Berichte nicht festgestellt werden. Laut der Berichte der Staatendokumentation gilt auch in Indien ein Verbot der Doppelbestrafung, wenn das begangene Verbrechen von einem ordentlichen Gericht mit zuständiger Rechtsprechung verfolgt worden ist und die Verurteilung zum Zeitpunkt eines zweiten Verfahrens noch gültig ist. Das Prinzip "ne bis in idem" ist auch in der indischen Rechtsprechung verankert und wird dort auch angewendet. Eine tatsächliche Strafverfolgung in Indien konnten Sie nicht glaubhaft machen, zumal Sie selbst angaben, dass gegen Sie in Indien kein "FIR" bestehen würde, weshalb die Behörde zu dem Schluss kommt, dass es von Seiten der indischen Behörde oder der Regierung zu keiner Verletzung Ihrer Rechte gem. Art. 2 oder 3 EMRK in Indien kommen wird.
Was Ihre Befürchtungen bzgl. privater Personen oder nicht staatlicher Organisationen betrifft, so ist darauf hinzuweisen, dass der indische Staat durchaus schutzfähig und schutzwillig ist, und Sie sich bei befürchteter Gefahr an die zuständigen indischen Behörden wenden können. Grundsätzlich gibt es in Indien keine systematische Verfolgung der Sikhs und diese sind auch weniger von gewalttätigen Übergriffen betroffen als andere religiöse Minderheiten. Die Zugehörigkeit zur Sikh-Gemeinschaft ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte. (Anfragebeantwortung der Staatendoku zur Lage der Sikhs in Indien v. 25.09.2018)
Auch dem Jahresbericht von Amnesty International (2017/2018) sind keine Informationen zu entnehmen, wonach Sikhs in Indien einer systematischen Verfolgung ausgesetzt wären. Zudem wird in dem Bericht erwähnt, dass im Jahr 2015 eine Sonderermittlungsgruppe eingesetzt worden ist, um bereits abgeschlossene Fälle im Zusammenhang mit dem Massaker an Tausenden von Sikhs im Jahr 1984 erneut zu untersuchen. Diese Sonderermittlungsgruppe schloss 241 Fälle ab und erhob in zwölf weiteren Fällen Klage. Im August 2017 setzte der Oberste Gerichtshof ein aus zwei ehemaligen Richtern bestehendes Gremium zur Überprüfung der abgeschlossen Fälle ein....
In Indien gibt es - wie den Länderinformationsblättern zu entnehmen ist - auch eine Vielzahl an NGOs und Menschenrechtsorganisationen an welche Sie sich zusätzlich wenden können.
Wie Sie selbst anführten, geht es Ihren Familienangehörigen in Indien gut, und lt. der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation liegen auch keine Berichte vor, wonach Angehörige der Attentäter von Seiten der Ravidassia belästigt oder bedroht werden würden. Dass es in Indien auf Grund der Vielzahl der verschiedenen Religionen Spannungen unter den verschiedenen Religionszugehörigen gibt wird von der Behörde nicht bestritten, jedoch reichen diese allgemeinen Spannungen zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen nicht aus, um Ihnen, im Einzelfall auf Grund dieser Spannungen, subsidiären Schutz in Österreich zu gewähren.
...Grundsätzlich ist Indien ein Rechtsstaat mit einer funktionierenden Gerichtsbarkeit welche von der Exekutive getrennt ist. Die Polizei in Indien ist mit der Strafverfolgung, Verbrechensprävention und -bekämpfung sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung betraut... (s. dazu aktuelles Länderinformationsblatt). Die Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit des indischen Staates gegenüber seiner Bevölkerung ist gegeben.
In diesem Zusammenhang ist auch erwähnenswert, dass strafrechtlich relevante Übergriffe in jedem Land der Welt passieren können und ein vollkommener und lückenloser Schutz vor derartigen Gewalthandlungen von keinem Rechtsstaat der Welt, so auch nicht von Österreich, garantiert werden kann. Maßgeblich ist, ob die staatlichen Maßnahmen im Ergebnis dazu führen, dass der Eintritt eines, eine asylrechtlich relevante Intensität erreichenden Nachteils, aus der von dritter Seite ausgehenden Verfolgung, wie z.B. von Mitgliedern der Ravidassia nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, Zl. 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den fremden bezogenen Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, Zl. 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, Zl. 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059).
Dass Sie bei Ihrer Rückkehr nach Indien einer tatsächlichen, realen Gefahr der Verfolgung, der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung, der Folter oder der Todesstrafe durch die indischen Behörden oder aber auch eine privaten Verfolgung durch "Anhänger des Kults", ausgesetzt wären, kann nach ausreichender Prüfung des Sachverhalts von der erkennenden Behörde nicht mit der notwendigen maßgeblichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden. Dazu ist anzuführen, dass für die Gewährung des Abschiebeschutzes die maßgebliche Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Verletzung der Menschenrechte gefordert ist. Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.2.2004, 99/20/0573, mwH auf die Judikatur des EGMR). Es müssen sachliche, stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der betroffenen Person eine derartige Gefahr drohen würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus.
Bis jetzt sind keine Vorfälle bekannt, noch konnten Sie welche ausdrücklich belegen, bei welchen, speziell Familienangehörige der Attentäter in Wien vom Mai 2009, von Übergriffen oder Drohungen von Mitgliedern der Ravidassia betroffen wären. Sie selbst konnten diesbezüglich nichts Konkretes vorbringen und auch aus den Anfragen der Staatendokumentation konnten diese, von Ihnen und von Mitgliedern Ihrer Glaubensgemeinschaft, vorgebrachten Befürchtungen, keine Bestätigung finden. Die Annahme, dass Sie im Falle einer Überstellung nach Indien, von den Anhängern der Ravidassia bedroht oder womöglich sogar getötet werden könnten, ist nichts weiter als eine Vermutung. Diese Vermutung reicht aber nicht aus, um eine Ihnen gem. Art 2 oder Art 3 EMRK drohende Gefahr in Indien durch die Anhänger der Ravidassia feststellen zu können.
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH zu § 51 FPG hat der Fremde das Bestehen einer aktuellen - also im Fall der Abschiebung dort gegebenen - durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinn des § 50 Abs. 1 oder Abs. 2 FPG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Dabei ist die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung in das Herkunftsland zu beurteilen. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung genügt allerdings nicht, um die Abschiebung unter dem Gesichtspunkt des § 50 Abs. 1 oder Abs. 2 FPG als unzulässig erscheinen zu lassen (VwGH, 13.04.2010, 2008/18/0333).
Bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegender Gegebenheiten kann nur dann in der Außerlandesschaffung des Antragstellers eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände, glaubhaft gemacht sind (EGMR 6.2.2001, Bensaid v United Kingdom; VwGH 21.8.2001. 2000/01/0443).
Weshalb die erkennende Behörde nach eingehender Prüfung zu dem Ergebnis kommt, dass Ihnen in Ihrem Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention droht oder aber Ihre Abschiebung nach Indien eine ernsthafte Bedrohung Ihres Lebens oder Ihrer Unversehrtheit als Zivilperson infolge von willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde."
1.2.7. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seines rechtsfreundlichen Rechtsvertreters vom XXXX das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung auf Grund unzureichender Ermittlungen und Begründungsmängel ein.
In der Beschwerdebegründung wurde im Wesentlichen moniert, dass das BFA mit der Prüfung der Voraussetzungen der Erteilung des subsidiären Schutzes ihr Auslangen gefunden habe, obwohl die Maßgaben für die Erteilung von subsidiärem Schutz und einer Non-Refoulment Entscheidung nach einschlägigen Entscheidungen nicht dieselben sein würden. Das BFA würde die beweiswürdigenden Überlegungen vordergründig auf die Staatendokumentation stützen und das individuelle Vorbringen des Beschwerdeführers unberücksichtigt lassen. Bei Wahrunterstellung der Aussagefragmente wäre eine "rela risk" Situation bzw. ein Verstoß gegen das "non-refoulement" zweifellos gegeben gewesen.
Der Beschwerdeführer stellte unter anderem den Antrag, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen.
1.2.8. Das BFA legte mit Schreiben vom XXXX , bei der zuständigen Gerichtsabteilung eingelangt am XXXX , diese Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.
2. Beweisverfahren:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch:
Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt samt Vorakt hinsichtlich Erkenntnis des XXXX , beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung am XXXX und den Einvernahmen vor dem BFA am XXXX und XXXX , die vom Beschwerdeführer vorgelegten Schriftstücke, die eingeholten Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation sowie die Beschwerde vom XXXX .
Im Zuge der Einvernahme vom XXXX wurde dem BFA eine Kopie eines bis XXXX gültigen indischen Reisepass mit einem Foto, lautend auf den von ihm angegebenen Namen und Geburtsdatum, dem BFA vorgelegt.
3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):
Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgenden für die Entscheidung maßgeblichen, glaubhaft gemachten Sachverhalt aus:
3.1. Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX alias XXXX , geboren am XXXX , ist indischer Staatsangehöriger, stammt aus Pipli Plot (Bundesstaat Punjab), ist Angehöriger der Volksgruppe der Punjabi und gehört der Religion der Sikhs an. Der Beschwerdeführer hat zehn Jahre die Schule besucht und danach als Beifahrer bei einem LKW Unternehmen in einer Firma gearbeitet. Im derzeit inhaftierten Gefängnis geht der Beschwerdeführer einer Tätigkeit als Tapezierer nach.
Zu seinen beiden in Indien lebenden Schwestern, welchen es gut geht, hat der Beschwerdeführer nach wie vor mehrmals telefonischen Kontakt. Zu seiner in Portugal lebenden Mutter unterhält der Beschwerdeführer einmal in der Woche Kontakt (363).
Der Beschwerdeführer verbüßt auf Grund einer Verurteilung wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Mordes als Beitragstäter (aus religiösem Fanatismus) nach §§ 12, 3. Fall, 75 und 15 StGB in Wien im Jahr 2009 eine achtzehnjährige Freiheitsstrafe.
3.2. zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
3.2.1. Der Beschwerdeführer hat nicht glaubhaft gemacht, dass er Indien aus asylrelevanten Gründen habe verlassen müssen.
3.2.2. Der Beschwerdeführer hat einen Nachfluchtgrund aufgrund seiner Beteiligung an einem Attentat in einem Sikh-Tempel in Wien im Jahr 2009 geltend gemacht, er hat jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass ihm im Falle einer Rückkehr Verfolgungsgefahr im Sinne der GFK drohe.
3.2.3. Der Beschwerdeführer hat nicht glaubhaft gemacht, dass er bei einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Notlage gedrängt werden oder den Verlust seiner Lebensgrundlage erleiden würde.
3.2.4. Aufgrund seiner strafgerichtlichen Verurteilung liege bezüglich des BF ein Asylausschlussgrund gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG vor.
3.3. Innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative:
Für den Fall der Wahrunterstellung seines Vorbringens steht dem Beschwerdeführer eine zumutbare Flucht- bzw. Schutzalternative zur Verfügung.
Die Polizei ist mangels Meldewesens und Ausweispflicht nicht in der Lage, eine Person, die in Indien verzieht, zu finden, wenn es sich nicht um einen landesweit gesuchten Kriminellen handelt. Die Fahndung nach Menschen wird durch das Fehlen eines obligatorischen indienweiten Meldesystems und durch das Fehlen einer Ausweispflicht erheblich erschwert. Umso weniger besteht eine reale Gefahr, dass eine Privatperson ihren indienweit verzogenen Feind finden kann.
Diese Tatsache begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil (selbst) im Falle von Verfolgung oder strafrechtlicher Verfolgung, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss, und je nachdem, wie die individuellen Fähigkeiten wie z.B. Sprache, Kenntnisse und die körperliche Verfassung sind.
Da der Beschwerdeführer - er ist im erwerbsfähigen Alter, männlich, bei guter Gesundheit und arbeitsfähig, verfügt über eine zehnjährige Schulbildung, Berufserfahrung als Beifahrer bei einem LKW-Fahrer und Indien - in Indien jedenfalls ein Fortkommen hat, ist es ihm auch zumutbar, einer allfälligen Verfolgung durch die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Flucht- bzw. Schutzalternative zu entgehen.
3.4. Zur Integration des Beschwerdeführers in Österreich:
Dem Beschwerdeführer steht in Österreich kein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylrechtes zu.
Der Beschwerdeführer hat keine hinsichtlich Art. 8 EMRK relevanten Familienangehörigen oder Verwandte in Österreich.
Er verbüßt aufgrund einer Verurteilung wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Mordes als Beitragstäter (aus religiösem Fanatismus) in Wien im Jahr 2009 eine achtzehnjährige Freiheitsstrafe. Der Beschwerdeführer arbeitet im Gefängnis als Tapezierer und geht wegen seiner Straftat einer Therapie nach. Seine Mutter als auch sein Bruder leben in Portugal. Zwei seiner Schwestern leben nach wie vor in Indien.
Weitere soziale, kulturelle, sportliche oder sonstige Integrationsbemühungen sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden weder behauptet noch belegt.
Eine Integration des Beschwerdeführers in Österreich in besonderem Ausmaß liegt nicht vor.
3.5. Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:
3.5.1. Auf Grund der Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers steht fest, dass es in diesem Staat die Todesstrafe gibt. Dass der Beschwerdeführer einem diesbezüglich real bestehenden Risiko unterliegen würde, hat sich jedoch auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht ergeben.
3.5.2. Zur allgemeinen Lage in Indien (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA vom 04.02.2019, Schreibfehler teilweise korrigiert):
"[...] 2. Politische Lage
Indien ist mit über 1,3 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 23.01.2019; vgl. AA 18.09.2018). Die Zentralregierung hat im indischen Föderalsystem deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten. Indien verfügt über 29 Bundesstaaten und sechs Unionsterritorien (AA 11.2018a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 20.04.2018). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 11.2018a).
Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 18.09.2018, der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 11.2018a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 18.09.2018). Das oberste Gericht (Supreme Court) in New Delhi steht an der Spitze der Judikative und wird gefolgt von den High Courts auf Länderebene (GIZ 3.2018a). Die Pressefreiheit ist von der Verfassung verbürgt, jedoch immer wieder Anfechtungen ausgesetzt (AA 9.2018a). Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 11.2018a).
Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 20.04.2018). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 18.09.2018).
Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 20.04.2018). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2017 ist Präsident Ram Nath Kovind indisches Staatsoberhaupt (AA 11.2018a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 3.2018a).
Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 18.09.2018). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die sogenannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht, sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 3.2018a; vgl. FAZ 16.05.2014). Abgesehen von kleineren Störungen verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 18.09.2018). Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis "National Democratic Alliance" (NDA) mit der "Bharatiya Janata Party" (BJP) als stärkste Partei (282 Sitze) die Kongress-Partei an der Regierung ab (AA 18.09.2018). Die BJP holte sie nicht nur die absolute Mehrheit, sie ließ auch den bislang regierenden Indian National Congress (INC) weit hinter sich. Der INC kam nur noch auf 46 Sitze und erlitt die schlimmste Niederlage seit der Staatsgründung 1947. Wie es mit dem INC mit oder ohne die Familie Gandhi weitergeht, wird abzuwarten sein. Die Gewinne der Wahlen im Punjab, Goa und Manipur sowie das relativ gute Abschneiden in Gujarat sind jedenfalls Hoffnungsschimmer, dass die Zeit der Kongresspartei noch nicht vorbei ist (GIZ 13.2018a). Die Anti-Korruptionspartei (AAP), die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang 2014 landesweit nur vier Sitze (GIZ 3.2018; vgl. FAZ 16.05.2014). Der BJP-Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt und steht seither einem 26-köpfigen Kabinett (mit zusätzlichen 37 Staatsministern) vor (AA 18.09.2018).
In Indien wird im Zeitraum zwischen April und Mai 2019 wiedergewählt. Der genaue Zeitplan ist jedoch noch unklar. In den Umfragen liegt der hindu-nationalistische Premier Narendra Modi mit seiner BJP vorne (DS 01.01.2019).
Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 3.2018b).
[...]
3. Sicherheitslage
Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven, die sich oft in kommunal begrenzten Ausschreitungen entladen (GIZ 3.2018a). Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011 in Mumbai, September 2011 in New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 in Chennai und Dezember 2014 in Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt, und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.04.2015). Aber auch im Rest des Landes gab es Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle des "Islamischen Staates" (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (BPB 12.12.2017).
Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 3.2018a). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 18.09.2018).
Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 898 Todesopfer durch terrorismus-relevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 803 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 wurden 935 Menschen durch Terrorakte getötet. Bis zum 13.01.2019 wurden zwölf Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 13.01.2019).
Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.) einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie. Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12/2018).
Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 18.09.2018).
Pakistan und Indien
Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 11.2018b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege aufgrund des umstrittenen Kaschmir-Gebiets (BBC 23.01.2018).
Nach dem friedlichen Unabhängigkeitskampf gegen die britische Kolonialherrschaft zeigte bereits die blutige Teilung Britisch-Indiens, die mit einer Massenflucht, schweren Gewaltausbrüchen und Pogromen einherging, wie schwierig es sein wird, die ethnisch, religiös, sprachlich und sozioökonomisch extrem heterogene Gesellschaft in einem Nationalstaat zusammenzuhalten. Die inter-religiöse Gewalt setzte sich auch nach der Teilung zwischen Indien und Pakistan fort (BPB 12.12.2017).
Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und ein terroristischer Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs im September 2016 hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Gemäß Regierungserklärung reagierte Indien auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. Immer wieder kommt es zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 11.2018b).
Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist 2016 zum Stillstand gekommen. Aktuell sind die Beziehungen auf sehr niedrigem Niveau stabil (AA 11.2018b). [...]
3.2. Punjab
Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Mio. im Punjab (MoHA o.D.).
Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren von anderen Unionsstaaten oder Pakistan aus. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2018).
Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne des pakistanischen Geheimdienstes, Inter-Services-Intelligence (ISI) bekannt, welcher gemeinsam mit der in Indien verbotenen Sikh-Gruppierung Babbar Khalasa International (BKI) und anderen militanten Sikh-Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2018). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse, ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 20.04.2018; vgl. BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2018).
Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2018).
Neben den angeführten Formen der Gewalt, stellen Ehrenmorde vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar (USDOS 20.04.2018).
Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte. Die Sikhs, 60 Prozent der Bevölkerung des Punjabs, stellen dort einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 10.2017).
In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit, sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International, müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 10.2017). [...]
4. Rechtsschutz/Justizwesen
In Indien sind viele Grundrechte und -freiheiten verfassungsmäßig verbrieft, und die verfassungsmäßig garantierte unabhängige indische Justiz bleibt vielmals wichtiger Rechtegarant. Die häufig überlange Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie verbreitete Korruption, vor allem im Strafverfahren, schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (AA 18.09.2018). Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption. Vorurteile z.B. gegenüber Angehörigen niederer Kasten oder Indigenen dürften zudem eine nicht unerhebliche Rolle spielen (AA 18.09.2018).
Das Gerichtswesen ist von der Exekutive getrennt (FH 27.01.2018). Das Justizsystem gliedert sich in den Supreme Court, das Oberste Gericht mit Sitz in Delhi; das als Verfassungsgericht die Streitigkeiten zwischen Zentralstaat und Unionsstaaten regelt. Es ist auch Appellationsinstanz für bestimmte Kategorien von Urteilen wie etwa bei Todesurteilen. Der High Court bzw. das Obergericht besteht in jedem Unionsstaat. Es ist Kollegialgericht als Appellationsinstanz sowohl in Zivil- wie auch in Strafsachen und führt auch die Dienst- und Personalaufsicht über die Untergerichte des Staates aus, um so die Justiz von den Einflüssen der Exekutive abzuschirmen. Subordinate Civil and Criminal Courts sind untergeordnete Gerichtsinstanzen in den Distrikten der jeweiligen Unionsstaaten und nach Zivil- und Strafrecht aufgeteilt. Fälle werden durch Einzelrichter entschieden. Richter am District und Sessions Court entscheiden in Personalunion sowohl über zivilrechtliche als auch strafrechtliche Fälle (als District Judge über Zivilrechtsfälle, als Sessions Judge über Straffälle). Unterhalb des District Judge gibt es noch den Subordinate Judge, unter diesem den Munsif für Zivilsachen. Unter dem Sessions Judge fungiert der 1st Class Judicial Magistrate und unter diesem der 2nd Class Judicial Magistrate, jeweils für minder schwere Strafsachen (ÖB 12.2018).
Das Gerichtswesen ist auch weiterhin überlastet und verfügt nicht über moderne Systeme zur Fallbearbeitung. Der Rückstau bei Gericht führt zu langen Verzögerungen oder der Vorenthaltung von Rechtsprechung. Eine Analyse des Justizministeriums für 2015 bis 2016 ergab eine Vakanz von 43 Prozent der Rich