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L6 Land- und ForstwirtschaftNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Anlaßfallwirkung der Feststellung der Verfassungswidrigkeit der Tir GVG-Nov 1991, LGBl 74, mit E v 28.09.96, G50/96 ua.Spruch
Die beschwerdeführende Partei wurde durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Tirol ist schuldig, der beschwerdeführenden Partei zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
1. Die Beschwerdeführerin ist eine Ges.m.b.H & Co. KG mit Sitz in Österreich, deren Hafteinlage zu 2/3 von einem österreichischen Staatsbürger und zu 1/3 von einer deutschen Staatsangehörigen gehalten wird; das Stammkapital der Komplementärgesellschaft m.b.H gehört jedoch zur Gänze Ausländern. Geschäftsführung und Vertretung der beschwerdeführenden Gesellschaft erfolgen laut ihrem Gesellschaftsvertrag ausschließlich durch die Komplementärgesellschaft. Der Zustimmung der Mehrheit der (derzeit zwei Personen zählenden) Kommanditisten bedarf ua. die Bestellung von Einzelprokuristen; für einen Auflösungsbeschluß sind "75% der Stimmen, berechnet nach Kapitalanteilen" erforderlich.
Mit Kaufvertrag vom 30. Oktober 1992 erwarb die beschwerdeführende Gesellschaft um S 13,500.000,-- ein Grundstück in Kitzbühel im Ausmaß von 5.969 m2 samt darauf befindlichem Hotel. Dieses wird seit dem Frühjahr 1993 von einer der beiden deutschen Gesellschafterinnen der Komplementärgesellschaft geführt.
2. Die Grundverkehrsbehörde Kitzbühel stellte mit Bescheid vom 23. Dezember 1992 gemäß §2 Abs1 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom 18. Oktober 1983 über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 sowie des Landesgesetzes LGBl. für Tirol 74/1991 (im folgenden: GVG 1983), antragsgemäß fest, daß "das Grundstück betreffend den entscheidungsgegenständlichen Rechtserwerb" den Bestimmungen des GVG 1983 nicht unterliege.
3. Über fristgerechte Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten behob die Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung diesen Bescheid wegen Unzuständigkeit und wies den "Antrag auf Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung" mit Bescheid vom 21. Dezember 1993 gemäß §6 Abs1 AVG iVm. §3 Abs1 GVG 1983 zurück. Sie begründete dies damit, daß ein nichtiges Umgehungsgeschäft und nicht ein Rechtserwerb im Sinne des §3 Abs1 GVG 1983 vorliege, sodaß es der Grundverkehrsbehörde "an der Zuständigkeit zur Fällung jeglicher Entscheidung" mangle.
4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrig kundgemachten Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.
5. Die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung als belangte Behörde (s. §§28 und 40 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes, LGBl. für Tirol 82/1993) hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie den bekämpften Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde begehrt.
II. 1. Im Hinblick auf die in der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof vorgebrachten Bedenken ob der Verfassungswidrigkeit der dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden gesetzlichen Bestimmungen hat der Verfassungsgerichtshof am 4. Dezember 1995 von Amts wegen beschlossen, aus Anlaß dieses Verfahrens die Verfassungsmäßigkeit der Z28 und 32 bis 34 des ArtI. des Gesetzes vom 3. Juli 1991, mit dem das Grundverkehrsgesetz 1983 geändert wird, LGBl. für Tirol 74/1991, zu prüfen. Mit Erkenntnis vom 28. September 1996, G50/96 ua., hat er festgestellt, daß das Gesetz LGBl. für Tirol 74/1991 verfassungswidrig war.
Die belangte Behörde hat bei Erlassung des bekämpften Bescheides verfassungswidrige Gesetzesbestimmungen angewendet. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß ihre Anwendung für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Partei nachteilig war.
Die beschwerdeführende Partei wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen in ihren Rechten verletzt (zB VfSlg. 10404/1985).
Der Bescheid war daher aufzuheben.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-- enthalten.
3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1996:B266.1994Dokumentnummer
JFT_10038990_94B00266_2_00