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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AuslBG §15 Abs1 Z2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des I M, vertreten durch Dr. Peter Philipp, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 17, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 20. Februar 1995, Zl. IV-600.006/FrB/95, betreffend Ungültigerklärung eines Sichtvermerkes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit Bescheid vom 20. Februar 1995 erklärte die Bundespolizeidirektion Wien (die belangte Behörde) gemäß § 11 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, den von ihr dem Beschwerdeführer, einem türkischen Staatsangehörigen, am 11. Mai 1992 erteilten Sichtvermerk für ungültig.
Der Beschwerdeführer habe am 26. April 1990 unter Vorweis eines Befreiungsscheines des Arbeitsamtes für Handel, Transport und Verkehr, der ihm aufgrund seiner Eheschließung mit einer (im Bescheid genannten) österreichischen Staatsbürgerin erteilt worden sei, einen Sichtvermerksantrag gestellt. Auf der Grundlage des genannten Sachverhaltes seien dem Beschwerdeführer zunächst befristete Sichtvermerke und schließlich am 11. Mai 1992 ein unbefristeter Sichtvermerk erteilt worden. Die Ehe sei einvernehmlich am 8. April 1993 geschieden worden.
Der Beschwerdeführer habe angegeben, daß er mit seiner Ehefrau einen gemeinsamen Haushalt geführt habe und die Ehe vollzogen worden sei.
Die frühere Ehegattin des Beschwerdeführers habe jedoch abweichend davon angegeben, daß sie die Ehe entgeltlich und lediglich zum Schein geschlossen habe und daß die Ehe nicht vollzogen worden sei.
Aufgrund der Unglaubwürdigkeit der Aussagen des Beschwerdeführers, die "vor allem auf der zeugenschaftlich unter Wahrheitsverpflichtung gemachten Aussage (seiner) früheren Ehegattin sowie aufgrund (der) mangelnden Deutschkenntnisse (des Beschwerdeführers) sowie der mangelnden Türkischkenntnisse ... (seiner) früheren Gattin beruhen", werde den schlüssigen und widerspruchsfreien Angaben seiner früheren Ehegattin Glauben geschenkt. Es sei daher die Annahme gerechtfertigt, daß der Beschwerdeführer die Ehe nur deshalb geschlossen habe, um sich eine Arbeitsbewilligung (den Befreiungsschein) und in der Folge einen Sichtvermerk zu verschaffen und damit auch die Anwartschaft auf die österreichische Staatsbürgerschaft zu erlangen. Der Beschwerdeführer habe sohin vor dem Arbeitsamt unrichtige Angaben gemacht und sich dadurch den Befreiungsschein erschlichen. Aufgrund des rechtswidrigen Verhaltens des Beschwerdeführers sei die Annahme gerechtfertigt, daß sein weiterer Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden würde.
Der Beschwerdeführer sei verheiratet, seine Ehefrau lebe in der Türkei; er sei für seinen in Österreich lebenden Sohn sorgepflichtig und als Bauhelfer in Österreich beschäftigt. Durch die Ungültigerklärung seines Sichtvermerkes erfolge zweifellos ein "erheblicher Eingriff" in seine Lebenssituation. Die nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Ungültigerklärung überwögen jedoch die Beeinträchtigung dieser Lebenssituation, da die vorliegende Ungültigerklärung aufgrund des rechtswidrigen Verhaltens des Beschwerdeführers zur Verteidigung der Ordnung, insbesondere einer "geordneten Arbeitsmarktverwaltung" und eines "geordneten Fremdenwesens" sowie zur Verhinderung strafbarer Handlungen und der Wahrung der Rechte anderer dringend geboten sei.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 11 Abs. 1 FrG ist ein Sichtvermerk für ungültig zu erklären, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, welche die Versagung des Sichtvermerkes (§ 10 Abs. 1 und 2 FrG) rechtfertigen würden.
Nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG ist die Erteilung eines Sichtvermerkes zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
2.1. Der auf eine Verletzung des Rechtes auf Parteiengehör durch die belangte Behörde gerichteten Rüge, dem Beschwerdeführer sei die Aussage seiner früheren Ehegattin, daß die mit ihm geschlossene Ehe entgeltlich und lediglich zum Schein geschlossen worden wäre, nicht vorgehalten worden, ist entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer zu dieser Aussage am 22. Mai 1995 vor der belangten Behörde - auf deren Vorhalt hin - Stellung genommen hat (vgl. Blatt 38 der vorgelegten Verwaltungsakten).
2.2. Entgegen der Beschwerde hat sich die belangte Behörde nicht über die (im angefochtenen Bescheid festgestellte) einvernehmliche Scheidung der besagten Ehe im Jahr 1993 "hinweggesetzt"; dies schon deswegen, weil sich aus dem Umstand, daß die Ehe im Wege einer solchen Scheidung aufgelöst wurde, keine Aussage, darüber gewinnen läßt, welche Umstände für die früheren Ehepartner für die Eheschließung ausschlaggebend waren.
2.3. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, seine frühere Ehefrau hätte ihre Aussage, daß die Ehe entgeltlich und lediglich zum Schein geschlossen worden sei, schon im Zeitpunkt der Ehescheidung am 8. April 1993 bekannt geben können, weshalb diese Aussage "aufgrund des langen Verstreichens seit dem Zeitpunkt der Eheschließung bzw. Ehescheidung" nicht "lebensnah" und somit "unglaubwürdig" sei, ist ebenfalls nicht zielführend.
Gegen das Ergebnis der behördlichen Beurteilung, die Ehe des Beschwerdeführers sei nur zum Zweck der Erlangung eines Befreiungsscheines und eines Sichtvermerkes geschlossen worden, bestehen nämlich im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof obliegenden Prüfung der Beweiswürdigung (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keine Bedenken. Zufolge des im § 46 AVG verankerten Grundsatzes der Unbeschränktheit und Gleichwertigkeit der Beweismittel durfte sich die belangte Behörde auf die von ihr mit der früheren Ehefrau des Beschwerdeführers aufgenommene Niederschrift vom 29. November 1994 stützen, die die besagte Aussage enthält. Wenn sie dieser gegenüber der Darstellung des Beschwerdeführers, der in Abrede stellt, die Ehe nur zu den genannten Zwecken geschlossen zu haben, den Vorzug einräumte, setzte sie sich weder mit der Lebenserfahrung noch mit den Denkgesetzen in Widerspruch, zumal zum einen zwischen der Auflösung der Ehe im Jahr 1993 und der angesprochenen Aussage kein so langer Zeitraum liegt, daß diese - entgegen der Beschwerde - schon deswegen nicht glaubwürdig wäre, zum anderen dem Verwaltungsakt auch entnommen werden kann, daß der Beschwerdeführer nach der angesprochenen Scheidung offenbar seine frühere, in der Türkei lebende Ehefrau im Dezember 1993 wieder geheiratet hat (vgl. die gerichtliche Entscheidung betreffend die Auflösung der ersten Ehe im Jahr 1989, Aktenblätter 14 ff, sowie die Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde am 20. Februar 1995, Aktenblatt 38), und schließlich die frühere Ehefrau des Beschwerdeführers ihre besagten Angaben im wesentlichen gleichlautend auch schon früher, nämlich am 2. November 1994, beim Bundesministerium für Inneres gemacht hat (Aktenblatt 33).
2.4. Auf dem Boden der hg. Rechtsprechung bestehen auch keine Bedenken gegen die Auffassung der Behörde, daß die rechtsmißbräuchliche Eingehung der Ehe durch den Beschwerdeführer zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen ein Verhalten darstellt, welches dazu führt, daß die öffentliche Ordnung durch den (weiteren) Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich gefährdet wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. November 1994, Zl. 94/18/0557, mwH).
3. Nach dem Gesagten haftet dem angefochtenen Bescheid die von der Beschwerde geltend gemachte Rechtswidrigkeit nicht an. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 15. Oktober 1998
Schlagworte
Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1995180689.X00Im RIS seit
11.07.2001